© 2020 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 159/19 Steuerliche Berücksichtigung der Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in ausgewählten europäischen Staaten Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 159/19 Seite 2 Steuerliche Berücksichtigung der Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte in ausgewählten europäischen Staaten Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 159/19 Abschluss der Arbeit: 5. Dezember 2019 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 159/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Aktuelle Regelung in Deutschland 4 3. Regelungen in ausgewählten europäischen Staaten 4 3.1. Frankreich 4 3.2. Großbritannien 5 3.3. Italien 5 3.4. Niederlande 5 3.5. Österreich 6 3.6. Polen 7 3.7. Schweiz 7 3.8. Spanien 8 3.9. Ungarn 8 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 159/19 Seite 4 1. Fragestellung Der Auftraggeber bittet um eine Darstellung, ob und wie andere europäische Staaten Arbeitnehmer bei den Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte steuerlich entlasten . 2. Aktuelle Regelung in Deutschland Aufwendungen des Arbeitnehmers für die Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte werden im Einkommensteuergesetz (EStG) als Werbungskosten anerkannt und können im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung von den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit abgezogen werden. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 EStG ist zur Abgeltung der Aufwendungen eine Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer von 0,30 Euro anzusetzen, höchstens jedoch 4.500 Euro im Kalenderjahr . Ein höherer Betrag als 4.500 Euro ist anzusetzen, soweit der Arbeitnehmer einen eigenen oder ihm zur Nutzung überlassenen Kraftwagen benutzt. Nach § 9 Abs. 2 Satz 2 EStG können die Aufwendungen für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel angesetzt werden, soweit sie den im Kalenderjahr insgesamt als Entfernungspauschale abziehbaren Betrag übersteigen. 3. Regelungen in ausgewählten europäischen Staaten Die nachfolgenden Informationen sind, soweit nicht anders vermerkt, entnommen aus: Mennel, Annemarie; Förster, Jutta (Hrsg.): Steuern in Europa, Amerika und Asien, 120. Lieferung 2019. 3.1. Frankreich In Frankreich wird die Einkommensteuer auf das Jahreseinkommen natürlicher Personen erhoben . Das Gesamteinkommen ergibt sich aus der Zusammenrechnung der verschiedenen vom Steuerpflichtigen realisierten Einkünfte einschließlich der Einkünfte des Ehepartners und der abhängigen Kinder. Es gibt für verschiedene Einkommensklassen verschiedene Steuersätze. Von den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit kann optional eine Werbungskostenpauschale von 10 Prozent abgezogen werden. Damit sollen die laufenden berufsbedingten Aufwendungen wie zum Beispiel die Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsplatz abgedeckt sein. Der Abzug beträgt 2018 mindestens 437 Euro und maximal 12.502 Euro. Entscheidet sich der Arbeitnehmer für den 10%igen Abzug, ist die Übernahme eines Teils der Fahrtkosten durch den Arbeitgeber steuerfrei. Zu den durch den Arbeitgeber übernommenen Kosten gehören – die obligatorische Übernahme von 50 Prozent der Kosten für das Abonnement des öffentlichen Verkehrs, – die optionale finanzielle Unterstützung bei Benzin oder Strom, begrenzt auf 200 Euro oder Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 159/19 Seite 5 – eine optionale Carsharing-Gebühr in Höhe von 240 Euro (gemäß Finanzgesetz für 2019). Jedes Mitglied eines Haushalts kann individuell auf diesen Pauschalabzug verzichten und unter bestimmten Bedingungen den Abzug seiner tatsächlichen Ausgaben verlangen. In Bezug auf die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte gilt, dass nur die Kosten bis zu 40 Kilometer einfache Entfernung voll berücksichtigt werden. Kosten über diese Entfernungen hinaus können bei bestimmten familiären oder sozialen Umständen geltend gemacht werden.1 3.2. Großbritannien Bei der britischen Einkommensteuer ist als Einkommen die Summe der aus den einzelnen Einkunftsarten fließenden Einnahmen jeglicher Art definiert. Auf das gesamte steuerbare Einkommen wird ein dreistufiger, von der Einkommenshöhe abhängiger Steuertarif angewendet (2016/2017: 20, 40 und 45 Prozent). Von den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit können die damit zusammenhängenden (Werbungs -)Kosten abgesetzt werden. Die Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte werden dem Privatbereich zugerechnet und sind daher nicht berücksichtigungsfähig. Kostenerstattungen des Arbeitgebers für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit öffentlichen Nahverkehrsmitteln sind aber steuerfrei. 3.3. Italien Die Einkommensteuer wird auf das Gesamteinkommen natürlicher Personen erhoben. Das Gesamteinkommen besteht aus 6 Einkunftsarten. Die (Brutto-)Steuer ergibt sich aus der Anwendung eines gestaffelten progressiven Tarifs. Von den Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit dürfen keine spezifischen Werbungskosten abgezogen werden. Stattdessen wird eine steuerliche Ermäßigung in Form eines Absetzbetrages von der Bruttosteuer gewährt. Dieser beträgt maximal 1.880 Euro und ist regressiv ausgestaltet. Er sinkt auf 0 Euro, sofern der Gesamtbetrag der Einkünfte 55.000 Euro überschritten hat. 3.4. Niederlande In den Niederlanden wird kein einheitliches zu versteuernden Einkommen ermittelt. Stattdessen werden die zu einer Einkunftsart (Box) gehörenden Einkünfte getrennt voneinander ermittelt und mit verschiedenen Tarifen besteuert. Die für alle Boxen berechneten Steuern ergeben zusammengefasst die gesamte Steuerschuld. Die Einkommensteuertarife verlaufen progressiv, bis zu einem gewissen Einkommen und je nach Einkunftsart sind darin die Beiträge für die Sozialversicherung enthalten. 1 Le ministère de l'Action et des Comptes publics: Comment puis-je bénéficier de la déduction forfaitaire de 10%?, unter: https://www.impots.gouv.fr/portail/particulier/questions/comment-puis-je-beneficier-de-la-deduction -forfaitaire-de-10, sowie Existe-t-il une limite liée à l'éloignement de mon travail et de mon domicile pour la déduction de mes frais de transport?, beides abgerufen am 5. Dezember 2019. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 159/19 Seite 6 Bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit sind grundsätzlich keine Werbungskosten zum Abzug zugelassen. Eine Ausnahme bildet der Fahrkostenabzug für öffentliche Verkehrsmittel. Insbesondere unter den Bedingungen, dass – der Arbeitnehmer die Reisekosten selbst bezahlt, – die Fahrtentfernung mehr als 10 km beträgt und der Arbeitnehmer innerhalb von 24 Stunden hin- und herfährt, – regelmäßige Fahrten zum Arbeitsplatz stattfinden, in der Regel einmal pro Woche oder mindestens 40 Tage im Jahr, kann ein Arbeitnehmer für 2019 – zwischen 114 Euro (bei einer Entfernung zwischen 10 und 15 km und Fahrt an einem Tag in der Woche) und – höchstens 2.116 Euro (bei einer Entfernung zwischen 80 und 90 km sowie mehr als 90 km und Fahrten an 4 oder mehr Tagen in der Woche) geltend machen. Für Arbeitnehmer, die eine auf ihren Namen registrierte Chipkarte für den öffentlichen Nahverkehr haben, stellt der Nahverkehrsanbieter den Nachweis der Fahrten elektronisch bereit.2 3.5. Österreich Das österreichische Einkommensteuerrecht kennt sieben Einkunftsarten. Auf das ermittelte Einkommen ist ein Durchschnittsteuersatz anzuwenden, der von 25 Prozent bis 55 Prozent reicht. Die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit ergeben sich aus dem Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten. Es wird eine Werbungskostenpauschale in Höhe von 132 Euro jährlich gewährt. Dem Arbeitnehmer steht eine „kleine“ Pendlerpauschale steht zu, wenn die Benutzung eines Massenverkehrsmittels zumutbar ist. Diese beträgt jährlich: bei mindestens 20 km bis 40 km Entfernung 696,00 Euro, bei mehr als 40 km bis 60 km Entfernung 1.356,00 Euro, bei mehr als 60 km Entfernung 2.016,00 Euro. Die „große“ Pendlerpauschale steht dem Arbeitnehmer zu, wenn die Benutzung eines Massenverkehrsmittels nicht zumutbar ist. Diese beträgt jährlich: 2 Belastingdienst: Erläuterung 2016 zur C-Einkommensteuererklärung, unter: https://download.belastingdienst .nl/belastingdienst/docs/anleitung_zum_steuerformular_c_2016_ib3161t61fddui.pdf, sowie Belastingdienst : Ik reis met het ov naar m'n werk. Kan ik reiskosten aftrekken? unter: https://www.belastingdienst .nl/wps/wcm/connect/nl/auto-en-vervoer/content/ov-werk-reiskosten-aftrekken, beides abgerufen am 5. Dezember 2019. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 159/19 Seite 7 bei mindestens 2 km bis 20 km Entfernung 372,00 Euro, bei mehr als 20 km bis 40 km Entfernung 1.476,00 Euro, bei mehr als 40 km bis 60 km Entfernung 2.568,00 Euro, bei mehr als 60 km Entfernung 3.672,00 Euro. Wer Anspruch auf die Pendlerpauschale hat, kann zudem einen Verkehrsabsetzbetrag („Pendlereuro “) in Höhe von 400 Euro bis 690 Euro jährlich von der Steuerschuld abziehen. Der Vorteil eines vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellten Jobtickets ist für den Arbeitnehmer steuerfrei.3 3.6. Polen Im polnischen Einkommensteuergesetz gibt es neun Einkunftsarten. Die Einkommensbesteuerung erfolgt zum Teil nach einem allgemeinen progressiven dreistufigen Teilmengentarif (0, 18 und 32 Prozent) und zum Teil nach Sondersteuersätzen für bestimmte Einkunftsarten. Bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit werden folgende Werbungskostenpauschalen anerkannt: – Bei einem Arbeitsverhältnis 1.335 Złoty (ca. 314 Euro) jährlich. – Bei mehr als einem Arbeitsverhältnis 2.002,05 Złoty (ca. 471 Euro) jährlich. – Bei einem Arbeitsverhältnis und Arbeitsstelle außerhalb des Wohnortes 1.668,72 Złoty (ca. 392 Euro) jährlich. – Bei mehr als einem Arbeitsverhältnis und Arbeitsstelle außerhalb des Wohnortes 2.502,56 Złoty (ca. 589 Euro) jährlich. Tatsächlich höhere Aufwendungen werden nur berücksichtigt, sofern es sich um Kosten für öffentliche Verkehrsmittel handelt. 3.7. Schweiz Der schweizerische Einkommensbegriff ist umfassend, darunter fallen sämtliche wiederkehrende und einmalige Einkünfte. Diese umfassende Beschreibung wird durch eine beispielhafte Aufzählung von Einkünften ergänzt, zu denen auch die Einkünfte aus unselbständiger Erwerbstätigkeit gehören. Der vom Bund erhobene Tarif beruht auf einem System der Teilmengenstaffelung und ist stark progressiv ausgestaltet. 3 Bundesministerium für Finanzen: Allgemeines zur Pendlerpauschale, unter: https://www.bmf.gv.at/steuern/arbeitnehmer -pensionisten/pendlerpauschale/pendlerpauschale-allgemein.html, und Informationen zur Pendlerförderung , unter: https://www.bmf.gv.at/steuern/arbeitnehmer-pensionisten/pendlerpauschale/informationenzur -pendlerfoerderung.html, beides abgerufen am 4. Dezember 2019. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 159/19 Seite 8 Von dem im Lohnausweis erscheinenden Bruttolohn können die Berufskosten in Abzug gebracht werden. Der Bund erkennt ab dem Steuerjahr 2016 folgende Kosten für Fahrten zwischen Wohnund Arbeitsstätte an: – Die notwendigen Auslagen für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder – für Fahrten mit eigenen Fahrrädern, Motorfahrrädern und Motorräder mit gelbem Kontrollschild : 700 Franken (ca. 629 Euro) im Jahr, – für Fahrten mit eigenen Motorrädern mit weißem Kontrollschild: pro Fahrtkilometer 0,40 Franken (0,36 Euro), – für Fahrten im eigenen Auto: pro Fahrtkilometer 0,70 Franken (0,63 Euro) Der Maximalbetrag des Abzugs ist auf 3.000 Franken (ca. 2.698 Euro) im Jahr begrenzt.4 3.8. Spanien Das spanische Einkommen einer natürlichen Person setzt sich aus den Einkünften der einzelnen Einkunftsarten, den Vermögensgewinnen und Vermögensverlusten sowie den Hinzurechnungsbeträgen zusammen. Beim Steuertarif ist zwischen dem integrierten Progressivtarif für den allgemeinen Teil der Besteuerungsgrundlagen und dem integrierten Proportionaltarif für die Vermögensgewinne und Vermögensverluste sowie zwischen den zentralstaatlichen und den regionalen Steuertarifen zu unterscheiden. Von den Bruttoeinkünften aus nichtselbständiger Arbeit sind im Einkommensteuergesetz abschließend genannte Aufwendungen steuerlich abziehbar, dazu gehören insbesondere die Sozialversicherungsbeiträge des Arbeitnehmers. Fahrtkosten gehören nicht zu den genannten Aufwendungen . Für alle nicht genannten Aufwendungen kann eine Pauschale in Höhe von 2.000 Euro geltend gemacht werden. 3.9. Ungarn In Ungarn wird ein einheitlicher Steuersatz in Höhe von 15 Prozent auf die zusammengefasste Steuerbemessungsgrundlage (Einkünfte aus selbständiger Arbeit, unselbständiger Arbeit und aus sonstigen Einkünften) und auf die separat zu versteuernden Einkünfte (Einkünfte aus Vermögensübertragungen , Kapitalvermögen, gehaltsfremden Zuwendungen und aus zinsbegünstigten Arbeitgeberdarlehen ) angewendet. Werbungskosten gibt es nicht. * * * 4 Eidgenössisches Finanzdepartement (EFD): Verordnung des EFD über den Abzug der Berufskosten unselbständig Erwerbstätiger bei direkter Bundessteuer, Stand 1. Januar 2016, unter: https://www.admin.ch/opc/de/classified -compilation/19930032/201601010000/642.118.1.pdf, abgerufen am 4. Dezember 2019.