Deutscher Bundestag Funktionsweise und Bedeutung von Kreditderivaten Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 4 – 3000 - 159/10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 - 159/10 Seite 2 Funktionsweise und Bedeutung von Kreditderivaten Verfasser: Aktenzeichen: WD 4 – 3000 - 159/10 Abschluss der Arbeit: 1. Juli 2010 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 - 159/10 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Funktionsweise und Arten 4 2. Der Markt für Kreditderivate 6 2.1. Marktteilnehmer 6 2.2. Volumina 7 3. Die wirtschaftliche Bedeutung von Credit Default Swaps 9 4. Gefahren von Kreditderivaten für die Finanzmarktstabilität 10 5. Regulierung 11 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 - 159/10 Seite 4 1. Funktionsweise und Arten Zweck von Kreditderivaten ist es, das Kreditrisiko von der zugrundeliegenden Kreditbeziehungzu lösen und es am Markt handelbar zu machen (Kreditrisikotransfer). In der Grundstruktur aller Kreditderivate übernimmt ein Risikonehmer (Sicherungsgeber) gegen eine Gebühr von dem Risikogeber (Sicherungsnehmer) das Risiko des Kreditereignisses. Tritt das Kreditereignis ein, muss der Risikonehmer den Schaden zu den vereinbarten Konditionen übernehmen. Das Kreditereignis kann in Form der Insolvenz des Kreditnehmers, des Ausbleibens einer fälligen Zahlung, einer Schuldenrestrukturierung, der Ratingverschlechterung oder der Wertänderung des zugrundeliegenden Geschäfts (Referenzaktivum) eintreten. Kreditderivate sind von daher mit Versicherungsverträgen vergleichbar. Gegenstand von Kreditderivaten können einzelne Kredite, Kreditrisikobestandteile und Risiken ganzer Kreditportfolios sein. Die Laufzeit der Kreditderivate wird zwischen den Parteien frei vereinbart , ist aber oft kürzer als die Laufzeit der Kredite. Ein Großteil der derivativen Geschäfte wird außerbörslich (Over-the-Counter, OTC-Geschäfte) gehandelt. Bei Kreditderivaten steht für den Risikogeber die Absicherung eigener Kreditrisiken und die präzise Steuerung der Ausschöpfung von Kreditlinien im Vordergrund. Ist der Risikonehmer eine Bank, verfolgt sie oft das Ziel einer besseren Diversifizierung des Gesamtportfolios und die Verbesserung des Zugangs zu einzelnen Segmenten der Kreditmärkte. Intermediärbanken als Risikonehmer (Fonds etc.) verfolgen mit dem Handel von Kreditderivaten die Erzielung von Handelsund Provisionsgewinnen. 1 Die drei Grundformen von Kreditderivaten sind der Credit Default Swap (CDS), der Total Return Swap (TRS) und die Credit Linked Note (CLN). Unter diesen dreien kommt der CDS mit Abstand am häufigsten vor. Der CDS ermöglichst es einem Kreditgeber, sich gegen den Ausfall eines einzelnen Kredits abzusichern , ohne dass der Verkauf des Kredits stattfinden muss. Bei der standardisierten Form des CDS zahlt der Kreditgeber (Risikogeber) eine periodische Prämie an den Risikonehmer. Im Gegenzug erhält er bei Eintritt des Kreditereignisses eine Ausgleichszahlung in Höhe der entstandenen Verluste. Es handelt sich beim CDS um eine sog. synthetische Verbriefung, weil der Kredit beim Kreditnehmer verbleibt, und um einen Unfunded Sale, weil eine Zahlung zwischen Risikogeber und Risikonehmer nur im Schadensfall erfolgt. Alternativ kann vereinbart werden, dass der Risikonehmer das Referenzaktivum gegen Zahlung des Nominalwerts vom Risikogeber übernimmt. Die Höhe der periodischen Prämie bestimmt sich nach der Bonität des Referenzschuldners, der Bonität des Risikogebers, der Wahrscheinlichkeit des gemeinsamen Ausfalls von Risikonehmer und Referenzaktiva, der Verwertungsrate des zugrundeliegenden Kreditgeschäfts, der Laufzeit 1 Deutsche Bundesbank: Instrumente zum Kreditrisikotransfer: Einsatz bei deutschen Banken und Aspekte der Finanzstabilität, in Monatsbericht April 2004, S. 27-46, unter: http://www.bundesbank.de/download/volkswirtschaft/monatsberichte/2004/200404mb.pdf, abgerufen am 17. Juni 2010, sowie Rudolph, Bernd: Ursachen und Lehren der Finanzkrise aus akademischer Sicht, Arbeitskreis Strategieentwicklung und Controlling in Banken der Schmalenbach-Gesellschaft, Tagung am 20. März 2009, unter : http://www.kmf.bwl.uni-muenchen.de/schmalenbach/download/rudolph.pdf, abgerufen am 23. Juni 2010. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 - 159/10 Seite 5 des CDS und der Definition des Kreditereignisses.2 Die Definition des Kreditereignisses erfolgt üblicherweise standardisiert durch Bezugnahme auf die Rahmenverträge der International Swaps and Derivates Association (ISDA). CDS können aber nicht nur der Absicherung eines einzelnen Kredits, sondern eines ganzen Portfolios von Referenzaktiva dienen. Bei diesen CDS wird entweder nur der bestimmte Ausfall innerhalb des Referenzportfolio abgesichert oder der CDS wird tranchiert und bei Eintritt von Kreditereignissen in einer bestimmten Reihenfolge bedient.3 Beim TRS werden Absicherungen gegen verschiedene Risiken wie Ausfall-, Bonitätsänderungsund Zinsänderungsrisiken miteinander kombiniert. Der zugrundeliegende Kredit bleibt ebenfalls in der Bilanz des Kreditgebers (synthetische Verbriefung). Eine Zahlung wird erst mit Eintreten des Kreditereignisses fällig (Unfunded Sale). Charakteristikum des TRS ist der regelmäßige Austausch zwischen Risikogeber und Risikonehmer: Der Risikogeber leitet die gesamten Zinserträge aus dem Referenzaktivum an den Risikonehmer weiter. Darüber hinaus erhält dieser die eventuelle Marktwertsteigerungen des Referenzaktivums. Dafür leistet der Risikonehmer eine Zinszahlung in variabler Höhe (orientiert an einem Marktzins) mit einem Zu- oder Abschlag, der von der Bonität des Referenzaktivums sowie von der Kreditwürdigkeit der Beteiligten abhängt. Verliert das Referenzaktivum an Marktwert, so hat der Risikonehmer entsprechende Ausgleichsleistungen an den Risikogeber zu zahlen. Normalerweise beziehen sich TRS auf liquide Aktiva oder auf Marktindizes, sodass der Marktpreis jederzeit ermittelbar ist. Für illiquide Aktiva werden alternative Preisfindungsmechanismen, wie etwa eine Händlerbefragung, vereinbart.4 Bei der CLN werden die Risiken ganzer Kreditportfolios transferiert. Auch in diesem Fall handelt es sich um eine synthetische Verbriefung. Man spricht bei CLN von einem Funded Sale, weil der Risikonehmer unmittelbar eine Zahlung leistet, die dem erwarteten Risiko aus dem Kreditportfolio entspricht. Sie besteht in dem Kauf von Anleihen oder Schuldverschreibungen, die der Risikogeber auf das Kreditportfolio emittiert. Diese weisen einer periodisch feste Verzinsung auf, die der Risikonehmer erhält. Die Rückzahlung der CLN hängt wiederum vom Eintritt des vorher definierten Kreditereignisses ab. Wenn das Kreditereignis ausbleibt, erfolgt die Rückzahlung der Anleihen oder Schuldverschreibungen durch den Risikogeber zum Nennwert. Tritt das Kreditereignis ein, wird der Rückzahlungsbetrag um den Verlust gekürzt, den der Risikogeber im ursprünglichen Kreditgeschäft erlitten hat. 2 Erfolgt die Zahlung der Prämie einmalig statt periodisch, spricht man von einer Credit Default Option. 3 Deutsche Bundesbank, Instrumente zum Kreditrisikotransfer, a. a. O., S. 30, Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung: Jahresgutachten 2007/2008, Bundestags-Drucksache 16/7083, S. 110f., und Weistroffer, Christian: Credit Default Swaps, Deutsche Bank Research, Themen international, Aktuelle Themen 477 vom 8. März 2010, unter: http://www.dbresearch.de/PROD/DBR_INTERNET_DE- PROD/PROD0000000000254634.pdf, abgerufen am 17. Juni 2010. 4 Deutsche Bundesbank, Instrumente zum Kreditrisikotransfer, a. a. O., S. 30, und Böhm-Dries, Anne; Kruse, Susanne: Kreditderivate, in: das wirtschaftsstudium, 6/08, S. 854-859. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 - 159/10 Seite 6 Bei den CLN trägt der Risikonehmer ein doppeltes Kreditrisiko: Das Referenzaktivum kann an Wert verlieren und der Emittent der Anleihen oder Schuldverschreibungen kann zahlungsunfähig werden. Das führt in der Regel zu einem erhöhten Risikoaufschlag bei der Verzinsung. Für den Risikogeber hat das Instrument der CLN den Vorteil, dass das Risiko aus dem ursprünglichen Kreditgeschäft durch den Emissionserlös sofort abgedeckt ist. Auch CLN können tranchiert und nach eine bestimmten Reihenfolge bedient werden. Oft werden die Tranchen von Ratingagenturen bewertet.5 Die oben genannten Typen von Kreditderivaten werden in der verschiedensten Weise kombiniert . Häufig wird eine Zweckgesellschaft zwischengeschaltet, die die Kredite von den Risikogebern übernimmt. Ein Beispiel für eine solche Konstruktion ist der synthetische CDO (Collateralised Debt Obligation), der eine Kombination aus CDS und CLN darstellt.6 2. Der Markt für Kreditderivate 2.1. Marktteilnehmer Die wichtigsten Teilnehmer am Markt für Kreditderivate sind Banken, Hedge-Fonds und Versicherungsunternehmen . Der Großteil des Kreditderivategeschäfts entfällt auf eine kleine Gruppe großer Investmentbanken und Wertpapierhändler (Dealer), die einen Großteil der eingegangenen Risiken durch Absicherungsgeschäfte wieder ausgleicht. Die Dealer treten dabei sowohl als Käufer als auch als Verkäufer von Kreditderivaten auf. Nachdem im Zuge der Finanzkrise bekannte Institute aus dem Markt ausgeschieden sind, dürfte der Kreis der Banken noch kleiner geworden sein. Nach einer Umfrage unter 26 großen Markteilnehmern durch die Ratingagentur Fitch Ratings (2009) sind die fünf größten befragten Institute für etwa 88 % der gehandelten Volumina verantwortlich. Neben ihrer Rolle als CDS-Dealer treten die Banken im Rahmen ihres Kreditrisikomanagements auch als CDS Sicherungskäufer und -verkäufer auf. Sowohl Banken als auch Investmenthäuser, Hedge-Funds und institutionelle Investoren nutzen CDS zur Umsetzung von Eigenhandelsstrategien . Der Marktanteil der Hedge-Fonds verdoppelte sich dabei zwischen 2004 und 2006 auf 30 % und ließ sie zur zweitwichtigste Gruppe in diesem Markt nach den Banken aufsteigen. Im Gegensatz zu Banken und Hedge-Fonds, die gleichermaßen als Käufer und Verkäufer auftreten , agieren Versicherungsunternehmen überwiegend als Sicherungsgeber, indem sie ihre gute Unternehmensbonität für das Angebot zur Übernahme von Ausfallrisiken nutzen. 5 Deutsche Bundesbank, a. a. O., S. 31, und Sachverständigenrat, a. a. O., S. 111. 6 Sachverständigenrat, a. a. O., S. 111f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 - 159/10 Seite 7 Nach einer Umfrage der British Bankers Association (BBA) hielten die wichtigsten Teilnehmer im Jahr 2008 folgende geschätzte Anteile am Markt für Sicherungsgeber bzw. Sicherungsnehmer:7 Marktteilnehmer Prozentualer Anteil am Markt für Sicherungsgeber Prozentualer Anteil am Markt für Sicherungsnehmer Banken - Handel 33% 36% Banken - Absicherung 7% 18% Hedge-Fonds 31% 28% Monoline und andere Versicherer 18% 6% Andere 11% 11% Summe 100% 100% 2.2. Volumina Es ist relativ schwer, die genaue Größe des Marktes für Kreditderivate einzuschätzen, weil die Geschäfte zumeist „OTC“ abgewickelt werden und deshalb keine umfassende und disaggregierte Statistik vorliegt. Die von verschiedenen Anbietern erstellten Statistiken beruhen auf unterschiedlichen Erhebungsmethoden bzw. Datengrundlagen. Statistiken stellen entweder die Banken oder Verbände von anderer Marktteilnehmern zur Verfügung. Hauptanbieter von Statistiken sind die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), die ISDA sowie die Depository Trust & Clearing Corporation (DTCC), die jedoch nur einen Teil der weltweiten CDS-Transaktionen erfasst.8 Die folgenden Zahlen über die Bruttonominalwerte9 der offenen Kontrakte bei Kreditderivaten stammen aus der halbjährlichen OTC-Derivatestatistik des wichtigsten Anbieters von Statistiken, der BIZ. Die letzte Statistik wurde im Quarterly Review June 2010 veröffentlicht. Zu dieser Statis- 7 Weistroffer, Christian, a. a. O., S. 6f. 8 Weistroffer, Christian, a. a. O., S. 5 sowie Antwort der Bundesregierung auf einen Kleine Anfrage der Fraktion der FDP: Finanzpolitische Bewertung von Credit Default Swaps, Bundestags-Drucksache 16/12086. 9 Seit Oktober 2008 veröffentlicht die DTCC auch Nettonominalwerte. Die Nettonominalwerte des Finanzsektors betragen rund ein Zehntel der ausstehenden Volumina. Der Unterschied zwischen den beiden Größen ergibt sich daraus, dass ein Großteil der abgeschlossenen CDS-Geschäfte lediglich Durchgangsposten sind, bei dem Risiken aus einem CDS-Geschäft durch den Abschluss eines weiteren Geschäfts abgesichert werden (Mehrfachtransfer von Kreditrisiken). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 - 159/10 Seite 8 tik berichten rund 60 marktführende Banken auf Konzernbasis, d. h. einschließlich ihrer Filialen und Töchter mit Sitz in den G 10-Ländern. Aus Deutschland nehmen an der Erhebung sechs im Derivategeschäft aktive Banken teil (Angaben in Mrd. US$).10 Zeitpunkt der Erfassung Credit Default Swaps (CDS) Over-the-counter (OTC)-Derivate gesamt CDS im Verhältnis zu OTC- Derivaten gesamt Von deutschen Banken gemeldete Kreditderivate Dez. 2004 6 396 257 894 2,48% 1 180 Juni 2005 10 211 281 493 3,63% 1 963 Dez. 2005 13 908 297 670 4,67% 2 682 Juni 2006 20 352 370 178 5,50% 3 463 Dez. 2006 28 650 414 845 6,91% 3 816 Juni 2007 42 580 516 407 8,25% 5 150 Dez. 2007 58 244 595 738 9,78% 6 063 Juni 2008 57 403 683 814 8,39% 6 053 Dez. 2008 41 883 547 983 7,64% 4 523 Juni 2009 36 046 604 617 5,96% 4 025 Dez. 2009 32 693 614 674 5,32% 3 858 Die Tabelle verdeutlicht die schnelle und deutliche Zunahme von CDS. Innerhalb von drei Jahren , von Dezember 2004 bis zum Höhepunkt im Dezember 2007, haben sich die Bruttonominalwerte mehr als verneunfacht. Mit Beginn der Finanzkrise ging das Volumen innerhalb von zwei Jahren auf 56 % zurück und betrug im Dezember nur noch 32 693 Mrd. US$. Auch der Marktanteil der CDS am gesamten OTC-Derivatemarkt hat sich mit 5,32 % wieder bei einem Wert vom Juni 2006 eingependelt, nachdem er zwischenzeitlich fast 10 % betragen hatte. Die von den deutschen Banken gemeldeten Kreditderivate spiegeln die internationale Entwicklung wider. Nach dem Boom im Dezember 2007 und Juni 2008 verringerten sich die Bruttonominalwerte um 36 %. Auffallend an den deutschen Werten ist, dass ihr Anteil an den gesamten CDS im Dezember 2004 rund 18,5 % und bei den beiden folgenden Erhebungszeiträumen sogar 19 % betragen hat. Da- 10 Deutsche Bundesbank: Zahlungsbilanzstatistik, Statistisches Beiheft zum Monatsbericht 3, Mai 2010, S. 84. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 - 159/10 Seite 9 nach, auch im Boom, ging der Anteil zurück und hat sich, bezogen auf die letzten Erhebungszeiträume , zwischen 10 und 12 % eingependelt. 3. Die wirtschaftliche Bedeutung von Credit Default Swaps CDS werden von den Markteilnehmern aus verschiedenen Gründen verwendet.11 Zum einen benutzen Kreditgeber CDS als Absicherungsinstrument, mit dessen Hilfe sie ein aktives Kreditrisikomanagement betreiben können. Die Absicherung über einen CDS bietet zum Beispiel einer Bank, die schon viele Kredite an Unternehmen einer bestimmten Branche vergeben hat, die Möglichkeit , einen weiteren Kredit an die Branche zu vergeben, ohne dabei das Konzentrationsrisiko zu erhöhen. Im Gegensatz zu alternativen Risikosteuerungsinstrumenten, wie zum Beispiel dem kompletten Verkauf der Kreditforderung, kann beim CDS das Risikoprofil gesteuert werden, ohne dabei die zugrundeliegende Kundenbeziehung zu berühren. Zum anderen werden CDS-Verträge aber auch zu reinen Handelszwecken abgeschlossen, bei denen darauf spekuliert wird, dass sich die Kreditrisiken in eine bestimmte Richtung entwickeln. Erhöht sich zum Beispiel die Wahrscheinlichkeit der Zahlungsunfähigkeit, so steigt das Versicherungsrisiko und damit die Prämie für den CDS-Sicherungsgeber. Dieser Profit aus der gestiegenen Prämie steht bei spekulativen Geschäften im Vordergrund. CDS-Verträge sind für spekulative Geschäfte besonders interessant, da der Spekulant im Unterschied zum Beispiel zum Erwerb von Schuldtiteln, abgesehen von der Bereitstellung von Sicherheiten , die Kreditsumme nicht vorfinanzieren muss. Er kann daher mit einem relativ geringen finanziellen Einsatz einen großen Gewinn erzielen. Durch die Nutzung von CDS zu Spekulationszwecken gewinnt der Markt grundsätzlich an Tiefe und Liquidität. Dadurch finden die Marktteilnehmer schneller einen Kontraktpartner und durch die häufigen Transaktionen wird auch der Preisfindungsprozess verbessert (zu den potentiellen Risiken siehe unten). Die wirtschaftliche Bedeutung der CDS für das gesamte Finanzsystem wird darüber hinaus darin gesehen, dass die CDS-Prämien durch die sensible und schnelle Reaktion auf Marktinformationen ein wichtiges Maß für Kreditrisiken sein können. CDS-Prämien können somit ein wichtiges Instrument der Risikobewertung und –steuerung von Geschäftsbanken, aber auch Notenbanken sein. Schließlich können theoretisch durch die breitere Verteilung des Kreditrisikos Schocks auf der Ebene des Finanzsystems besser absorbiert werden, da durch die CDS die Risiken potentiell auf diejenigen übertragen werden, die am ehesten in der Lage sind, die Risiken auch zu übernehmen. Die Entwicklungen während der Finanzkrise seit 2007 haben jedoch deutlich gemacht, dass der vermehrte Einsatz von Kreditderivaten auch erhebliche Gefahren für die Finanzmarktstabilität beinhaltet. 11 Weistroffer, Christian, a. a. O., S. 8ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 - 159/10 Seite 10 4. Gefahren von Kreditderivaten für die Finanzmarktstabilität Risiken für das Finanzsystem können durch den vermehrten Einsatz von Kreditderivaten zum einen durch die Förderung von Anreizverzerrungen entstehen.12 Es besteht die Gefahr, dass Grundfunktionen von Finanzinstituten, wie die Auswahl und Betreuung von Kreditrisiken, außer Kraft gesetzt werden, da die von einer mangelnden Erfüllung dieser Aufgaben ausgehenden Verluste nicht mehr selbst getragen werden. Dadurch kann es im Ergebnis zu einer laxeren Prüfung bei der Kreditvergabe und/oder zu einer schlechteren Überwachung des Schuldners kommen, wodurch die Risiken im Finanzsystem insgesamt steigen. Die Risiken können zum anderen dadurch steigen, dass die Kreditderivate nicht effizient verteilt werden. Das heißt, sie werden zum Teil auf Akteure außerhalb des Bankensystems (zum Beispiel Hedge-Fonds) übertragen, die über kein angemessenes Risikomanagement verfügen und einer geringeren Aufsicht unterworfen sind. Außerdem sind durch den vermehrten Einsatz von Kreditderivaten neue Ansteckungsmöglichkeiten entstanden. Dabei spielt die Struktur des Marktes eine entscheidende Rolle, die durch hohe Konzentration des Handels bei wenigen großen Banken gekennzeichnet ist.13 Über ihr eigenes Engagement als Vertragspartei von CDS-Verträgen (Sicherungsnehmer oder Sicherungsgeber) hinaus sind die Banken auch oft Referenzschuldner und als CDS-Dealer tätig. Aufgrund dieser starken Vernetzung der Akteure und der damit verbundenen Ansteckungsgefahr kann beim Ausfall eines Markteilnehmers auch der Großteil der anderen Marktteilnehmer in Schwierigkeiten geraten, sodass der reibungslose Handel mit CDS erheblich beeinträchtigt wird. Durch einen Mangel an Transparenz können diese Probleme zusätzlich verstärkt werden. Der Zusammenbruch von Lehman Brothers, einem Hauptakteur des CDS-Marktes, im September 2008 gilt als Beispiel dafür, wie ungenügende Transparenz zu übertriebenen Marktreaktionen führen kann. Als Lehman Insolvenz anmelden musste, gab es große Unsicherheit über die Höhe der ausstehenden Risiken und der Frage, welche Institute betroffen waren. Aufgrund dieser Unsicherheit kam es zu panikartigen Marktreaktionen (massiver Verkauf von Bankaktien etc.), die die Finanzkrise beschleunigt haben. Eine bessere Informationslage hätte eventuell zu weniger starken Reaktionen geführt.14 Schließlich wird auch der verstärkte Einsatz von CDS für Spekulationszwecke als Gefahr für die Finanzmarktstabilität angesehen. Den Spekulanten wird vorgeworfen, dass sie die Preise für Kreditversicherungen bewusst in ungerechtfertigte Höhen treiben. Dadurch wiederum würden die Finanzierungkosten von Unternehmen und Staaten negativ beeinflusst, sodass das tatsächliche Ausfallrisiko erhöht wird. Insgesamt würde die Tätigkeit der Spekulanten damit, anstatt vorhandene Risiken zu bewerten, zusätzliche Risiken schaffen. 12 Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung: Jahresgutachten 2009/2010, Bundestags-Drucksache 17/44, S. 158. 13 Deutsche Bundesbank, Instrumente zum Kreditrisikotransfer, a. a. O., S. 49. 14 Weistroffer, Christian, a. a. O., S. 16. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 - 159/10 Seite 11 Ob die Spekulanten tatsächlich eine Quelle zusätzlicher Risiken darstellen, ist jedoch in der politischen und wissenschaftlichen Diskussion umstritten. Die Befürworter von CDS weisen zum Beispiel darauf hin, dass während der aktuellen Griechenland-Krise die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) keinerlei Hinweise dafür gefunden hat, dass die Prämien durch massive Spekulation unrechtmäßig in die Höhe getrieben worden. Die wesentliche Ursache des Anstiegs der CDS-Prämien wäre demnach die wachsende Nachfrage nach Kreditabsicherungen für das Länderrisiko Griechenland.15 5. Regulierung Um die systemischen Risiken, die von Kreditderivaten ausgehen, zu reduzieren, wird aktuell insbesondere vorgeschlagen, sie entweder auf Börsen oder auf zentrale Gegenparteien zu überführen .16 Eine zentrale Gegenpartei ist eine juristisch unabhängige private Institution, die als Vertragspartner für beide Seiten auftritt und das Risiko der Vertragserfüllung (sog. Gegenparteirisiko) übernimmt, dafür aber im Vorhinein Sicherheitsleistungen verlangt. Sowohl Börsen als auch zentrale Gegenparteien haben dabei zusätzlich den Vorteil, dass die bilateralen Nettopositionen jedes einzelnen Teilnehmers ermittelt werden können. Dadurch reduzieren sie die Komplexität und Vernetzung und erhöhen damit die Markttransparenz. Der potentielle Nachteil eines Systems mit einer zentralen Gegenpartei ist allerdings, dass der Ausfall selbst wieder zum Systemrisiko wird, da nun alle Teilnehmer auf einmal betroffen wären . Von daher müsste die zentrale Gegenpartei besonderen Sicherheitsanforderungen genügen, zum Beispiel hohe Kapitalpuffer und eine strenge staatliche Aufsicht. Namentlich plant die EU-Kommission für Oktober 2010 eine Legislativvorschlag zur Verbesserung von Transparenz und Stabilität auf den Derivatemärkten. Dieser soll u. a. Rechtsvorschriften zur Festlegung gemeinsamer Sicherheits-, Regulierungs- und Betriebsstandards für zentrale Gegenparteien vorschlagen und für standardisierte Kontrakte das Clearing über eine zentrale Gegenpartei verbindlich vorgeben. Alle nicht über eine Clearingstelle abgewickelten Transaktionen sollen in einem Transaktionsregister veröffentlicht werden.17 15 Lüdemann, Carsten: Regulierung von Credit Default Swaps, Deka Bank Volkswirtschaft Spezial Nr. 5/2010 vom 30. März 2010, unter: http://www.fundresearch.de/startseite/pdf/53390931032010_CDS-Studie.pdf, abgerufen am 17. Juni 2010, S. 6f. 16 Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung: Jahresgutachten 2009/2010, Bundestags-Drucksache 17/44, S. 145. 17 Lingen, Kai: Europapolitische Vorschau vom 22. Juni 2010, Deutscher Bundestag, Referat PA 1, S. 4.