© 2018 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 158/18 Steuern und nichtsteuerliche Abgaben auf CO2-Emissionen Verfassungsrechtliche Möglichkeiten und Grenzen Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Voraussetzungen der Verbrauchsteuer 8 3.2.3.1. Keine ausschließliche Belastung von Produktionsmitteln 8 3.2.3.2. Abwälzbarkeit der Steuerlast auf den Endverbraucher 9 3.2.3.3. Verbrauchsfähigkeit des besteuerten Gutes 11 3.2.3.4. Übergang des Verbrauchsgutes aus einem steuerlichen Nexus 11 3.2.3.5. Zwischenergebnis 12 3.3. Die CO2-Steuer als Aufwandsteuer 12 3.4. Ausweitung des Anwendungsbereiches der Verbrauchsteuer- Definition 13 3.4.1. Einfachgesetzliche Änderung der Verbrauchsteuer-Definition 13 3.4.2. Verfassungsrechtliche Definition der Verbrauchsteuer 14 3.4.3. Mögliche Auswirkungen einer erweiterten Legaldefinition der Verkehrsteuern 15 4. Nichtsteuerliche Abgaben auf CO2-Emissionen 16 4.1. Sonderabgaben 16 4.2. Vorteilsabschöpfungsabgaben 18 5. Bewertung der abgabenrechtlichen Instrumente des Klimaschutzes 18 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 158/18 Seite 4 1. Fragestellung Geprüft werden soll die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für eine Steuer oder sonstige Abgabe auf fossilhaltige Energieträger anknüpfend an deren CO2-Gehalt bzw. an ein CO2-Äquivalent und mögliche andere Ausgestaltungsformen einer CO2-Abgabe bzw. CO2-Steuer. Hierzu stellt der Auftraggeber nachfolgende Fragen: 1. Wäre eine solche Abgabe grundsätzlich als Steuer (i.S.d. §3 Abs. 1 AO) oder sonstige Abgabe zu qualifizieren? 2. Wie würde sich eine unterschiedliche Kategorisierung auf die nachfolgenden Fragestellungen auswirken? 3. Könnte eine wie oben beschriebene oder anderweitig ausgestaltete CO2-Abgabe/Steuer unter den Typusbegriff der Verbrauchsteuer i.S.d. Art. 106 Abs 1. Nr. 2 subsumiert werden ? 4. Falls ja, woran macht sich hierbei der Unterschied zur vormaligen Kernbrennstoffsteuer fest? Kommt es dabei auf die Einordnung als reiner Produktionsmittel oder als privates Konsumgut an? 5. Welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten können allgemein zur Kernbrennstoffsteuer ausgemacht werden? 6. Falls nein, könnte sie unter einen anderen Typusbegriff des GG subsumiert werden? 7. Falls sie sich unter keinen Typusbegriff des GG subsumieren lässt: Ist dennoch aus anderen Regelungen eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes denkbar? Falls ja, welche? 8. Könnte eine Legaldefinition des Begriffs Verbrauchsteuer wie die nachfolgende den Typusbegriff dergestalt erweitern, dass dann eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes einschlägig wäre? „Verbrauchsteuern sind alle Steuern, die am Verbrauch bestimmter Stoffe ansetzen, unabhängig davon, 1. wer den Stoff verbraucht und 2. ob der Stoff, der verbraucht wird, ein Gemeingut darstellt, das nicht gehandelt wird.“ 9. Stehen einer solchen Definition Vorbehalte auf Art. 79 III GG oder aus anderen Normen entgegen? 10. Welche rechtlichen und fiskalischen Auswirkungen hätte eine derartige Änderung des Typusbegriffs der Verbrauchsteuer auf die Steuersystematik insgesamt ? Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 158/18 Seite 5 2. Finanzielle Belastung von CO2-Verbrauch in Form der Steuer oder sonstigen Abgabe? In der Literatur werden sowohl eine CO2-Steuer als auch eine nichtsteuerliche Abgabe diskutiert. Bei der Steuer kommen als Besteuerungsgegenstand entweder die CO2-Emissionen oder der Besitz eines (besonders stark) CO2 emittierenden Gegenstands in Betracht. Aufgrund der Vielfältigkeit der nichtsteuerlichen Abgaben sind für eine Klimaschutzabgabe verschiedenen Modelle und Belastungsvarianten denkbar. Diskutiert werden eine Sonderabgabe mit Finanzierungsfunktion, eine Ausgleichsabgabe oder eine Vorteilsabschöpfungsabgabe in Anlehnung an den sogenannten Wasserpfennig.1 Im Nachfolgenden erfolgt eine gesonderte Betrachtung der Fragestellungen für eine CO2-Steuer (3.) und für Varianten der nichtsteuerlichen Abgaben (4.). 3. Fragestellungen zur CO2-Steuer 3.1. Besteuerung von CO2-Emissionen als Verbrauchsteuer? „Wie alle andere müssen sich auch Steuern mit dem Haupt- oder Nebenzweck Klimaschutz an die formellen und materiellen grundgesetzlichen Vorgaben halten. Die Gesetzgebungskompetenzen liegen nach Art. 105 Abs. 2 GG im Wesentlichen beim Bund; er hat die konkurrierende Gesetzgebung , wenn ihm das Aufkommen dieser Steuern zusteht oder die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG vorliegen. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) interpretiert die Anforderungen an die Erforderlichkeit einer bundesgesetzlichen Regelung recht streng. Für Klimaschutzsteuern dürfte zur Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse dennoch regelmäßig eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich sein. Örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuern unterliegen allerdings nach Art. 105 Abs. 2 a GG der Gesetzgebung der Länder. Art. 106 GG führt die einzelnen Steuern auf und regelt die Verteilung des Steueraufkommens auf Bund und Länder. Dieser Katalog ist nach herrschender Auffassung abschließend, so dass zwar ein „Steuerfindungs-“, aber kein „Steuererfindungsrecht“ anzunehmen ist. Neu zu konzipierende Klimaschutzsteuern müssen daher unter eine der in Art. 106 GG aufgeführten Steuerarten fallen .“2 „Energiesteuern nach dem Energiesteuergesetz (EnergieStG) und dem Stromsteuergesetz (StromStG) sind als Verbrauchsteuern im Sinne des Art. 106 Abs. 1 Nr. 2 GG einzuordnen. Das BVerfG hat im Ökosteuerurteil bestätigt, dass eine Verbrauchsteuer nicht nur an den Privatkonsum von Konsumgütern „des letzten Verbrauchs“ anknüpfen darf, sondern auch Produktionsmittel , d.h. auch den gewerblichen und industriellen Bereich erfassen kann.“3 1 instruktiv insoweit Schomerus, Thomas: Abgaben als Instrument des Klimaschutzes in Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern (ZfZ) 2010, S. 141-149 2 Schomerus: ebenda, S. 146 3 Schomerus: ebenda Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 158/18 Seite 6 In seiner Entscheidung zur Kernbrennstoffsteuer hat das BVerfG die Voraussetzungen an eine Verbrauchsteuer im Sinne des Art. 106 GG konkretisiert. „Der Typus einer Verbrauchsteuer erfordert ferner den Verbrauch eines Gutes, das der Befriedigung eines ständigen privaten Bedarfs dient. Der weite Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Auswahl der Steuergegenstände ist insoweit typusbedingt eingeschränkt. Dabei kommt es nicht auf einen - im Einzelfall nicht kontrollierbaren - tatsächlichen Verbrauch an, sondern darauf, ob der Besteuerungsgegenstand zum Verbrauch bestimmt ist. Ein Verbrauch ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn der Besteuerungsgegenstand nach Abschluss des konkreten Verwendungsvorgangs nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes verbrauchsteuerrechtlich als nicht mehr existent angesehen oder funktionsund wertlos werden soll.“4 In der Literatur herrscht daher weitgehende Einigkeit, dass eine Besteuerung von CO2-Emissionen nicht unter den Begriff der Verbrauchsteuern fallen kann. „CO2 wird aber nicht konsumiert , sondern emittiert – eine CO2-Emissionssteuer kann daher nicht als Verbrauchsteuer ausgestaltet werden.“5 3.2. Verbrauchsteuer im Sinne des Art. 105 GG 3.2.1. Modelle der Besteuerung von CO2-haltigen Gütern und emittierenden Gegenständen Einige Stimmen in der Literatur stellen als Alternative zur Emissionsbesteuerung ein Anknüpfen an den Besitz der Gegenstände, die die hohen Emissionen in die Umwelt abgeben, zur Diskussion . So geht Schomerus davon aus, dass „Klimaschutzabgaben auch als Verkehrsteuern konzipiert werden können, bei denen an einen Vorgang des Rechtsverkehrs wie z.B. den Grunderwerb, den Abschluss einer Versicherung etc. angeknüpft wird. Der Verkehrsvorgang kann nach dem BVerfG weiter verstanden werden und auch allgemein wirtschaftliche, nicht nur rechtliche Vorgänge erfassen. Insofern könnte z.B. eine Klimaschutzsteuer an das Eigentum eines Gegenstands anknüpfen, von dem klimabelastende Wirkungen ausgehen.“6 Auch für diese Variante der CO2-Besteuerung bliebe das Kriterium der Verbrauchsbestimmung des besteuerten Gegenstands problematisch: „Kohlendioxid entsteht fast ausschließlich bei den Verbrennungsvorgängen in Anlagen und Motoren.“7 Anlagen und Motoren sind jedoch keine zum Verbrauch bestimmten Güter, da sie nach einem einmaligen Verwendungsvorgang nicht funktions- oder wertlos werden. In der Vergangenheit richteten sich die Bestrebungen zur finanziellen Belastung von Kohlekraftwerken daher bspw. auf eine Kohleabgabe als nichtsteuerliche Abgabe. 4 BVerfG, Beschluss vom 13. April 2017 – 2 BvL 6/13 –, Rn. 128 - 129, juris 5 Schomerus: ebenda, Seite 146 6 Schomerus: ebenda, S. 147; weitere Nachweise 7 Umweltbundesamt: https://www.umweltbundesamt.de/daten/klima/treibhausgas-emissionen-in-deutschland /kohlendioxid-emissionen#textpart-2 [zuletzt abgerufen am 15.10.2018] Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 158/18 Seite 7 Als verbrauchsfähiges Gut bliebe somit nur der kohlendioxidhaltige Brennstoff selbst, d.h. der Treibstoff oder die Kohle, bei deren Verbrennung das CO2 freigesetzt wird. Für die Besteuerung dieser Energieträger sprach sich das DIW im Mai 1994 in seiner Modellrechnung zur Ausgestaltung einer ökologischen Steuerreform aus. Es sah als Steuerobjekte einer Energiesteuer die Steinkohle , Braunkohle, Torf, Erdgas, Mineralölderivate sowie die Elektrizität vor.8 Mittlerweile werden Treibstoffe und Kohle mit der Energiesteuer besteuert. Das Energiesteuergesetz ist ein Verbrauchsteuergesetz. 3.2.2. Unionsrechtliche Rahmenbedingungen für nationale Verbrauchsteuern „Hinsichtlich aller der harmonisierten Besteuerung unterliegenden Waren können vom gemeinsamen Verbrauchsteuersystem abweichende Steuern nur erhoben werden, wenn sie eine besondere Zielsetzung aufweisen (Art. 1 Abs. 2 Systemrichtlinie) und nicht lediglich fiskalisch motiviert sind. In Deutschland betrifft dies die Alkopopsteuer. Verbrauchsteuern auf sonstige Waren oder Dienstleistungen dürfen die Mitgliedstaaten einführen oder beibehalten, sofern diese Steuern im Handelsverkehr zwischen Mitgliedstaaten keine Grenzformalitäten nach sich ziehen (Art. 1 Abs. 3 Systemrichtlinie). Sekundärrechtlich zulässig ist demnach insbesondere die Erhebung von örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern auf solche Güter. Dies gilt auch dann, wenn sie an Dienstleistungen anknüpfen, die im Zusammenhang mit der Lieferung von an sich harmonisiert besteuerten Waren stehen, wie z.B. an den Bierausschank durch Gastronomen. Die europarechtliche Überlagerung nahezu sämtlicher bundesgesetzlich geregelter Verbrauchsteuern hat weitreichende Implikationen für ihre Auslegung und für die Prüfung ihrer Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, das harmonisierte Verbrauchsteuerrecht richtlinienkonform auszulegen, soweit dies im Rahmen der anerkannten Auslegungsmethoden geschehen kann. Wenn dies nicht möglich ist oder die einschlägige Verbrauchsteuerrichtlinie nicht - fristgerecht - umgesetzt wurde, kann sich der Steuerpflichtige auf die unmittelbare Anwendbarkeit der ihm günstigen Bestimmungen berufen, sofern sie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind.“9 Für Steuern auf Brennstoffe und Strom bildet die EU-Energiesteuerrichtlinie (2003/96/EG) vom 27. Oktober 2003 die sekundärrechtliche Rechtsgrundlage für Energiesteuern, wie der Kerosinsteuer , in den jeweiligen Nationalstaaten. In ihr werden auch Mindeststeuersätze sowie Steuerbefreiungen festgelegt. Die Richtlinie differenziert nicht nach der Klimaschädlichkeit von Energieerzeugnissen , bietet den Mitgliedsstaaten aber einen Spielraum für die weitere Staffelung der Steuern auch anhand von CO2-Intensitäten. Reine CO2-Steuern werden dagegen von der unionsrechtlichen Harmonisierung nicht erfasst. 8 Arndt, Hans-Wolfgang: „Rechtsfragen einer CO2-/Energiesteuer entwickelt am Beispiel des DIW-Vorschlages“, Seite 16 9 Englisch in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. 2018, Spezielle Verkehr- und Verbrauchsteuern, Rn. 108 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 158/18 Seite 8 3.2.3. Voraussetzungen der Verbrauchsteuer Die weiteren Kriterien einer Verbrauchsteuer hat das BVerfG in seiner Entscheidung zur Kernbrennstoffsteuer folgendermaßen beschrieben: „Der Begriff der Verbrauchsteuer wird im Grundgesetz nicht definiert (a)). Er ist als Typusbegriff weit zu verstehen (b)). Die Verbrauchsteuern sind von den Unternehmensteuern abzugrenzen, die nicht die Einkommensverwendung, sondern die Einkommenserzielung zum Ausgangspunkt nehmen (c)). Bei der Verbrauchsteuer handelt es sich im Regelfall um eine indirekte Steuer, die beim Hersteller erhoben wird und auf eine Abwälzung auf den (End-)Verbraucher angelegt ist (d)). Der Typusbegriff der Verbrauchsteuer erfordert zudem den Verbrauch eines Gutes des ständigen Bedarfs (e)). Ferner knüpfen Verbrauchsteuern regelmäßig an den Übergang des Verbrauchsgutes aus einem steuerlichen Nexus in den steuerlich nicht gebundenen allgemeinen Wirtschaftsverkehr an (f)).“10 „a) Das Grundgesetz enthält, ebenso wie die Reichsverfassungen von 1871 und 1919, aus denen der Typus der Verbrauchsteuer lediglich übernommen wurde, keine Definition der Verbrauchsteuer . Die Materialien des Parlamentarischen Rates von 1948/1949 geben gleichfalls keinen näheren Aufschluss darüber, was der Verfassungsgeber unter einer Verbrauchsteuer verstanden hat. Anhaltspunkte dafür gibt erstmals die Gesetzesbegründung des Finanzverfassungsgesetzes vom 23. Dezember 1955 (BGBl I S. 817).“11 b) „Die Typusbegriffe der Art. 105 und 106 GG - und damit auch der Typus der Verbrauchsteuer - sind weit zu interpretieren. Die restriktive Auslegung des Katalogs des Art. 106 GG und seiner Typusbegriffe birgt vor dem Hintergrund der Verneinung eines allgemeinen Steuererfindungsrechts die Gefahr einer Erstarrung der finanzverfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung und ist deshalb mit einer hinreichend flexiblen Finanzverfassung nicht vereinbar.“12 3.2.3.1. Keine ausschließliche Belastung von Produktionsmitteln „c) Der Begriff der Verbrauchsteuer im Sinne des traditionellen deutschen Steuerrechts umfasst zwar nicht nur Steuern auf Güter des "letzten" Verbrauchs, das heißt die Belastung des Verbrauchs im privaten Haushalt, sondern betrifft auch den produktiven Bereich.“13 „Die Verbrauchsteuern sind aber von den Unternehmensteuern abzugrenzen, die nicht die Einkommensverwendung durch den Erwerb von Waren, sondern die Einkommenserzielung zum Ausgangspunkt nehmen. Die Trennlinie ist demnach bei der Anknüpfung an den Gewinn der Unternehmer einerseits und der Einkommensverwendung der Endverbraucher andererseits zu 10 BVerfG, Beschluss vom 13. April 2017 – 2 BvL 6/13 –, Rn. 112, juris 11 BVerfG: siehe Fn. 8, Rn. 113, juris 12 BVerfG: ebenda, Rn. 114, juris 13 BVerfG: ebenda, Rn. 115, juris Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 158/18 Seite 9 ziehen: Eine Steuer, die gezielt auf den unternehmerischen Gewinn oder einen typisierend vermuteten unternehmerischen Gewinn zugreift anstatt auf die Einkommensverwendung, ist nicht als Verbrauchsteuer, sondern als Unternehmensteuer einzuordnen.“14 Das BVerfG sah in der Kernbrennstoffbesteuerung ein reines Produktionsmittel betroffen. Eine derartige Anknüpfung sei nicht typusgerecht. „Die Besteuerung reiner Produktionsmittel ist auch deshalb typusfremd, weil darin kein Zugriff auf die private Einkommensverwendung liegt.“15 Eine derartige Besteuerung eines reinen Produktionsmittels läge dagegen bei der CO2-Steuer nicht vor. Kohlendioxid entsteht nicht allein bei Produktionsprozessen. Auch bei einer Steuer auf CO2 emittierende Gegenstände wären nicht ausschließlich Produktionsmittel betroffen. So wird beispielsweise Benzin als Gegenstand des Mineralölsteuergesetzes sowohl von Endverbrauchern als auch zur Produktion benötigt. Dass die Steuergegenstände des Mineralölsteuergesetzes nicht als reine Produktionsmittel anzusehen sind, erwähnte auch das BVerfG in seinen Entscheidungsgründen zur Kernbrennstoffsteuer. „Nichts anderes folgt aus der - verfassungsgemäßen - "Ökosteuer". Diese betraf von vornherein keine ausschließlich produktiv nutzbaren Güter. Besteuert wurden elektrischer Strom und Steuergegenstände des Mineralölsteuergesetzes und damit Güter, die "auch" einer konsumtiven Nutzung zugänglich sind.“16 3.2.3.2. Abwälzbarkeit der Steuerlast auf den Endverbraucher „d) Verbrauchsteuern sind im Regelfall indirekte Steuern. Sie werden zwar auf der Ebene des Verteilers oder Herstellers des verbrauchsteuerbaren Gutes erhoben. Steuerschuldner und Steuerträger - das heißt die (natürliche oder juristische) Person, die die Steuerlast im wirtschaftlichen Ergebnis trägt - sind jedoch nicht identisch. Vielmehr ist die Steuer auf eine Abwälzung auf den Endverbraucher angelegt, mit der Folge, dass die Unternehmer als Steuerschuldner von der Steuerlast wirtschaftlich ent- und die privaten Verbraucher als Steuerträger wirtschaftlich belastet werden. Verbrauchsteuern sollen die in der Einkommens- und Vermögensverwendung zu Tage tretende steuerliche Leistungsfähigkeit des Endverbrauchers abschöpfen. Ob mit der (indirekten) Besteuerung die Einkommensverwendung des Verbrauchers getroffen werden soll, beurteilt sich nach dem Regelungsanliegen des Gesetzes. Die Motivation des Unternehmers ist demgegenüber nicht entscheidend. Da er regelmäßig bestrebt sein wird, sämtliche Steuern auf den Konsumenten abzuwälzen, kann sein Wille für die Frage, ob der Typus einer Verbrauchsteuer gegeben ist, nicht maßstabsbildend sein.“17 14 BVerfG: ebenda, Rn. 116, juris 15 BVerfG: ebenda, Rn. 138, juris 16 BVerfG: ebenda, Rn. 148, juris 17 BVerfG: ebenda, Rn. 119 f., juris Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 158/18 Seite 10 „Ob dem Gesetz die "Idee" oder das "Konzept" einer Abwälzbarkeit der Steuer zugrunde liegt, ist nach der subjektiven Zielsetzung des Gesetzgebers, dem objektiven Regelungsgehalt des betreffenden Gesetzes und etwaigen flankierenden Maßnahmen zu beurteilen. Neben den Gesetzesmaterialien sind dabei alle objektiv feststellbaren Indizien in den Blick zu nehmen.“18 „Ein Indiz dafür, dass die Steuer auf Abwälzbarkeit angelegt ist, kann insbesondere die nach den Umständen gegebene tatsächliche Abwälzbarkeit der Steuer sein. Dies bedeutet, dass für den steuerpflichtigen Unternehmer grundsätzlich die Möglichkeit besteht, den von ihm geschuldeten Steuerbetrag wirtschaftlich auf die Endverbraucher abzuwälzen. Die Abwälzbarkeit hat allerdings dann keine Indizwirkung, wenn sich ein gegenteiliger Wille des Gesetzgebers positiv feststellen lässt. Eine tatsächlich gegebene Abwälzbarkeit, die der Intention des Gesetzgebers widerspricht, ist ohne Belang.“19 „Andererseits ist nicht notwendig, dass die Möglichkeit einer Abwälzung in jedem Einzelfall besteht ; auch eine rechtliche Gewähr dafür, dass dem Unternehmer eine Abwälzung tatsächlich gelingt , ist nicht erforderlich. Ausreichend ist eine kalkulatorische Abwälzbarkeit. Dies bedeutet, dass für den steuerpflichtigen Unternehmer generell die Möglichkeit besteht, den von ihm geschuldeten Steuerbetrag in die Kalkulation seiner Selbstkosten einzusetzen und hiernach die zur Aufrechterhaltung der Wirtschaftlichkeit seines Unternehmens geeigneten Maßnahmen - Preiserhöhung , Umsatzsteigerung oder Senkung der sonstigen Kosten - zu treffen. Wird das mit einer Verbrauchsteuer belastete Gut produktiv verwendet, ist der im Typus der Verbrauchsteuer angelegten Abwälzungsmöglichkeit bereits dann Genüge getan, wenn der zunächst belastete gewerbliche Verbraucher jedenfalls grundsätzlich nicht gehindert ist, die Verbrauchsteuerbelastung in den Preis für das von ihm hergestellte Produkt einzustellen und so seinerseits die Steuerlast als Preisbestandteil über eine oder mehrere Handelsstufen auf den privaten End- oder Letztverbraucher abzuwälzen. Dabei ist es unerheblich, ob die wirtschaftliche Abwälzung der Verbrauchsteuerlast für ihn tatsächlich realisierbar ist (BVerfGE 110, 274 <295 f.>). Die Voraussetzung einer kalkulatorischen Abwälzbarkeit ist zumindest so lange gegeben, wie der Umsatz nicht nur den Steuerbetrag und die sonstigen notwendigen Unkosten deckt, sondern in der Regel sogar noch Gewinn abwirft.“20 Die Abwälzbarkeit wurde vom BVerfG für die Kernbrennstoffsteuer unter Verweis auf die Gesetzesmaterialien abgelehnt. Der Gesetzgeber habe innerhalb der Gesetzesbegründung und –beratung keinen Hinweis darauf gegeben, dass eine Abwälzbarkeit der Steuer auf den Endverbraucher angestrebt worden sei. Für die CO2 –Steuer bedeutet dies, dass das Kriterium der Abwälzbarkeit für den Gesetzgeber am Ehesten zu beeinflussen ist. Soll der Weg einer Verbrauchsteuer beschritten werden, so müssten der Besteuerungsgegenstand und die Besteuerungsregelungen dahingehend ausgestaltet sein, 18 BVerfG: ebenda, Rn. 121 ff., juris 19 BVerfG: ebenda, Rn. 122 f., juris 20 BVerfG: ebenda, Rn. 124 f., juris Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 158/18 Seite 11 dass eine Abwälzung der Steuerlast auf den Endverbraucher mindestens wirtschaftlich möglich wäre. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die systematische Einordnung des Kriteriums der Überwälzbarkeit von der BVerfG-Rechtsprechung und in der Literatur nicht eindeutig geklärt ist. Während das BVerfG in seiner Entscheidung zur Kernbrennstoffsteuer die Überwälzbarkeit als Kriterium der Gesetzgebungskompetenz der Verbrauchsteuer geprüft hat, sah der Erste Senat des BVerfG die Überwälzbarkeit in der Entscheidung zur Spielgerätesteuer als materielles Problem des Art. 3 Abs. 1 GG an. „Folgt man indes dem Ansatz des Ersten Senats in seiner Entscheidung zur Hamburgischen Spielgerätesteuer, können Verbrauchsteuern, die auf Produktionsmittel oder sonstige nicht verkehrsfähige Verbrauchsgüter erhoben werden, aber auch dann verfassungsmäßig ausgestaltet werden , wenn eine Überwälzung der bei den Unternehmern entstehenden Steuern misslingt. Sieht man das unzureichende Anknüpfen an den Konsum als Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf nicht als Kompetenzfrage (Art. 105 Abs. 2 GG), sondern richtigerweise als materielles Problem an (Art. 3 Abs. 1 GG), so lässt sich die unpräzise und daher ungleiche Belastungswirkung der Steuer durch Gestaltungswirkungen kompensieren und rechtfertigen. Umweltpolitische Zwecke können hier „insbesondere“ die gezielte Höherbelastung bestimmter steuerlicher Verbrauchstatbestände rechtfertigen.“21 3.2.3.3. Verbrauchsfähigkeit des besteuerten Gutes „e) Der Typus einer Verbrauchsteuer erfordert ferner den Verbrauch eines Gutes, das der Befriedigung eines ständigen privaten Bedarfs dient.“22 Zur fehlenden Verbrauchsfähigkeit des Gutes CO2 sowie von Gegenständen die CO2 emittieren, wurden bereits eingangs Feststellungen getroffen . 3.2.3.4. Übergang des Verbrauchsgutes aus einem steuerlichen Nexus „f) Schließlich setzen Verbrauchsteuern regelmäßig den Übergang des Verbrauchsgutes aus einem steuerlichen Nexus in den steuerlich nicht gebundenen allgemeinen Wirtschaftsverkehr voraus, ohne aber - wie die Verkehrsteuern - im Tatbestand beide Seiten, insbesondere beide Vertragspartner , zu erfassen. Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass spätestens ab der Weimarer Zeit eine Üblichkeit bestand , für die Steuerentstehung an das Verbringen eines Endproduktes in den freien Wirtschaftsverkehr anzuknüpfen. Dies betraf insbesondere die Verbrauchsteuer auf Bier, Essigsäure, Kohlen, Leuchtmittel, Mineralöl, Mineralwasser, Schaumwein, Spielkarten, Süßstoff, Tabak, Wein, Zucker und Zündwaren. Der Typus der Verbrauchsteuern umfasst danach Steuern, die nach ihrem Regelungskonzept den Verbrauch bestimmter Güter des ständigen Bedarfs durch den privaten Endverbraucher belasten 21 Tappe, Henning: „Das Scheitern der Kernbrennstoffsteuer“ in Zeitschrift für Europäisches Umwelt- und Planungsrecht (EurUP) 2017, S. 186-194 (194) 22 BVerfG, Beschluss vom 13. April 2017 – 2 BvL 6/13 –, Rn. 128, juris Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 158/18 Seite 12 sollen und auf Grund eines äußerlich erkennbaren Vorgangs - regelmäßig das Verbringen des Verbrauchsgutes in den allgemeinen Wirtschaftsverkehr - von demjenigen als Steuerschuldner erhoben werden, in dessen Sphäre sich der Vorgang verwirklicht.“23 „Schließlich erfüllt die Kernbrennstoffsteuer nicht das Typusmerkmal der Anknüpfung an ein Gut des ständigen privaten Bedarfs. Zudem ist ein freier Warenverkehr von Kernbrennstoffen aufgrund ihrer Gefährlichkeit ausgeschlossen. Die Kernbrennstoffsteuer knüpft demgemäß in § 5 Abs. 1 KernbrStG nicht an den Realakt des Verbringens des Besteuerungsgutes aus einem steuerlichen Nexus in den allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr an, sondern an den Realakt des erstmaligen Einsetzens der Brennstäbe in einen Kernreaktor und das Auslösen einer sich selbsttragenden Kettenreaktion. Darin liegt eine weitere Abweichung vom Steuertypus der Verbrauchsteuer .“24 Kohlendioxid selbst ist ebenfalls kein Gut des ständigen privaten Bedarfs. Es ist Bestandteil der Erdatmospäre. Für die gegenstandsorientierte Besteuerungsvariante der CO2-Steuer würden dagegen die Voraussetzungen des steuerlichen Nexus vorliegen. Die bei ihrer Herstellung den CO2- Ausstoß verursachenden Endprodukte, sind Güter des ständigen Bedarfs. 3.2.3.5. Zwischenergebnis Die CO2-Steuer ist in der Variante der direkten Besteuerung von Kohlendioxid-Ausstoß nicht als Verbrauchsteuer realisierbar, da CO2 kein verbrauchsfähiges Gut ist. Die gegenstandsorientierte Variante der CO2-Steuer ist als Verbrauchsteuer ebenfalls nur schwerlich zu realisieren, da die Verbrauchsfähigkeit der CO2-emittierenden Anlagen nicht vorhanden ist. Lediglich die Endprodukte einer CO2-Emissionen verursachenden Produktion wären verbrauchsfähig. Hier bestehen jedoch bereits etablierte Verbrauchsteuern für Kohle und Mineralöle. Die Einordnung des zu besteuernden Gutes als Produktionsmittel oder privates Konsumgut ist keine definitive Vorentscheidung für das Vorliegen einer Verbrauchsteuer. Die ausschließliche Besteuerung von Produktionsmitteln ist jedoch mit einer Verbrauchsteuer inkompatibel. 3.3. Die CO2-Steuer als Aufwandsteuer „Aufwandsteuern sind Steuern auf das Halten bzw. den Gebrauch von Gütern und Dienstleistungen . Der sich darin zeigende Einsatz finanzieller Mittel wird nicht nur indirekt besteuert, so dass Aufwandsteuern nicht notwendig auf Überwälzung angelegt sind.“25 23 BVerfG, Beschluss vom 13. April 2017 – 2 BvL 6/13 –, Rn. 131 - 133, juris 24 BVerfG, Beschluss vom 13. April 2017 – 2 BvL 6/13 –, Rn. 160, juris 25 Seer in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. 2018, Finanzverfassungsrechtliche Grundlagen der Steuerrechtsordnung , Rn. 48 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 158/18 Seite 13 Für sie besteht gemäß Art. 106 Abs. 6 Satz 1 GG eine Gesetzgebungskompetenz der Länder, soweit es sich um örtliche Aufwandsteuern handelt. Im Übrigen besitzt der Bund die Gesetzgebungskompetenz . Ob die jeweilige CO2-Steuer tatsächlich eine Aufwandsteuer darstellt, „bestimmt sich allerdings nicht nach ihrer Bezeichnung, sondern nach ihrem Steuertatbestand, ihrem Steuermaßstab und ihren wirtschaftlichen Auswirkungen, wobei für die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen maßgebend auf die Sicht des traditionellen deutschen Steuerrechts abzustellen ist.“26 Eine direkte Besteuerung der CO2-Emissionen scheidet auch für die Aufwandsteuer aus, da es sich bei CO2-Emissionen nicht um Gegenstände oder Güter handelt, die zum Gebrauch bestimmt sind. Wird der Besteuerungsgegenstand dagegen auf CO2 emittierende Güter (bspw. Autos, Heizungsanlagen etc.) festgelegt, so sind dies zunächst taugliche Besteuerungsgrundlagen für eine Aufwandsteuer . Dabei ist jedoch zu beachten, dass Aufwand- ebenso wie Verbrauchsteuern vorrangig sonstige Formen privaten Aufwands zum Gegenstand haben. Damit scheiden wirtschaftliche Produktions- oder Infrastrukturmittel als Besteuerungsgenstand aus. Da die Kraftfahrzeuge bereits von der Kfz-Steuer als Aufwandsteuer mit Lenkungscharakter erfasst werden, verbleiben im privaten Nutzungsbereich als Emissionsquellen vor allem die Heizungsanlagen . Bei diesen wird jedoch der Brennstoff Heizöl bereits mit der Energiesteuer besteuert . Lediglich für Erdgas als Heizstoff wird bislang keine Verbrauch- oder Aufwandsteuer erhoben . 3.4. Ausweitung des Anwendungsbereiches der Verbrauchsteuer-Definition Fraglich ist, ob eine gesetzliche Modifizierung der Definition der Verbrauchsteuer eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes für eine CO2-Steuer begründen könnte. Der Auftraggeber nennt hierfür folgende Formulierung: „Verbrauchsteuern sind alle Steuern, die am Verbrauch bestimmter Stoffe ansetzen, unabhängig davon, 1. wer den Stoff verbraucht und 2. ob der Stoff, der verbraucht wird, ein Gemeingut darstellt, das nicht gehandelt wird.“ Bei der Prüfung einer derartigen Rechtsänderung ist zwischen einer einfachgesetzlichen und einer Anpassung unmittelbar im Art. 106 GG zu unterscheiden. 3.4.1. Einfachgesetzliche Änderung der Verbrauchsteuer-Definition Das BVerfG bezieht sich in seiner Auslegung des Verbrauchsteuerbegriffs auf die Gesetzesbegründung des Finanzverfassungsgesetzes aus dem Jahre 1955.27 Zugleich wird in der Entscheidung festgestellt, dass weder die Reichsverfassungen von 1871 und 1919 noch das Grundgesetz eine Definition der Verbrauchsteuer enthalten. 26 BVerfG, Beschluss vom 04. Februar 2009 – 1 BvL 8/05 –, Rn. 48, juris 27 siehe oben unter 3.2.3., Seite 8 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 158/18 Seite 14 Mit der Aufnahme einer auf Stoffe orientierten Legaldefinition der Verbrauchsteuer würde der Gesetzgeber eine grundlegende Erweiterung des Anwendungsbereichs der Verbrauchsteuer vornehmen . Es ist jedoch fraglich, ob eine einfachgesetzliche Definition der Verbrauchsteuer die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung zu Art. 106 Abs. 1 Nr. 2 GG unmittelbar verändern würde. Die gegenwärtige Definition der Verbrauchsteuer wird vom BVerfG aus der Literatur und der historischen Rechtsentwicklung hergeleitet. Zusätzlich stützt sich das BVerfG auf die Grundannahme , dass nur Güter des ständigen privaten Bedarfs Ausgangspunkt der Verbrauchsteuern sein könnten. „Soweit einige der tradierten Verbrauchsteuern – wie etwa die Spielkartensteuer – diesem Kriterium nicht entsprechen, liegen nicht typusbestimmende Einzelfälle vor.“ 28 Eine einfachgesetzliche Verbrauchsteuerdefinition wäre für den Verfassungsbegriff der Verbrauchsteuer nicht per se eine bindende Festlegung. Einfachgesetzliche Regelungen stehen in der Normenhierarchie unterhalb des Grundgesetzes (Verfassungsvorrang) und können lediglich zur Auslegung von Verfassungsbegriffen herangezogen werden.29 Es liegt daher nahe, dass die Neudefinition der Verbrauchsteuer bei der Auslegung des Art. 106 Abs. 1 Nr. 2 GG mit berücksichtigt würde. Sie würde jedoch die historische Auslegungsmethode nicht vollständig verdrängen, sodass nicht sicher prognostiziert werden kann, in welchem Maß die Neudefinition die Gestaltungsspielräume des Gesetzgebers für die Einführung einer CO2-Steuer erweitern könnte. 3.4.2. Verfassungsrechtliche Definition der Verbrauchsteuer Eine weitere Möglichkeit bestünde in der Ergänzung des Art. 106 GG um die oben genannte Definition der Verbrauchsteuer. Zwar würde die Aufnahme der vorgeschlagenen Definition in den Art. 106 GG den Anwendungsbereich der Verbrauchsteuern auch auf nichtgegenständliche Stoffe erweitern. Es ist jedoch fraglich , ob mit der Definition alle Kriterien der BVerfG-Rechtsprechung an eine Verbrauchsteuer erfüllt wären. Eine Überwälzbarkeit der Steuerlast auf den Endverbraucher müsste auch nach Aufnahme der vorgeschlagenen Definition ins GG, weiterhin durch den Gesetzgeber sichergestellt werden. Problematisch dürfte weiterhin das Erfordernis der Besteuerung der Einkommensverwendung der Endverbraucher sein. Dieses Kriterium prägt nach Aussage des BVerfG den Grundcharakter der Verbrauchsteuern und ist Wesensmerkmal der Steuersystematik des Art. 106 GG. Es dient der Abgrenzung der Verbrauchsteuern von den Unternehmensteuern. Kohlendioxid wird jedoch primär im Zusammenhang mit industriellen oder energiewirtschaftlichen Prozessen freigesetzt. Es ist daher schwer vorstellbar, wie bei einer stark von der Produktion und Energieerzeugung verursachten Emission, eine Besteuerung der Einkommensverwendung der Endverbraucher erfolgen soll und ob dies tatsächlich der gesetzgeberischen Zielstellung entspricht . Eine CO2-Steuer wird in der bisherigen Diskussion oft mit dem beabsichtigten Lenkungszweck der Reduzierung von CO2-Emissionen und der Abbildung des Preises des Ressourcenverbrauchs bzw. der Umweltbelastung durch eine Steuer verbunden. Wenn die CO2-Steuer jedoch 28 BVerfG, Beschluss vom 13. April 2017 – 2 BvL 6/13 –, Rn. 130, juris 29 Kirchhof/Isensee: Handbuch des Staatsrechts, Bd. I Abschnitt § 1 Rn. 28 (juris) Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 158/18 Seite 15 primär den Endverbraucher belasten würde, wären die Lenkungswirkungen für die emittierenden Unternehmen eher gering. Die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG steht einer Ergänzung des Art. 106 GG um eine Verbrauchsteuerdefinition nicht entgegen. Die Ewigkeitsgarantie schützt die Menschenwürde des Art. 1 GG, die föderale Grundstruktur der Bundesrepublik und die Staatsstrukturprinzipien des Art. 20 GG (Recht-, Bundes- und Sozialstaatsprinzip sowie die Republik) vor dem verfassungsändernden Gesetzgeber. Die Garantie der grundsätzlichen Mitwirkung der Länder an der Gesetzgebung des Bundes verbietet jedoch keine Ergänzung des Art. 106 GG um eine neue Steuerart oder eine konkretisierende Definition der Verbrauchsteuern. Auch das Rechtsstaatsprinzip stünde einer derartigen Verfassungsänderung nicht entgegen. Das Bundesstaatsprinzip garantiert u.a. eine angemessene Finanzausstattung der Länder. Diese Garantie reicht jedoch nicht soweit, dass einzelne Steuerarten unabänderlich Bestand haben müssten oder die Steuertypen des Art. 106 GG dem verfassungsändernden Gesetzgeber nicht zugänglich wären. „Wie sich schon aus der geltenden Finanzverfassung ergibt, sichert das Bundesstaatsprinzip keine vollständige Finanzautonomie, die auch die Abgabenerhebungskompetenz und Ertragshoheit einschließt. Vielmehr gewährleistet die eigenständige Verfügung über einen „angemessenen Anteil“ an der staatlichen Leistungsfähigkeit zunächst nur die selbständige und voneinander unabhängige Haushaltswirtschaft von Bund und Ländern. Änderungsfest ist dabei der Kern autonomer Haushaltswirtschaft mit eigenverantwortlicher Aufstellung, Verabschiedung und Vollzug des Haushaltsplanes.“30 „Darüber hinaus sichert Art. 79 Abs. 3 GG auch einen materiellen Kern autonomer Haushaltswirtschaft . Ein „angemessener Anteil am Gesamtsteueraufkommen“ ist dem Bundesstaatsprinzip immanent, ergibt sich aber schon aus der gesicherten Existenz der Länder als lebensfähige Glieder des Gesamtstaates. Die „angemessene“ Finanzausstattung bildet nur einen groben Maßstab, der im Lichte des mit der Ausgabenbelastung korrelierenden Aufgabenkreises der Länder und der staatlichen Finanzkraft zu konkretisieren ist. Ein Anspruch auf eine bestimmte Vermögensausstattung der Länder besteht nicht. Der horizontale und der vertikale Finanzausgleich sind in der gegenwärtigen Form (Art. 107 GG) nicht vor Verfassungsänderungen geschützt.“31 3.4.3. Mögliche Auswirkungen einer erweiterten Legaldefinition der Verkehrsteuern Rechtssystematisch könnte die hier zu prüfende Definition der Verkehrsteuern zu einem Verlust an klarer Abgrenzbarkeit der unterschiedlichen Steuertypen der Finanzverfassung führen. Der Begriff des „Stoffes“ umfasst viele Besteuerungsobjekte, die bislang nicht zu den Verkehrsteuern gerechnet wurden. Wie bereits erwähnt, lässt sich das Erfordernis einer Einkommensverwendung durch den Endverbraucher mit der vorgeschlagenen Definition nicht aufheben, da es zur klaren 30 Maunz/Dürig/Herdegen GG Art. 79 Rn. 162, beck-online 31 Maunz/Dürig/Herdegen: ebenda, Rn. 163, beck-online Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 158/18 Seite 16 Abgrenzung der Verbrauch- von den Unternehmensteuern von der Rechtsprechung verwendet wird. Zudem ist eine weitgehende Definition eines Steuertypus nicht unbedingt erforderlich, da die Rechtsprechung des BVerfG die Gefahr einer Erstarrung der finanzverfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung in der Entscheidung zur Kernbrennstoffsteuer selbst erwähnt und sich damit gegen eine restriktive Auslegung des Katalogs des Art. 106 GG wendet.32 Es bestünde zudem auch die Möglichkeit, den Begriff der Verbrauchsteuern durch die Benennung der konkreten Einzelsteuern zu ersetzen. Hierbei könnte sodann auch eine neuartige CO2- Steuer in den Verfassungstext mit eingefügt werden. Diesen Weg wählte der verfassungsändernde Gesetzgeber bereits 1997 bei der Gewerbesteuerreform . Hierbei wurde der Steuertypus der Realsteuer durch die Benennung der Grund- und Gewerbesteuer ersetzt.33 Fiskalisch betrachtet ist zumindest mittelfristig mit Steuermehreinnahmen für Bund und Länder zu rechnen, wenn die rechtlichen Möglichkeiten zur Einführung neuer Verkehrsteuern verbessert würden. Inwieweit dadurch langfristig das wirtschaftliche Wachstum gebremst und damit Steuereinnahmen reduziert werden könnten, kann gegenwärtig nicht valide beantwortet werden. Entscheidend ist letztlich nicht allein die rechtliche Möglichkeit zur Einführung neuer Steuern, sondern auch der Umstand wie intensiv und mit welchen absoluten steuerlichen Belastungsentscheidungen der Gesetzgeber diese Kompetenznormen nutzen würde. 4. Nichtsteuerliche Abgaben auf CO2-Emissionen 4.1. Sonderabgaben Alternativ wäre auch die Einführung einer nichtsteuerlichen Sonderabgabe auf CO2-Emissionen denkbar. „Klimaschutz-Sonderabgaben und andere nichtsteuerliche Abgaben sind auf die Sachkompetenzen in Art. 70 ff. GG zu stützen. Für den Klimaschutz relevant sind insbesondere die Materien der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 (Recht der Wirtschaft), Nr. 24 (Abfallwirtschaft, Luftreinhaltung), 29 (Naturschutz und Landschaftspflege) oder Nr. 31 (Raumordnung). Beim Recht der Wirtschaft ist nach Art. 72 Abs. 2 GG der Nachweis der Erforderlichkeit einer bundesrechtlichen Regelung zu führen, bei den anderen genannten Materien seit der Föderalismusreform nicht mehr. Die Länder können nach Maßgabe des Art. 72 Abs. 3 GG abweichende Regelungen treffen und dadurch die Bundesgesetzgebung konterkarieren.“34 32 BVerfG, Beschluss vom 13. April 2017 – 2 BvL 6/13 –, Rn. 114, juris 33 Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 28 und 106) vom 20.10.1997, BGBl. I 1997, S. 2470 34 Schomerus: siehe Fn. 1, Seite 147 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 158/18 Seite 17 Das BVerfG trifft zum Ausnahmecharakter der nichtsteuerlichen Abgaben im Rahmen der Finanzverfassung folgende Feststellungen: „Das Grundgesetz enthält keinen abschließenden Kanon zulässiger Abgabentypen. Im Rahmen der Finanzverfassung regelt es neben den Zöllen und Finanzmonopolen im Wesentlichen die bundesstaatliche Verteilung der Gesetzgebungs-, Ertrags- und Verwaltungskompetenzen nur für das Finanzierungsmittel der Steuer. Das schließt die Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben zwar nicht aus. Die grundgesetzliche Finanzverfassung verlöre aber ihren Sinn und ihre Funktion, wenn der Gesetzgeber unter Rückgriff auf seine Kompetenzen aus Art. 70 ff. GG den Bürger unter Umgehung der finanzverfassungsrechtlichen Verteilungsregeln mit beliebigen nichtsteuerlichen Abgaben belegen könnte. Drei grundlegende Prinzipien der Finanzverfassung begrenzen die Auferlegung nichtsteuerlicher Abgaben: aa) Nichtsteuerliche Abgaben bedürfen - über die Einnahmeerzielung hinaus oder an deren Stelle - einer besonderen sachlichen Rechtfertigung. Sie müssen sich zudem ihrer Art nach von der Steuer, die voraussetzungslos auferlegt und geschuldet wird, deutlich unterscheiden. bb) Die Erhebung einer nichtsteuerlichen Abgabe muss der Belastungsgleichheit der Abgabepflichtigen Rechnung tragen. Der Schuldner einer nichtsteuerlichen Abgabe ist regelmäßig zugleich Steuerpflichtiger und wird als solcher schon zur Finanzierung der die Gemeinschaft treffenden Lasten herangezogen. Neben dieser steuerlichen Inanspruchnahme bedürfen nichtsteuerliche Abgaben, die den Einzelnen zu einer weiteren Finanzleistung heranziehen, einer besonderen Rechtfertigung aus Sachgründen. cc) Der Verfassungsgrundsatz der Vollständigkeit des Haushaltsplans ist berührt (Art. 110 Abs. 1 GG), wenn der Gesetzgeber Einnahme- und Ausgabekreisläufe außerhalb des Budgets organisiert. Der Grundsatz der Vollständigkeit des Haushaltsplans zielt darauf ab, das gesamte staatliche Finanzvolumen der Budgetplanung und -entscheidung von Parlament und Regierung zu unterstellen . Dadurch soll gewährleistet werden, dass das Parlament in regelmäßigen Abständen den vollen Überblick über das dem Staat verfügbare Finanzvolumen und damit auch über die dem Bürger auferlegte Abgabenlast erhält.“35 Aus diesen Grundsätzen ergeben sich die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für Sonderabgaben . „Erstens muss ein besonderer Sachzweck verfolgt werden, der bei Klimaschutz-Sonderabgaben in dem Beitrag zur Bekämpfung der globalen Erwärmung gesehen werden kann. Es muss zweitens eine homogene Gruppe von Abgabepflichtigen in Anspruch genommen werden. Sie müssen „in der gesellschaftlichen Wirklichkeit durch annähernd gemeinsame Gegebenheiten und Interessenlagen verbunden [sein], die sie von der Allgemeinheit und anderen Gruppen abgrenzbar machen .“ Für die Stromverbraucher hat das BVerfG eine Abgrenzbarkeit als homogene Gruppe wegen ihrer Konturenlosigkeit abgelehnt.36 Drittens muss eine Sachnähe der Abgabepflichtigen zum 35 BVerfG v. 18.5.2004, 2 BvR 2374/99, BVerfGE 110, 370-402, Rn. 85 ff., juris 36 BVerfG v. 11.10.1994, 2 BvR 633/86 (Kohlepfennig) Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 158/18 Seite 18 Finanzierungszweck vorliegen, aus der sich eine Gruppenverantwortung ergibt. Im Falle von Klimaschutzabgaben müsste eine spezifische Beziehung zwischen der abgabepflichtigen Gruppe und dem Finanzierungszweck des Klimaschutzes bestehen. Dies kann der Fall sein, wenn eine bestimmte Gruppe von CO2-Emittenten herangezogen wird, die eine besondere Verantwortung tragen, weil sie einen erheblichen Anteil des Ausstoßes von Treibhausgasen auf sich vereinigen, wie z.B. die Betreiber von Kohlekraftwerken. Viertens fordert das BVerfG eine gruppennützige Verwendung des Abgabeaufkommens. Die Mittel müssen dabei nicht ausschließlich den Abgabepflichtigen zukommen, es reicht aus, wenn sie im Gruppeninteresse verwendet werden und die Gruppe daraus einen Vorteil ziehen kann. Schließlich werden eine Überprüfung in angemessenen Zeitabständen sowie eine haushaltsmäßige Berichtspflicht gefordert. Für Finanzierungssonderabgaben gelten diese Anforderungen in vollem Umfang. Auf andere nichtsteuerliche Abgaben wie Ausgleichsabgaben wendet das BVerfG die genannten Kriterien nur eingeschränkt an; auf die Sachnähe der Abgabepflichtigen und auf die Gruppennützigkeit der Mittelverwendung komme es „nicht entscheidend“37 an.“38 4.2. Vorteilsabschöpfungsabgaben „Vorteilsabschöpfungsabgaben wie der sogenannte Wasserpfennig in Baden-Württemberg und Hessen können ein interessantes Muster für Klimaschutzabgaben darstellen, weil sie an die Nutzung einer knappen natürlichen Ressource als Güter der Allgemeinheit anknüpfen. Die Abgabenhöhe darf den Wert dieses Vorteils nicht überschreiten. Unklar ist, ob eine Bewirtschaftung der Ressource wie bei Wasser nach §§ 6 ff. Wasserhaushaltsgesetz (WHG) vorausgesetzt werden muss. Steht der Zugang zu dem öffentlichen Gut von vornherein für jede Person offen, lässt sich schwerlich von einem Vorteil sprechen. Insofern wird vertreten, dass die Abgabenregelung selbst schon als eine Form der Bewirtschaftung angesehen werden könne. Ob eine Übertragung der im Wasserpfennig-Beschluss enthaltenen Gedanken auf allgemeine Klimaschutzabgaben, z. B. für die Nutzung von Luft und ihre Belastung mit Treibhausgasen, sei es in Verbindung mit einer Anlagengenehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) oder auch bei keiner Genehmigungspflicht unterliegenden Emissionen, möglich ist, ist eine noch offene Frage.“39 5. Bewertung der abgabenrechtlichen Instrumente des Klimaschutzes Zusammenfassend ist festzustellen, dass eine finanzielle Belastung des CO2 – Ausstoßes mit den steuerrechtlichen Instrumenten schwieriger zu realisieren sein dürfte als mittels nichtsteuerlicher Abgaben. „Eine unmittelbare Anknüpfung an den Treibhausgas-Ausstoß ist bei Verbrauchsteuern problematisch. Eine „CO2-Kopf-Steuer“, mit der der jährliche CO2-Ausstoß jeder Person mit einem bestimmten Steuersatz pro Tonne besteuert würde, wäre daher nicht zulässig.“40 Die 37 BVerfG v. 5.3.2009, 2 BvL 1824/05 (Stellplatzausgleichsabgabe) 38 Schomerus Thomas: „Abgaben als Instrument des Klimaschutzes“ in: Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern (ZfZ) 2010, S. 141-149 (147 f.) 39 Schomerus: ebenda, S. 148 40 Schomerus: ebenda, S. 148 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 158/18 Seite 19 hier zu prüfende Definition der Verbrauchsteuern würde den Anwendungsbereich des Kompetenztitels erweitern, jedoch nicht alle Probleme, die mit der Einführung einer CO2-Steuer als Verbrauchsteuern verbunden sind, sicher lösen können. „Bei nichtsteuerlichen Abgaben ist dagegen eine mengenbezogene Anknüpfung an den Treibhausgas -Ausstoß grundsätzlich möglich. Relativ eng gezogen sind dabei die Grenzen für Finanzierungssonderabgaben . Will man eine bestimmte Gruppe, die durch ihren hohen CO2-Ausstoß für die globale Erwärmung eine besondere Verantwortung trägt, mit einer Abgabe belasten, müssen eine homogene Gruppe und besondere Sachnähe vorliegen, und das Aufkommen muss grundsätzlich gruppennützig verwendet werden. Denkbar wäre zum Beispiel, klimaschädigende Tätigkeiten, deren gesellschaftlicher Bedarf sich nicht zwingend aufdrängt, mit einer Abgabe zu versehen. Beispiele hierfür könnten die Veranstaltung von Autorennen oder das Halten von Motorrädern oder Sportwagen zu Zwecken der Freizeitgestaltung sein. Der Phantasie des Gesetzgebers sind insoweit kaum Grenzen gesetzt. Setzt man auf Ausgleichsabgaben, sind die Anforderungen an die Gruppennützigkeit etc. weniger streng. Allerdings ist hier eine Rechtspflicht erforderlich , das Klima nicht durch Treibhausgase zu schädigen. Eine „CO2-Kopf-Ausgleichsabgabe“ würde bedeuten, dass man den Ausstoß von CO2 durch Atmung grundsätzlich verbieten müsste – eine absurde Vorstellung. Andererseits könnte dies auch über eine Zertifikatslösung erreicht werden. Vorteilsabschöpfungsabgaben in Anlehnung an den sogenannten Wasserpfennig wären ebenfalls möglich.“41 *** 41 Schomerus: ebenda, S. 148 f.