Deutscher Bundestag Besonderes Kirchgeld und Vorschläge zur Reform der Kirchensteuer Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 4 – 3000 - 156/10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 - 156/10 Seite 2 Besonderes Kirchgeld und Vorschläge zur Reform der Kirchensteuer Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 4 – 3000 - 156/10 Abschluss der Arbeit: 17.Juni 2010 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 - 156/10 Seite 3 1. Rechtliche Verankerung des besonderen Kirchgeldes Rechtsgrundlage des Kirchensteuerrechts ist Art. 140 GG iVm. Art. 137 Abs. 6 WRV, der das kirchliche Besteuerungsrecht verfassungsrechtlich garantiert. Als Kirchensteuerarten gibt es neben der klassischen Kirchensteuer als Zuschlagsteuer auch das Kirchgeld. Zu differenzieren ist zwischen dem allgemeinen und dem besonderen Kirchgeld. Das allgemeine Kirchgeld wird regional erhoben und dient dazu, einen finanziellen Beitrag von Kirchenangehörigen zu erhalten, die keine staatliche Steuer zahlen; es fließt unmittelbar an die einzelne Kirchengemeinde und richtet sich nach deren örtlichem Bedarf. Demgegenüber handelt es sich bei dem besonderen Kirchgeld1 um eine Form, die sich nur auf Ehepaare in einer glaubensverschiedenen Ehe bezieht und Kirchenmitglieder betrifft, deren Ehepartner keiner Religionsgemeinschaft oder einer, die keine Steuern erhebt, angehören. Es betrifft nur Personen, deren Steuererklärung zusammen mit der Steuererklärung des nicht kirchensteuerpflichtigen Ehegatten bearbeitet wird (gemeinsame Veranlagung). Das besondere Kirchgeld knüpft an die Wirtschaftskraft an, die der Kirchenangehörige aus dem Einkommen seines Ehegatten zieht. Dies ist vom Bundesverfassungsgericht2 als verfassungskonform bestätigt worden. Allerdings ist derzeit ein Verfahren beim Bundesverfassungsgericht seit 20063 anhängig, bei dem es um die Frage der Gleichbehandlung zusammenveranlagter kirchgeldpflichtiger Ehepaare mit getrennt oder allein Veranlagten geht. Hintergrund des besonderen Kirchgeldes ist die Tatsache, dass die Kircheneinkommensteuer, die der kirchenangehörige Ehepartner zu zahlen hat, sich allein nach dessen Einkommensteuer richtet . Trat der Hauptverdiener der Familie aus der Kirche aus, wohingegen der Ehepartner und eventuelle Kinder weiterhin Mitglieder der Kirche blieben, waren diese Personen aufgrund fehlender oder geringer Einkünfte oftmals nicht zur Zahlung von Kirchensteuer verpflichtet.4 Diese Lücke will das besondere Kirchgeld schließen, indem es auf der Grundlage des gemeinsam zu versteuernden Einkommens erhoben wird und nach dem sogenannten Lebensführungsaufwand berechnet wird. Das besondere Kirchgeld wird nur dann erhoben, wenn es die Kircheneinkommensteuer übersteigt . Treffen also die Kircheneinkommensteuer und besonderes Kirchgeld zusammen, wird eine Vergleichsberechnung durchgeführt und der höhere Betrag festgesetzt. Ebenfalls angerechnet werden Beiträge, die ein Partner an eine öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaft, die keine Kirchensteuern erhebt, abführt. 1 Siehe vertiefend zum besonderen Kirchgeld Kapischke, Das besondere Kirchgeld, LKV 2003, S. 411 ff. 2 BVerfGE 19, 268 ff.; BVerfGE 73, 388 ff. 3 Az.: 2 BvR 591/06. 4 Vgl. auch v.Campenhausen, in: v.Mangoldt/Klein/Starck, GG, 5. Aufl. 2005, Art. 137 WRV Rn. 286. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 - 156/10 Seite 4 Aktuell beläuft sich die Höhe des besonderen Kirchgeldes auf zwischen 96 € und 3.600 €, gestaffelt in einer 13-stufigen Tabelle je nach dem gemeinsam zu versteuernden Einkommen. Treten die Voraussetzungen für das besondere Kirchgeld erst im Laufe des Veranlagungsjahres ein oder entfallen sie in diesem (z.B. durch Heirat oder Austritt aus der Kirche), findet in der Regel eine Zwölftelungsregelung statt.5 Das Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe wird von den evangelischen Landeskirchen, römisch-katholischen Diözesen und der altkatholischen Kirche in folgenden Bundesländern erhoben6: Baden-Württemberg (nur ev.); Bayern (nur ev.); Berlin; Brandenburg ; Bremen; Hamburg; Hessen (auch Freirel. Gemeinde Mainz u. Offenbach, jüd. Gemeinden Frankfurt, Bad Nauheim, Darmstadt, Fulda, Gießen Kassel, Offenbach); Mecklenburg- Vorpommern; Niedersachsen; Nordrhein-Westfalen (nur ev.); Rheinland-Pfalz (ev. und Bistum Limburg, Mainz, Speyer, Trier, Freireligiöse Gemeinde Mainz); Saarland (ev. und Bistum Speyer und Trier); Sachsen; Sachsen-Anhalt; Schleswig-Holstein; Thüringen. Außer dem verfassungsrechtlichen Rahmen finden sich Regelungen zum besonderen Kirchgeld in den Kirchensteuergesetzen der Länder. Kirchenrechtliche Grundlagen des Kirchensteuerrechts sind neben den Kirchenverfassungen die speziellen Kirchensteuergesetze und –ordnungen der Landeskirchen bzw. Diözesen, aufgrund dessen konkretisierende Beschlüsse über Höhe, Erhebung und Steuersätze, die der staatlichen Anerkennung bedürfen, ergehen.7 2. Vorschläge zur Reform der Kirchensteuer Die allgemeine Kritik an der Kirchensteuer, wie sie in Deutschland erhoben wird, entzündet sich im Wesentlichen an drei Punkten: Zum einen werde nur ein sehr geringer Teil aus dem Aufkommen tatsächlich für soziale und damit für öffentliche Zwecke verwendet. Zum anderen sei die Kirchensteuer eine Zwangssteuer, die von einer nichtstaatlichen Organisation erhoben werde. Darüber hinaus stelle die Anbindung der Kirchensteuer an die Einkommensteuer eine zu enge Verquickung zwischen Kirche und Staat dar. Aus finanzwissenschaftlicher Sicht sind die Problematik der Bemessungsgrundlage und der Tarif der Einkommensteuer hinzuzufügen. Bei der Bemessungsgrundlage wird bemängelt, dass die Kirche durch die Wahrung der strengen Akzessorietät gezwungen ist, jede nichtfiskalisch motivierte Änderung der Einkommensteuer bei der Kirchensteuer mitzuvollziehen und ggf. Einnahmeausfälle hinzunehmen. Außerdem übernehme die Kirchensteuer automatisch den progressiven Verlauf der Einkommensteuer, obwohl von ihr keine aktive Umverteilungspolitik betrieben werden müsse. Die Vorschläge zur Reform reichen von der Änderung der Bemessungsgrundlage und des Tarifs bis zum Ersatz der Kirchensteuer durch ähnliche oder völlig andere Finanzierungsquellen. Dem Vorschlag einer Änderung der Bemessungsgrundlage liegt die Überlegung zugrunde, dass die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen im Sinne der Einkommensteuer Maßstab für die Berechnung der Kirchensteuer bleiben soll. Deshalb soll das gesamte Schema der Einkommensteu- 5 Exemplarisch für NRW findet sich eine solche Regelung in § 5 Abs. 2 iVm. § 4 Abs. 1 Nr. 5 KiStG NW. 6 Übersicht zu finden unter der Homepage des EKD; http://www.ekd.de/kirchenfinanzen/855.html. 7 Kapischke, Das besondere Kirchgeld, LKV 2003, 411, 412. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 - 156/10 Seite 5 er-Berechnung bis zum versteuernden Einkommen durchlaufen und dabei in die Bemessungsgrundlage der Kirchensteuer nur jene Positionen übernommen werden, die mit der Leistungsfähigkeit in Zusammenhang stehen. Der Tarif könnte proportional verlaufen. Alternativ wäre ein indirekt progressiver Tarif mit proportionalem Satz ab Überscheiten eines Grundfreibetrags denkbar.8 Ein anderer Vorschlag definiert mit der Summe der Einkünfte den Begriff des Einkommens. Abzuziehen wären nur das Existenzminimum und zwangsläufige Ausgaben. Bei einer solchen Verbreiterung der Bemessungsgrundlage und abgekoppelt von der Einkommensteuerschuld könnte der Tarif der Kirchensteuer entsprechend gesenkt werden.9 1998 wurde von grüner Seite vorgeschlagen, die Kirchenfinanzen von der Lohn- und Einkommensteuer zu trennen und stattdessen eine Gemeinwohlsteuer als Zuschlag zur Umsatzsteuer zu gestalten. Die Kirchen und Religionsgemeinschaften erhielten ihren Anteil entsprechend ihrer Mitgliederzahlen in der Wohngemeinde. Der Rest soll pro Einwohner an die Kommunen verteilt werden. Weil die Gemeinwohlabgabe niedriger ist als die Kirchensteuer, müssten die religiösen Aufgaben der Kirchen durch direkte Beiträge ihrer Mitglieder finanziert werden. Diese könnten bei der Einkommensteuer geltend gemacht werden. Der Vorteil einer solchen Besteuerung liegt in zusätzlichen Einnahmen für die Kommunen, die Kopplung der Finanzen der Kirchen an eine Wachstumssteuer und die Beteiligung aller Bürger einer solidarischen Finanzierung der Wohlfahrt beteiligt.10 Dem Vorschlag wird u. a. entgegengehalten, dass eine solche Beteiligung eine neue Unterart der indirekten Steuern darstelle und in der ausschließlichen Zuständigkeit des Staates verbleibe. Außerdem sei die Gemeinwohlabgabe nicht durch Art. 137 Abs. 6 der Weimarer Reichsverfassung gedeckt.11 Zudem gehe der Vorschlag davon aus, dass die kirchlichen Finanzmittel fast ausschließlich in diakonisch-humanitäre Aufgaben fließen, tatsächlich aber werde ein Großteil davon von Kommunen und anderen Institutionen bezahlt.12 In den USA werden die Kirchen ausschließlich durch Spenden und Kollekten und damit unabhängig vom Staat finanziert. Als Vorteile werden gesehen, dass die Kirchenmitglieder frei über die Abgabe und die Höhe entscheiden können und dass die Mittel zweckgebunden verwendet werden. Negativ ist u. a., dass ggf. nur bestimmte Projekte gefördert und somit die Mittel nicht effizient eingesetzt werden. Außerdem könnten die Kirchen schnell in die Abhängigkeit von 8 Vgl. Meuthen, Jörg: Die Eignung der Kirchensteuer als Einnahmequelle von Religionsgemeinschaften aus finanzwissenschaftlicher Perspektive, in: Ockenfels, Wolfgang; Kettern, Bernd (Hrsg.): Streitfall Kirchensteuer, Paderborn 1993, S. 145-184. 9 Vgl. Giloy, Jörg: Neukonzeption einer Kirchensteuer vom Einkommen, in: Deutsche Steuer-Zeitschrift 1999, Nr. 13, S. 472-479. Zur Konzeption von kircheneigenen Tarifen vgl. Petersen, Jens: Die Zukunft der Finanzierung kirchlicher Arbeit durch die Kirchensteuer, in: Walz, Rainer; von Auer, Ludwig; von Hippel, Thomas (Hrsg.): Spenden- und Gemeinnützigkeitsrecht in Europa, Tübingen 2007. 10 News zu "Kirche und Geld", Archiv 1998, unter: http://www.kirchensteuer.de/news1998.html, abgerufen am 11. Juni 2010. 11 „Die Religionsgesellschaften, welche Körperschaften des öffentlichen Rechtes sind, sind berechtigt, auf Grund der bürgerlichen Steuerlisten nach Maßgabe der landesrechtlichen Bestimmungen Steuern zu erheben.“ 12 Friese, Joachim:"Gemeinwohlabgabe" - eine Alternative ?, unter: http://www.kirchensteuern.de/Texte/FrieseGemeinwohlabgabe.htm, abgerufen am 9. Juni 2010. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 - 156/10 Seite 6 Großspendern geraten. Darüber hinaus stehe dem Spendenaufkommen ein hoher Aufwand beim Einsammeln gegenüber. Auch in Frankreich sollte eine völlige Trennung von Kirche und Staat praktiziert werden. Die ausschließliche Finanzierung über Spenden und Kollekten hat jedoch zu einer völligen Verarmung der Bistümer geführt, sodass dort wieder staatliche Hilfen notwendig wurden.13 Vertreter der katholischen Kirche in Deutschland gehen davon aus, dass der Anteil der Spenden und Kollekten an der kirchlichen Finanzierung angesichts eines Rückgangs der Kirchensteuer steigen wird.14 Österreich verfolgt das System des obligatorischen Kirchenbeitrags. Der Kirchenbeitrag ist keine öffentliche, im staatlichen Steuerrecht verankerte Abgabe, die im Verwaltungsverfahren eingetrieben werden. Infolgedessen stehen der Kirche keine Steuerunterlagen zur Verfügung, sondern sie ist auf die freiwillige Vorlage von Verdienstbescheinigungen oder auf Selbsteinschätzung der Gemeindemitglieder angewiesen. Zudem erfordert das System den Aufbau einer kirchlichen Beitragsverwaltung . Ihr Unterhalt beläuft sich auf ca. 10 bis 15 Prozent der Kirchenbeitragseinnahmen . Als Nachteil wird auch gesehen, dass durch die Selbsteinschätzung den Kirchen rund ein Drittel der Solleinnahmen verloren gehen. Außerdem kann ein ausstehender Betrag nicht vom säumigen Beitragspflichtigen direkt eingezogen, sondern muss vor Gericht eingeklagt werden.15 Ein Vorschlag zur Abschaffung der Kirchensteuer und zur Erhebung einer Mandatssteuer wurde 1972 für Deutschland unterbreitet. Dabei sollte der Steuerpflichtige oder „Gemeinschaftsverpflichtete “ per Erklärung entscheiden, an wen er seinen Anteil verteilt. Zur Auswahl standen die Kirchen, der Staat, der das Geld für fixierte Aufgaben erhält, sowie ein besonderer Fonds für Aufgaben der Entwicklungshilfe. Von der Neuregelung wurde sich mehr Freiheit des Bürgers gegenüber Staat und Kirche, ein Zwang zu sozialverantwortlichem Verhalten, eine individualisiert öffentliche Kontrolle der zur Wahl stehenden Institutionen und eine Besinnung der Kirchen – bei Rückgang der Einnahmen – auf ihre spezifischen Bedürfnisse versprochen.16 Neben (verfassungs )rechtlichen Bedenken und praktischen Unwägbarkeiten, zum Beispiel die Verteilung der Mittel an den Sonderfonds, wurde auf die zukünftige Unmöglichkeit aufmerksam gemacht, per Austritt aus der Kirche die Kirchensteuerpflicht zu beenden. Die Mandatssteuer würde somit von denjenigen, die keiner Kirche angehören, als „Ersatz-Kirchensteuer“ angesehen.17 Von der Möglichkeit, die Finanzierung der Kirchen durch die Teilzweckbindung im Rahmen der staatlichen Einkommensbesteuerung zu sichern, haben Spanien und Italien (Einführung einer Kultursteuer) Gebrauch gemacht. In Spanien wurde den Steuerpflichtigen im Steuerjahr 1987 die 13 Vgl. Meuthen, Jörg: Die Eignung der Kirchensteuer als Einnahmequelle von Religionsgemeinschaften auf finanzwissenschaftlicher Perspektive, in: Ockenfels, Wolfgang; Kettern, Bernd (Hrsg.): Streitfall Kirchensteuer, Paderborn 1993, S. 145-184. 14 Vgl. Feldhoff, Norbert: Kirchenfinanzen in der Krise, in: Kirche und Gesellschaft Nr. 315, 2004, S. 14. 15 Vgl. Branahl, Matthias: die verschiedenen Modelle der Kirchenfinanzierung, in: Ockenfels, Wolfgang; Kettern, Bernd (Hrsg.): Streitfall Kirchensteuer, Paderborn 1993, S. 95-108. 16 Vgl. Herrmann, Horst: Kirchensteuer als Mandat? Eine Anfrage an Staat und Kirche, in: Stimmen der Zeit, Band 189, 1972, S. 58-60. 17 Vgl. Listl, Joseph: Staat und Kirche in der Bundesrepublik Deutschland, in: Stimmen der Zeit, Band 190, 1973, S. 291-308. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 - 156/10 Seite 7 Möglichkeit gegeben, 0,529 Prozent der individuellen Steuerschuld entweder der katholischen Kirche zukommen zu lassen oder eine Zweckbestimmung zugunsten allgemeiner Sozialausgaben des Staates vorzunehmen. Wählt der Steuerpflichtige keine der Optionen, werden die Mittel seitens des Staates für die Bereiche Kultur, Bildung und Soziales verwendet. Für eine Übergangszeit erhielt die Kirche in Höhe der Differenz der früheren Dotation und dem Ertrag aus der Zweckbindung Mittel aus dem allgemeinen Staatshaushalt. In Italien wurde die Zweckbindung mit dem Steuerjahr 1989 eingeführt. Der Steuerpflichtige kann entscheiden, ob er 0,8 Prozent seiner Steuerschuld der katholischen Kirche (u. a. für die Priesterbesoldung und die Kirchenrenovierung), dem Staat in Form eines Fonds unter Aufsicht des Innenministeriums (u. a. für Katastrophenhilfe) oder zwei kleineren Religionsgemeinschaften zukommen lässt. Entscheidet sich der Steuerpflichtige nicht, wird im Verhältnis der Beträge, die durch die Steuerzahler zweckbestimmt wurden, zwischen staatlichem und kirchlichem Fonds aufgeteilt. Damit werden diejenigen, die sich nicht entschieden haben, indirekt zur Kirchenfinanzierung herangezogen. Bei der Bewertung des Mandatssteuersystems bzw. der Teilzweckbindung wird zum einen auf die Einhaltung des Äquivalenzprinzips durch solche Steuern abgestellt. Dabei werde jedoch außer Acht gelassen, dass eine Entscheidung zugunsten eines staatlichen Programms nicht automatisch bedeutet, dass die Leistungen der Kirche für die Steuerzahler keine positive Bedeutung haben . Zum anderen wird auf die Errichtung einer sinnvollen Konkurrenz von gleichberechtigten Institutionen bei der Verteilung von Steuermitteln verwiesen. Darüber hinaus seien die geringen Erhebungskosten von Vorteil. Außerdem werde die gewünschte Wirkung eines progressiven Tarifs durch die Teilzweckbindung nicht beeinträchtigt. Die Gefahr der Überwälzung gelte für alle Steuern und sei kein Argument gegen diese Form der Besteuerung.18 Ein weiteres Modell zur Ablösung der Kirchensteuer in Deutschland, das auch ausführlich auf dem 2. Ökumenischen Kirchentag vom 12. bis 16. Mai 2010 in München diskutiert wurde, stammt vom Dietrich-Bonhoeffer-Verein (dbv). Die ersten Ansätze entstanden im Jahr 2002.19 Die Weiterentwicklung bis ins Jahr 2009 sieht ein Drei-Säulen-Modell für eine Reform der Kirchenfinanzierung und eine Verbesserung der Gemeinwohlfinanzierung vor. Die drei Säulen sind: Kollekten und Spenden, Mitgliedsbeiträge sowie Bürgergutscheine. Kollekten und Spenden seien nicht nur die älteste Form der Finanzierung einer kirchlichen Gemeinde, sondern entsprächen auch am ehesten dem Wesen einer freien, vom Staat unabhängigen Kirche. Die Pflicht zur Zahlung eines Mitgliedsbeitrags soll nicht durch die Taufe (Kircheneintritt) entstehen, sondern durch eine Willenserklärung zum Körperschaftseintritt. Die Führung der Mitgliederlisten sowie der Einzug der von der Einkommenshöhe abhängigen Beiträge soll den kirchlichen Verwaltungen obliegen. Die Bürgergutscheine werden aus einem für diesen Zweck freigegebenen Ausgabenanteil des Bundeshaushalts, dem sog. Bürgerhaushalt, entnommen. Jeder „Wahlberechtigte“ erhält zwei je 50-Euro-Gutscheine. Der dbv geht davon aus, dass Kosten in Höhe von rund 5. Mrd. Euro entstehen. Alle Wahlberechtigten können ihre Bürgergutscheine persönlich einer kirchlichen oder anderen gemeinnützigen Einrichtung ihrer Wahl aushändigen. Die Gemeinnützigkeit richtet 18 Vgl. Andreae, Clemens-August; Rinderer, Claus: Teilzweckbindung von Personalsteuern – Ein neuer Finanzierungsmodus für Kirchen und andere Parafisken, in: List Forum, Band 16, 1990, S. 341-352. 19 Vgl. Martin, Karl (Hrsg.): Abschied von der Kirchensteuer, Oberursel 2002. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 - 156/10 Seite 8 sich nach § 52 Abs. 2 Nr. 1 bis 20 und 24 bis 25 Abgabenordnung, das heißt, ausgenommen sind z. B. Vereine zur Förderung des Sports oder der Heimatpflege. Die Begünstigten lösen die Gutscheine beim Finanzamt ein. Mit dieser dritten Säule soll die Gemeinwohlfinanzierung ausgeweitet und verbessert werden. Der dbv fordert, die Staatskirchenverträge, in denen eine Fortgewährung der Staatsleistungen verankert ist, entsprechend zu ändern.20 20 Vgl. Dietrich-Bonhoeffer-Verein (dvb): Das Drei-Säulen-Modell für eine Reform der Kirchenfinanzierung und eine Verbesserung der Gemeinwohlfinanzierung, Stand 04. Juli 2009, unter: http://www.dietrich-bonhoefferverein .de/html/AG_Kirchensteuer/3_Saeulen_Modell.htm, abgerufen am 9. Juni 2010.