Zahlungsunfähige Staaten in den letzten 20 Jahren - Ausarbeitung - © 2008 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 151/08 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Zahlungsunfähige Staaten in den letzten 20 Jahren Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 151/08 Abschluss der Arbeit: 30.09.2008 Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W. - 3 - 1. Einleitung Der Begriff der Zahlungsunfähigkeit bezeichnet die allgemeine oder momentane Unfähigkeit eines Wirtschaftssubjekts zur Begleichung seiner laufenden Verbindlichkeiten und findet allgemein Anwendung auf private Wirtschaftsteilnehmer. Ein Staat ist jedoch kein einem Unternehmen vergleichbares Gebilde und bringt andere Rahmenbedingungen mit sich. Für den Staat gelten keine handels- und gesellschaftsrechtlichen Regelungen , die das Vorliegen einer Überschuldungs- oder Zahlungsunfähigkeitssituation definieren . In Ermangelung einer solchen Definition wird meistens dann von einer Zahlungsunfähigkeit eines Staates gesprochen, wenn er dauernd oder vorübergehend nicht mehr in der Lage ist, seine Auslandsschulden zu begleichen, also eine der Überschuldung eines privaten Subjekts vergleichbare Lage gegeben ist. Dies ist jedoch keine allgemein anerkannte oder normierte Definition, sondern eher ein Orientierungspunkt. Zu beachten ist, dass sowohl aus wirtschaftlicher, als auch aus juristischer Sicht ein Staat nicht insolvent werden kann. Wirtschaftlich ist dies ausgeschlossen, da dem Staat ein umfassendes Besteuerungsrecht zusteht, was allerdings nicht ausschließt, dass ein Staat in schwerwiegende (vorübergehende) Zahlungsschwierigkeiten kommen kann1. Aus klassischer juristischer Sicht ist ein Staatsbankrott nicht möglich, da ein Staat nicht liquidiert werden kann. Faktisch hat jedoch die Geschichte gezeigt, dass Staatsbankrotte zwar ein seltenes, aber durchaus existierendes Phänomen sind. In den letzten zwanzig Jahren hat es eine nicht geringe Anzahl von Staaten in Zahlungsschwierigkeiten gegeben, offiziell zahlungsunfähige Staaten gab es jedoch nur drei: Russland 1998, Ecuador 1999 und Argentinien 2001/2002. Offiziell bedeutet in diesem Zusammenhang, dass diese Staaten die Begleichung ihrer Auslandsschulden ausgesetzt und im Anschluss umstrukturiert haben und dabei ihre Zahlungsunfähigkeit in einer Regierungserklärung proklamierten. 2. Offiziell zahlungsunfähige Staaten seit 1988 2.1. Russland, August 19982 Russland erlebte in Folge der Asienkrise (1997), die weltweit für Verwerfungen an den Kapital- und Kreditmärkten sorgte, eine schwere Finanzkrise. Russland befand sich bereits seit einigen Jahren in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage, da der Umwand- 1 Ohler, Der Staatsbankrott, Juristenzeitung 2005, 590, 591. 2 Ausführliche Darstellung bei Herr, Die Finanzkrise in Russland im Gefolge der Asienkrise, abrufbar unter: http://www.bpb.de/publikationen/D0THIA,0,0,Die_Finanzkrise_in_Russland_im_Gefolge_ der_Asienkrise.html#art0. - 4 - lungsprozess von einer sozialistischen in eine moderne Marktwirtschaft nicht reibungslos vonstatten ging. Das russische Finanzsystem war zum Zeitpunkt der Asienkrise sehr fragil, da es direkt vom Kurs des Rubels abhängig war. Der russische Staat finanzierte sich seit 1995 vor allem mit in Rubel nominierten Schuldverschreibungen, welche größtenteils Laufzeiten unter einem Jahr aufwiesen. Diese Schuldverschreibungen waren für ausländische Investoren attraktiv, da sie hohe Renditen versprachen, solange der Kurs des Rubels stabil blieb. Weiterhin verschuldete sich der russische Staat auch massiv in Fremdschulden, zumal er die Staatsschulden der Sowjetunion übernahm, was zu einem hohen Schuldenstand in Auslandswährung führte3. Eine Abwertung des Rubels hätte den Schuldendienst aufgrund des schlechteren Wechselkurses vervielfacht. Mit Ausbruch der Asienkrise 1997 setzte ein Umdenken bei den internationalen Investoren ein und die sogenannten „Emerging Markets“, zu denen auch Russland gehörte, wurde wesentlich kritischer betrachtet. Derartig eingestufte Staaten wurden plötzlich als potentielle Krisenländer angesehen und es begann eine Flucht aus entsprechenden Finanztiteln der zu den „Emerging Markets“ zählenden Staaten. Russland wurde von diesem Kapitalabfluss aufgrund der Instabilitäten des russischen Finanzsystems hart getroffen. Um die Tilgung seiner kurz- und mittelfristigen Schuldtitel begleichen zu können, musste Russland fortlaufend umschulden. Seit der Asienkrise musste Russland die Zinssätze seiner Rubelanleihen jedoch massiv erhöhen, um noch Abnehmer zu finden, was in die Schuldenfalle führte. Mai 1998 lag der Zinssatz bei 150%4. Des Weiteren brach ebenfalls in Folge der Asienkrise der zuvor boomende Aktienmarkt in Russland 1998 zusammen und verlor vier Fünftel seines Wertes. Ein weiterer Faktor lag in dem damaligen Verfall des Ölpreises und von Rohstoffpreisen, da Russland stark von dem Export dieser Güter abhängig war. Damit stieg der Druck auf den Rubel enorm an. Zwar unternahm Russland verschiedene Anstrengungen zur Stabilisierung des Rubels, unter anderem gewährte auch der IWF einen Kredit über 22,6 Mrd. US-Dollar, letztlich musste der Kurs des Rubel jedoch freigegeben werden (17. August 1998), was zu einer sofortigen massiven Abwertung führte (60% Wertverlust). Russland war damit zahlungsunfähig und erklärte ein 90-Tages-Moratorium für die Bedienung fälliger privater Fremdwährungsschulden. Zudem wurden kurzfristige Rubelanleihen nicht weiter bedient, sondern in langfristige Rubelanleihen umgewandelt. 3 Herr, Die Finanzkrise in Russland im Gefolge der Asienkrise, abrufbar unter: http://www.bpb.de/publikationen/D0THIA,0,0,Die_Finanzkrise_in_Russland_im_Gefolge_der_Asie nkrise.html#art0. 4 Herr, Die Finanzkrise in Russland im Gefolge der Asienkrise, abrufbar unter: http://www.bpb.de/publikationen/D0THIA,0,0,Die_Finanzkrise_in_Russland_im_Gefolge_der_Asie nkrise.html#art0. - 5 - Schuldenstand Russlands 1998 Gesamte Staatsschulden in Fremdwährung: 158,8 Mrd. US-Dollar (entsprach 49,5 % des BIP)5 Ausfall: ca. 30,4 Mrd. US – Dollar (Anleihen)6 2.2. Ecuador, Oktober 19997 Ecuador sah sich Mitte der neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts mehreren externen Schocks ausgesetzt, die das an sich bereits labile Wirtschaftssystem ins Wanken und schließlich zu Fall brachten. Zu nennen sind hier der Grenzkrieg gegen Peru (1995), El Niño (1997), die Finanzkrisen in Mexiko (1995), Asien (1997) und Russlands (1998) sowie der Verfall des Ölpreises (1998), dem wichtigsten Exportguts Ecuadors. Die Folge war eine sich durch Wechselwirkungen jeweils verstärkende Verschuldungs-, Währungs - und Bankenkrise, wodurch immer stärkerer Druck auf die Landeswährung Sucre entstand. Wirtschaftspolitische Stützungsmaßnahmen blieben wirkungslos oder müssen im Nachhinein als verfehlt bezeichnet werden, so führte unter anderem die Vermehrung der Geldmenge durch die Zentralbank zu einer massiven Abwertung der Landeswährung Sucre. Am 12.02.1999 wurde der Wechselkurs des Sucre schließlich freigegeben. Internationale Organisationen wie der IWF, die Weltbank, IDB und CAF boten Kreditpakete und Hilfsmaßnahmen an, zu welchen es jedoch nicht kam, da die ecuadorianische Seite die geforderten Auflagen der Organisationen nicht erfüllte. Im Oktober 1999 konnte (oder wollte) Ecuador einen Teil seiner Auslandsschulden, hauptsächlich Brady Bonds, nicht mehr bezahlen und erklärte seine Zahlungsunfähigkeit. Schuldenstand Ecuadors 1999 Gesamte Staatsschulden: 13,8 Mrd. US – Dollar (entsprach 82,8 % des BIP)8 Ausfall: ca. 6,5 Mrd. US – Dollar (Anleihen)9 5 Nach IMF, Russian Federation: Statistical Appendix, 2003, S. 42, abrufbar unter: http://www.imf.org/external/pubs/ft/scr/2003/cr03145.pdf. 6 Dies führte zu einem Ausfall von ca. 30,4 Mrd. US-Dollar, siehe Diaz-Cassou/Erce- Dominguez/Vázquez-Zamor, Recent Episodes of sovereign debt restructurings, a case study approach , Banco de Espana, S. 42, abrufbar unter: http://papers.ssrn.com/sol3/ papers .cfm?abstract_id= 1210382. 7 Ausführliche Darstellung bei Diaz-Cassou/Erce-Dominguez/Vázquez-Zamor, Recent Episodes of sovereign debt restructurings, a case study approach, Banco de Espana, S. 29 - 34, abrufbar unter: http://papers.ssrn.com/sol3/ papers.cfm?abstract_id= 1210382. 8 Nach IMF, Ecuador: Selected Issues and Statistical Appendix, 2003, S. 110, abrufbar unter: http://www.imf.org/external/pubs/ft/scr/2003/cr0391.pdf. - 6 - 2.3. Argentinien, Dezember 200110 Die Erklärung der Zahlungsunfähigkeit Argentiniens Ende Dezember 2001 durch den nur fünf Tage im Amt weilenden Interims-Präsidenten Saá stellt den bedeutendsten Fall eines Staatsbankrotts in der jüngeren Geschichte dar. In erster Linie, da die nicht weiter bedienten Auslandsschulden den Rekordbetrag von ca. 82 Mrd. US-Dollar erreichten. In zweiter Linie ist Argentinien jedoch auch ein Beispiel dafür, dass ein einstmals reicher Staat – Argentiniens Wohlstand war Anfang des 20. Jahrhunderts mit dem der mitteleuropäischen Mächte vergleichbar11 – durch politische Instabilität und Misswirtschaft innerhalb weniger Jahrzehnte den Großteil seines Wohlstandes verlieren kann. Auch wenn einige Ursprünge der Finanzkrise 1999 – 2001 teilweise bis in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts zurückreichen, soll hier nur auf die jüngere Geschichte Bezug genommen werden. Nach einer Hyperinflation 1989 wurde durch eine Dollarbindung der Landeswährung ein Rückgang der Inflation erreicht, die allerdings im ein- bis zweistelligen Bereich verblieb, was zu einer kontinuierlichen Verteuerung argentinischer Produkte auf dem Weltmarkt führte und eine negative Handelsbilanz zum Ergebnis hatte . Dies wurde regelmäßig durch Neuverschuldung ausgeglichen, so dass die Schulden Argentiniens anstiegen. Dieser Prozess wurde durch die Mexikokrise (1995) und vor allem durch die Brasilienkrise (1998) verschärft. Brasilien wertete 1998 seine Landeswährung Real um fast 50 % ab, um den Export anzukurbeln. Dies war für Argentinien doppelt nachteilig: Zum einen verdrängten brasilianische Produkte die argentinischen auf dem Weltmarkt und zum anderen brach der Handel mit Brasilien als wichtigstem Handelspartner Argentiniens faktisch ein. So wurden zwar vermehrt brasilianische Produkte importiert, es konnten aber keine argentinischen Produkte aufgrund der Teuerung mehr exportiert werden. Zudem verlegten viele argentinische Unternehmen ihren Sitz nach Brasilien. Dadurch bedingt nahm die Neuverschuldung Argentiniens zwischen 1996 – 1999 rasant zu. Da die Dollarbindung des Peso aufrechterhalten wurde, kam es zu einer Überbewertung des Peso, zumal der Dollar Ende der neunziger Jahre des 20. Jahrhunderts sehr stark war. Weiterhin sanken die Agrarpreise stark, was Argentinien als Exporteur von Agrarprodukten hart traf. Dazu kamen weitere, ungünstige Faktoren. 9 Diaz-Cassou/Erce-Dominguez/Vázquez-Zamor, Recent Episodes of sovereign debt restructurings, a case study approach, Banco de Espana, S. 30, abrufbar unter: http://papers.ssrn.com/sol3/ papers .cfm?abstract_id= 1210382. Ebenso: Wolff, Der US-Dollar als Rettungsanker?, S. 36, abrufbar unter: http://www.hsfk.de/fileadmin/downloads/rep0602.pdf. 10 Ausführliche Darstellung bei Jost, Argentinien: Umfang und Ursachen der Staatsverschuldung und Probleme der Umschuldung, 2003, abrufbar unter: http://www.kas.de/wf/doc/kas_3573-544-1- 30.pdf. 11 Jost, Argentinien: Umfang und Ursachen der Staatsverschuldung und Probleme der Umschuldung, 2003, abrufbar unter: http://www.kas.de/wf/doc/kas_3573-544-1-30.pdf. - 7 - Infolge der Asienkrise setzte weltweit eine Kapitalflucht internationaler Investoren aus den Märkten der Schwellenländer ein, wovon auch Argentinien betroffen war. Aufgrund der schlechten Zukunftsprognosen für die Region fanden sich nur wenige Ausländer, die zu Investitionen bereit gewesen wären. Dazu kam nicht zuletzt aufgrund der wechselhaften Wirtschaftsituation in den letzten Jahren ein allgemeines Misstrauen gegenüber der Stabilität der argentinischen Wirtschaft. 1999 stürzte Argentinien schließlich in eine schwere Rezession. Es wurden in der Folge verschiedene Wirtschaftsmaßnahmen durchgeführt, diese blieben letztlich jedoch wirkungslos oder verschärften sogar die Situation. Endgültiger Auslöser der Zahlungsunfähigkeit war im November 2001 die Ankündigung des IWF, eine Kredittranche von 1,25 Mrd. US-Dollar nicht an Argentinien auszuzahlen, da Argentinien die vom IWF vorgegebenen Haushaltsziele nicht erreicht hatte. Ein massiver Vertrauensverlust und Kapitalabfluss waren die Folgen. Auch letzte Rettungsmaßnahmen wie das „corralito“, nach dem Bürger und Unternehmen nur 250 Peso in bar pro Woche von ihren Girokonten abheben durften, entfalteten keine heilsame Wirkung. Stattdessen wurde der Volkszorn entfacht, es kam zu Aufständen und gewaltsamen Auseinandersetzungen. Schließlich wurde Ende Dezember 2001 die Zahlungsunfähigkeit bezogen auf private Auslandsschulden proklamiert, was Anleihen im Wert von 82 Mrd. US-Dollar betraf. Multilaterale Schulden wurden jedoch weiterhin bedient. Schuldenstand Argentiniens 31.12.2001 Gesamte Staatsschulden: 166,3 Mrd. US – Dollar12 (entsprach 61,9 % des BIP) Ausfall: ca. 99,5 Mrd. US - Dollar13 3. Bemerkungen Es mag verwundern, dass es angesichts der Armut vieler Staaten nur drei Staaten in den letzten zwanzig Jahren gab, die sich für zahlungsunfähig erklärt haben und dazu zwei Staaten wie Argentinien und Russland, die als Industriestaaten gelten und im Falle Russlands sogar eine (ehemalige) Supermacht betroffen ist. Des Weiteren mag es verwunderlich scheinen, dass diese Staaten nach absoluten Zahlen deutlich weniger Schul- 12 Nach Deutsche Bank Research, abrufbar unter: http://www.dbresearch.de/servlet/reweb2.ReWEB?rwsite=CIB_INTERNET_EN- PROD&$rwframe=0, Latin America, Argentina. 13 Nach Diaz-Cassou/Erce-Dominguez/Vázquez-Zamor, Recebt Episodes of sovereign debt restructurings , a case study approach, Banco de Espana, S. 14, abrufbar unter: http://papers.ssrn.com/sol3/ papers.cfm?abstract_id= 1210382. - 8 - den hatten als die großen Industriestaaten (wie z.B. die Bundesrepublik Deutschland mit ca. 1,5 Billionen Euro Staatsschulden). Hierzu sind einige Anmerkungen nötig: Die absoluten Staatsschulden entwickeln erst in Zusammenhang mit weiteren volkswirtschaftlichen Kennzahlen Aussagekraft. In Zusammenschau mit dem BIP des Landes kann die Verschuldungsrate berechnet werden, welche eine der wichtigsten volkswirtschaftlichen Kennzahlen darstellt14. Aber auch hier ist Vorsicht geboten, denn so wies in der jüngeren Vergangenheit z.B. Japan als einer der am höchsten verschuldeten Staaten weltweit eine Verschuldungsquote von ca. 180 % auf, ist aber dennoch nicht in der Gefahr einer Zahlungsunfähigkeit. Ländern wie Japan oder auch Deutschland wird aufgrund ihrer starken Wirtschaft, ihrer Stabilität und ihrem starken Exportgeschäft international viel Vertrauen entgegengebracht. Die Währungen sind seit langem stabil und Anleihen wurden in der Vergangenheit stets pünktlich bedient. Solch ein fundamentales Vertrauen genießen aber nur wenige Länder und Russland, Ecuador und Argentinien gehörten nicht dazu, so dass sie sich nicht weiter über die Kapitalmärkte refinanzieren konnten. Unter anderem deshalb konnten die im Vergleich zu den großen Industrienationen geringeren Staatsschulden Russlands, Ecuadors und Argentinien diese Staaten dennoch in die Situation einer Zahlungsunfähigkeit bringen. Dabei spielen jedoch auch Währungsprobleme eine wichtige Rolle, da der Zahlungsunfähigkeit regelmäßig eine starke Abwertung der Landeswährung vorausging. Dadurch verteuerten sich die in Fremdwährung begebenen Auslandsschulden um ein Vielfaches und führten zu einem rasanten Schuldenanstieg. Abgesehen von dieser Relativität der absoluten Zahlen ist weiterhin zu beachten, dass wie schon einführend erwähnt, der Staatsbankrott nicht normiert ist, weder völkerrechtlich , noch multilateral, noch national. Letztlich obliegt es jedem Staat damit selbst, seine Zahlungsunfähigkeit festzustellen. Dies eröffnet Raum für Missbrauch und politischen Opportunismus, aber auch Neubeginn und -gestaltung. Denn die Erklärung der Zahlungsunfähigkeit erlaubt dem jeweiligen Staat ein in der Regel radikales Umstrukturierungs - und Umschuldungsprogramm zu realisieren, das ihm unter normalen Umständen verwehrt bliebe. Die Folge ist eine massive Entschuldung auf Kosten der (privaten) Gläubiger. Argentinien ist hierfür das Paradebeispiel, da es Auslandsanleihen in Höhe von 82 Milliarden Euro über drei Jahre nicht bediente und den Gläubigern schließlich für diese Anleihen ein Umtauschangebot in neue Anleihen anbot, welche einen Kapitalschnitt von etwa 75 % vorsahen, abgesehen von den bis dahin angefallenen 20 Milliarden Euro Zinsen, die ignoriert wurden15. Dies bedeutete einen heftigen Einschnitt in die 14 In Europa bekannt ist die Maastricht-Grenze der Verschuldungsquote von 60 %. 15 Ohler, Der Staatsbankrott, Juristenzeitung 2005, 590, 591. - 9 - zivilrechtlichen Ansprüche der Privatgläubiger, was vor dem Hintergrund, dass Argentinien die Wirtschaftskrise inzwischen überwunden hatte und wieder über Mittel verfügte , eine besondere Note hatte. Manche sprechen daher auch nicht von einer Zahlungsunfähigkeit , sondern einer Zahlungsunwilligkeit. Im Falle Ecuadors wurde teilweise gemutmaßt, dass der IWF die Staatsführung zu einem Staatsbankrott ermutigt habe, da dies die Möglichkeit eines finanziellen Neubeginns mit sich brachte16. Insofern hat die Erklärung der Zahlungsunfähigkeit neben der wirtschaftlichen auch eine politische Komponente. Im Übrigen sei noch angemerkt, dass es neben den hier genannten Fällen einige Staaten gab, die kurz vor der Zahlungsunfähigkeit standen, aber mittels internationaler Hilfe und mithilfe von schnellen Umstrukturierungsmaßnahmen den Staatsbankrott verhindern konnten. 16 Diaz-Cassou/Erce-Dominguez/Vázquez-Zamor, Recebt Episodes of sovereign debt restructurings, a case study approach, Banco de Espana, S. 32, abrufbar unter: http://papers.ssrn.com/sol3/ papers .cfm?abstract_id= 1210382.