© 2019 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 148/19 Rechtlicher Rahmen für die Änderung des § 11 LuftVStG Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Keine unzulässige Zweckbindung 11 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 148/19 Seite 4 1. Fragestellung Am 15. November 2019 verabschiedete der Deutsche Bundestag das Gesetz zur Änderung des Luftverkehrsteuergesetzes1. Das Einspruchsgesetz wird am 29. November 2019 im Bundesrat beraten . Es wird gefragt, ob die Änderung des § 11 Luftverkehrsteuergesetz rechtliche Probleme aufwirft . Für die Frage, ob die jährliche prozentuale Absenkung der Steuersätze aufgrund der Verordnungsermächtigung des § 11 Abs. 1 LuftVStG mit dem europäischen Beihilfenrecht vereinbar ist, wird auf die Ausarbeitung des Referats PE 6 verwiesen. 2. Bisheriger Regelungsgehalt des § 11 LuftVStG und künftige Änderungen Die Luftverkehrsteuer auf in Deutschland startende gewerbliche Passagierflüge wurde mit Gesetz vom 15. Dezember 2010 (LuftVStG) eingeführt2. Die Bemessungsgrundlage der Luftverkehrsteuer bilden nach § 10 LuftVStG die Lage des jeweils gewählten Zielorts und die Anzahl der beförderten Fluggäste. Nach § 11 LuftVStG gliedern sich die Steuersätze in drei Distanzklassen und knüpfen an die pauschalierte Entfernung zum Zielort an. Dabei wurde grundsätzlich die Entfernung des jeweils größten Verkehrsflughafens eines Landes zum größten deutschen Verkehrsflughafen Frankfurt am Main zugrunde gelegt. Die erste Distanzklasse betrifft - in Zusammenschau mit Anlage 1 zum LuftVStG - Kurzstrecken bis 2500 km (alle EU-Mitgliedstaaten, EU-Beitrittskandidaten, EFTA-Mitgliedstaaten sowie innerhalb dieses Entfernungskreises liegende Drittstaaten). Der Steuersatz für die erste Distanzklasse betrug bisher 7,50 Euro. Die zweite Distanzklasse (Mittelstrecke) besteht nach Anlage 2 zum LuftVStG aus Zielländern, die zwischen 2500 km bis zu 6000 km entfernt sind und nicht in die erste Distanzklasse fallen. Für diese Distanzklasse betrug der Steuersatz bislang 23,43 Euro. Der dritten Distanzklasse (Langstrecken) sind alle Zielländer mit einer Entfernung über 6000 km zugeordnet . Ihr Steuersatz betrug bislang 42,18 Euro. § 11 Abs. 2 LuftVStG sieht eine Verordnungsermächtigung des Bundesministerium der Finanzen (BMF) vor, die Steuersätze des § 11 Abs. 1 LuftVStG jeweils mit Wirkung zu Beginn eines Kalenderjahres prozentual abzusenken. Dabei berechnet sich der Umfang der prozentualen Absenkung der drei Steuersätze aus dem Verhältnis der jeweiligen Einnahmen des Vorjahres aus der Einbeziehung des Luftverkehrs in den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten zu 1 Mrd. Euro 1 BT-Drs 19/14339. 2 Luftverkehrsteuergesetz vom 9. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1885 vom 14. Dezember 2010) zuletzt geändert durch Art. 9 Zweites Gesetz zur Änderung des Energiesteuer- und des Stromsteuergesetzes vom 27.08.2017 (BGBl. I S. 3299). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 148/19 Seite 5 (§ 11 Abs. 2 LuftVStG). Aufgrund der Verordnungsermächtigung des § 11 Abs. 2 LuftVStG wurde die Höhe der Steuersätze durch Rechtsverordnung des BMF jährlich angepasst3. Die vom Bundestag am 15. November 2019 mit dem Gesetz zur Änderung des Luftverkehrsteuergesetzes beschlossenen Änderungen sehen in § 11 Abs. 1 LuftVStG - mit Wirkung zum 1. April 2020 - zum einen eine Erhöhung der Steuersätze aller Distanzklassen - auf 13,03 Euro für Distanzklasse 1, auf 33,01 Euro für Distanzklasse 2 und auf 59,43 Euro für Distanzklasse 3 - vor. Zudem wird in § 11 Abs. 2 LuftVStG die rechnerische Bezugsgröße zur Ermittlung der Absenkung der Steuersätze, die sich aus den veranschlagten Soll-Einnahmen aus der Luftverkehrsteuer ergibt, auf 1,75 Mrd. Euro erhöht. 3. Rechtliche Prüfungspunkte Das LuftVStG in seiner ursprünglichen Fassung war bereits Gegenstand eines vom Land Rheinland -Pfalz angestrengten abstrakten Normenkontrollverfahrens und wurde mit Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 5. November 20144 für verfassungsgemäß erklärt. Mit den im Gesetz vom 15. November 2019 verabschiedeten Änderungen des LuftVStG, insbesondere denjenigen des § 11 LuftVStG, werden im Ergebnis keine solchen Veränderungen vorgenommen, die das bisherige System der Besteuerung des Luftverkehrs, wie es vom Bundesverfassungsgericht für mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt wurde, berühren würden. Im Folgenden soll auf die wesentlichen verfassungsrechtlichen Prüfungspunkte und die Auswirkungen der mit dem Gesetz zur Änderung des Luftverkehrsteuergesetzes beschlossenen Änderungen eingegangen werden. 3.1. Gesetzgebungskompetenz des Bundes In dem Normenkontrollverfahren war die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Luftverkehrsteuer mit dem Argument bestritten worden, dass es zweifelhaft sei, ob diese der Verkehrsteuer im Sinne des Art. 106 Abs. 1 Nr. 3 GG zuzuordnen ist. Das Bundesverfassungsgericht hat indes eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 105 Abs. 2 Alt. 1 GG für die Luftverkehrsteuer als eine sonstige auf motorisierte Verkehrsmittel bezogene Verkehrsteuer nach Art. 106 Abs. 1 Nr. 3 GG angenommen. Der Begriff des Verkehrsmittels i.S.d. Art. 106 Abs. 1 Nr. 3 GG umfasse insoweit auch den Flugverkehr5. Steuergesetzgebungs- und Ertragskompetenz für das Änderungsgesetz liegen daher beim Bund. 3 Unter Einbeziehung des Luftverkehrs in den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten blieben die Steuersätze des § 11 Abs. 1 Nr. 1-3 des LuftVStG für die Jahre 2014 und 2015 unverändert; siehe Luftverkehrsteuer- Festlegungsverordnung 2014 und Luftverkehrsteuer-Festlegungsverordnung 2015. Für das Jahr 2016 siehe Luftverkehrsteuer-Festlegungsverordnung 2016. Für das Jahr 2017 siehe Luftverkehrsteuer-Absenkungsverordnung 2017. Für das Jahr 2018 siehe Luftverkehrsteuer-Absenkungsverordnung 2018. Für das Jahr 2019 siehe Luftverkehrsteuer-Absenkungsverordnung 2019. 4 BVerfG, Urteil vom 5. November 2014 - 1 BvR 3/11, BVerfGE 137, 350ff. 5 BVerfG, Urteil vom 5. November 2014 - 1 BvR 3/11, BVerfGE 137, 350, Rn. 28ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 148/19 Seite 6 3.2. Zulässigkeit der Verordnungsermächtigung in § 11 Abs. 2 LuftVStG In seinem Urteil hat das Bundesverfassungsgericht die Verordnungsermächtigung des BMF, die Steuersätze des § 11 Abs. 1 LuftVStG jeweils mit Wirkung zu Beginn eines Kalenderjahres prozentual abzusenken, als mit dem Grundgesetz vereinbar erklärt6. Das LuftVStG genüge dem im Rechtstaatsprinzip verankerten Vorbehalt des Gesetzes, da die steuerliche Belastung im Gesetz ausreichend vorgezeichnet sei und dem Verordnungsgeber keine abweichende Entscheidung über das „ob“ und „wie“ der Senkung der Luftverkehrsteuer eingeräumt werde. Dem Verordnungsgeber werde vielmehr nur die Neuberechnung der Steuersätze nach einer gesetzlich abschließend vorgegebenen Berechnung überlassen. Insoweit regele das LuftVStG die Erhebung der Steuer in ausreichendem Maße selbst7. Die Verordnungsermächtigung sei auch hinreichend bestimmt i.S.d. Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG, da der steuerliche Belastungstatbestand (Steuerschuldner, -gegenstand, die Bemessungsgrundlage und der Steuersatz) im Parlamentsgesetz selbst festgelegt sei8. Die im Gesetz zur Änderung des Luftverkehrsteuergesetz insoweit vorgesehenen Änderungen, d.h. die Erhöhung der Steuersätze in § 11 Abs. 1 LuftVStG sowie die Anhebung der Bezugsgröße zur Ermittlung der Absenkung der Steuersätze auf 1,75 Mrd. Euro in § 11 Abs. 2 LuftVStG, berühren nicht die hinreichend bestimmte Verordnungsermächtigung nach § 11 Abs. 2 LuftVStG. Der Verordnungsgeber bleibt auch weiterhin an die Neuberechnung der Steuersätze nach genau bestimmten Vorgaben gebunden und trifft keine Ermessensentscheidung bezüglich des „ob“ und des „wie“ der Steuersenkung. Für die Frage, ob die jährliche Absenkung der Steuersätze aufgrund der Verordnungsermächtigung mit Blick auf die Einbeziehung des Luftverkehrs in den europäischen Handel mit Emissionszertifikaten mit dem europäischen Beihilfenrecht vereinbar ist, wird auf die Ausarbeitung des Referats PE 6 verwiesen. 3.3. Vereinbarkeit der Luftverkehrsteuer mit Art. 3 Abs. 1 GG Mit Blick auf die Vereinbarkeit der Luftverkehrsteuer mit Art. 3 Abs. 1 GG ist der Grundsatz der Lastengleichheit zu beachten, d.h. dass die Steuerpflichtigen durch das Steuergesetz dem Grundsatz nach rechtlich und tatsächlich gleichmäßig belastet werden müssen. Allerdings wird dem Gesetzgeber sowohl bei der Auswahl des Steuergegenstandes als auch bei der Bestimmung des Steuersatzes ein weitreichender Entscheidungsspielraum zugebilligt9. 6 BVerfG, Urteil vom 5. November 2014 - 1 BvR 3/11, BVerfGE 137, 350, Rn. 32ff. 7 BVerfG, Urteil vom 5. November 2014 - 1 BvR 3/11, BVerfGE 137, 350, Rn. 34. 8 BVerfG, Urteil vom 5. November 2014 - 1 BvR 3/11, BVerfGE 137, 350, Rn. 38. 9 BVerfG, Urteil vom 5. November 2014 - 1 BvR 3/11, BVerfGE 137, 350, Rn. 41. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 148/19 Seite 7 3.3.1. Vereinbarkeit der Auswahl des Steuergegenstands mit Art. 3 Abs. 1 GG Bei der Auswahl des Steuergegenstands - hier des gewerblichen Passagierluftverkehrs - steht dem Gesetzgeber grundsätzlich ein weitreichender Entscheidungsspielraum zu, wobei nur sachwidrige , willkürliche Erwägungen ausgeschlossen sein sollen10. Bei der Luftverkehrsteuer handelt es sich um eine Steuer, mit der - neben der Gewinnung von Staatseinnahmen - auf eine außerfiskalische, umweltpolitische Lenkungswirkung abgezielt wird. Die Verfolgung von politischen Lenkungszwecken durch den Gesetzgeber wird grundsätzlich als zulässig erachtet, wobei der Lenkungszweck gegenüber der Einnahmeerzielung sogar im Vordergrund stehen kann11. Bei der steuerlichen Lenkung ergibt sich mithin für den Steuerpflichtigen ein finanzwirtschaftliches Motiv, sich für eine bestimmte, staatlich erwünschte Verhaltensweise zu entscheiden. Sie belässt ihm aber die Wahl, sich der Steuerlast zu unterwerfen oder im Vermeiden des Steuertatbestands dem Umweltschutz zu dienen. Dabei nimmt die steuerliche Lenkung in Kauf, dass das Lenkungsziel nicht verlässlich erreicht wird und ist insofern ein Instrument zur Annäherung an ein Ziel12. Lenkungsteuern müssen - mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG - durch einen verhältnismäßigen sachlichen Grund gleichheitsrechtlich besonders gerechtfertigt sein13. Der Lenkungszweck muss zudem von einer erkennbaren gesetzgeberischen Entscheidung getragen sein und nicht nur eine Einwirkung aufgrund der tatsächlichen Entwicklung darstellen14. Das Bundesverfassungsgericht sieht bei der Luftverkehrsteuer in ihrer ursprünglichen Fassung, in dem gesetzgeberischen Ziel des Umweltschutzes - auch mit Blick auf Art. 20a GG - einen sachlichen Grund, der die steuerliche Belastung des Luftverkehrs - begrenzt auf den gewerblichen Passagierverkehr - rechtfertigt15. Der Gesetzgeber werde - mit Blick auf seinen weitgehenden Spielraum bei der Auswahl des Steuergegenstands - durch den Gleichheitssatz auch nicht gezwungen, nach einer einmal getroffenen Entscheidung für ein bestimmtes Steuerobjekt auch alle anderen, ähnlichen, für den Steuerzweck ebenfalls geeigneten Steuerobjekte in die Belastung einzubeziehen16. Auch schließt die Freiheit 10 BVerfG, Urteil vom 5. November 2014 - 1 BvR 3/11, BVerfGE 137, 350, Rn. 42. 11 Heun, in Dreier, Grundgesetz-Kommentar, 3. Auflage 2018, Art. 105 GG, Rn. 13. 12 BVerfG, Urteil vom 7. Mai 1998 - 2 BvR 1991/95 und 2 BvR 2004/95, BVerfGE 98, 106, Rn. 69, 73. 13 Kube, in BeckOK, Grundgesetz, Epping/Hillgruber, 41. Edition, Stand 15.05.2019, Art. 105 GG, Rn. 9. 14 Kube, in BeckOK, Grundgesetz, Epping/Hillgruber, 41. Edition, Stand 15.05.2019, Art. 105 GG, Rn. 9; Siekmann, in Sachs, Grundgesetz, 8. Auflage 2018, Vorbemerkungen zu Abschnitt X, Rn. 16. 15 BVerfG, Urteil vom 5. November 2014 - 1 BvR 3/11, BVerfGE 137, 350, Rn. 45, 47, 48. 16 BVerfG, Urteil vom 5. November 2014 - 1 BvR 3/11, BVerfGE 137, 350, Rn. 51. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 148/19 Seite 8 des Gesetzgebers bei der Verfolgung nichtfiskalischer Zwecke ein allgemeines Gebot der Wettbewerbsneutralität der Besteuerung aus17. Die gesetzgeberische Entscheidung, zum Schutzes der Umwelt Flugkilometer zu begrenzen, ergibt sich laut Bundesverfassungsgericht hinreichend deutlich aus der Anknüpfung des Steuertarifs in den §§ 10, 11 LuftVStG an die durch den besteuerten Flug zurückgelegte Distanz. Außerdem gehe die gesetzgeberische Entscheidung, die umweltschädigenden Auswirkungen des gewerblichen Passagierluftverkehrs zu beeinflussen, auch aus der Gesetzesbegründung hervor, wonach die Einbeziehung des Flugverkehrs in die Mobilitätsbesteuerung bezweckt ist, um Anreize für umweltgerechteres Verhalten zu setzen18. Insoweit sieht das Bundesverfassungsgericht den umweltpolitischen Lenkungszweck von einer erkennbaren gesetzgeberischen Entscheidung getragen . Mit dem Gesetz zur Änderung des Luftverkehrsteuergesetzes verfolgt der Gesetzgeber - neben der Gewinnung von Staatseinnahmen - das umweltpolitische Lenkungsziel, durch eine Erhöhung der Luftverkehrsteuer das - nach seiner Einschätzung - in hohem Maße klima- und umweltschädliche Fliegen weiter zu verteuern19. Die Anhebung der Steuersätze soll - ausweislich der Gesetzesbegründung - die bereits gesetzten Anreize für ein umweltgerechtes Verhalten im Flugverkehr verstärken 20. Die Auswahl des gewerblichen Passagierverkehrs als Steuergegenstand bleibt - auch bei der Erhöhung der steuerlichen Belastung - mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG - durch das gesetzgeberische Ziel des Umweltschutzes sachlich gerechtfertigt. Insoweit ist auf den weitgehenden Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Auswahl des Steuergegenstands zu verweisen. Die weiterhin bestehende Anknüpfung des Steuertatbestands nach §§ 10, 11 LuftVStG an die zurückgelegte Distanz sowie die Gesetzesbegründung lassen den umweltpolitischen Lenkungszweck auch von einer erkennbaren gesetzgeberischen Entscheidung getragen sein. 3.3.2. Vereinbarkeit der Ausgestaltung des Steuertarifs mit Art. 3 Abs. 1 GG Gegen die ursprüngliche Ausgestaltung des Steuertarifs in § 11 Abs. 1 LuftVStG wurde im Rahmen des Normenkontrollverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht vorgebracht, dass die länderbezogene Pauschalierung der Luftverkehrsteuer gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoße. So richte sich der Steuersatz nicht nach den tatsächlich zurückgelegten Kilometern, sondern nach der Entfernung zwischen dem Flughafen Frankfurt am Main und dem größten Verkehrsflughafen des Staates, auf dessen Gebiet der Zielflughafen liegt. Diese festgelegte Kilometerzahl be- 17 Nußberger, in Sachs, Grundgesetz, 8. Auflage 2018, Art. 3 GG, Rn. 144. 18 BVerfG, Urteil vom 5. November 2014 - 1 BvR 3/11, BVerfGE 137, 350, Rn. 46. 19 BT-Drs 19/14339, S. 5. 20 BT-Drs 19/14339, S. 5. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 148/19 Seite 9 stimme den Steuertarif eingeteilt in die drei Distanzklassen Kurz-, Mittel- und Langstreckenflüge 21. Außerdem wurde argumentiert, die Luftverkehrsteuer belaste Anbieter und Passagiere von preisgünstigen Kurzstreckenflügen deutlich stärker als solche von Langstreckenflügen, da der Preisaufschlag durch die Steuer im Verhältnis zum Ticketpreis höher sei, als bei Langstreckenflügen 22. Das Bundesverfassungsgericht sieht indessen in der länderbezogenen Pauschalierung bei der Ausgestaltung des Steuertarifs keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG, insbesondere keinen Verstoß gegen das Folgerichtigkeitsgebot23. Hat der Gesetzgeber eine grundlegende steuerliche Belastungsentscheidung bezüglich des Steuergegenstands , hier des gewerblichen Passagierverkehrs getroffen, so muss - mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 GG - bei der Ausgestaltung des steuerlichen Ausgangstatbestands die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne einer Belastungsgleichheit umgesetzt werden (sog. Folgerichtigkeitsgebot)24. Ungleichbehandlungen sind als Ausnahmen von der folgerichtigen Umsetzung zwar möglich, bedürfen zu ihrer Rechtfertigung jedoch eines besonderen sachlichen Grundes. Als solche sachlichen Gründe hat das Bundesverfassungsgericht insbesondere Typisierungs- und Vereinfachungserfordernisse sowie außerfiskalische Förderungs- und Lenkungszwecke anerkannt25. Der Gleichheitssatz verpflichtet den Gesetzgeber zudem, die steuerrechtliche Bemessungsgrundlage realitätsgerecht auszugestalten26. Mit Blick auf die Ausgestaltung des Luftverkehrsteuertarifs in § 11 Abs. 1 LuftVStG unterstreicht das Bundesverfassungsgericht, dass eine typisierende Bestimmung der Steuersätze aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung gleichheitsrechtlich zulässig ist. Die vereinfachte Normierung zugunsten eines grob gerasterten Katalogs von Zielländern vermeide es, bei jedem Flug die tatsächliche Entfernung exakt zu ermitteln. Teilweise ungleiche Belastungen, die dadurch bedingt seien, dass die Höhe des Steuertarifs an den größten Verkehrsflughafen des Ziellandes statt an den tatsächlichen Zielflughafen anknüpfe, führen laut Bundesverfassungsgericht nicht zur Verfassungs- 21 BVerfG, Urteil vom 5. November 2014 - 1 BvR 3/11, BVerfGE 137, 350, Rn. 13. 22 BVerfG, Urteil vom 5. November 2014 - 1 BvR 3/11, BVerfGE 137, 350, Rn. 14. 23 BVerfG, Urteil vom 5. November 2014 - 1 BvR 3/11, BVerfGE 137, 350, Rn. 62, 63. 24 BVerfG, Urteil vom 5. November 2014 - 1 BvR 3/11, BVerfGE 137, 350, Rn. 41; Koenig, in Koenig AO, 3. Auflage 2014, § 3 AO, Rn. 63. 25 Hubbertz, Christopher, „Die Entscheidung des BVerfG zur Luftverkehrsteuer und das Folgerichtigkeitsgebot“, LKRZ 2/2015, S. 52. 26 BVerfG, Urteil vom 5. November 2014 - 1 BvR 3/11, BVerfGE 137, 350, Rn. 41, 66. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 148/19 Seite 10 widrigkeit des Steuermaßstabs. Es handele sich insofern um geringe Verwerfungen, die gleichheitsrechtlich aus Vereinfachungsgründen noch tragbar seien27. In diesem Zusammenhang unterstreicht das Bundesverfassungsgericht, dass die Feinheit der Ausdifferenzierung des Steuertatbestands grundsätzlich in den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers fällt. Dieser sei nicht verpflichtet , eine optimale Lösung zu finden28. Laut Bundesverfassungsgericht hat der Gesetzgeber mit der Anknüpfung der Besteuerung an die mit dem Flug zurückgelegte Distanz auch einen geeigneten und hinreichend realitätsgerechten Besteuerungsmaßstab gewählt. So ergebe sich aus den §§ 10, 11 LuftVStG zusammen mit den Anlagen , dass die Höhe der für jeden Fluggast zu entrichtenden Luftverkehrsteuer grundsätzlich mit der Länge der Flugstrecke steige; diese Ausgestaltung entspreche dem Umweltschutzweck des Gesetzes und verstoße insgesamt nicht gegen das Folgerichtigkeitsgebot29. Mit dem Gesetz zur Änderung des Luftverkehrsteuergesetzes verfolgt der Gesetzgeber eine Verstärkung der Anreizwirkung zu umweltgerechtem Verhalten im Flugverkehr. Dabei wird eine gewichtete Erhöhung der Luftverkehrsteuersätze vorgenommen, wobei der Steuersatz für Abflüge zu Zielorten in Ländern der Anlage 1 gegenüber den anderen Steuersätzen stärker erhöht wird30. Mit Blick auf die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zur Luftverkehrsteuer im Urteil vom 5. November 2014 erscheint die Anhebung der Steuersätze auf Grundlage der weiter bestehenden länderbezogenen Typisierung und Anknüpfung der Besteuerung an die Distanz als mit dem Folgerichtigkeitsgebot und dem Umweltschutzzweck des Gesetzes vereinbar. Es handelt sich auch um einen geeigneten und hinreichend realitätsgerechten Besteuerungsmaßstab im Sinne der Entscheidung des Gerichts, bei dem die Höhe der zu entrichtenden Luftverkehrsteuer grundsätzlich mit der Länge der Flugstrecke steigt. Auch mit der konkreten Ausdifferenzierung des Steuertatbestands, bei stärkerer Erhöhung des Steuersatzes für Flüge der Distanzklasse 1, scheinen die Grenzen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums nicht überschritten. Es ist zudem zu berücksichtigen, dass der Steuersatz zu Zielorten in Ländern der Anlage 1 bislang bezogen auf die Distanz, die mittels dieser Distanzklasse abgedeckt wird, im Verhältnis zu den Steuersätzen für Abflüge zu Zielorten in anderen Ländern eher niedrig war31. Auch insoweit ist ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz bei der Ausgestaltung des Steuertarifs zu verneinen. 27 BVerfG, Urteil vom 5. November 2014 - 1 BvR 3/11, BVerfGE 137, 350, Rn. 66. 28 BVerfG, Urteil vom 5. November 2014 - 1 BvR 3/11, BVerfGE 137, 350, Rn. 67. 29 BVerfG, Urteil vom 5. November 2014 - 1 BvR 3/11, BVerfGE 137, 350, Rn. 62, 63. 30 BT-Drs 19/14339, S. 8. 31 BT-Drs 19/14339, S. 8. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 148/19 Seite 11 3.4. Keine unzulässige Zweckbindung Ausweislich der Eckpunkte für das Klimaschutzprogramm 2030 wurde als eine Maßnahme zur Erreichung der Klimaschutzziele 2030 im Rahmen des Sektors „Verkehr“ unter Punkt III./b./xiv. „Bahnfahren billiger, Fliegen teurer machen“, von der Bundesregierung ein Gesetz zur Erhöhung der Luftverkehrsabgabe angekündigt, um „die Luftverkehrsabgabe in dem Umfang zu erhöhen, damit im Gegenzug die Mehrwertsteuer auf Bahnfahrkarten im Fernverkehr von 19 Prozent auf den ermäßigten Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent gesenkt werden kann“32. Im Gesetz zur Änderung des Luftverkehrsteuergesetzes selbst hingegen, findet sich keine derartige Verknüpfung des Steueraufkommens aus der Luftverkehrsteuer mit einer Senkung des Mehrwertsteuersatzes auf Bahnfahrkarten im Fernverkehr. In den Erläuterungen zum Gesetzesentwurf heißt es lediglich, dass „die höheren Einnahmen aus der Luftverkehrsteuer im Rahmen des haushaltsrechtlichen Gesamtdeckungsprinzips als Bestandteil der Steuereinnahmen des Bundes insgesamt auch zur Finanzierung der steigenden Ausgaben zur Bekämpfung des Klimawandels und der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen beitragen“33. Es kann daher offen bleiben, ob eine Verknüpfung der Steuererhebung mit dem genannten Finanzierungszweck als Zweckbindung mit Blick auf den Haushaltsgrundsatz der Gesamtdeckung zulässig wäre, da es sich jedenfalls nicht um eine rechtliche Zweckbindung handelt, sondern allenfalls um eine politische Zweckbindung. Insoweit wäre der Haushaltsgesetzgeber auch nur politisch gebunden. Ein Eingriff, der das Gesamtdeckungsprinzip berührt, liegt daher nicht vor. *** 32 Siehe Eckpunkte für das Klimaschutzprogramm 2013, S. 12. Auch in der Pressemitteilung der Bundesregierung anlässlich der Verabschiedung des Gesetzes zur Änderung des Luftverkehrsteuergesetzes vom 15. November 2019 wird ausgeführt, dass im Gegenzug zur Erhöhung der derzeit geltenden Steuersätze zum 1. April 2020, die Mehrwertsteuer auf Bahnfahrkarten im Fernverkehr von 19 Prozent auf den ermäßigten Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent gesenkt werden soll. 33 BT-Drs 19/14339, S. 1.