© 2014 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 146/14 Haushaltsrechtliche Aspekte einer Zweckbindung von Kartellstrafen zugunsten des Verbraucherschutzes Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 146/14 Seite 2 Haushaltsrechtliche Aspekte einer Zweckbindung von Kartellstrafen zugunsten des Verbraucherschutzes Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 146/14 Abschluss der Arbeit: 15.08.2014 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Telefon: Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 146/14 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Zweckbindung von Einnahmen 4 2.1. Haushaltsgrundsatz der Gesamtdeckung (Non-Affektation) 5 2.2. Ausnahmen vom Grundsatz 5 2.3. Anwendungsfälle in der Haushaltspraxis 6 3. Allgemeine Grundlagen der Errichtung von Sondervermögen 9 3.1. Grundsatz der Haushaltseinheit und der -vollständigkeit 9 3.2. Zulässigkeitsvoraussetzungen der Errichtung 9 4. Bewertung 11 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 146/14 Seite 4 1. Fragestellung Vorliegende Fragestellung bezieht sich im Wesentlichen auf die im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zu dem Achten Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (8. GWB-ÄndG)1 durch den Bundesrat und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen eingebrachten Änderungsanträge2 betreffend hier insbesondere die zweckgebundene Verwendung von Kartellstrafen zur Stärkung des Verbraucherschutzes. Die gleichgerichteten Änderungsvorschläge sehen im Wesentlichen vor, einen prozentualen Anteil3 an den Kartellstrafen an ein zu errichtendes Sondervermögen des Bundes abzuführen und zweckgebunden zur Finanzierung der Verbraucherarbeit der Verbraucherorganisationen zu verwenden4. Die Änderungsvorschläge wurden von der Bundesregierung5 und dem Bundestag6 abgelehnt und fanden auch über das Vermittlungsausschussverfahren 7 keinen Eingang in das 8. GWB-ÄndG8. Im Folgenden werden die haushaltsrechtlichen Aspekte einer dauergesetzlichen Zweckbindung von Kartellbußgeldern und deren Abführung an ein Sondervermögen des Bundes behandelt (Fragen 1, 3, 4 und 5). Die Betrachtung der diesbezüglichen sachgesetzlichen Gesichtspunkte (Frage 2) erfolgt in einer gesonderten Stellungnahme des Fachbereichs WD 7. 2. Zweckbindung von Einnahmen Eine sog. echte Zweckbindung im haushaltsrechtlichen Sinn ist bei einer strikten Verwendungsbeschränkung bestimmter Einnahmen für einen bestimmten Ausgabezweck gegeben9. 1 Gesetzentwurf der Bundesregierung vom 31.05.2012, BT-Drs. 17/9852. 2 Stellungnahme des Bundesrates zum 8. GWB-ÄndG, Anlage 3 zur BT-Drs. 17/9852; Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Verbraucherschutz und Nachhaltigkeit im Wettbewerbsrecht verankern, BT-Drs. 17/9956. 3 Bundesrat schlägt 20 v. H. vor, vgl. Anlage 3 zu BT-Drs. 17/9852, Seite 46 f.; dies entspräche 42 Mio. € gemessen an der Veranschlagung der Einnahmen aus Kartellstrafen von 210 Mio. € im BHP 2014, Kap. 0917, Titel 11201. 4 Bundesrat a.a.O., S. 45. 5 Gegenäußerung der Bundesregierung, Anlage 4 zur BT-Drs. 17/9852, S. 52 f. 6 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie vom 17.10.2012, BT-Drs. 17/11053. 7 Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses zum 8. GWB-ÄndG vom 05.06.2013, BT-Drs. 17/13720. 8 vom 26.06.2013, BGBl. I S. 1738. 9 Gröpl, in: Bonner Kommentar zum GG, Art. 110, Fn. 646; von der echten sind die Fälle der unechten Zweckbindung zu unterscheiden. Letzten liegen Verstärkungsvermerke zugrunde, die die Möglichkeit eröffnen, durch Erwirtschaftung von Mehreinnahmen zusätzlich Ausgabebedürfnisse zu befriedigen. Vgl. Knörzer, in: Piduch, Bundeshaushaltsrecht, 47. Erg.-Lfg. Januar 2013, § 8 BHO Rn. 6. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 146/14 Seite 5 2.1. Haushaltsgrundsatz der Gesamtdeckung (Non-Affektation) § 7 Satz 1 Haushaltsgrundsätzegesetz (HGrG)10 und § 8 Satz 1 Bundeshaushaltsordnung (BHO)11 normieren den Haushaltsgrundsatz der Gesamtdeckung bzw. der Non-Affektation. Danach stehen dem Haushaltsgesetzgeber sämtliche Einnahmen als einheitliche Finanzmasse zur Deckung des gesamten Ausgabenbedarfs zur Verfügung. Eine Bindung von Einnahmen für bestimmte Zwecke ist grundsätzlich unzulässig. Durch das Verbot der Zweckbindung von Einnahmen an bestimmte Ausgaben soll insbesondere verhindert werden, dass Ausgaben nur deshalb geleistet werden, um Einnahmen ihrer beschränkten Zweckbestimmung zuzuführen, oder unterbleiben, solange und soweit die zweckgebundenen Einnahmen nicht eingehen12. Den Hintergrund dieses Grundsatzes bilden die Förderung der Flexibilität und Wirtschaftlichkeit des Mitteleinsatzes sowie die Absicherung der politischen Dispositions- und Lenkungsbefugnis des Parlaments auf dem finanzwirtschaftlichen Gebiet13. Die Unabhängigkeit bestimmter Einnahmen von bestimmten Ausgaben ermöglicht erst eine prinzipielle Gleichheit aller Verwendungszwecke und gewährleistet die Dispositionsfreiheit des Haushaltsgesetzgebers hinsichtlich der Haushaltseinnahmen und auch die ihm zustehende Kompetenz, die Prioritäten der Ausgabenveranschlagung zu bestimmen. Zudem soll einer Tendenz zur Verfestigung von Gruppeninteressen entgegengewirkt werden. Nach herrschender Meinung kommt dem Grundsatz der Gesamtdeckung kein Verfassungsrang zu14. 2.2. Ausnahmen vom Grundsatz Einfachgesetzlich lassen § 7 Satz 2 HGrG und § 8 Satz 2 BHO Ausnahmen vom Grundsatz der Gesamtdeckung durch Gesetz (Sach- oder Haushaltsgesetz) oder im Haushaltsplan zu. Während durch sachgesetzliche Regelungen auch unbefristete Zweckbindungen vorgeschrieben sein können , ist die Geltungsdauer der durch das Haushaltsgesetz oder den Haushaltsvermerk im Haushaltsplan zugelassenen Zweckbindungen auf das jeweilige Haushaltsjahr beschränkt. Insbesondere die dauergesetzliche Reservierung einzelner Einnahmen für spezifische Ausgaben wird vielfach als finanzwirtschaftlich bedenklich betrachtet, denn die zweckgebundenen Einnahmen flie- 10 vom 19.08.1969, BGBl. I S. 1273, zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 15.07.2013, BGBl. I S. 2398. 11 vom 19.08.1969, BGBl. I S. 1284, zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 15.07.2013, BGBl. I S. 2395. 12 Kube, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, Stand Dezember 2013, Art. 110 Rn. 143; Nebel, in: Piduch, Bundeshaushaltsrecht, 44. Erg.-Lfg. Januar 2011, Art. 110 Rn. 21, Verbot der „Topfwirtschaft“. 13 Gröpl, a.a.O., Art. 110 Rn145; Hugo, in: Heuer/Engels/Eibelshäuser, Kommentar zum Haushaltsrecht, Mai 2014, §8 BHO Rn. 3; Heun, in: Dreier, Grundgesetz Kommentar, 2008, Art. 110 Rn. 17. 14 h. M.: vgl. Stern, Staatsrecht, Band II, 1980, S. 1244; Siekmann, in: Sachs, Grundgesetz, 4. Auflage 2007, Art. 110 Rn. 47; Gröpl a.a.O., Art. 110 Rn. 44; Nebel, a.a.O.; Heun, a.a.O.; Hugo, a.a.O.; offengelassen: BVerfGE 93, 319 348; a. A. Kube, a.a.O.; Heintzen, in: Handbuch des Staatsrechts, Band V, 2007, § 120 Rn. 47. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 146/14 Seite 6 ßen nicht den allgemeinen Deckungsmitteln zu15. Zudem wird die Dispositionsfreiheit des Haushaltsgesetzgebers durch zeitlich vorhergehende Festlegungen beschnitten, so dass dem Haushaltsgesetzgeber zur eigenständigen Ausgabeermächtigung im jährlichen Haushaltsplan umso weniger Spielraum verbleibt16.Wegen der Einschränkung des Budgetrechts des Parlaments muss eine Zweckbindung entgegen dem grundsätzlich weiten Wortlaut der § 7 HGrG und § 8 BHO auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben17. Teilweise wird als materielle Zulässigkeitsvoraussetzung für die Durchbrechung des Gesamtdeckungsgrundsatzes eine sachliche Rechtfertigung gefordert18. Danach muss zwischen dem gesetzlichen Einnahmetatbestand und den damit finanzierten Ausgaben ein sachlicher Zusammenhang bzw. eine ökonomische Äquivalenz bestehen19. 2.3. Anwendungsfälle in der Haushaltspraxis In der einschlägigen Literatur20 werden folgende Anwendungsfälle unbefristeter gesetzlicher Zweckbindungen genannt: Mineralölsteuer/Energiesteuer Mit Inkrafttreten des Energiesteuergesetzes im Jahr 200621 wurde die Mineralölsteuer durch den Begriff der Energiesteuer ersetzt. Ein Teil des Aufkommens der Energiesteuer ist nach Art. 1 Straßenbaufinanzierungsgesetz22 sowie nach Art. 3 Verkehrsfinanzgesetz 197123 für Zwecke des Straßenwesens gebunden24. Bereits in den 1970er Jahren ist diese teilweise Zweckbindung in den jährlichen Haushaltsgesetzen deutlich gelockert worden. 15 Stern, a.a.O., S.1244; Nebel, a.a.O., Art.110 Rn. 21 sieht den Grundsatz der Gesamtdeckung in Gefahr, wenn Dauerprioritäten geschaffen werden, die den Bewegungsspielraum des Staatshaushalts beeinträchtigen. 16 Gröpl, a.a.O., Art. 110 Rn. 145, Knörzer, a.a.O., § 8 BHO Rn. 6. 17 Nebel, a.a.O.; Hugo, a.a.O., §8 BHO Rn. 3; Gröpl a.a.O.; BVerfGE 93, 319 (348): eine möglicherweise verfassungswidrige Einengung der Dispositionsfreiheit des Haushaltsgesetzgebers bei unvertretbarem Ausmaß von Zweckbindungen. 18 Heintzen, a.a.O., § 120 Rn. 47; Kube, a.a.O., Art. 110 Rn. 144; Heun, a.a.O.,Art.110 Rn. 17. 19 ebenda; nicht zwingend: Hugo, a.a.O., § 8 Rn. 5. 20 Hugo, a.a.O., § 8 BHO Rn. 6 ff.; Knörzer a.a.O., § 8 BHO Rn. 3; Kirchhof, Die Steuerung des Verwaltungshandelns durch Haushaltsrecht und Haushaltskontrolle, NVwZ 1983, 505, 509, Fn. 26. 21 vom 15.07.2006, BGBl. I S. 1534. 22 vom 28.03.1960, in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 912-3, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Art. 285 der Verordnung vom 31.10.2006, BGBl. I S. 2407. 23 vom 28.02.1972, BGBl. I S. 201. 24 Die in Art. 1 Straßenbaufinanzierungsgesetz normierte hälftige Zweckbindung umfasst nicht Mehraufkommen aus späteren Steuererhöhungen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 146/14 Seite 7 Seitdem ist haushaltsgesetzlich festgelegt, dass die durch Straßenbaufinanzierungsgesetz und Verkehrsfinanzgesetz gebundenen Mittel auch für sonstige verkehrspolitische Zwecke im Bereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur zu verwenden sind25. Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz von 1971 (GVFG)26 Nach § 10 GVFG ist ein Teil des Aufkommens der Mineralölsteuer für Vorhaben zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden zu verwenden. Im Ergebnis der Föderalismusreform I sind die hierfür geleisteten Finanzhilfen ab dem Jahr 2007 entfallen und durch Zahlungen aus dem Bundeshaushalt auf Basis des Gesetzes zur Entflechtung von Gemeinschaftsaufgaben und Finanzhilfen vom 05.09.2006 (Entflechtungsgesetz27) ersetzt worden. Ab dem Jahr 2014 ist die verkehrsbezogene Zweckbindung entfallen. LKW-Maut Gemäß § 11 Bundesfernstraßenmautgesetz (BFStrMG)28 werden die nach Abzug der Systemkosten , der Ausgleichsleistungen für die Kfz-Steuerausfälle und der Ausgaben für die übrigen Harmonisierungsmaßnahmen für das Deutsche Güterkraftverkehrsgewerbe verbleibenden Mauteinnahmen zur Finanzierung von Bundesfernstraßen verwendet. Zweites Wohnungsbaugesetz29; Gemäß § 20 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes sind die Rückflüsse aus den Darlehen, die der Bund zur Förderung des Wohnungsbaus gewährt hat oder die aus Wohnungsbaufördermitteln des Reiches einschließlich des staatlichen Wohnungsfürsorgefonds gewährt worden sind, sowie Erträge, Rückzahlungen und Erlöse aus Beteiligungen an wohnungswirtschaftlichen Unternehmen laufend zur Förderung von Maßnahmen zugunsten des sozialen Wohnungsbaus zu verwenden. Diese Zweckbindung ist auf der Grundlage des Entflechtungsgesetzes ab 2014 entfallen, da sie durch entsprechende Zahlungen des Bundes an die Länder aus dem Bundeshaushalt ersetzt wurde. Alkopopsteuergesetz30 Nach § 4 des Alkopopsteuergesetzes ist das Netto-Mehraufkommen, das sich aus der Dif- 25 vgl. z. B. § 6 Abs. 8 Haushaltsgesetz 2014, BGBl. I S. 914. 26 BGBl. I S. 239. 27 BGBl. I S. 2098. 28 vom 12.07.2011, BGBl. I S. 1378, geändert durch Art. 2 Abs. 152 des Gesetzes vom 07.08.2013, BGBl. I S. 3154. 29 in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. August 1994, BGBl. I S. 2137. 30 vom 23.07.2004, BGBl. I S. 1857. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 146/14 Seite 8 ferenz zwischen dem Aufkommen der Alkopopsteuer und den Mindereinnahmen bei der Branntweinsteuer ergibt, zur Finanzierung von Maßnahmen zur Suchtprävention der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zu verwenden. Diese Zweckbindung wurde mit den Erfordernissen des EG-Rechts begründet31. Mit der Alkopopsteuer wurde neben der Branntweinsteuer eine weitere indirekte Steuer aus dem harmonisierten Bereich der Verbrauchsteuern mit anderer Zielsetzung (Suchtprävention) eingeführt. Das zusätzlich erzielte Aufkommen musste daher zu anderen als Haushaltszwecken verwendet werden. Vor diesem Hintergrund räumten die Koalitionsfraktionen (SPD/Bündnis 90/Die Grünen) im Hinblick auf die Zweckbindung ein, dass es gerade nicht Sinn der Sondersteuer sei, dauerhaft Programme der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zu finanzieren32. Energie- und Klimafonds (EKF) Der EKF als Sondervermögen des Bundes wurde durch das Gesetz zur Errichtung eines Energie- und Klimafonds (EKFG)33 zum 01.01.2011 errichtet. Die Errichtung des EKF zielte darauf, das von der Bundesregierung am 28.09.2010 beschlossene Energiekonzept umzusetzen . Gemäß § 4 Abs. 1 des EKFG fließen dem EKF seit dem Jahr 2012 die Einnahmen aus der Versteigerung von Berechtigungen zur Emission von Treibhausgasen zu, soweit diese nicht zur Finanzierung der Deutschen Emissionshandelsstelle benötigt werden.34 Spielbankengesetz NRW vom 13.11.2012 Nach § 12 Abs. 2 des Spielbankengesetzes NRW ist der Anteil des Landes an der Spielbankabgabe nach Maßgabe des im Haushaltsplan jeweils festgelegten Betrages an die Stiftung des Landes NRW für Wohlfahrtspflege abzuführen, die ihn insbesondere für Einrichtungen zugunsten behinderter Kinder und der Altenhilfe zu verwenden hat. Die Zweckbindung steht damit unter dem Haushaltsvorbehalt. Bei den vorstehend genannten Anwendungsfällen unbefristeter Zweckbindungen handelt es sich jeweils um eine Einzelfallentscheidung des Gesetzgebers. Insoweit haben sie keinen Modellcharakter für die vorliegende Fragestellung. 31 Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes junger Menschen vor Gefahren des Alkohol- und Tabakkonsums , BT-Drs. 15/2587, S. 7 f. 32 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, BT-Drs. 15/3084, S. 11; das im Haushaltjahr 2014 veranschlagte Bruttoaufkommen der Alkopopsteuer beläuft sich auf 2 Mio. €, vgl. Kap. 6001, Titel 03302. 33 vom 08.12.2010, BGBl. I S. 1807. 34 Bis zum Beschluss der Bundesregierung zum beschleunigten Ausstieg aus der Kernenergie speiste sich der EKF aus der Abschöpfung von Zusatzgewinnen der Energieversorgungsunternehmen aus der Laufzeitverlängerung auf der Grundlage des Förderfondsvertrages. Durch die Verkürzung der Laufzeiten sind zukünftig diese Einnahmen nicht mehr zu erwarten. Vgl. EKFG-ÄndG-Entwurf, BT-Drs. 17/6076, S. 1 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 146/14 Seite 9 3. Allgemeine Grundlagen der Errichtung von Sondervermögen 3.1. Grundsatz der Haushaltseinheit und der -vollständigkeit Zentrale Vorschrift des parlamentarischen Budgetrechts ist Art. 110 Grundgesetz (GG), der verschiedene haushaltsrechtliche Grundsätze festschreibt. Die Kompetenz zur Feststellung des Haushaltsplans steht danach ausschließlich dem Gesetzgeber zu (parlamentarisches Budgetrecht ). Die Grundsätze der Vollständigkeit des Haushaltsplanes und der Grundsatz der Haushaltseinheit füllen dieses Budgetrecht aus. Mit dem Grundsatz der Haushaltseinheit soll eine umfassende Übersicht über die Bundesfinanzen erreicht werden. Dieser Zweck lässt sich nur so erfüllen, dass die Einnahmen und Ausgaben des Bundes in einem einzigen Haushaltsplan zu veranschlagen sind35. Nach dem Grundsatz der Vollständigkeit sind im Haushaltsplan alle im Haushaltsjahr voraussichtlich zu erwartenden Einnahmen und Ausgaben zu veranschlagen, so dass keine voraussichtliche Einnahme oder Ausgabe bewusst außer Ansatz bleiben darf36. Beide Grundsätze bezwecken, die Budgethoheit des Parlaments zu sichern, der Öffentlichkeit und den mit der Finanzplanung und Finanzkontrolle befassten Institutionen einen lückenlosen Überblick über das Budget zu ermöglichen und die Bildung von Sonderetats zu erschweren, aus denen Sonderinteressen unauffälliger befriedigt werden können37. Andere als die in Art. 110 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 GG genannten Nebenhaushalte (Bundesbetriebe und Sondervermögen) sind unzulässig38. 3.2. Zulässigkeitsvoraussetzungen der Errichtung Sondervermögen des Bundes sind abgesonderte Teile des Bundesvermögens, die ausschließlich zur Erfüllung einzelner begrenzter Aufgaben des Bundes bestimmt sind und daher von dem sonstigen Bundesvermögen getrennt verwaltet werden39. Da sie einer eigenständigen Wirtschafts- und Rechnungsführung bedürfen, sind Sondervermögen zwangsläufig außerhalb des Bundeshaushalts zu bewirtschaften40. Ihre Einnahmen und Ausgaben sind zwar solche des Bundes, werden aber außerhalb des Bundeshaushalts bewirtschaftet. Diese Rechtsfolge bedingt eine Ausnahme von den Verfassungsprinzipien der Vollständigkeit und der Einheit des Haushaltsplans41. Wegen die- 35 Kube, a.a.O., Art. 110 Rn. 103; Nebel, in: Piduch, Bundeshaushaltsrecht 40. Erg.-Lfg., Dez. 2004, Art. 110 GG Rn. 19. Daher dürfen für die Rechnungsperiode nicht zwei oder mehrere Haushaltspläne aufgestellt oder Teile des Haushaltsplans verselbständigt werden. Der Grundsatz der Haushaltseinheit verbietet (ebenso wie das Gebot der Vollständigkeit) die Bildung von sog. Schattenhaushalten. 36 Kube, a.a.O., Art. 110 Rn. 93; Heintzen, a.a.O., §120 Rn. 26: Verbot „schwarzer Kassen“. 37 Siekmann, a.a.O.,Art.110 Rn. 54; Heintzen, a.a.O., §120 Rn. 25; Nebel, a.a.O., Art. 110 GG Rn. 19. 38 Heun, a.a.O., Art. 110 Rn. 19. 39 Nebel, in: Piduch, Bundeshaushaltsrecht, 45. Erg.-Lfg., Jan. 2011), § 113 BHO Rn. 1. 40 Gröpl, a.a.O., Art. 110 Rn. 99; Nebel, a.a.O., § 113 BHO Rn. 1: Ein Sondervermögen hat stets einen eigenen Haushalt, §§ 26 Abs. 2, 113 Satz 1 BHO. 41 Heun, a.a.O., Art.110 Rn. 19; Eibelshäuser/Wallis, in: Heuer/Engels/Eibelshäuser, Kommentar zum Haushaltsrecht 49. Erg.-Lfg., April 2010, § 113 BHO Rn. 1. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 146/14 Seite 10 ser „Haushaltsflüchtigkeit“42 unterliegt die Errichtung von Sondervermögen engen Zulässigkeitsvoraussetzungen . Sondervermögen sind durch „angemessene legitimations-, öffentlichkeits- und koordinationsrestituierende Verfahrensweisen“ an den Bundeshaushalt rückzubinden43 und dürfen nur durch Gesetz errichtet werden44. Sie sind ihrerseits über publizitätswirksame Haushaltspläne, Wirtschaftspläne o.Ä. zu bewirtschaften45. Für die Aufstellung und Ausführung der Haushalte von Sondervermögen gelten dementsprechend über § 113 Satz 1 Bundeshaushaltsordnung (BHO) die Vorschriften der BHO. Aus § 113 Satz 1 BHO folgt, dass für jedes Sondervermögen ein eigener Haushalts- oder Wirtschaftsplan nach den allgemeinen Haushaltsgrundsätzen aufzustellen ist, der von dem hierfür bestimmten Organ festgestellt wird46. Durch § 113 Satz 2 BHO ist gewährleistet , dass alle Sondervermögen des Bundes der Prüfung durch den Bundesrechnungshof unterliegen 47. Insbesondere sind nach § 26 Abs. 2 BHO über die Einnahmen, Ausgaben und Verpflichtungsermächtigungen der Sondervermögen Übersichten dem Haushaltsplan als Anlage beizufügen oder in die Erläuterungen aufzunehmen48. Sondervermögen werden errichtet, wenn zweckgebundene Einnahmen und die aus ihnen zu bestreitenden – nicht aber zur allgemeinen Haushaltsfinanzierung dienenden – Ausgaben zu revolvierenden Fonds zusammengefasst und mit dem funktionalen Zweck einer besseren – effizienteren – Erfüllung der mit den Fondsmitteln zu finanzierenden Bundesaufgaben aus dem Bundeshaushalt ausgegliedert werden. Da eine gesetzliche Zweckbindung von Einnahmen an sich auch innerhalb des Bundeshaushalts sichergestellt werden kann, müssen hinreichend gewichtige sachliche Gründe vorliegen, die eine organisatorische und finanzielle Ausgliederung der Fondsmittel aus dem Bundeshaushalt rechtfertigen49. Solche Gründe können insbesondere dann anzunehmen sein, wenn die mit den Fondsmitteln zu finanzierende Aufgabe besser durch Verwaltung außer- 42 Heun, a.a.O., Art.110 Rn. 19. 43 Gröpl, a.a.O., 110 Rn. 99. 44 Nebel, a.a.O., § 113 BHO Rn. 1; Gröpl, a.a.O., Art.110 Rn. 99. 45 Gröpl, Art. 110 Rn. 99. 46 Nebel, a.a.O., 113 BHO Rn. 2; Heun, a.a.O., Art. 110 Rn. 19. 47 In seinen jährlichen Bemerkungen nach § 97 BHO berichtet der Bundesrechnungshof regelmäßig im Rahmen der „Feststellungen zur Haushalts- und Vermögensrechnung sowie zur finanzwirtschaftlichen Entwicklung des Bundes“ auch über die Sondervermögen, vgl. Eibelshäuser/Wallis, a.a.O., § 113 BHO Rn. 1. 48 In der Praxis geschieht diese jedoch regelmäßig nur für die Sondervermögen, bei denen Zuführungen oder Ablieferungen erwartet werden, Eibelshäuser/Wallis, a.a.O., § 113 BHO Rn. 1. 49 Kube, a.a.O., Art.110 Rn. 107; Siekmann, a.a.O., Art. 110 Rn. 54; Heintzen, a.a.O., §120 Rn. 28; Heun, a.a.O., Art. 110 Rn. 20; Gröpl, a.a.O. Art. 110 Rn. 99; a.A. Hillgruber, in: Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz , 2010, Art. 110 Rn. 51: Beschränkung auf den Vorbehalt eines hinreichend bestimmten formellen Gesetzes. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 146/14 Seite 11 halb des Bundeshaushalts als durch Veranschlagung innerhalb des Bundeshaushalts erfüllt werden kann50. 4. Bewertung Die vorgeschlagene Zuführung eines Teils von Kartellstrafen an ein zu errichtendes Sondervermögen des Bundes und deren dauergesetzlich zweckgebundene Verwendung zur Finanzierung der Verbraucherarbeit von Verbraucherorganisationen sind im Hinblick auf die Verfassungsgrundsätze der Einheit und Vollständigkeit des Haushalts sowie das Gesamtdeckungsprinzip nach § 7 HGrG kritisch zu bewerten. Das Sondervermögen soll die Aufgabe wahrnehmen, die zweckgebundenen Mittel zu verwalten und die Finanzierung der Verbraucherarbeit durch Verteilung dieser Mittel an die mit dieser Aufgabe betrauten Verbraucherorganisationen sicherzustellen. Gegenwärtig erfolgt die Finanzierung der Verbraucherarbeit aus dem Bundeshaushalt51. In Wahrnehmung seiner Budgetkompetenz trifft der Haushaltsgesetzgeber in Abwägung der verschiedenen Ausgabenbedarfe die Entscheidung über die Bereitstellung von Haushaltsmitteln für die Verbraucherpolitik und legt die politischen Schwerpunkte und Prioritäten fest. Mit der vorgeschlagenen dauerhaften organisatorischen und finanziellen Ausgliederung aus dem Bundeshaushalt wäre eine weitgehende Verlagerung dieser Entscheidungsbefugnisse auf die Organe des Sondervermögens und das für die Fach- und Rechtsaufsicht des Sondervermögens zuständige Bundesministerium verbunden. Damit ginge eine erhebliche Einschränkung der Dispositionsfreiheit des Haushaltsgesetzgebers einher . Gewichtige sachliche Rechtfertigungsgründe sind hierfür nicht erkennbar. Die personelle und sächliche Ausstattung des Sondervermögens und die erforderliche Wahrnehmung zusätzlicher Aufgaben in Gestalt der Rechts- und Fachaufsicht durch die Bundesregierung sowie der Kontrolle durch den Bundesrechnungshof und das Parlament bezüglich des Sondervermögens dürften Effizienzverluste im Vergleich zum Status quo zur Folge haben, so dass die Ausgliederung der Finanzierung der Verbraucherarbeit aus dem Bundeshaushalt auch im Hinblick auf den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit (Art.110 GG, § 6 HGrG) als problematisch anzusehen ist. Auch ohne solche Ausgliederung ist eine dauergesetzliche Zweckbindung von Kartellstrafen zugunsten der Verbraucherarbeit mit dem Grundsatz der Gesamtdeckung kaum vereinbar. Die Verbraucherpolitik stellt nämlich keine spezifische Aufgabe dar, die sich von anderen ebenfalls aus dem Bundeshaushalt finanzierten Bundesaufgaben (politische Bildung, Kulturförderung etc.) 50 Nebel, a.a.O., § 113 BHO Rn. 1. 51 Für die Verbraucherpolitik sind im Bundeshaushaltsplan 2014 bei Kap. 0701 Ausgaben von insgesamt 25,8 Mio. € veranschlagt. Die Finanzierung der Verbraucherarbeit erfolgt durch Zuwendungen in Form der institutionellen und projektbezogenen Förderung. Die Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. erhält eine institutionelle Förderung in Höhe von 9,4 Mio. € (97,8 v. H. der Gesamtausgaben) und eine Projektförderung von 0,8 Mio. € (Wirtschaftsplan, Anlage 1 zu Kap. 0701). Die institutionelle Förderung ist auf Dauer angelegt und sichert damit den Bestand und die Aufgabenwahrnehmung dieser Institution. Der Stiftung Warentest wird jährlich ein Festbetrag als Zuwendung in Höhe von 5,5 Mio. € zur Verfügung gestellt, wovon 2,5 Mio. € für Projektförderung vorgesehen sind (Kap. 0701, Titel 68402). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 146/14 Seite 12 wesentlich unterscheidet bzw. abgrenzt. Überzeugende Gründe für eine dauerhafte finanzielle Priorisierung der Verbraucherpolitik sind jedenfalls nicht ersichtlich.