© 2016 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 143/13 Steuer- und finanzverfassungsrechtliche Zulässigkeit der Variante einer Autobahn-Vignette Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 143/13 Seite 2 Steuer- und finanzverfassungsrechtliche Zulässigkeit der Variante einer Autobahn-Vignette Verfasser: Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 143/13 Abschluss der Arbeit: 8. November 2013 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Telefon: Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 143/13 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Erhebung der Autobahn-Vignette als Steuer 5 2.1. Steuergesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 105 Abs. 2 i.V.m. Art. 106 Abs. 1 Nr. 3 GG 6 2.2. Schlussfolgerungen 7 3. Erhebung der Autobahn-Vignette als Gebühr 8 4. Erhebung der Autobahn-Vignette als Beitrag 9 5. Erhebung der Autobahn-Vignette als Sonderabgabe 9 6. Ergebnis 11 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 143/13 Seite 4 1. Fragestellung Nach der Berichterstattung in den Medien prüft das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) derzeit mehrere Modelle für die Einführung einer Pkw-Maut, darunter auch die Einführung einer Vignette nach österreichischem Vorbild. Danach sei unter anderem im Gespräch, dass deutsche und ausländische Pkw-Fahrer künftig eine Vignette erwerben, die für ein Jahr 100 Euro kosten solle. Für einige Tage oder Wochen würde die Straßengebühr geringer ausfallen.1 Die Mehreinnahmen durch die Maut sollen gezielt für den Erhalt der Verkehrsinfrastruktur verwendet werden.2 In diesem Zusammenhang wird gefragt, ob es rechtlich zulässig ist, in Deutschland eine verbindliche und generelle Pkw-Maut in Form einer Autobahn-Vignette einzuführen, ohne dabei zu berücksichtigen , ob der einzelne Kfz-Halter tatsächlich die Bundesfernstraßen nutzt. Es wird darauf hingewiesen, dass die vorliegende Arbeit sich auf steuer- und finanzverfassungsrechtliche Aspekte der Fragestellung beschränkt. Das Europarecht und die kompetenzrechtlichen Regelungen der Art. 70 ff. Grundgesetz (GG) sind nicht Gegenstand dieser Ausarbeitung. Mangels konkreten Gesetzgebungsvorschlags können ferner nur Überlegungen allgemeiner Art angestellt werden. Unter dem Begriff „Maut“ wird allgemein eine Gebühr für die Nutzung eines bestimmten Straßennetzes oder eines bestimmten Straßenabschnittes verstanden. Seit 2005 wird in Deutschland eine Lkw-Maut erhoben. Eine Maut für Pkw gibt es bislang nicht. Für Pkw werden im Wesentlichen drei verschiedene Maut-Modelle diskutiert: ein zeitbezogene Maut (Vignette), eine fahrleistungsbezogene Maut (sog. Pkw-Maut) und eine flächenbezogene Maut (City-Maut).3 Bei der aktuell diskutierten Variante einer Maut für Pkw handelt es sich demnach um eine zeitbezogene Maut (Vignette). Zur Beantwortung der oben gestellten Frage ist zunächst zu untersuchen, wie sich die Pkw-Maut grundsätzlich abgabenrechtlich einordnen lässt. Denn aus der herkömmlichen Bezeichnung der Maut als Straßenbenutzungsgebühr folgt nicht zwangsläufig, dass diese Abgabe auch als „Gebühr “ im finanzverfassungsrechtlichen Sinne zu qualifizieren ist.4 1 Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) vom 04.11.2013, „Ramsauer prüft Mautvignette für 100 Euro und mit Öko-Rabatt“, S. 19., im Intranet abrufbar unter: http://prarchiv.bundestag.btg/PressDok/docview.html;sessionid =B4CC0E50A7256F6218BFA1CA?mode=pressarchive&doclist=DBT:PressArchiveResultServlet:result_doclist &n=0&pdf=0. 2 Süddeutsche Zeitung vom 04.11.2013, „Maut belastet Verhandlungen“, S. 5, im Intranet abrufbar unter: http://prarchiv.bundestag.btg/PressDok/docview.html;sessionid =0D4E5CB0A7256F6218BFA1CA?mode=pressarchive&doclist=DBT:PressArchiveResultServlet:result_doclist &n=0&pdf=0. 3 Umweltbundesamt, Pkw-Maut in Deutschland?, 2010, S. 4, im Internet abrufbar unter: http://www.umweltdaten .de/publikationen/fpdf-l/3929.pdf, zuletzt abgerufen am 08.11.2013. 4 Krapf, Verkehrslenkung durch Abgaben, 2001, S. 58. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 143/13 Seite 5 Allgemein sind unter öffentlich-rechtlichen Abgaben Geldleistungen zu verstehen, die der Bürger aufgrund von Rechtsvorschriften an den Staat oder an sonstige Körperschaften abzuführen hat. Zu ihnen zählen neben den Steuern die nicht-steuerlichen Abgaben wie Beiträge, Gebühren und Sonderabgaben. 2. Erhebung der Autobahn-Vignette als Steuer Die Finanzverfassung des Grundgesetzes geht davon aus, dass der allgemeine Finanzbedarf des Staates aus Steuern gedeckt wird („Prinzip des Steuerstaates“). Steuern sind nach § 3 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) „Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft“. Hierbei muss die Geldleistung zur Erzielung von Einnahmen auferlegt sein, um den Finanzbedarf zu decken. § 3 Abs. 1 Halbsatz 2 AO lässt es zu, dass der fiskalische Hauptzweck der Erzielung von Einnahmen gegenüber dem von einer Steuer unter Umständen in erster Linie verfolgten Lenkungszweck zu einem Nebenzweck wird. Der Fiskalzweck darf jedoch nicht grundsätzlich wegfallen.5 Anknüpfend an die Zielsetzung der vorliegend diskutierten Maut in Form einer Autobahn-Vignette , nämlich die Finanzierung des Erhalts der Verkehrsinfrastruktur, kommt zunächst eine Ausgestaltung als (Verkehr-) Steuer in Betracht. Mit der Autobahn-Vignette würde ein Fiskalzweck verfolgt werden. Auch die Zweckbindung des Aufkommens dürfte sich im Hinblick auf andere Fälle in der Praxis wie der Mineralölsteuer6 als nicht weiter problematisch erweisen.7 Soweit daneben mit der Maut Lenkungszwecke angestrebt würden, wäre auch dies im Hinblick auf die genannte Regelung des § 3 Abs. 1 Halbsatz 2 AO rechtlich unbedenklich.8 Der Steuerbegriff in § 3 Abs. 1 AO verlangt weiter, dass die Steuer voraussetzungslos erhoben wird, die Abgabe also nicht Gegenleistung für eine besondere Leistung des Staates ist.9 Anderenfalls würde es sich nämlich um eine sog. Vorzugslast (Gebühr, Beitrag) handeln. Ob diese Voraussetzung bei einer Maut für Pkw erfüllt wäre, kann unterschiedlich beurteilt werden. Ein Teil der Literatur ist – ohne nähere Begründung – der Ansicht, dass mit der Erhebung einer Abgabe für die Straßenbenutzung vom Vorliegen einer staatlichen Gegenleistung auszugehen sei.10 Dagegen 5 Birk, Steuerrecht, 14. Auflage 2011/12, Rn. 115. 6 Das Straßenbaufinanzierungsgesetz vom 28.03.1960 (BGBl. I S. 201) sieht in Art. 1 eine teilweise Zweckbindung des Aufkommens der Mineralölsteuer vor. 7 Alscher, Rechtliche Möglichkeiten einer integrierten kommunalen Verkehrsplanung, 2011, S. 209; Manssen, Finanzverfassungsrechtliche Aspekte der Einführung einer sog. Nahverkehrsabgabe, Die Öffentliche Verwaltung (DÖV) 1996, 12, 13. 8 Alscher, Rechtliche Möglichkeiten einer integrierten kommunalen Verkehrsplanung, 2011, S. 207; Manssen, Finanzverfassungsrechtliche Aspekte der Einführung einer sog. Nahverkehrsabgabe, DÖV 1996, 12, 13. 9 Birk, Steuerrecht, 14. Auflage 2011/12, Rn. 116. 10 Krapf, Verkehrslenkung durch Abgaben, Münster 2001, S. 60. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 143/13 Seite 6 vertritt der andere Teil der Literatur die hier vorzugswürdigere Auffassung, dass die Straßenbenutzung lediglich Maßstab für eine Steuererhebung bzw. Bemessungsgrundlage der Mauthöhe sei.11 Bei der hier gegenständlichen Straßenbenutzung gehe es um das Befahren der Straße im tatsächlichen Sinne und nicht um die rechtliche Möglichkeit der Benutzung der Straße als mögliche staatliche Leistung.12 So könne durch steuerliche Regelungen nicht auf den straßenrechtlichen Gemeingebrauch Einfluss genommen werden.13 Die Benutzung der Straße bleibe weiterhin erlaubnisfrei .14 Schließt man sich der letztgenannten Auffassung an, wäre eine Maut grundsätzlich auch als Steuer vorstellbar.15 2.1. Steuergesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 105 Abs. 2 i.V.m. Art. 106 Abs. 1 Nr. 3 GG Die Steuergesetzgebungskompetenz des Bundes für eine Maut könnte sich aus Art. 105 Abs. 2 i.V.m. Art. 106 Abs. 1 Nr. 3 GG ergeben.16 Art. 106 Abs. 1 Nr. 3 GG weist dem Bund die Erträge aus der Straßengüterverkehr- und Kraftfahrzeugsteuer sowie „sonstigen auf motorisierte Verkehrsmittel bezogene Verkehrsteuern“ zu, so dass ihm nach Art. 105 Abs. 2 GG auch die Gesetzgebungskompetenz zusteht. Fraglich ist, ob eine Maut für Pkw als Verkehrsteuer im Sinne des Art. 106 Abs. 1 Nr. 3 GG anzusehen ist. Nach einer Ansicht knüpfen Verkehrsteuern an einen Akt des Rechtsverkehrs an und wollen den Aufwand treffen, der bei Abschluss des Rechtsgeschäfts entsteht und eine bestimmte Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen indiziert.17 Diese Auslegung dürfte für den Verkehr-steuerbegriff des Art. 106 Abs. 1 Nr. 3 GG aber zu eng sein. Denn die in Art. 106 Abs. 1 Nr. 3 GG aufgeführten Realverkehrsteuern der Straßengüter- sowie der Kraftfahrzeugsteuer zeigen, dass bei diesen Steuern eine Anknüpfung an rein wirtschaftliche und sogar rein tatsächliche Vorgänge möglich ist. Darüber hinaus wollte der Gesetzgeber mit der Erweiterung des Art. 106 Abs. 1 Nr. 3 GG um „sonstige auf motorisierte Verkehrsmittel bezogene Verkehrsteuern“ künftig eine größere 11 Alscher, Rechtliche Möglichkeiten einer integrierten kommunalen Verkehrsplanung, 2011, S. 210f.; Manssen, Finanzverfassungsrechtliche Aspekte der Einführung einer sog. Nahverkehrsabgabe, DÖV 1996, 12, 14. 12 Alscher, Rechtliche Möglichkeiten einer integrierten kommunalen Verkehrsplanung, 2011, S. 204 (Fußnote. 821). 13 Alscher, Rechtliche Möglichkeiten einer integrierten kommunalen Verkehrsplanung, 2011, S. 213; zustimmend Schröder, Verbesserung des Klimaschutzes durch Einführung einer City-Maut, Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) 2012, S. 1438 (1439). 14 Manssen, Finanzverfassungsrechtliche Aspekte der Einführung einer sog. Nahverkehrsabgabe, DÖV 1996, 12, 14. 15 Auch die Vertreterin der Gegenansicht hält die Ausgestaltung einer Maut als Wegekostensteuer bei typisierter Fahrleistung für möglich, vgl. Krapf, Verkehrslenkung durch Abgaben, Münster 2001, S. 60. Eine Maut, die unabhängig von der konkreten Fahrleistung erhoben würde, und deren Aufkommen zweckgebunden für den Erhalt der Verkehrsinfrastruktur verwendet würde, wäre folglich auch nach der Gegenansicht möglich. 16 Alscher, Rechtliche Möglichkeiten einer integrierten kommunalen Verkehrsplanung, 2011, S. 204; Krapf, Verkehrslenkung durch Abgaben, Münster 2001, S. 58f. 17 Birk, Steuerrecht, 14. Auflage 2011/12, Rn. 91 m.w.N. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 143/13 Seite 7 Flexibilität bei der Ausgestaltung einer verkehrsmittelbezogenen Besteuerung ermöglichen.18 Der Gesetzgeber könnte folglich bei der Einführung einer Maut als Steuer auch an die Straßenbenutzung als Belastungsgrund anknüpfen. Die Erhebung einer Maut als Steuer wird auch nicht durch die Kompetenzregelung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 22, 4. Alt. GG ausgeschlossen, die den Bund zum Erlass von Vorschriften über „die Erhebung und Verteilung von Gebühren oder Entgelten für die Benutzung öffentlicher Straßen mit Fahrzeugen“ befähigt. Diese Kompetenzregelung stelle allenfalls für den Bereich der nicht-steuerlichen Abgaben eine abschließende Regelung dar. Für die finanzverfassungsrechtlichen Vorschriften ergebe sich hingegen keine Sperrwirkung.19 Nach alledem kann an dieser Stelle festgehalten werden, dass eine Maut für Pkw in Form einer Autobahn-Vignette grundsätzlich als Steuer vorstellbar wäre. Der Bund hätte hierfür die erforderliche Gesetzgebungskompetenz; auch stünden ihm die Einnahmen zu. 2.2. Schlussfolgerungen Zu der in der Fragestellung skizzierten Variante einer Pkw-Maut lassen sich folgende Überlegungen anstellen: Zunächst ist fraglich, worin bei einer generellen Abgabepflicht für alle Pkw-Halter, unabhängig von der tatsächlichen Nutzung der Bundesfernstraßen, der Belastungsgrund der Abgabe zu sehen ist. Der Belastungsgrund einer Maut dürfte normalerweise in der (tatsächlichen) Straßenbenutzung liegen. Bei einer generellen Abgabepflicht tritt hingegen die (tatsächliche) Straßenbenutzung in den Hintergrund, und es wird vielmehr an das Halten des Pkw als solches angeknüpft. So knüpft auch die Kraftfahrzeugsteuer an das Halten des Pkw unabhängig von dessen tatsächlichen Gebrauch an. Die hier diskutierte Variante einer Maut dürfte daher vielmehr als (allgemeine ) Infrastrukturabgabe einzuordnen sein, die an das Halten des Pkw anknüpft und deren Aufkommen zielgerichtet für den Erhalt der Verkehrsinfrastruktur verwendet wird. Kompetenzrechtlich würde es sich um eine weitere Kraftfahrzeugsteuer handeln, für die der Bund nach Art. 106 Abs. 1 Nr. 3 Var. 2 GG die Gesetzgebungskompetenz hätte. Bei der Ausgestaltung einer Steuer sind die verfassungsrechtliche Grenzen aus dem Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten, hierbei insbesondere dem Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG, der Berufsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG und dem von Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Eigentum, zu beachten. Eine Begrenzung der zulässigen Abgabenhöhe ergibt sich nur aus dem Erdrosselungsverbot . Danach darf die Abgabe nicht so hoch bemessen sein, dass ihre Zielrichtung faktisch 18 Gesetzentwurf zur Änderung des Grundgesetzes (Art. 106, 106b, 107, 108) vom 27.01.2009, BT-Drs. 16/11741, S. 4. 19 Alscher, Rechtliche Möglichkeiten einer integrierten kommunalen Verkehrsplanung, 2011, S. 209; Krapf, Verkehrslenkung durch Abgaben, Münster 2001, S. 59; Schröder, Verbesserung des Klimaschutzes durch Einführung einer City-Maut, NVwZ 2012, S. 1438 (1439). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 143/13 Seite 8 in der Nichterfüllung des Steuertatbestandes und damit in der Nichterzielung eines Aufkommens läge.20 3. Erhebung der Autobahn-Vignette als Gebühr Ebenso wie die Steuer ist die öffentlich-rechtliche Gebühr eine Abgabe zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs. Legaldefinitionen der Gebühren enthalten die Kommunalabgabengesetze der Länder. So lautet etwa § 4 Abs. 2 des Kommunalabgabengesetzes für das Land Nordrhein- Westfalen: „Gebühren sind Geldleistungen, die als Gegenleistung für eine besondere Leistung – Amtshandlung oder sonstige Tätigkeit – der Verwaltung (Verwaltungsgebühren) oder für die Inanspruchnahme öffentlicher Einrichtungen und Anlagen (Benutzungsgebühren) erhoben werden .“ Da Straßen eine öffentliche Einrichtung sind, könnten nach dieser Legaldefinition grundsätzlich Gebühren für die Straßenbenutzung erhoben werden. Fraglich ist, ob Gebühren auch unabhängig von einer tatsächlichen Inanspruchnahme der besonderen Leistung erhoben werden dürfen. Die Gebühr unterscheidet sich von der Steuer durch die Verknüpfung mit einer individuell zurechenbaren Gegenleistung des öffentlich-rechtlichen Gemeinwesens .21 Die staatliche Gegenleistung kann hierbei in der Duldung der (gemeingebräuchlichen ) Nutzung der Straße durch die Kfz-Halter gesehen werden.22 Problematisch ist die individuelle Zurechenbarkeit insbesondere bei staatlichen Unterlassungen, wie sie die Duldung der Nutzung des gebührenpflichtigen Teils des Straßennetzes darstellen. Ohne die individuelle Zurechnung aber wäre die Abgrenzung zur Allgemeinheit unmöglich. In der Literatur wird es daher für ausreichend gehalten, wenn zunächst „anonyme“ Staatsleistungen wie die Bereitstellung des Straßennetzes durch die individuelle Inanspruchnahme konkretisiert werden. 23 Der Gegenleistungsempfänger wird daher durch die (tatsächliche) Nutzung charakterisiert. Die Ausgestaltung einer Pkw-Maut als Gebühr würde mithin die tatsächliche Nutzung der gebührenpflichtigen Straßen voraussetzen. Eine Maut in Gestalt einer öffentlichen-rechtlichen Gebühr, die von allen Pkw-Haltern pauschal erhoben würde, käme daher aus abgabenrechtlichen Gründen nicht in Betracht. 20 Alscher, Rechtliche Möglichkeiten einer integrierten kommunalen Verkehrsplanung, 2011, S. 219 m.w.N. 21 Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Auflage 2010, § 3 Rz. 20. 22 Vgl. Krapf, Verkehrslenkung durch Abgaben, Münster 2001, S. 89. 23 Krapf, Verkehrslenkung durch Abgaben, Münster 2001, S. 90 m.w.N. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 143/13 Seite 9 4. Erhebung der Autobahn-Vignette als Beitrag Wie die Gebühren sollen auch die Beiträge einen Sondervorteil oder besonders verursachte Kosten ausgleichen. Legaldefinitionen finden sich wie bei den Gebühren in den Kommunalabgabengesetzen der Länder.24 Beiträge sind hoheitlich zur Finanzbedarfsdeckung auferlegte Aufwendungsersatzleistungen für die Herstellung, Anschaffung oder Erweiterung öffentlicher Einrichtungen und Anlagen oder für die Verbesserung von Straßen, Wegen und Plätzen, nicht für deren laufende Unterhaltung und Instandsetzung.25 Während also die Gebühr eine Abgabe (Entgelt) für eine besondere tatsächliche Leistung der Verwaltung darstellt, ist der Beitrag eine Abgabe (Entgelt ) für die dem Einzelnen gewährte Möglichkeit, aus konkreten Aufwendungen der Verwaltung einen individuellen Nutzen zu ziehen.26 Die Abgabenpflicht besteht, weil eine konkrete Gegenleistung , ein konkreter wirtschaftlicher Vorteil in Anspruch genommen werden kann, unabhängig von einer tatsächlichen Inanspruchnahme dieser Gegenleistung. Darin liegt der Unterschied zur Gebühr, die eine konkrete Inanspruchnahme der staatlichen Leistung voraussetzt.27 Da der Beitrag anders als die Gebühr abgabenrechtlich nicht die tatsächliche Inanspruchnahme der staatlichen Leistung voraussetzt, wäre die Einführung der hier diskutierten Variante einer Pkw-Maut in der Gestalt eines Beitrags vorstellbar. Einschränkungen bei der Ausgestaltung einer Maut als Beitrag ergeben sich hinsichtlich der Verwendung der Beitragseinnahmen. Denn die Beitragseinnahmen dürften lediglich für die Verbesserung , nicht aber für die laufende Unterhaltung und Instandsetzung der Verkehrsinfrastruktur verwendet werden. 5. Erhebung der Autobahn-Vignette als Sonderabgabe Die Sonderabgaben stehen außerhalb der klassischen Abgabentrias (Steuer, Gebühr, Beitrag). Bei der Sonderabgabe handelt es sich um eine Abgabe, der keine zurechenbare Gegenleistung gegenübersteht , die aber im Unterschied zu Steuern nicht von der Gesamtheit der Steuerbürger, sondern nur von einer bestimmten Gruppe erhoben wird und zur Finanzierung besonderer Aufgaben dient.28 Sonderabgaben sind nach der gefestigten, in jüngerer Zeit mehrfach bekräftigten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) eigenständige, nichtfiskalische Abgaben. Da 24 z.B. § 8 Abs. 2 KAG NW: „Beiträge sind Geldleistungen, die dem Ersatz des Aufwandes für die Herstellung, Anschaffung und Erweiterung öffentlicher Einrichtungen und Anlagen […] dienen.“ 25 Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Auflage 2010, § 3 Rz. 23. 26 Vgl. Birk, Steuerrecht, 14. Auflage 2011/12, Rn. 118. 27 Krapf, Verkehrslenkung durch Abgaben, Münster 2001, S. 90f. 28 Birk, Steuerrecht, 14. Auflage 2011/12, Rn. 121. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 143/13 Seite 10 Sonderabgaben gegenüber der Steuerfinanzierung die seltene Ausnahme bleiben sollen, bedürfen sie einer besonderen verfassungsrechtlichen Rechtfertigung.29 Bei den Sonderabgaben wird zwischen Sonderabgaben mit Lenkungsfunktion und Sonder-abgaben mit Finanzierungsfunktion unterschieden. Erstere haben vorrangig oder sogar ausschließlich eine Wirtschafts-, Umwelt- oder Soziallenkung bzw. -förderung zum Ziel. Ihre Einordnung als öffentliche Abgaben kann daher im Einzelfall schwierig sein.30 Sonderabgaben mit Finanzierungszweck stehen in Konkurrenz mit der Steuer, weil beide voraussetzungslos – gegenleistungsunabhängig – erhoben werden. Nach der Rechtsprechung des BVerfG sind Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion nur unter den folgenden Voraussetzungen zulässig. Die Sonderabgaben müssen einen über die bloße Mittelbeschaffung hinausgehenden Sachzweck verfolgen. Im Gesetz muss außer der Belastung mit der Abgabe und der Verwendung des Aufkommens auch die gestaltende Einflussnahme auf den geregelten Sachbereich zum Ausdruck kommen. Die Kompetenzgrundlage für die Sonderabgabe muss sich aus einer Sachgesetzgebungszuständigkeit (Art. 70 ff. GG) ergeben. Darüber hinaus darf sie nur eine vorgefundene homogene Gruppe belasten, wobei zwischen dem mit der Abgabenerhebung verfolgten Zweck und dieser Gruppe eine spezifische Sachnähe – d.h. eine besondere Finanzierungsverantwortung – bestehen muss.31 Ferner muss zwischen den mit der Sonderabgabe bewirkten Belastungen und den mit ihr finanzierten Begünstigungen eine sachgerechte Verknüpfung bestehen, die durch die „gruppennützige“ Verwendung des Abgabenaufkommens im Interesse der Gruppe der Abgabepflichtigen hergestellt wird. Fremdnützige Sonderabgaben sind grundsätzlich unzulässig.32 Bei der hier diskutierten Variante einer Pkw-Maut ist im Hinblick auf die Voraussetzungen einer Sonderabgabe mit Finanzierungsfunktion insbesondere fraglich, ob die Kriterien der besonderen Finanzierungsverantwortung und der gruppennützigen Verwendung des Mautaufkommens erfüllt wären. Unterstellte man, dass es sich bei den Pkw-Haltern um eine homogene Gruppe handelt , wären sie dennoch nicht mehr als andere Nutzer der Straßeninfrastruktur wie etwa Lkw- Halter für deren Finanzierung verantwortlich. Die Annahme einer besonderen Finanzierungsverantwortung der Gruppe der Pkw-Halter dürfte daher problematisch sein. Problematisch wäre ferner die Verwendung des Mautaufkommens ausschließlich für den Erhalt von Bundesfernstraßen bei gleichzeitiger Abgabepflicht für alle Pkw-Halter. Pkw-Halter, die ihr Fahrzeug ausschließlich auf anderen als Bundesfernstraßen benutzen, würden weder unmittelbar noch mittelbar von den mit der Sonderabgabe finanzierten Begünstigungen profitieren. Die gruppennützige Verwendung des Mautaufkommens wäre mithin sehr fraglich. 29 BVerfGE 108, 186, 217; BVerfGE 101, 141, 147 m.w.N.; Heller, Haushaltsgrundsätze für Bund, Länder und Gemeinden , 2. Auflage, Heidelberg 2010, S. 61. 30 Henneke, in: Praxis der Kommunalverwaltung, Finanzverfassung, E 1 Bund, 5.1. 31 Pahlke, in: Pahlke/Koenig, Abgabenordnung, 2. Auflage 2009, § 3 Rn. 36 m.w.N. 32 BVerfGE 82, 159, 180f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 143/13 Seite 11 Denkbar wäre auch, die Autobahn-Vignette als Sonderabgabe mit Lenkungsfunktion zu erheben. Bei Sonderabgaben mit Lenkungsfunktion sollen nach der Rechtsprechung des BVerfG die genannten Voraussetzungen für Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion „nicht uneingeschränkt “ anwendbar sein. Das BVerfG33 stellt hierbei auf den Anlass zur Einführung der Sonderabgabe ab. Sofern die Finanzierung der besonderen Aufgabe nicht der Anlass für deren Einführung war, sondern die Abgabe in erster Linie die Funktion der Lenkung (Antriebsfunktion) oder des Ausgleichs einer nicht erfüllten Verpflichtung (Ausgleichsfunktion) hat, soll die Einhaltung der Kriterien der Gruppenverantwortung und der Gruppennützigkeit nicht erforderlich sein. Sofern mit der Abgabe aber auch ein Finanzierungszweck – sei es als Haupt- oder Nebenzweck – verfolgt wird, so gelten die Kriterien für Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion in vollem Umfang.34 Vorliegend dürfte auch eine Maut in Form einer Autobahn-Vignette als Sonderabgabe mit Lenkungsfunktion ausscheiden, da mit einer Pkw-Maut regelmäßig auch ein Aufkommen zur Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur erzielt werden soll. 6. Ergebnis Eine Pkw-Maut in Form einer Autobahn-Vignette, welche verbindlich und generell von allen Pkw-Haltern – unabhängig von der tatsächlichen Nutzung der Bundesfernstraßen – erhoben würde, wäre abgabenrechtlich entweder als Steuer oder als Beitrag zu qualifizieren. Eine Erhebung als Beitrag würde die Verwendung des Abgabenaufkommens auf die Verbesserung der Straßeninfrastruktur beschränken. Für die laufende Unterhaltung und Instandsetzung dürfte das Aufkommen hingegen nicht verwendet werden. Bei der steuerrechtlichen Lösung wäre eine Abgabe in Gestalt einer (weiteren) Kraftfahrzeugsteuer vorstellbar. Bei der Ausgestaltung der Abgaben ist insbesondere der Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG zu beachten. ( ) 33 BVerfGE 67, 256, 277 f., NJW 1985, 37, 38. 34 BVerfGE 67, 256, 278, NJW 1985, 37, 38.