© 2021 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 141/20 Möglichkeiten zur Einführung eines E-Rechnungs- und Clearance-Verfahrens in Deutschland Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 141/20 Seite 2 Möglichkeiten zur Einführung eines E-Rechnungs- und Clearance-Verfahrens in Deutschland Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 141/20 Abschluss der Arbeit: 18. Januar 2021 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 141/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung und Fragestellung 4 2. Rechtslage in Deutschland: Optionale elektronische Rechnung 4 2.1. Elektronische Rechnung im Umsatzsteuerrecht 4 2.2. Elektronische Rechnung gegenüber öffentlichen Auftraggebern 5 3. Rechtslage in Italien: Verpflichtende elektronische Rechnung und Clearance-Verfahren 5 3.1. Ausstellung von Rechnungen über das Sistema di Interscambio 5 3.2. Abgrenzung von Clearance- und Reporting-Verfahren 6 4. Unionsrechtlicher Rahmen für die Ermächtigung zur Einführung einer verpflichtenden elektronischen Rechnung (Art. 395 Abs. 1 MwStSystRL) 7 4.1. Formelle Voraussetzungen für die Ermächtigung 8 4.2. Materielle Voraussetzungen für die Ermächtigung 8 4.2.1. Ziel der Sondermaßnahme 8 4.2.2. Keine Beeinträchtigung des Umsatzsteueraufkommens 9 4.2.3. Verhältnismäßigkeit der Sondermaßnahme 9 4.3. Fazit: keine rechtliche Bewertung möglich 10 5. Vergleich zur Ermächtigung Italiens 10 5.1. Begründung des italienischen Antrags 10 5.2. Vergleich zur Situation in Deutschland 11 5.3. Fazit zum Vergleich 12 6. Aktionsplan der EU-Kommission 13 6.1. Pläne der EU-Kommission für ein Umsatzsteuermeldeverfahren 13 6.2. Mögliche Folgen für die Einführung eines E-Rechnungs- und Clearance-Verfahrens in Deutschland 13 7. Zusammenfassung 14 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 141/20 Seite 4 1. Einleitung und Fragestellung Mit Durchführungsbeschluss vom 16. April 2018 des Rates der Europäischen Union wurde Italien dazu ermächtigt, eine von Art. 218 und 232 der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL)1 abweichende Sondermaßnahme einzuführen (siehe Durchführungsbeschluss (EU) 2018/593 des Rates)2. Aufgrund dieser Ermächtigung durfte Italien die elektronische Rechnungsstellung für in Italien ansässige Unternehmer vorschreiben und die erforderliche Zustimmung der Empfänger von elektronischen Rechnungen zu dieser Ausstellungsform entbehrlich machen. Gefragt wird nach den Bedingungen, die nach geltender Rechtslage erfüllt sein müssen, um eine solche Ermächtigung nach dem Vorbild Italiens zu erhalten. Des Weiteren wird gefragt, ob Deutschland diese Bedingungen erfüllt bzw. welche Maßnahmen ergriffen werden müssten, um es Deutschland zu ermöglichen, eine Ermächtigung nach dem Vorbild Italiens zu erhalten. Schließlich wird gefragt, ob es alternative Möglichkeiten zur (verpflichtenden) Einführung eines E-Rechnungs- und Clearance-Verfahrens in Deutschland gibt und welche Maßnahmen hierzu ergriffen werden müssten. 2. Rechtslage in Deutschland: Optionale elektronische Rechnung 2.1. Elektronische Rechnung im Umsatzsteuerrecht Nach Art. 218 MwStSystRL sind Rechnungen über erbrachte Leistungen auf Papier oder als elektronisches Dokument auszustellen. Nach Art. 232 MwStSystRL muss der Rechnungsempfänger der Verwendung der elektronischen Rechnung zustimmen. Diesen Vorgaben entspricht § 14 Abs. 1 Satz 7 UStG. Danach sind Rechnungen auf Papier oder – vorbehaltlich der Zustimmung des Leistungsempfängers – elektronisch zu übermitteln. Für Papierrechnungen ist dagegen keine Zustimmung erforderlich. Die Rechnung in Papierform ist also immer noch der gesetzliche Standardfall .3 Eine elektronische Rechnung ist eine Rechnung, die in einem elektronischen Format ausgestellt und empfangen wird (§ 14 Abs. 1 Satz 8 UStG). Liegt die Zustimmung des Leistungsempfängers vor, ist der Rechnungsaussteller frei in seiner Entscheidung, in welcher Ausführung er elektronische Rechnungen übermittelt, zum Beispiel per E-Mail (ggf. mit Bilddatei- oder Textdokumentanhang ), per De-Mail, per Computer-Fax oder Fax-Server, per Web-Download oder per EDI.4 Für den Vorsteuerabzug sind Rechnungen in Papier- oder elektronischer Form gleichwertig. Allerdings wird berichtet, dass im Hinblick auf die Sicherstellung des Vorsteuerabzugs in der Praxis 1 EUR-Lex - 32006L0112 - EN - EUR-Lex (europa.eu). 2 https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:32018D0593. 3 Kritisch Ruß/Ismer/Margolf, DStR 2019, 409, 415. 4 So Abschnitt 14.4 Abs. 2 UStAE. Eine von oder an Standard-Telefax übermittelte Rechnung gilt als Papierrechnung . Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 141/20 Seite 5 eine gewisse Skepsis gegenüber elektronischen Rechnungen besteht.5 Die deutsche Rechtslage entspricht damit den Vorgaben der MwStSystRL. 2.2. Elektronische Rechnung gegenüber öffentlichen Auftraggebern Die Pflicht zur Ausstellung einer elektronischen Rechnung besteht in Deutschland seit dem 27.11.2020 grundsätzlich für Leistungen an öffentliche Auftraggeber auf Bundesebene. Grundlage dafür sind das E-Rechnungs-Gesetz (E-RechG) und die E-Rechnungs-Verordnung (E-RechV), die die EU-Richtlinie 2014/55/EU vom 16. April 2014 (E-RechRL)6 umsetzen, zum Teil aber auch darüber hinausgehen.7 Die Behörden sind zur Annahme und Verarbeitung der E-Rechnung verpflichtet .8 Die Ausstellung und Versendung der Rechnung erfolgt über ein Verwaltungsportal in der Form eines strukturierten Datensatzes, der eine automatisierte Verarbeitung ermöglicht.9 In den Bundesländern erfolgt die Umsetzung der E-Rechnungspflicht jedoch nicht einheitlich.10 3. Rechtslage in Italien: Verpflichtende elektronische Rechnung und Clearance-Verfahren 3.1. Ausstellung von Rechnungen über das Sistema di Interscambio Ab dem 1.1.2019 müssen in Italien alle ausgestellten Rechnungen über Lieferungen und Leistungen zwischen in Italien ansässigen Personen ausschließlich elektronische Rechnungen sein. Dies gilt sowohl für Rechnungen an andere Unternehmer als auch für Rechnungen an Verbraucher.11 Italien sieht aber nicht nur die Pflicht zur Ausstellung elektronischer Rechnungen vor, sondern verpflichtet die Unternehmer zugleich zur Ausstellung über ein zentrales Übermittlungssystem der italienischen Finanzverwaltung, das sog. Sistema di Interscambio (SdI).12 Die Pflicht gilt für alle im Inland ansässigen Unternehmer mit Sitz, Niederlassung oder Betriebsstätte in Italien. Für diese gilt die Pflicht umfassend für alle Leistungen an Leistungsempfänger in Italien. Sie gilt nicht nur – wie bereits vor 2019 – bei öffentlichen Aufträgen für Leistungen an 5 Siehe Höink/Hermes, BB 2018, 2263, 2266. 6 EUR-Lex - 32014L0055 - EN - EUR-Lex (europa.eu). 7 Siehe dazu Klenk, NWB, 25/2019, S. 1831, 1833. 8 Klenk, NWB, 25/2019, S. 1831, 1836. 9 Verbindlicher Standard ist die sog. XRechnung, s. Klenk, NWB, 25/2019, S. 1831, 1834, 1836. 10 Siehe Ismer/Artinger/Jackl, Digitalisierung der Umsatzsteuer, Italienische E-Rechnung und Clearance System als Vorbild, S. 8 (https://www.verband-e-rechnung.org/pdfs/VeR-Studie_Clearance_2020.pdf). 11 Agenzia Entrate, La fattura elettronica e i servizi gratuiti dell’agenzia delle entrate, aggiornata al 4 ottobre 2018, S. 2. (https://www.agenziaentrate.gov.it/portale/documents/20143/451290/guida+FE+e+servizi +AdE+in+pdf_Guida_La+fattura_elettronica_e_i_servizi_g_10082020.pdf/035e38b3-2309-3335-f135- 6e6010252e7a). 12 Siehe Ismer/Artinger/Jackl, Digitalisierung der Umsatzsteuer, Italienische E-Rechnung und Clearance System als Vorbild, S. 10 f. (https://www.verband-e-rechnung.org/pdfs/VeR-Studie_Clearance_2020.pdf). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 141/20 Seite 6 die Verwaltung („B2G“), sondern auch für alle Leistungen an in Italien ansässige Unternehmer („B2B“) und grundsätzlich sogar für alle Leistungen an Verbraucher mit Wohnsitz in Italien („B2C“).13 Eine Ausnahme gilt nur für Kleinunternehmer.14 Für die Erstellung und Übermittlung der E-Rechnung muss das Sistema di Interscambio (SdI) verwendet werden.15 Dadurch erhält die Rechnung ein einheitliches Format und kann automatisiert verarbeitet werden. Die italienische Steuerverwaltung stellt den Unternehmern die dafür erforderliche Software zur Verfügung.16 Wird die Rechnung ohne das SdI in einer davon abweichenden Form, z.B. als einfacher pdf-Anhang oder Datei-Download, ausgestellt oder übersendet, liegt keine ordnungsgemäße Rechnung vor.17 Infolgedessen kann der Leistungsempfänger keine Vorsteuer daraus geltend machen.18 Zur Begründung für die Einführung und die Genehmigung des italienischen E-Rechnungs- und Clearance-Verfahrens durch die EU sowie zu einer möglichen Übertragung auf Deutschland siehe unter 5. 3.2. Abgrenzung von Clearance- und Reporting-Verfahren Die von den Vorgaben der MwStSystRL (siehe 2.) abweichende Pflicht zur Ausstellung elektronischer Rechnungen kann nicht isoliert von dem elektronischen Meldeverfahren SdI der italienischen Finanzverwaltung betrachtet werden, über das die E-Rechnung zwingend erstellt und versendet werden muss. Dabei handelt es sich um ein sog. Clearance-Verfahren, bei dem die E-Rechnung nur über das System der Finanzverwaltung nach automatisierter Prüfung der Rechnung erstellt wird und den Leistungsempfänger erreicht.19 Eine direkte wirksame Rechnungsstellung des Unternehmers an den Leistungsempfänger ohne dieses System ist nicht mehr möglich. Damit unterscheidet sich das italienische System nicht nur von der deutschen Rechtslage, die nur eine optionale elektronische Rechnung in verschiedenen, auch nicht automatisiert lesbaren 13 Ist der Leistungsempfänger ein Endverbraucher bzw. teilt er dem Leistenden keine Empfängernummer mit, trägt der leistende Unternehmer in das SdI-Feld „Nummer des Leistungsempfängers“ den Wert „0000000“ ein, siehe Agenzia Entrate, a.a.O. (Fn. 11), S. 6. 14 Vgl. zum italienischen System ausführlich Ismer/Artinger/Jackl, Digitalisierung der Umsatzsteuer, Italienische E-Rechnung und Clearance System als Vorbild, S. 16 ff. (https://www.verband-e-rechnung.org/pdfs/VeR-Studie _Clearance_2020.pdf). 15 Agenzia Entrate, a.a.O. (Fn. 11), S. 2. 16 Agenzia Entrate, a.a.O. (Fn. 11), S. 5. 17 Ruß/Ismer/Margolf, DStR 2019, 409, 415. 18 Agenzia Entrate, a.a.O. (Fn. 11), S. 4; vgl. zum italienischen System ausführlich Ismer/Artinger/Jackl, Digitalisierung der Umsatzsteuer, Italienische E-Rechnung und Clearance System als Vorbild, S. 16 ff. (https://www.verband-e-rechnung.org/pdfs/VeR-Studie_Clearance_2020.pdf). 19 Ismer/Artinger/Jackl, Digitalisierung der Umsatzsteuer, Italienische E-Rechnung und Clearance System als Vorbild , S. 7, 10 f. (https://www.verband-e-rechnung.org/pdfs/VeR-Studie_Clearance_2020.pdf). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 141/20 Seite 7 Formaten vorsieht, sondern auch von sog. Reporting-Ansätzen, bei denen buchhalterisch erfasste Rechnungsdaten innerhalb einer bestimmten Frist an die Finanzverwaltung übermittelt werden müssen.20 Diese können als Vorstufe zu einem elektronischen Rechnungssystem wie in Italien gesehen werden.21 Die nach der MwStSystRL (siehe dazu 2.) vorgesehenen Möglichkeiten zur Ausstellung von Rechnungen bleiben dadurch unberührt, so dass auch keine besondere Ermächtigung zur Abweichung von der MwStSystRL erforderlich ist. So müssen Unternehmer in Spanien seit dem 1.7.2017 Daten über ihre Eingangs- und Ausgangsrechnungen innerhalb einer Frist von vier Tagen auf elektronischem Weg in Form eines strukturierten Datensatzes an die spanische Finanzverwaltung übermitteln.22 Diese Pflicht besteht zwar nicht für alle Unternehmer, sondern in erster Linie für große Unternehmen mit einem Umsatz von über sechs Millionen Euro im Vorjahr. Allerdings können nicht verpflichtete Unternehmen freiwillig an diesem Meldesystem teilnehmen.23 Dagegen werden über dieses Meldesystem nicht die konkreten Rechnungen verschickt.24 Die Verpflichtung erfasst ca. 63.000 Steuerpflichtige und damit rund 80 % der in Rechnung gestellten Gesamtumsätze in Spanien.25 4. Unionsrechtlicher Rahmen für die Ermächtigung zur Einführung einer verpflichtenden elektronischen Rechnung (Art. 395 Abs. 1 MwStSystRL) Nach Art. 395 Abs. 1 MwStSystRL kann der Rat auf Vorschlag der Kommission einstimmig jeden Mitgliedstaat ermächtigen, von dieser Richtlinie abweichende Sondermaßnahmen einzuführen, um die Steuererhebung zu vereinfachen oder Steuerhinterziehungen oder -umgehungen zu verhindern . Nach Art. 395 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL dürfen die Maßnahmen den Gesamtbetrag der von dem Mitgliedstaat auf der Stufe des Endverbrauchs erhobenen Steuer nur in unerheblichem Maße beeinflussen. 20 Ismer/Artinger/Jackl, Digitalisierung der Umsatzsteuer, Italienische E-Rechnung und Clearance System als Vorbild , S. 8, 11 (https://www.verband-e-rechnung.org/pdfs/VeR-Studie_Clearance_2020.pdf). 21 Ismer/Artinger/Jackl, Digitalisierung der Umsatzsteuer, Italienische E-Rechnung und Clearance System als Vorbild , S. 8 (https://www.verband-e-rechnung.org/pdfs/VeR-Studie_Clearance_2020.pdf). 22 Groß, Spanien setzt auf „Real-time Umsatzsteuer“ (https://www.psp.eu/artikel/272/spanien-setzt-auf-real-timeumsatzsteuer ); Ismer/Artinger/Jackl, Digitalisierung der Umsatzsteuer, Italienische E-Rechnung und Clearance System als Vorbild, S. 9 (https://www.verband-e-rechnung.org/pdfs/VeR-Studie_Clearance_2020.pdf). 23 Agencia Tributaria, Principales novedades tributarias introducidas por el Real Decreto 596/2016, S. 1 (https://www.agenciatributaria.es/static_files/Sede/Procedimiento_ayuda/G417/FicherosSuministros/bolinform _SII_es_es.pdf); Groß, Spanien setzt auf „Real-time Umsatzsteuer“ (https://www.psp.eu/artikel/272/spanien -setzt-auf-real-time-umsatzsteuer). Ziel des Meldesystems ist nicht nur die Betrugsbekämpfung, sondern auch dem Unternehmer ein Hilfswerkzeug für die Erfüllung der Melde- und Zahlungspflichten aus der Umsatzsteuer an die Hand zu geben, s. Agencia Tributaria, a.a.O. 24 Agencia Tributaria, Nuevo sistema de gestión del IVA basado en el Suministro Inmediato de Información (https://www.agenciatributaria.es/AEAT.internet/Inicio/Ayuda/Modelos__Procedimientos_y_Servicios /Ayuda_P_G417____IVA__Llevanza_de_libros_registro__SII_/Informacion_general/Nuevo_sistema_de_gestion _del_IVA_basado_en_el_Suministro_Inmediato_de_Informacion.shtml). 25 Agencia Tributaria, a.a.O. (Fn. 24). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 141/20 Seite 8 Die Einführung eines dem italienischen vergleichbaren E-Rechnungs- und Clearance-Verfahrens in Deutschland bedarf einer solchen Ermächtigung durch den Rat. Dies gilt auch für die Einführung einer verpflichtenden E-Rechnung ohne ein solches Clearance-Verfahren, da auch damit eine Abweichung von Art. 218 und Art. 232 MwStSystRL verbunden ist, nicht aber für die Einführung eines besonderen zeitnahen Reporting-Verfahrens wie etwa in Spanien (siehe 3.2.). Denn hinsichtlich der Meldung bzw. Erklärung der Umsätze gegenüber der Finanzverwaltung, zum Beispiel hinsichtlich des Steuerzeitraums, der Fristen sowie der Fälligkeit der Zahlung, macht die MwStSystRL den Mitgliedstaaten vergleichsweise weite Vorgaben mit entsprechenden Spielräumen für die Ausgestaltung des Umsatzsteuerverfahrens.26 4.1. Formelle Voraussetzungen für die Ermächtigung In formeller Hinsicht ist für die Ermächtigung nach Art. 395 Abs. 1 MwStSystRL ein Antrag des Mitgliedstaates an die Kommission mit allen erforderlichen, zweckdienlichen Angaben (Art. 395 Abs. 2 MwStSystRL), ein Vorschlag der Kommission an den Rat sowie ein einstimmiger Beschluss des Rates erforderlich. Die Kommission muss den Antrag also unterstützen, und alle Mitgliedstaaten müssen zustimmen. 4.2. Materielle Voraussetzungen für die Ermächtigung Art. 395 MwStSystRL enthält keine regelungsspezifischen inhaltlichen Anforderungen für die abweichende Sondermaßnahme. Art. 395 Abs. 1 MwStSystRL verlangt lediglich, dass die Sondermaßnahme bestimmte Ziele verfolgt, nämlich die Steuererhebung zu vereinfachen oder Steuerhinterziehungen oder Steuerumgehungen zu verhindern (siehe dazu nachfolgend 4.2.1.). Außerdem darf durch die Sondermaßnahme das Umsatzsteueraufkommen allenfalls „in unerheblichem Maße“ beeinflusst werden (Art. 395 Abs. 1 Unterabs. 2 MwStSystRL; siehe dazu nachfolgend 4.2.2.). Außerdem muss die Maßnahme die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit beachten (siehe dazu nachfolgend 4.2.3.). 4.2.1. Ziel der Sondermaßnahme Die Einführung des E-Rechnungs- und Clearance-Verfahrens wurde von Italien beantragt und von der Kommission vorgeschlagen, um beide in Art. 395 Abs. 1 MwStSystRL genannten Ziele zu erreichen , nämlich die Vereinfachung der Steuererhebung und die Verhinderung von Steuerhinterziehung , insbesondere zur Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs.27 Der Nachweis der Zielerreichung ist keine Voraussetzung für die Ermächtigung nach Art. 395 Abs. 1 MwStSystRL. Im Falle der Ermächtigung Italiens erwartet der Rat eine Bewertung der Zielerreichung, falls Italien eine Verlängerung der bis Ende 2021 befristeten Ermächtigung beantragt. 26 Vgl. Treiber, in: Sölch/Ringleb, UStG § 18 Rn. 52 ff. mit einem Vergleich der EU-Vorgaben mit dem deutschen Verfahren gemäß § 18 UStG. 27 Europäische Kommission, Vorschlag für einen Durchführungsbeschluss des Rates v. 5.2.2018, COM(2018) 55 final, Ziffer 2., S. 3 (http://eudoxap01.bundestag.btg:8080/eudox/dokumentInhalt?id=181737). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 141/20 Seite 9 4.2.2. Keine Beeinträchtigung des Umsatzsteueraufkommens Im Falle der Ermächtigung Italiens gingen die Kommission28 und der Rat29 davon aus, dass die Maßnahme keine nachteiligen Auswirkungen auf den Gesamtbetrag der auf der Stufe des Endverbrauchs erhobenen Steuer sowie auf die Mehrwertsteuer-Eigenmittel der Union hat. 4.2.3. Verhältnismäßigkeit der Sondermaßnahme Bei der Entscheidung über die Genehmigung zu „abweichenden Sondermaßnahmen“ hat der Rat die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit zu beachten.30 Die Einführung eines dem italienischen vergleichbaren E-Rechnungs- und Clearance-Verfahrens in Deutschland brächte für die Unternehmer sowohl bei der Ausstellung als auch bei der Verarbeitung von Rechnungen erheblich veränderte bzw. neue Pflichten mit sich. Diese verursachen einen erheblichen Umstellungsaufwand. Im Hinblick darauf muss die Sondermaßnahme verhältnismäßig sein. Die Etablierung eines Clearance-Verfahrens kann auch zu einer erheblichen Vereinfachung der Buchhaltungs -, Abrechnungs- und Steuererklärungsprozesse bei den Unternehmern beitragen, weil eine medienbruchfreie einheitliche Handhabung der Daten ermöglicht wird; andererseits sind aber auch Datenschutzaspekte zu berücksichtigen.31 Bei ihrer Unterstützung des italienischen Antrags hat die Kommission berücksichtigt, dass Italien diese Veränderungen bereits antizipiert und die notwendigen technischen Voraussetzungen dafür geschaffen hatte. Außerdem seien Kleinunternehmer von der Maßnahme ausgeschlossen. Schließlich sei die Maßnahme zeitlich befristet und bedürfe der anschließenden Evaluation.32 Für eine von Deutschland geplante Einführung eines E-Rechnungs- und Clearance-Verfahrens sind daher der Bürokratie- und Umstellungsaufwand für die Unternehmer und ihre Fähigkeiten zu berücksichtigen, die veränderten Pflichten zu bewältigen. Daher würde es sich anbieten, 28 Europäische Kommission, Vorschlag für einen Durchführungsbeschluss des Rates v. 5.2.2018, COM(2018) 55 final, Ziffer 4., S. 4 (http://eudoxap01.bundestag.btg:8080/eudox/dokumentInhalt?id=181737). 29 Durchführungsbeschluss (EU) 2018/593 des Rates vom 16.4.2018, Erwägungsgrund Nr. 10 (https://eur-lex.europa .eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:32018D0593). 30 Vgl. Europäische Kommission, Vorschlag für einen Durchführungsbeschluss des Rates v. 5.2.2018, COM(2018) 55 final, Ziffer 2., S. 3 (http://eudoxap01.bundestag.btg:8080/eudox/dokumentInhalt?id=181737). Die Subsidiarität ist hier nicht problematisch, weil aufgrund der Einschlägigkeit der MwStSystRL eine ausschließliche Zuständigkeit der EU besteht. Die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme gegenüber dem Mitgliedstaat ist nicht problematisch , weil der Beschluss den Mitgliedstaat auf eigenen Antrag ermächtigt, ihn aber nicht verpflichtet. 31 Siehe dazu Ismer/Artinger/Jackl, Digitalisierung der Umsatzsteuer, Italienische E-Rechnung und Clearance System als Vorbild, S. 33 ff. (https://www.verband-e-rechnung.org/pdfs/VeR-Studie_Clearance_2020.pdf). 32 Siehe Europäische Kommission, Vorschlag für einen Durchführungsbeschluss des Rates v. 5.2.2018, COM(2018) 55 final, Ziffer 2., S. 3 (http://eudoxap01.bundestag.btg:8080/eudox/dokumentInhalt?id=181737). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 141/20 Seite 10 Kleinunternehmer wie in Italien von der Sondermaßnahme auszunehmen,33 um Unternehmer mit nur wenigen bzw. geringen Umsätzen von dem damit verbundenen Aufwand zu verschonen. 4.3. Fazit: keine rechtliche Bewertung möglich Aus unionsrechtlicher Sicht ist grundsätzlich davon auszugehen, dass auch Deutschland ein E- Rechnungs- und Clearance-Verfahren nach italienischem Modell einführen kann. Aufgrund der Weite der tatbestandlichen Voraussetzungen wie der möglichen Rechtsfolgen des Art. 395 Abs. 1 MwstSystRL sowie der erforderlichen Unterstützung der Kommission und des Einstimmigkeitserfordernisses im Rat lässt sich jedenfalls allein aus rechtlicher Perspektive keine Aussage treffen , unter welchen konkreten Bedingungen dies erfolgreich sein wird. Die nachfolgende Prüfung orientiert sich daher an einem Vergleich zur Antragstellung und zur Situation in Italien, insbesondere an der Begründung des italienischen Antrags bzw. des entsprechenden Vorschlags der Kommission. 5. Vergleich zur Ermächtigung Italiens Im Folgenden wird aufgrund eines Vergleichs zu dem italienischen Verfahren der Ermächtigung nach Art. 395 Abs. 1 MwStSystRL geprüft, ob ein vergleichbarer deutscher Antrag auf Einführung eines E-Rechnungs- und Clearance-Verfahrens erfolgreich sein kann. Dazu wird unterstellt, dass die Kommission bzw. der Rat einen Antrag Deutschlands grundsätzlich nach den gleichen Kriterien prüfen und darüber entscheiden würde wie im Falle Italiens. 5.1. Begründung des italienischen Antrags Die Einführung eines E-Rechnungs- und Clearance-Verfahrens begründete Italien mit dem Ziel der Bekämpfung von Steuerbetrug und –hinterziehung sowie der Vereinfachung der Steuererhebung durch Digitalisierung.34 Die zwingende Verwendung des Sistema di Interscambio (SdI) ermögliche es der Steuerverwaltung, sich in Echtzeit Informationen zu verschaffen, die die von den Unternehmern ausgestellten Rechnungen beinhalten; dadurch könnten die Steuerbehörden rechtzeitig und automatisch nachprüfen, ob die erklärte Mehrwertsteuer mit der entrichteten Mehrwertsteuer übereinstimme.35 Eine mögliche Betrugskette könne viel schneller unterbrochen werden . In seinem Antrag verwies Italien darauf, dass der Grundstein für eine obligatorische elektronische Rechnungsstellung durch das bisher vorhandene freiwillige System und die obligatorische elektronische Rechnungsstellung für Leistungen an staatliche Behörden gelegt worden sei. Dadurch sei ein reibungsloser Übergang zur obligatorischen elektronischen Rechnungsstellung 33 So auch Ismer/Artinger/Jackl, Digitalisierung der Umsatzsteuer, Italienische E-Rechnung und Clearance System als Vorbild, S. 39 (https://www.verband-e-rechnung.org/pdfs/VeR-Studie_Clearance_2020.pdf). 34 Vgl. Europäische Kommission, Vorschlag für einen Durchführungsbeschluss des Rates v. 5.2.2018, COM(2018) 55 final, Ziffer 1., S. 1 (http://eudoxap01.bundestag.btg:8080/eudox/dokumentInhalt?id=181737). 35 Vgl. Europäische Kommission, Vorschlag für einen Durchführungsbeschluss des Rates v. 5.2.2018, COM(2018) 55 final, Ziffer 1., S. 1 (http://eudoxap01.bundestag.btg:8080/eudox/dokumentInhalt?id=181737). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 141/20 Seite 11 sichergestellt, und die Auswirkungen auf die Steuerpflichtigen und die Verbraucher würden begrenzt . Tatsächlich seien Steuerpflichtige, die Handelsgeschäfte mit öffentlichen Behörden in Italien tätigen, bereits seit 2014 zur elektronischen Rechnungsstellung verpflichtet. Aufgrund dessen seien bereits rund 20% der steuerpflichtigen Unternehmer zur elektronischen Rechnungsstellung verpflichtet. Dabei wurde bereits das SdI eingesetzt. Daneben habe das SdI auch schon für die freiwillige Übermittlung von Rechnungsdaten oder alternativ auch für die freiwillige Versendung von elektronischen Rechnungen zur Verfügung gestanden.36 Die für die Verwendung des SdI erforderliche Software stellt die italienische Finanzverwaltung zur Verfügung (siehe 3.1). Bei ihrer Unterstützung des italienischen Antrags stellt die Kommission37 darauf ab, dass die Einführung und der Betrieb des SdI zwar für die Steuerpflichtigen zusätzliche Kosten mit sich bringe, das SdI aber bereits seit Anfang 2017 als freiwillige Option bestehe, so dass die Unternehmer sich bereits damit vertraut machen konnten, Italien die Auswirkungen der Maßnahme auf die Steuerpflichtigen also bereits antizipiert habe. Die Maßnahme leiste daher nach Auffassung der Kommission38 einen wirksamen Beitrag zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung, indem rückverfolgbare Informationen umfassend und rasch verfügbar seien, die Versendung von Rechnungen über SdI der Steuerverwaltung einen frühzeitigen und automatischen Zugriff auf alle für steuerliche Zwecke relevanten Rechnungsangaben verschaffe und die Steuerbehörden somit rechtzeitig und automatisch nachprüfen könnten, ob die erklärte Mehrwertsteuer der entrichteten Mehrwertsteuer entspreche. Somit könnten Betrugsfälle viel schneller erfasst und untersucht werden. Der Rat39 hält die italienische Sondermaßnahme im Hinblick auf das verfolgte Ziel für angemessen , weil die Maßnahme befristet (bis zum 31.12.2021) und ihr Geltungsbereich beschränkt sei, sie nicht für Kleinunternehmer gelte und sie nicht die Gefahr der Verlagerung von Steuerbetrug in andere Sektoren oder Mitgliedstaaten mit sich bringe. 5.2. Vergleich zur Situation in Deutschland40 Im Vergleich zur Situation, in der sich Italien im Zeitpunkt der Antragstellung befand, bestehen in Deutschland wesentliche Unterschiede. Zum einen verfügt Deutschland nicht über ein dem 36 Siehe Europäische Kommission, Vorschlag für einen Durchführungsbeschluss des Rates v. 5.2.2018, COM(2018) 55 final, Ziffer 1., S. 2 (http://eudoxap01.bundestag.btg:8080/eudox/dokumentInhalt?id=181737). 37 Europäische Kommission, Vorschlag für einen Durchführungsbeschluss des Rates v. 5.2.2018, COM(2018) 55 final, Ziffer 3., S. 3 f. (http://eudoxap01.bundestag.btg:8080/eudox/dokumentInhalt?id=181737). 38 Europäische Kommission, Vorschlag für einen Durchführungsbeschluss des Rates v. 5.2.2018, COM(2018) 55 final, Ziffer 3., S. 3 f. (http://eudoxap01.bundestag.btg:8080/eudox/dokumentInhalt?id=181737). 39 Durchführungsbeschluss (EU) 2018/593 des Rates vom 16.4.2018, Erwägungsgrund Nr. 9 (https://eur-lex.europa .eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:32018D0593). 40 Siehe zur Übertragbarkeit des italienischen Systems auf Deutschland ausführlich Ismer/Artinger/Jackl, Digitalisierung der Umsatzsteuer, Italienische E-Rechnung und Clearance System als Vorbild, S. 33 ff. (https://www.verband-e-rechnung.org/pdfs/VeR-Studie_Clearance_2020.pdf). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 141/20 Seite 12 SdI vergleichbares elektronisches Meldesystem, weder für die Erstellung noch für die Prüfung und Weiterleitung von Rechnungen. Die Verpflichtung zur Verwendung einer E-Rechnung gegenüber öffentlichen Auftraggebern erfolgt nicht mithilfe eines vergleichbaren Systems, ist noch relativ neu und erfolgt zudem in Bund und Ländern nicht einheitlich (siehe 2.). Das Abrechnungssystem für öffentliche Aufträge kann daher allenfalls als eine Vorbereitungs- und Testmaßnahme für ein Clearance-System verstanden werden. Anders als in Italien besteht in Deutschland auch kein etabliertes System, das im Vorfeld der Einführung eines Clearance-Verfahrens bereits freiwillig gleichsam als Test für ein obligatorisches Clearance-Verfahren zur Anwendung kommt.41 In einer Untersuchung zur Umsatzsteuerbetrugsbekämpfung hält der Bundesrechnungshof42 – neben anderen Maßnahmen – die Echtzeitüberwachung (real-time reporting), die einen tagesaktuellen Datenabgleich zwischen Rechnungsaussteller und Rechnungsempfänger ermögliche, für vorteilhaft und empfiehlt der Finanzverwaltung dringend, zeitnah Konzepte für eine entsprechende Technologie zu entwickeln. Als Mittel zum Zweck fordert der Bundesrechnungshof daher die Ausweitung der Verpflichtung zur elektronischen Rechnungsstellung über den Bereich der öffentlichen Verwaltung hinaus, zum Beispiel zunächst für besonders betrugsanfällige Branchen. Er sieht sogar die Gefahr, dass Deutschland hier im Vergleich zu anderen Mitgliedstaaten der EU den Anschluss verpassen könne.43 In ihrer Stellungnahme zu dem Bericht des Bundesrechnungshofs verweist die Bundesregierung auf den erheblichen zusätzlichen Bürokratieaufwand für die Unternehmer, der mit einem solchen Meldeverfahren verbunden ist. Außerdem müsse die Eignung der neuen Technologie geprüft werden. Aus anderen Mitgliedstaaten lägen bisher keine Erkenntnisse darüber vor, dass die neuen Systeme einen Beitrag zur Betrugsbekämpfung geleistet hätten.44 5.3. Fazit zum Vergleich Im Ergebnis ist die Ausgangslage für die Etablierung eines E-Rechnungs- und Clearance-Verfahrens in Deutschland nicht mit der Lage in Italien bei Antragstellung und Entscheidung durch den Rat in 2018 vergleichbar. Mit einer dem italienischen Antrag vergleichbaren Begründung kann Deutschland daher einen solchen Antrag derzeit wohl nicht stellen. Um einen vergleichbaren 41 Siehe auch Ismer/Artinger/Jackl, Digitalisierung der Umsatzsteuer, Italienische E-Rechnung und Clearance System als Vorbild, S. 34 (https://www.verband-e-rechnung.org/pdfs/VeR-Studie_Clearance_2020.pdf) zu den erforderlichen IT-Ressourcen. 42 Bundesrechnungshof, Bericht nach § 99 BHO über Maßnahmen zur Verbesserung der Umsatzsteuerbetrugsbekämpfung – Chancen der Digitalisierung nutzen vom 29.10.2020, Ziffer 8.1 (https://www.bundesrechnungshof .de/de/veroeffentlichungen/produkte/sonderberichte/langfassungen-ab-2013/2020/massnahmen-zur-verbesserung -der-umsatzsteuerbetrugsbekampfung-chancen-der-digitalisierung-nutzen). 43 Kritisch auch Ismer/Artinger/Jackl, Digitalisierung der Umsatzsteuer, Italienische E-Rechnung und Clearance System als Vorbild, S. 43 (https://www.verband-e-rechnung.org/pdfs/VeR-Studie_Clearance_2020.pdf). 44 Siehe Bundesrechnungshof, Bericht nach § 99 BHO über Maßnahmen zur Verbesserung der Umsatzsteuerbetrugsbekämpfung – Chancen der Digitalisierung nutzen vom 29.10.2020, Ziffer 11, zu Tz. 8 (https://www.bundesrechnungshof .de/de/veroeffentlichungen/produkte/sonderberichte/langfassungen-ab-2013/2020/massnahmen -zur-verbesserung-der-umsatzsteuerbetrugsbekampfung-chancen-der-digitalisierung-nutzen). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 141/20 Seite 13 Antrag stellen und begründen zu können, müsste die deutsche Finanzverwaltung zumindest weitere Vorarbeiten für ein elektronisches Meldesystem für Umsätze schaffen, in das die elektronische Rechnung integriert (wie in Italien) oder mit dem sie zumindest technisch verknüpft werden könnte. 6. Aktionsplan der EU-Kommission 6.1. Pläne der EU-Kommission für ein Umsatzsteuermeldeverfahren Die Kommission45 hat im Jahr 2020 einen Aktionsplan vorgelegt, der sich auch mit der Frage der elektronischen Rechnung und einem zeitnahen Meldesystem beschäftigt. Die Kommission verfolgt das Ziel, dass Steuerpflichtige die für die Umsatzsteuererhebung notwendigen Informationen in möglichst einfacher und effizienter Weise über digitale, sichere und inklusive elektronische Dienste einer einzigen Anlaufstelle übermitteln können. Daher will die Kommission im Jahr 2022/2023 einen Legislativvorschlag zur Modernisierung der Mehrwertsteuermeldepflichten vorlegen . Ziel ist ein schnellerer und detaillierterer Informationsaustausch über Mehrwertsteuer auf Umsätze innerhalb der EU, möglicherweise auch in Echtzeit. Ergänzend zu diesen Plänen führt die Kommission aus, „in diesem Zusammenhang“ werde geprüft , ob die elektronische Rechnungsstellung weiter ausgebaut werden müsse.46 Daraus wird deutlich, dass die elektronische Rechnungsstellung insbesondere als Mittel zum Zweck der Etablierung eines zeitnahen elektronischen Meldeverfahrens angesehen wird. In diesem Sinne ist auch das italienische SdI (als Clearance-Verfahren, siehe 3.) zu verstehen, während Reporting- Ansätze (wie in Spanien, siehe 3.2.) noch ohne zwingende E-Rechnung auskommen und einen weiteren „Daten-Zwischenschritt“ zwischen Rechnung und Meldesystem erfordern. Die Pläne der Kommission würden für Deutschland zu einer erheblichen Veränderung der Meldepflichten mit einem entsprechenden Umstellungsaufwand für die Unternehmer führen, während sich z.B. für italienische Unternehmer kein solcher Aufwand mehr ergeben würde (jedenfalls wenn das italienische System dem geplanten EU-System entsprechen würde). Klärungsbedürftig wird dann auch, ob das Voranmeldungsverfahren modifiziert werden muss oder ggf. entfallen kann bzw. ob die Voranmeldung automatisiert aus dem Meldesystem erzeugt werden kann. 6.2. Mögliche Folgen für die Einführung eines E-Rechnungs- und Clearance-Verfahrens in Deutschland Aus den Plänen der Kommission könnte für eine mögliche Einführung eines Reporting- oder gar Clearance-Verfahrens (vorbehaltlich entsprechender Vorbereitungen) in Deutschland zweierlei folgen. Zum einen könnte Deutschland dafür die Unterstützung der Kommission erhalten, die für einen Antrag nach Art. 395 Abs. 1 MwStSystRL erforderlich ist (siehe 4.). Andererseits könnte 45 Europäische Kommission, Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat vom 15.7.2020, Aktionsplan für eine faire und einfache Besteuerung zur Unterstützung der Aufbaustrategie, COM(2020) 312 final, Ziffer 3.2. (https://ec.europa.eu/taxation_customs/sites/taxation/files/2020_tax_package _tax_action_plan_de.pdf). 46 Europäische Kommission, a.a.O. (Fn. 45). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 141/20 Seite 14 die Kommission Deutschland auch auf die geplante EU-weite Einführung eines solchen Meldesystems verweisen, weil es wenig Sinn macht, dieses auf nationaler Ebene vorwegzunehmen und damit ggf. nach einer anderen Ausgestaltung auf EU-Ebene weiteren Anpassungsbedarf in Deutschland zu verursachen. Sowohl die Mitgliedstaaten als auch die EU befinden sich im Hinblick auf die zukünftige Ausgestaltung des Mehrwertsteuersystems in einer Experimentierphase .47 Zumindest empfiehlt sich eine enge Abstimmung der Planungen auf EU-Ebene und nationaler Ebene, um Anpassungsbedarfe und mehrfachen Umstellungsaufwand für die Unternehmer zu vermeiden. Aufgrund der Dynamik der Digitalisierung und ihrer Nutzbarmachung für die Steuerverwaltung, des Voranschreitens einiger Mitgliedstaaten und der Pläne der Kommission ist nicht auszuschließen , dass in den nächsten Jahren auch Veränderungen des deutschen Umsatzsteuerverfahrens erfolgen werden. Insbesondere wenn die Evaluation der italienischen Erfahrungen positive Ergebnisse zeigen sollte, könnte es zur Etablierung von Elementen eines elektronischen Meldeverfahrens kommen, zu dem auch eine verpflichtende E-Rechnung gehört. 7. Zusammenfassung Italien hat mit Ermächtigung des Rates der EU in Abweichung von der MwStSystRL ein weitreichendes , kombiniertes E-Rechnungs- und Clearance-Verfahren eingeführt. Wesensmerkmal dieses Verfahrens ist, dass Rechnungen grundsätzlich nur noch elektronisch über ein Meldesystem der italienischen Finanzverwaltung erstellt, automatisch geprüft und erst danach an den Leistungsempfänger versendet werden. Dieses Verfahren kann mit einer vergleichbaren Ermächtigung des Rates der EU grundsätzlich auch in Deutschland eingeführt werden. Es erfordert allerdings ein erprobtes IT-System, das in Deutschland derzeit nicht besteht. Daher ist nicht davon auszugehen , dass Deutschland derzeit einen Antrag auf Einführung eines solchen Verfahrens stellen kann. Ein weniger weit reichendes Reporting-Verfahren, wonach Rechnungsdaten zeitnah über ein elektronisches Meldeverfahren an die Finanzverwaltung gemeldet werde müssen, ohne dass zwingend eine E-Rechnung ausgestellt werden muss, lässt sich auch ohne Abweichung von der MwStSystRL in Deutschland einführen, wirft aber ebenso die Frage nach dem Verhältnis zum derzeitigen Voranmeldungsverfahren auf. Auch die Kommission hat Pläne für die Einführung eines zeitnahen Meldeverfahrens, ggf. unter Verwendung der E-Rechnung, angekündigt. * * * 47 So Ismer/Artinger/Jackl, Digitalisierung der Umsatzsteuer, Italienische E-Rechnung und Clearance System als Vorbild, S. 7 (https://www.verband-e-rechnung.org/pdfs/VeR-Studie_Clearance_2020.pdf).