© 2017 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 141/16 Kommunale Finanzausgleichssysteme in den Ländern Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Einführung Der Aufraggeber bittet um eine überblicksartige Darstellung der verschiedenen Grundstrukturen der kommunalen Finanzausgleichssysteme in den Ländern. Zudem soll erörtert werden, welche Wirkmechanismen die kommunalen Finanzausgleichssysteme in Bezug auf die Frage haben, inwieweit Bundesmittel letztlich in den Kassen der Kommunen ankommen. 2. Grundstruktur des kommunalen Finanzausgleichs 2.1. Rechtliche Grundlagen Der kommunale Finanzausgleich sichert in Deutschland den Gemeinden und Gemeindeverbänden entsprechend Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz die finanziellen Grundlagen ihrer Selbstverwaltung . Dazu regeln die Länder in jeweils eigenen Landesgesetzen die Verteilung von Landesmitteln an die Kommunen und die Umverteilung von Mitteln zwischen den Kommunen. Die länderspezifische Ausgestaltung des kommunalen Finanzausgleichs unterscheidet sich deutlich.1 Nach Art. 106 Abs. 7 GG müssen die Länder einen prozentualen Anteil der ihnen zustehenden Gemeinschaftsteuern an die Kommunen weiterleiten. Die Höhe dieses Anteils wird durch Landesgesetz festgelegt. Bezweckt ist, die kommunale Ebene an den Steuereinnahmen von Bund und Ländern zu beteiligen und damit die kommunale Aufgabenerfüllung zu ermöglichen. Der kommunale Finanzausgleich verfolgt ähnlich dem bundesstaatlichen Finanzausgleich das Ziel, auf vertikaler Ebene den Ausgleich zwischen dem Land und seinen Kommunen sicherzustellen ; einen horizontalen Finanzausgleich gibt es zwischen Kommunen im Gegensatz zu den Ländern nicht. Beim vertikalen Finanzausgleich ist die unterschiedliche Finanzkraft der einzelnen Kommunen zu berücksichtigen. 2.2. Funktionsweise des kommunalen Finanzausgleichs Der kommunale Finanzausgleich (KFA) beruht auf einem Landesgesetz, das je nach Bundesland "Finanzausgleichsgesetz" oder "Gemeindefinanzierungsgesetz" heißt; es wird vom Land in der Regel gemeinsam mit dem Landeshaushalt verabschiedet. Der KFA wird in mehreren Schritten entwickelt :2 Zunächst wird die Gesamtsumme der für den KFA bereitgestellten Mittel errechnet (Verbundmasse ). Sie ergibt sich als prozentualer Anteil der Landeseinnahmen an den Gemeinschaftsteuern , teils auch an bestimmten Landessteuern oder am Länderfinanzausgleich (Verbundquote). In vielen Bundesländern wird dieser Betrag zunächst in feste Teilbeträge aufgeteilt, es werden also getrennte Verbundmassen für kreisangehörige Gemeinden, kreisfreie Städte und Landkreise gebildet. 1 Vgl. Schwarting: Grundwissen Kommunalpolitik, FES, S. 26. 2 Vgl. Vesper, Dieter: Gemeindefinanzierung wenig nachhaltig – Analyse und Perspektiven der Kommunalfinanzen , Gutachten im Auftrag des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung , Juni 2015, S. 10ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 141/16 Seite 5 Weiterhin wird für jede Kommune die Steuerkraft festgestellt. Sie ergibt sich aus den Steuereinnahmen pro Kopf. Dabei werden Steuern, für die ein Hebesatz gilt (Grund- und Gewerbesteuer), auf einen fiktiven, einheitlichen Hebesatz normiert. Dieser Steuerkraft wird ein Finanzbedarf pro Kopf gegenübergestellt. In den meisten Flächenländern (Ausnahme: Bayern) werden die Gemeinden dabei in Größenklassen eingeteilt ; bei größeren Gemeinden wird die Einwohnerzahl mit einem Faktor rechnerisch erhöht ("Einwohnerveredelung"). Damit wird der Tatsache Rechnung getragen, dass größere Gemeinden überproportional höhere Infrastrukturkosten haben und Leistungen auch für das Umland bereitstellen. Der Finanzbedarf wird so festgesetzt, dass bei den folgenden Schritten die Verbundmasse verbraucht wird. In manchen Bundesländern werden für bestimmte kommunale Aufgaben (z. B. Schülerbeförderung, Kultur) Sonderbedarfe hinzugerechnet . Bei Landkreisen kann auch die Fläche in die Bedarfsermittlung eingehen. Für jede Kommune kann dann die Differenz zwischen Finanzkraft und Finanzbedarf errechnet werden. Bei den meisten Kommunen ist der Finanzbedarf höher als die Steuerkraft , so dass ihnen ein Ausgleich zusteht. Sind beide Beträge gleich oder ist die Finanzkraft höher, so erhält die Gemeinde keinen Ausgleich (abundante Gemeinde), muss jedoch in den meisten Bundesländern auch nichts abgeben. Dieser Bedarf wird zu einem bestimmten Anteil ausgeglichen. Die so errechneten Beträge erreichen die Gemeinden als "Schlüsselzuweisungen". Diese Mittel sind, da sie aus Landessteuern stammen, ebenso wie die kommunalen Steuereinnahmen frei verwendbar und nicht zweckgebunden. In vielen Bundesländern wird ein Teil der Verbundmasse vorab abgezweigt und nach anderen Kriterien verteilt. Dazu gehören auch die Zweckzuweisungen , die meist für Investitionen bestimmt sind. In einigen Bundesländern wird ein kleiner Teil der Verbundmasse für solche Gemeinden reserviert , die sich in einer Haushaltsnotlage befinden, z. B. mehrere Jahre nacheinander den Haushalt nicht ausgleichen konnten. Diese Mittel werden auf Antrag als sogenannte Bedarfszuweisungen vergeben. Die drei genannten Zuweisungsarten - Schlüssel-, Zweck- und Bedarfszuweisungen - bilden gemeinsam den kommunalen Finanzausgleich. Die im Detail unterschiedlichen Regelungen erschweren den Vergleich zwischen den Bundesländern sehr. Hinzu kommt, dass jedes Land auch außerhalb des KFA Mittel an die Gemeinden zahlt, beispielsweise im Rahmen von Förderprogrammen . Eine ausführliche Darstellung der kommunalen Finanzausgleichsysteme enthält die Studie von Lenk/Hesse/Lück aus 2013 im Auftrag des Landesrechnungshofs Mecklenburg-Vorpommern. Anlage 3. Entlastung der Kommunen durch den Bund Der Bund hat in den vergangenen und in der laufenden Legislaturperiode Maßnahmen zur finanziellen Entlastung der kommunalen Ebene beschlossen. Eine Ausgabenentlastung der Kommunen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 141/16 Seite 6 lässt sich wegen des Konnexitätsprinzips des Art. 104a Abs. 1 GG nicht leicht bewirken. Nach dem Konnexitätsprinzip folgt die Ausgabenlast der Aufgabenlasten: Der Bund und die Länder (einschließlich Kommunen) tragen jeweils die Ausgaben, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben. Etwas anderes ist nur im Bereich der Bundesauftragsverwaltung und bei der Gewährung von Geldleistungen vorgesehen bzw. möglich. Hier kann bzw. muss der Bund Ausgaben für die Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben durch die Länder übernehmen. Da die Ausführung von Bundesgesetzen gem. Art. 83 GG im Grundsatz Aufgabe der Länder ist, tragen diese regelmäßig die Kosten, die sich aus dem Vollzug von Bundesgesetzen ergeben.3 Die Entlastung erfolgt folglich entweder durch eine erhöhte Bundesbeteiligung im Kostenbereich der Sozialgesetzbücher (SGB) oder durch eine Umverteilung der Umsatzsteueranteile zu Gunsten der Länder oder Kommunen. 3.1. Entlastungsmaßnahmen im Bereich des SGB Die beispielsweise sukzessive Erhöhung des Bundesanteils an den Ausgaben für die Grundsicherung (SGB XII) stellt eine enorme Entlastung der kommunalen Ausgaben dar. Finanztechnisch erfolgt die Erstattung dadurch, dass von den Ländern (die wiederum für die Kommunen die Erstattung entgegennehmen) quartalsmäßig die Mittel aus dem Bundeshaushalt abgerufen werden. Die Länder sind in diesem Zusammenhang zur Überprüfung darauf verpflichtet, ob die (auf kommunaler Ebene bei den Leistungsträgern entstehenden und vom Bund zu erstattenden) Ausgaben begründet und belegt sind.4 Die unterschiedliche Weiterleitung von Bundesmitteln durch die Länder kann auf unterschiedliche Kommunalisierungsgraden der Aufgaben beruhen. So werden einige Sozialleistungen in manchen Ländern durch die Kommunen, in anderen durch das Land getragen oder finanziert. Dementsprechend unterschiedlich würde die Weiterleitung der Bundesgelder erfolgen.5 3.2. Finanzierung über Umverteilung der Umsatzsteueranteile Gem. § 5f Gemeindefinanzreformgesetz (GFRG) wird die Verteilung des Gemeindeanteils an der Umsatzsteuer auf die Länder durch das BMF vorgenommen. Gemäß § 5f Abs. 2 GFRG regeln die Länder durch Rechtsverordnung (vgl. § 8 des Gesetzes) das Verfahren für die Auszahlung des individuellen Gemeindeanteils an die jeweilige Gemeinde. Die konkrete Auszahlung obliegt den Länderfinanzministerien.6 Der individuelle Gemeindeanteil an der Umsatzsteuer wird nach einem festgesetzten Schlüssel des jeweiligen Landes aufgeteilt. 3 Wieland: Flüchtlinge als Herausforderung für die Finanzverfassung, DÖV 2017, S. 10. 4 Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht 4. Auflage 2015, Rn. 3. 5 Niemann / Geißler: Kommunale Sozialausgaben. Für und Wider einer Bundesbeteiligung, Bertelsmann Stiftung: Analyse und Konzepte, 3/2015, S. 8. 6 Hidien: Gemeindefinanzreformgesetz, § 5f, 1. Auflage 2012, Rn. 2. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 141/16 Seite 7 Eine Entlastung der Kommunen ist auch durch die Erhöhung der Finanzmittel der Länder möglich . Die Steuereinnahmen der Länder werden über die Verbundquote Teil des kommunalen Finanzausgleichs . Die Höhe des Verbundsatzes besagt jedoch nichts über die „Kommunalfreundlichkeit “ eines Bundeslandes. Denn es bedarf zugleich einer Betrachtung der von den Kommunen zu erfüllenden Aufgaben.7 Abbildung 1: Verbundgrundlagen und Verbundquoten im kommunalen Finanzausgleich Quelle: Vesper, Dieter: Gemeindefinanzierung wenig nachhaltig, a.a.O., S. 16. Grundsätzlich bleibt festzuhalten, dass die Anteile der Länder an der Umsatzsteuer nicht zweckgebunden werden können. Folglich fallen diese Mittel in die Haushaltsautonomie der Bundesländer .8 Bereits mit der durch die Föderalismusreform II eingeführten Schuldenbremse erfolgte ein Diskurs über die möglichen Auswirkungen auf die Kommunalhaushalte. Befürchtet wurde, dass die 7 Schwarting: Grundwissen Kommunalpolitik, FES, S. 26. 8 So auch Wieland: Flüchtlinge als Herausforderung für die Finanzverfassung, DÖV 2017, S. 14. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 141/16 Seite 8 Länder versuchen könnten, über eine Aushöhlung des in den jeweiligen Landesverfassungen verankerten Konnexitätsprinzip oder durch eine Reduzierung der Verbundmasse im kommunalen Finanzausgleich Spielräume im Landeshaushalt zu schaffen. Das Beispiel Saarland zeigt, dass Konsolidierungsmaßnahmen der Landesebene auch die Kommunen treffen. So sehen die in 2014 beschlossenen Maßnahmen vor, die kommunale Ebene nicht mehr zu ca. einem Drittel an dem Aufkommen der Grunderwerbsteuer zu beteiligen. Die bisherige Praxis sah vor, dass es eine Vorabverteilung des Aufkommens auf die Landkreise und den Regionalverband gibt (geschätzte Mindereinnahmen von ca. 30 Mio. Euro). Ebenso wurde durch Kürzungen der Ausgleichszahlungen an die örtlichen Träger der Sozialhilfe die kommunale Ebene zu Gunsten des Landeshaushaltes belastet.9 Abschließend lässt sich festhalten, dass in der aktuellen Finanzverfassung vielfältige Umwege und Seitenwege beschritten werden müssen, um die Kommunen finanziell zu entlasten. Nach Einschätzung von Wieland ist deshalb das Aufgabenübertragungsverbot aus Art. 84 Abs. 1 S. 7 GG wenig hilfreich. Er plädiert dafür direkte Finanzbeziehungen zwischen Bund und Kommunen verfassungsrechtlich zu ermöglichen. Der Bund trägt in dieser Konstellation die Verantwortung für die Ausgaben, die Kommunen zu tätigen haben, und sollte deshalb auch für die Bereitstellung der notwendigen Finanzmittel verantwortlich sein. Eine solche Finanzmitverantwortung des Bundes hätte nach Einschätzung von Wieland auch aufgaben- und ausgabenreduzierende Wirkung .10 *** 9 Landkreistag Saarland: Vorstand des Landkreistages Saarland übt scharfe Kritik an der Landesregierung und beschließt Prüfung einer Klage, Pressemitteilung, 27.07.2014, im Internet unter: http://www.landkreistag-saarland .de/uploads/media/PM250714_-Kritik_Landesregierung.pdf [30.01.2017]. 10 Wieland: Flüchtlinge als Herausforderung für die Finanzverfassung, DÖV 2017, S. 15.