Rechtliche Aspekte der Übertragung der Bankenaufsicht auf die Deutsche Bundesbank - Ausarbeitung - © 2007 Deutscher Bundestag WD 4 - 136/07 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Rechtliche Aspekte der Übertragung der Bankenaufsicht auf die Deutsche Bundesbank Ausarbeitung WD 4 - 136/07 Abschluss der Arbeit: 13.09.2007 Fachbereich WD 4: Haushalt und Finanzen Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - Zusammenfassung - Die Diskussion, ob die Übertragung der Bankenaufsicht auf die Deutsche Bundesbank (im Weiteren „Bundesbank“) zulässig ist, wurde zuletzt im Zusammenhang mit der Neustrukturierung der Bundesbank in den Jahren 1999 bis 2002 geführt. Zu dieser Frage wurden damals verschiedene Rechtsgutachten und Veröffentlichungen vorgelegt. Der überwiegende Teil der Autoren kommt zu dem Ergebnis, dass eine solche Aufgabenübertragung zulässig ist. Bedenken gegen die Übertragung werden maßgeblich auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) aus dem Jahr 1962 gestützt, in der das Gericht die Zulässigkeit der Beteiligung der Bundesbank an der Bankenaufsicht unter anderem damit begründete, dass die Bundesbank nach der damaligen Rechtslage keine aufsichtsrechtlichen (obrigkeitlichen) Befugnisse hatte. Nach Auffassung der Gegner der Aufgabenübertragung würden bei der vollständigen Übertragung der Bankenaufsicht auf die Bundesbank auch solche aufsichtsrechtlichen Befugnisse übertragen, was nach der erwähnten Rechtsprechung verfassungswidrig sei. Innerhalb der Autorengruppe, die die Übertragung der Bankenaufsicht auf die Bundesbank für verfassungsgemäß hält, bleibt es jedoch umstritten, ob das Gesetz zur Übertragung der Bankenaufsicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Zudem wird in einem Gutachten für den Fall der vollständigen Aufgabenübertragung gefordert, dass dem Bundesministerium der Finanzen im Hinblick auf die aufsichtsrechtlichen Befugnisse der Bundesbank, die nicht mit ihren Aufgaben im Rahmen Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) in Zusammenhang stehen, ein Weisungsrecht eingeräumt wird. - 3 - Inhaltsverzeichnis Seite 1. Einleitung 4 2. Rechtsentwicklung und derzeitige Rechtslage in Bezug auf die Bankenaufsicht 4 2.1. Verfassungsrechtlicher Rahmen für die Tätigkeit der Bundesbank 5 2.2. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu den möglichen Aufgaben der Bundesbank aus dem Jahr 1962 6 2.3. Rechtsentwicklung ab 1999 und Neustrukturierung der Bundesbank 8 3. Argumentation für und gegen die Zulässigkeit der vollständigen Übertragung der Bankenaufsicht auf die Bundesbank 10 3.1. Argumente gegen die Übertragung der Bankenaufsicht auf die Bundesbank 10 3.2. Argumente für die Übertragung der Bankenaufsicht auf die Bundesbank 12 3.2.1. Argumentation von Blumentwitz/Bausback und Hirdina 12 3.2.2. Argumentation von Heun 14 3.3. Zusammenfassung der Diskussion um die Übertragung der Bankenaufsicht auf die Bundesbank 16 4. Anforderungen an die Übertragung der Bankenaufsicht auf die Bundesbank 16 - 4 - 1. Einleitung Überlegungen, die Bankenaufsicht der Bundesbank zu unterstellen, gibt es schon lange. Dies wurde erneut in Erwägung gezogen, als aufgrund der Übertragung der geld-, wirtschafts - und währungspolitischen Entscheidungsbefugnisse der Bundesbank auf das ESZB zum 1. Januar 19991 eine Neuordnung der Aufgaben der Bundesbank notwendig wurde. Im Rahmen dieser - insbesondere auch politisch - sehr kontrovers geführten Diskussionen wurde eine Reihe von Gutachten und Artikeln veröffentlicht, die sich mit der rechtlichen Zulässigkeit einer solchen Übertragung befassen. In diesen umfangreichen Gutachten und Veröffentlichungen ist die rechtliche Problematik sehr ausführlich dargestellt , so dass die vorliegende Ausarbeitung darauf aufbaut. Nachfolgend wird zunächst die Rechtsentwicklung sowie die derzeitige Rechtslage in Bezug auf die Bankenaufsicht durch die Bundesbank und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) erläutert (dazu unten Ziff. 2). Danach werden auf der Basis der oben erwähnten Gutachten und Artikel die Argumente, die für und gegen die Übertragung der Bankenaufsicht auf die Bundesbank vorgebracht wurden, dargestellt (dazu unten Ziff. 3.). Soweit die Bankenaufsicht durch die Bundesbank für zulässig erachtet wird, stellen die betreffenden Autoren jedoch auch Anforderungen an die Übertragung dieser Aufgabe. Diese Anforderungen werden abschließend kurz zusammengefasst (dazu unten Ziff. 4.). 2. Rechtsentwicklung und derzeitige Rechtslage in Bezug auf die Bankenaufsicht Bis zur Zusammenführung der Bundesaufsichtsämter für das Kreditwesen, den Wertpapierhandel und das Versicherungswesen in die BaFin zum 1. Mai 20022 wurde die Bankenaufsicht vom Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen im Zusammenwirken mit der Bundesbank ausgeübt. Der Bundesbank waren jedoch durch Gesetz3 lediglich einzelne Mitwirkungsbefugnisse übertragen. Bis auf sehr einschränkte Ermittlungsbefugnisse der Bundesbank4 oblagen die ordnungsrechtlichen Befugnisse (z.B. Erlass von Anordnungen o.ä.) allein dem Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen. 1 Beginn der dritten Stufe der Wirtschafts- und Währungsunion. 2 Grundlage der Gründung war das Gesetz über die integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht vom 22. April 2002, BGBl. I 2002, 1310. 3 Vgl. insbesondere § 7, § 10 Abs. 1 Satz 2, § 11 Satz 2, § 15 Abs. 2, § 22 Abs. 1, § 24 Abs. 4, § 25 Abs. 3 KWG alte Fassung (a.F.). 4 Vgl. §§ 44, 44b und 44c KWG a.F.. - 5 - Der verfassungsrechtliche Rahmen für die Aufgaben und Kompetenzen der Bundesbank ergibt sich aus Art. 88 GG und Art. 87 Abs. 3 GG (dazu unten Ziff. 2.1.). Die Zulässigkeit des oben genannten zweigliedrigen Systems der Bankenaufsicht (aufgeteilt zwischen Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen und Bundesbank) hatte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bereits im Jahr 1962 bestätigt (dazu unten Ziff. 2.2.). Im Rahmen der bereits eingangs erwähnten Neustrukturierung der Bundesbank im Jahr 2002 wurden die Mitwirkungsrechte der Bundesbank bei der Bankenaufsicht erweitert (dazu unten Ziff. 2.3.). 2.1. Verfassungsrechtlicher Rahmen für die Tätigkeit der Bundesbank Die Bundesbank ist eine Institution des Bundes in Form einer Anstalt des öffentlichen Rechts5. Die früher so genannten Landeszentralbanken sind im Zuge der Strukturreform der Bundesbank im Jahr 20026 in „Hauptverwaltungen“ der Bundesbank umbenannt worden7. Sie sind keine Landesbehörden, sondern „Unterbau“ der Bundesbank und damit Bundesbehörden. Die verfassungsrechtliche Rechtfertigung einer solchen Verwaltungsstruktur findet sich in den Art. 83 ff. GG. Die Art. 83 ff. GG, zu denen auch die Art. 87 und 88 GG gehören, regeln die Zuständigkeit für die Ausführung der Bundesgesetze durch Bund oder Länder. Grundsatz ist danach (Art. 83 GG), dass die Länder die Bundesgesetze ausführen (Landesverwaltung ). Eine Bundesverwaltung darf nur in den in Art. 87 ff. GG genannten Fällen eingerichtet werden. Eine Art Generalklausel für die Errichtung von Bundesverwaltungen enthält Art. 87 Abs. 3 GG: Satz 1: „Außerdem können für Angelegenheiten, für die dem Bunde die Gesetzgebung zusteht, selbständige Bundesoberbehörden und neue bundesunmittelbare Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechtes durch Bundesgesetz errichtet werden.“ Satz 2: „Erwachsen dem Bunde auf Gebieten, für die ihm die Gesetzgebung zusteht, neue Aufgaben, so können bei dringendem Bedarf bundeseigene Mittel- und Unterbehörden mit Zustimmung des Bundesrates und der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages errichtet werden.“ Eine besondere Regelung für die Bundesbank findet sich in Art. 88 GG: 5 Vgl. statt aller Nachweise bei Heun, Rechtsgutachten zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit verschiedener Organisationsmodelle zur Neugestaltung der Bankenaufsicht, vom 05.09.2000, S. 21 (oben); das Gutachten ist im Internet abrufbar unter: http://www2.unileipzig .de/bankinstitut/dokumente/2000-09-05-01.pdf. 6 Vgl. oben Ziff. 2.. 7 Vgl. § 8 Abs. 1 Bundesbankgesetz (BBankG). - 6 - „Der Bund errichtet eine Währungs- und Notenbank als Bundesbank. Ihre Aufgaben und Befugnisse können im Rahmen der Europäischen Union der Europäischen Zentralbank übertragen werden, die unabhängig ist und dem vorrangigen Ziel der Sicherung der Preisstabilität verpflichtet.“ 2.2. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu den möglichen Aufgaben der Bundesbank aus dem Jahr 1962 Das BVerfG hatte bereits im Jahr 19628 entschieden, dass die Beteiligung der Bundesbank an der Bankenaufsicht nicht gegen die Verfassung, insbesondere nicht gegen Art. 87 und Art. 88 GG verstößt. Der vom BVerfG zu entscheidende Streit entzündete sich an der Frage, ob es dem Bund im Hinblick auf diese Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern (Art. 87 ff. GG) gestattet sei, ohne Zustimmung des Bundesrates eine zentrale Bankenaufsicht in Form des Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen in Zusammenarbeit mit der Bundesbank einzurichten. Zuvor oblag die Bankenaufsicht im Wesentlichen den Landeszentralbanken . In Bezug auf die Frage, ob auch9 die Bundesbank Aufgaben der Bankenaufsicht übernehmen dürfe, erklärte das BVerfG, dass dies von Art. 88 GG gedeckt sei10. Art. 88 GG sei spezieller als die Kompetenzvorschriften des Art. 87 GG und würde Art. 87 GG daher verdrängen. Voraussetzung für die Einbeziehung der Bundesbank in die Bankenaufsicht sei jedoch, dass diese Aufgabe noch in den in Art. 88 GG genannten Geschäftskreis der Bundesbank als Währungs- und Notenbank falle11. Nach Auffassung des BVerfG war die damalige Beteiligung der Bundesbank an der Bankenaufsicht durch das Grundgesetz gedeckt , da die ordnungspolitischen Gesichtspunkte des Kreditwesens eng mit der Währungspolitik verbunden seien und die Bundesbank „im Übrigen“ auch keine aufsichtsrechtlichen (obrigkeitlichen) Befugnisse (z.B. Erlass von Anordnungen gegenüber den Kreditinstituten) habe. Im Einzelnen führt das BVerfG aus: „67 2. Das Kreditwesengesetz verstößt auch nicht gegen Art. 87 Abs. 3 Satz 2 GG, da diese Vorschrift auf die Tätigkeit der Deutschen Bundesbank im Rahmen des Kreditwesengesetzes keine Anwendung findet. 8 Entscheidung vom 24.07.1962, BVerfGE 14, 197. 9 Das BVerfG (a.a.O.) hatte in der Entscheidung zunächst dargelegt, dass die Einrichtung des Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen gemäß Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG verfassungsrechtlich zulässig ist. 10 BVerfG, a.a.O., Erwägungsgrund 47 ff.. 11 Ebenda. - 7 - 68 Die Kompetenz zur Errichtung der Bundesbank steht dem Bund nach Art. 88 GG zu; diese Bestimmung geht als lex specialis dem Art. 87 GG vor. Die Bundesbank konnte also mit Mittel- und Unterbehörden errichtet werden, ohne daß dafür die besonderen Voraussetzungen des Art. 87 Abs. 3 Satz 2 GG vorliegen mußten. Wenn der Bund ohne Zustimmung des Bundesrates nach Art. 88 eine Währungs- und Notenbank als Bundesbank errichten kann, so kann er auf Grund der gleichen Bestimmung ebenfalls ohne Zustimmung des Bundesrates entweder durch ausdrückliche Änderung und Ergänzung des Bundesbankgesetzes oder durch ein besonderes Gesetz wie das Kreditwesengesetz der Bundesbank weitere Aufgaben übertragen, sofern diese noch in ihren Geschäftskreis als Währungs- und Notenbank fallen. 69 - 70 […] 71 b) Die Zielsetzung der Bundesbank als Währungs- und Notenbank und die der Bankenaufsicht decken sich zwar nicht völlig. Auf dem Gebiet des Kreditwesens fließen aber währungspolitische und ordnungspolitische Gesichtspunkte häufig ineinander und in der Praxis gibt es zahlreiche Überschneidungen. Einmal können sich Maßnahmen des Bundesaufsichtsamts in einer Weise auswirken, daß dadurch der Aufgabenbereich der Bundesbank berührt wird. Wenn z.B. im Wege der Bankenaufsicht zum Zwecke der Gesunderhaltung des Kreditapparates und zur Sicherung der Institutsgläubiger erhöhte Anforderungen an das Eigenkapital und die Liquidität der Kreditinstitute gestellt werden, so beeinflussen diese Maßnahmen zugleich das gesamte Kreditpotential des Bankenapparates. Zum anderen können währungspolitische Maßnahmen der Bundesbank den Status der einzelnen Kreditinstitute in einer Weise beeinflussen, die für die Bankenaufsicht bedeutsam ist. So wird z.B. eine Mindestreserveerhöhung durch die Bundesbank die Liquidität der Kreditinstitute beeinträchtigen und unter Umständen die Wirkung haben können, daß sich bei einzelnen Instituten bedenkliche Anspannungen ergeben. Im Bereich der Bankenaufsicht ergänzen sich also Bundesaufsichtsamt und Bundesbank gegenseitig, ohne daß im Einzelfall eine eindeutige Abgrenzung möglich wäre. 72 Die Aufgabe der Bundesbank, den Geldumlauf und die Kreditversorgung der Wirtschaft mit dem Ziel der Währungssicherung zu regeln und für die bankmäßige Abwicklung des Zahlungsverkehrs zu sorgen, setzt einen funktionierenden Bankenapparat voraus, zumal die währungspolitischen Befugnisse, die der Bundesbank zur Erfüllung dieser Aufgabe nach dem Bundesbankgesetz zur Verfügung stehen, sich in erster Linie an die Kreditinstitute wenden. Einen großen Teil der Informationen, die die Bundesbank dem Bundesaufsichtsamt für die Zwecke der Bankenaufsicht zur Verfügung stellen kann, erhält sie ohnehin im Zuge ihrer Tätigkeit als Währungs- und Notenbank über ihr weitgespanntes Netz von über 250 Niederlassungen. Ein Tätigwerden der Bundesbank im Rahmen von § 15 BBankG (Diskont-, Kredit- und Offenmarktpolitik), § 16 BBankG (Mindestreserve-Politik) und § 19 BBankG (Geschäfte mit Kreditinstituten, insbesondere Rediskont) ist gar nicht denkbar, ohne daß sich die Bundesbank laufend Informationen über den Stand der Kreditwirtschaft im allgemeinen und über den jeweiligen Status einzelner Kreditinstitute verschafft. Sie kommt zu diesen Informationen zwangsläufig kraft ihrer beherrschenden Stellung an der Spitze der Geld- und Kreditwirtschaft. 73 - 75 […] - 8 - 76 Die Bundesbank hat im übrigen im Bereich der Bankenaufsicht keine obrigkeitlichen Befugnisse; nur das Bundesaufsichtsamt trifft Entscheidungen, nur das Bundesaufsichtsamt kann Zwangsmittel anwenden.“ Nach Auffassung des BVerfG war die damalige Rechtslage, d.h. insbesondere die Einbeziehung der Bundesbank in die Bankenaufsicht, folglich mit dem Grundgesetz zu vereinbaren. 2.3. Rechtsentwicklung ab 1999 und Neustrukturierung der Bundesbank Wie bereits oben erwähnt, wurde die Neustrukturierung der Bundesbank mit der Übertragung wesentlicher Aufgaben der Bundesbank auf die Europäische Zentralbank ab dem Jahr 1999 notwendig. In diesem Zusammenhang wurde außerdem diskutiert, ob die Bankenaufsicht entweder auf die Bundesbank gänzlich übertragen oder ob eine so genannte „Allfinanzaufsicht“ - durch die Zusammenlegung der Bundesaufsichtsämter für das Kreditwesen, das Versicherungswesen und den Wertpapierhandel – geschaffen werden sollte12. Nach dem Bericht von Hagemeister13 entschied sich diese Frage im Zusammenhang mit dem Bekanntwerden des Zusammenschlusses von Allianz AG und Dresdner Bank AG zu einem Allfinanzkonzern im Januar 2001. Das Bundesfinanzministerium erklärte daraufhin , das Konzept der Allfinanzaufsicht umsetzen und die drei genannten Bundesaufsichtsämter in einer Institution vereinigen zu wollen. Laut Hagemeister wurde das Errichtungsgesetz 14 am 17. August 2001 im Bundeskabinett beschlossen und in den Bundestag eingebracht. Zwar sei erwartet worden, dass der Bundesrat den Vermittlungsausschuss wegen verschiedener Detailregelungen anrufen würde15, in der entscheidenden Sitzung des Bundesrates am 22. März 2002 wurde jedoch zunächst über das Zuwanderungsgesetz abgestimmt . Wie bekannt, kam es bei der Abstimmung über das Zuwanderungsgesetz zu einem Streit über die Gültigkeit der Stimmen des Landes Brandenburg, woraufhin die Vertreter der unionsregierten Bundesländer die Sitzung verließen16. Dem Gesetz über die integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht und dem Siebenten Gesetz zur Änderung 12 Zu den Argumenten für die eine oder die andere Möglichkeit siehe unten Ziff. 3.. 13 Hagemeister, Die neue Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, WM 2002, 1773. 14 Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein „Gesetz über die integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht “ vom 17.08.2001, Deutscher Bundesrat Drucksache 636/01. 15 Vgl. den Hinweis des Bundesratspräsidenten auf die entsprechende Ausschussempfehlung im Protokoll der Sitzung vom 22. März 2002, Plenarprotokoll 774, S. 176. 16 Vgl. Deutscher Bundesrat Plenarprotokoll 775, S. 175. - 9 - des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank17 stimmte der Deutsche Bundesrat in der weiteren Sitzung daher ohne Anrufung des Vermittlungsausschusses zu. In Bezug auf die Neustrukturierung der Aufgaben der Bundesbank sah bereits der Entwurf des Gesetzes über die integrierte Finanzdienstleistungsaufsicht18 in § 7 KWG n.F. (neue Fassung) vor, dass die laufende Überwachung aller Finanzinstitute durch die Deutsche Bundesbank erfolgen sollte. Dies ging über die zuvor vorgesehene Zusammenarbeit des Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen und der Deutschen Bundesbank hinaus. Ziel dieser Neuregelung war es „in § 7 [KWG n.F.] das Zusammenwirken der mit Aufsichtsaufgaben betrauten Behörden so zu koordinieren, dass eine effiziente, einheitlich wirkende Aufsicht auf der Basis verlässlicher Erkenntnisse über die Marktsituation und die sonstigen für Aufsichtsmaßnahmen erforderlichen Informationen sichergestellt ist. […] Deshalb wird in § 7 Abs. 1 Satz 2 die Durchführung der laufenden Überwachung der Deutschen Bundesbank ausdrücklich zugewiesen. […] Die Beteiligung der Deutschen Bundesbank an der laufenden Überwachung sichert nicht nur die Präsenz der Bankenaufsicht in den Regionen19. Sie macht gerade bei der Aufsicht über sog. systemrelevante Kreditinstitute Sinn, um der Europäischen Zentralbank über diesen Weg den Rückgriff auf Informationen aus erster Hand für die Geldpolitik zu sichern. Die von der Deutschen Bundesbank durch die Beteiligung an der laufenden Überwachung gewonnenen institutsbezogenen Informationen sind für Erkenntnisse über systemische Risiken und für die Stabilität der Finanzsysteme sowie zur Erhaltung eines funktionierenden Finanzapparates für die Bundesanstalt gleichermaßen von Nutzen“20. In dem Gesetzgebungsverfahren erfolgte eine weitere Stärkung der Mitwirkungsrechte der Bundesbank bei der Bankenaufsicht. Der ursprüngliche Entwurf des § 7 Abs. 2 Satz 2 KWG n.F. wurde so geändert, dass die Richtlinien der BaFin zur laufenden Aufsicht nunmehr nicht lediglich im „Benehmen“, sondern im „Einvernehmen“ mit der Bundesbank ergehen müssen21. Der Unterschied besteht darin, dass im Falle des Einvernehmens eine Übereinstimmung erzielt werden muss, während das Benehmen eine intensive Form der Anhörung ist. 17 Deutscher Bundesrat Drucksache 155/02. 18 Ebenda. 19 Die BaFin hat wie ihre Vorgänger keinen Behörden-Unterbau und ist damit in Ländern und Kommunen nicht vertreten. 20 Vgl. die Gesetzesbegründung, Deutscher Bundestag Drucksache 636/01, a.a.O., S. 107 f.. 21 Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages vom 27.02.2002, Deutscher Bundestag Drucksache 14/8389, S. 19. - 10 - Die Gegenstände der „laufenden Überwachung“ der Finanzinstitute, die nunmehr von der Bundesbank wahrgenommen wird, sind in § 7 Abs. 1 Satz 3 KWG genannt22. Nach § 7 Abs. 2 Satz 4 KWG bleibt es jedoch dabei, dass nur die BaFin „aufsichtsrechtliche Maßnahmen“ gegenüber den Instituten ergreifen darf. 3. Argumentation für und gegen die Zulässigkeit der vollständigen Übertragung der Bankenaufsicht auf die Bundesbank Wie eingangs erwähnt, wurden im Zusammenhang mit der Diskussion um die Neustrukturierung der Bundesbank verschiedene Gutachten und Artikel zu der Frage vorgelegt , ob es verfassungsrechtlich zulässig ist, die Bankenaufsicht vollständig auf die Bundesbank zu übertragen. Dabei wurde insbesondere das Modell untersucht, bei dem die Bundesanstalt für das Kreditwesen in die Struktur der Bundesbank eingegliedert werden sollte23. Nur wenige Stimmen24 sprachen sich gegen die Zulässigkeit der Übertragung der Bankenaufsicht auf die Bundesbank aus (dazu unten Ziff. 3.1.). Die überwiegende Zahl der Autoren25 hielt - teilweise gestützt auf recht unterschiedliche Begründungen – die Übertragung für zulässig (dazu unten Ziff. 3.2.). 3.1. Argumente gegen die Übertragung der Bankenaufsicht auf die Bundesbank Herdegen vertrat die Auffassung26, dass die vollständige Übertragung der Bankenaufsicht auf die Bundesbank gegen das Grundgesetz verstößt. Es sei nur unter engen Voraussetzungen möglich, die Verwaltungsaufgaben selbständigen Anstalten des öffentlichen Rechtes (wie der Bundesbank) zu übertragen. Diese selbständigen Anstalten seien im Wesentlichen den fachaufsichtsrechtlichen Weisungen entzogen und damit auch den Einflüssen der politisch verantwortlichen Regierung. Die so geschaffenen „ministerial- 22 Die Bestandteile der „laufenden Aufsicht“ sind bei Boos/Fischer/Schulte-Mattler, Kreditwesengesetz , 2. Auflage 2004, § 7 Rdnr. 19 ff., im Einzelnen erläutert. 23 Vgl. Heun, Rechtsgutachten zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit verschiedener Organisationsmodelle zur Neugestaltung der Bankenaufsicht, vom 05.09.2000, S. 16 f.; im Internet abrufbar unter: http://www2.uni-leipzig.de/bankinstitut/dokumente/2000-09-05-01.pdf; Blumenwitz/Bausbach, Gutachtliche Stellungnahme zur Übertragung der Bankenaufsicht auf die Deutsche Bundesbank und ihre Landeszentralbanken, vom 14.10.2000, S. 2, im Internet abrufbar unter: http://www2.unileipzig .de/bankinstitut/dokumente/2000-10-14-01.pdf. 24 Herdegen, Bundesbank und Bankenaufsicht: Verfassungsrechtliche Fragen, WM 2000, 2121. 25 Heun, a.a.O.; Blumenwitz/Baubach, a.a.O.; Hirdina, Verfassungsrechtliche Aspekte zur Funktion einer reformierten Bundesbank bei der Allfinanzaufsicht, BKR 2001, 135; Baum/Reiter, Gesetzgeberischer Nachholbedarf für einen verbesserten Anlegerschutz – Die Schulrechtsnovelle bleibt weit hinter dem gebotenen Verbraucherschutz zurück, BKR 2002, 851, 855 ff.. 26 Herdegen, a.a.O., S. 2122 ff.. - 11 - freien Räume“ berührten in grundsätzlicher Weise das Demokratieprinzip27. Rechtfertigungsgründe für eine solche Relativierung des Demokratieprinzips sind, so Herdegen28, schwer erkennbar. Daneben sei die Übertragung der Bankenaufsicht auf die Bundesbank auch mit Art. 88 GG nicht zu vereinbaren. Zwar würde Art. 87 Abs. 3 GG von Art. 88 GG überlagert, die damit einhergehende Verdrängung der Verwaltungskompetenzen der Länder verlange jedoch, dass sich die Tätigkeit der Bundesbank mit ihren Mittel- und Unterinstanzen auf die in Art. 88 GG genannten Bereiche beschränke. Daraus ergebe sich, dass jede Übertragung von Kompetenzen der Bankenaufsicht auf die Bundesbank in deren Geschäftskreis als Währungs- und Notenbank fallen müsse29. Zwar habe das BVerfG im Jahre 196230 entschieden, dass die damaligen Mitwirkungsbefugnisse der Bundesbank bei der Bankenaufsicht von Art. 88 GG gedeckt seien. Es habe auch ausgeführt, dass die Bankenaufsicht für die Bundesbank mit Synergieeffekten bei der Währungssicherung und bei der Wahrnehmung währungspolitischer Aufgaben verbunden sei. Allerdings habe es das BVerfG nicht bei dieser allgemeinen Erwägung gelassen, sondern die einzelnen Befugnisse der Bundesbank daraufhin geprüft, ob sie aus ihrer Aufgabe als Währungs- und Notenbank abzuleiten seien,. Bereits dies zeige, dass eine völlige Übertragung der Bankenaufsicht auf die Bundesbank den von Art. 88 GG gezogenen Rahmen überschreiten würde31. Als entscheidendes Argument gegen die Übertragung führt Herdegen schließlich an, dass das BVerfG in der Begründung seiner Entscheidung aus dem Jahr 1962 die Zulässigkeit der Beteiligung der Bundesbank an der Bankenaufsicht auch darauf gestützt habe , dass die Bundesbank über keine aufsichtsrechtlichen Instrumentarien verfüge. Würde die Bankenaufsicht vollständig der Bundesbank übertragen, müssten auch die aufsichtsrechtlichen Instrumentarien auf sie übergehen, was nach der Rechtsprechung des BVerfG der Verfassung (Art. 88 GG) widerspräche32. 27 In diesem Zusammenhang verweist Herdegen, a.a.O., Fn. 17, auf die Entscheidung des BVerfG, Urteil vom 12.10.1993, NJW 1993, 3047. 28 Herdegen, a.a.O., S. 2122. 29 Herdegen, a.a.O., S. 2123. 30 Vgl. oben Ziff. 2.2.. 31 Herdegen, a.a.O., S. 2123. 32 Ebenda. So auch Hahn/Häde in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 88 Rdnr. 161, die aus der Rechtsprechung des BVerfG folgern, dass auch die nach 1962 der Bundesbank übertragenen ordnungsrechtlichen Befugnisse (§§ 44, 44b, 44c KWG a.F.) nicht mit Art. 88 GG vereinbar sind. - 12 - Nach Ansicht von Herdegen, die von Hahn/Häde33 gestützt wird, ist somit die vollständige Übertragung der Bankenaufsicht auf die Bundesbank nicht zulässig. 3.2. Argumente für die Übertragung der Bankenaufsicht auf die Bundesbank Blumentwitz/Bausback34, Hirdina35 und Heun36 halten hingegen die Übertragung der Bankenaufsicht auf die Bundesbank37 im Ergebnis für zulässig. Dieses Ergebnis stützen die Autoren teilweise jedoch – insbesondere im Hinblick auf die Rechtsgrundlage – auf recht unterschiedliche Begründungen. Blumentwitz/Bausback sind mit Hirdina der Auffassung, dass eine Übertragung der Bankenaufsicht auf die Bundesbank von Art. 88 GG gedeckt wäre und auch das Europarecht eine Präferenz der Wahrnehmung der Bankenaufsicht durch die nationalen Zentralbanken vorsehe (dazu unten Ziff. 3.2.1.). Nach Heun ist die Übertragung hingegen nicht nach Art. 88 GG, aber nach den Grundgedanken des Art. 87 Abs. 3 GG möglich (dazu unten Ziff. 3.2.2.). 3.2.1. Argumentation von Blumentwitz/Bausback und Hirdina Blumentwitz/Bausback und Hirdina sind der wohl herrschenden Auffassung, dass Art. 88 GG der allgemeineren Kompetenzverteilungsnorm des Art. 87 Abs. 3 GG vorgeht38. Die Übertragung der Bankenaufsicht auf die Bundesbank sei nach Art. 88 GG zulässig. Dem stehe das Urteil des BVerfG aus dem Jahr 1962 auch im Hinblick auf die Übertragung von aufsichtsrechtlichen Befugnissen nicht entgegen39. Das BVerfG habe in seiner Entscheidung die Mitwirkung der Bundesbank bei der Bankenaufsicht nicht nur deshalb für verfassungsmäßig gehalten, weil die Bundesbank (damals) keine aufsichtsrechtlichen Befugnisse hatte, sondern habe diese Tatsache nur erwähnt, um die gegenteilige Behauptung der damaligen Antragsteller richtig zu stellen40. Darüber hinaus sei die Verfassung kein statisch feststehendes Regelwerk, sondern unterliege einem beständigen Prozess des Verfassungswandels. In den letzten Jahren sei es zu einschneidenden Veränderungen gekommen, die eine veränderte oder erweiterte 33 Bonner Kommentar zum Grundgesetz, a.a.O.. 34 Vgl. oben Fn. 23. 35 Vgl. oben Fn. 25. 36 Vgl. oben Fn. 23. 37 Wie bereits oben erwähnt, betrachten die Autoren Baum/Reiter und Heun allerdings das Modell, bei dem die Bundesanstalt für das Kreditwesen in die derzeitige Struktur der Bundesbank eingegliedert werden sollte (vgl. Ziff. 3.). 38 Vgl. zum Wortlaut der Vorschriften oben Ziff. 2.1.. 39 Blumenwitz/Bausback, a.a.O., S. 8 f.; Hirdina, a.a.O., S. 137 f.. 40 Blumenwitz/Bausback, a.a.O., S. 8. - 13 - Auslegung des Geschäftskreises einer Währungs- und Notenbank im Sinne des Art. 88 GG erfordere41. Der Zusammenhang zwischen der Bankenaufsicht und den Aufgaben einer Währungsbank ergebe sich daraus, dass eine Währungsbank für die Erhaltung des Tauschwertes der Währung zuständig sei, der jedoch durch Zusammenbrüche größerer Geldinstitute gefährdet werden könnte. Solche Zusammenbrüche einzelner Geldinstitute könnten das Gesamtsystem gefährden, so dass eine Überwachung der Geldinstitute in deutlichem Zusammenhang mit den Aufgaben der Bundesbank stehe. Dies sei im Übrigen auch von dem BVerfG in der Entscheidung aus dem Jahr 1962 bestätigt worden42. Auch die Pöhl-Kommission43 habe in ihrem Bericht festgestellt, dass sich in den letzten Jahren die Grenze zwischen den konzeptionellen und den gewerbepolizeilichen (aufsichtsrechtlichen ) Aufgaben in der Bankenaufsicht verwischt habe und der Bankenaufsicht größeres Gewicht zukomme44. Hinzu komme, dass die „Bankenaufsicht vor Ort“, die bisher durch die Landeszentralbanken wahrgenommen worden sei, im Rahmen der internationalen Entwicklung immer größere Bedeutung erlangt habe45. Schließlich zeige auch das Europarecht eine Präferenz dafür, die Bankenaufsicht bei den Zentralbanken der Mitgliedstaaten zu konzentrieren46. Nach Art. 5.1 der Satzung des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB - Satzung) holt die EZB die für ihre Tätigkeit notwendigen Informationen mit Unterstützung der nationalen Zentralbanken ein und arbeitet zu diesem Zweck u.a. mit den nationalen Behörden zusammen. Gemäß Art. 5.2 der ESZB – Satzung sollen die in Art. 5.1. genannten Aufgaben so weit wie möglich von den nationalen Zentralbanken ausgeführt werden. Darüber hinaus würde der enge europarechtliche Zusammenhang zwischen der Bankenaufsicht und den Aufgaben einer Währungsbank von Art. 105 Abs. 5 EGV unterstrichen . Darin wird dem ESZB aufgegeben, die nationalen Behörden bei der Aufsicht über die Kreditinstitute und der Stabilität des Finanzsystems zu unterstützen. 41 Ebenda, S. 9. 42 Ebenda, S. 10. 43 Die Pöhl-Kommission wurde als Sachverständigenrat zur Strukturreform der Deutschen Bundesbank einberufen. Den Vorsitz hatte Dr. h.c. mult. Karl Otto Pöhl. Die weiteren Mitglieder waren: Prof. Roland Berger, Johann Wilhelm Gaddum, Prof. Dr. Herbert Henzler, Prof. Dr. Dr. h.c. Helmut Hesse, Prof. Dr. Harald Hungenberg, Prof. Dr. Kurt Nemitz und Prof. Dr. rer. pol. Bernd Rudolph. Der Bericht der Pöhl-Kommission „Bericht zur Strukturreform der Deutschen Bundesbank“ vom 04.07.2000 ist im Internet abrufbar unter: http://www.bundesbank.de/download/presse/pressenotizen/2000/20000705bbk3.pdf. 44 Blumenwitz/Bausback, a.a.O., S. 11, mit Verweis auf den Bericht der Pöhl-Kommission in Fn 33. 45 Blumenwitz/Bausback, a.a.O., S. 11, Fn 35, die diese Argumentation erneut auf den Bericht der Pöhl-Kommission stützen. 46 Blumenwitz/Bausback, a.a.O., S. 19 ff; im Ergebnis so auch Hirdina, a.a.O., S. 138. - 14 - Schließlich bestimme Art. 105 Abs. 6 EGV, dass der EZB besondere Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Finanzinstitute übertragen werden können. Der Gemeinschaftsrechtsgeber gehe daher offensichtlich davon aus, dass zukünftig bestimmte Aufgaben der Bankenaufsicht der zentralen Erledigung durch eine unabhängige Zentralbank bedürfen. Dies lege nahe, diesen Gedanken auch auf den Bereich der nationalen Zentralbanken zu erstrecken47. Das Europarecht zeige daher eine deutliche Intention, die Bankenaufsicht auf die Bundesbank zu übertragen48. Abschließend erwähnen Blumenwitz/Bausback49 allerdings noch, dass es bei der Übertragung der vollständigen Bankenaufsicht auf die Bundesbank verfassungsrechtlich geboten sei, dem Bundesministerium der Finanzen in Bezug auf die bankenaufsichtsrechtlichen Maßnahmen ein Weisungsrecht gegenüber der Bundesbank einzuräumen. Grundsätzlich sei die Schaffung „ministerialfreier Räume“ unter Geltung des Demokratieprinzips nur sehr eingeschränkt möglich. Zwar gebiete Art. 108 EGV in Verbindung mit Art. 7 der ESZB-Satzung, dass die Bundesbank bei der Erfüllung ihrer Aufgaben im Rahmen des ESZB weisungsunabhängig sein müsse. Aus dem Demokratieprinzip folge aber, dass die Aufgabenbereiche, insbesondere die aufsichtsrechtlichen Maßnahmen, die nicht mit dem ESZB in Zusammenhang stehen und auch derzeit (über die weisungsabhängige BaFin) der Weisung des Bundesministeriums der Finanzen unterliegen, auch weiterhin solchen Weisungsrechten unterliegen sollten50. Unter dieser Voraussetzung sei die Übertragung der Bankenaufsicht auf die Bundesbank nach Art. 88 GG zulässig. 3.2.2. Argumentation von Heun Auch nach der Auffassung von Heun geht Art. 88 GG Art. 87 Abs. 3 GG vor. Eine Übertragung der Bankenaufsicht auf die Bundesbank sei nach Art. 88 GG jedoch nicht zulässig, da das BVerfG seine Entscheidung im Jahr 1962 ausdrücklich darauf gestützt habe, dass die Bundesbank nach damaliger Rechtslage keine aufsichtsrechtlichen Befugnisse hatte. Da mit der vollständigen Übertragung der Bankenaufsicht auch die aufsichtsrechtlichen Befugnisse auf die Bundesbank übergehen würden, wäre dies nach der Rechtsprechung des BVerfG nicht von Art. 88 GG gedeckt51. Auch wenn die Übertragung nach Art. 88 GG nicht zulässig sei, könne sie auf der Basis der allgemeineren Regeln in Art. 87 Abs. 3 GG erfolgen. Der Vergleich der Regelungen 47 Vgl. zum Ganzen Absatz: Blumenwitz/Bausback, a.a.O., S. 19 ff.. 48 Blumenwitz/Bausback, a.a.O., S. 22; Hirdina, a.a.O., S. 138 f.. 49 Blumenwitz/Bausback, a.a.O., S. 22 ff. (24). 50 Blumenwitz/Bausback, a.a.O., S. 24. 51 Vgl. zum ganzen Absatz: Heun, .a.a.O., S. 16 ff.. - 15 - in Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG und Art. 87 Abs. 3 Satz 2 GG52 ergebe, dass sich die Übertragung der Bankenaufsicht auf die Bundesbank als Anstalt des öffentlichen Rechts mit Unterbehörden prinzipiell nach Art. 87 Abs. 3 Satz 2 GG richte, der die Schaffung von bundeseigenen Mittel- und Unterbehörden regele53. Bei wörtlicher Auslegung von Art. 87 Abs. 3 Satz 2 GG könne die Aufgabenübertragung nur erfolgen, wenn es sich um eine neue Aufgabe handele und ein dringender Bedarf für die Wahrnehmung der Verwaltungsaufgabe durch die Bundesveraltung mit eigenem Verwaltungsunterbau geben sei. Zwar liefere die bisherige Tätigkeit der Bundesbank und der Landeszentralbanken im Rahmen der Bankenaufsicht einen nachdrücklicher Beweis für einen dringenden Bedarf dieser Form der Verwaltungsorganisation54, problematisch sei jedoch die Einordnung dieser Aufgabenübertragung als „neue Aufgabe “ im Sinne von Art. 87 Abs. 3 Satz 2 GG. Denn bei der Bankenaufsicht handele es sich nicht um eine Aufgabe, die zuvor weder vom Land noch vom Bund wahrgenommen worden ist. Vielmehr werde sie bereits derzeit vom Bund durch das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (jetzt: BaFin) wahrgenommen55. Heun ist jedoch der Auffassung, dass Art. 87 Abs. 3 Satz 2 GG insoweit einschränkend zu interpretieren sei (teleologische Reduktion). Zweck des Art. 87 Abs. 3 Satz 2 GG sei es, erhebliche Einbrüche in die grundsätzliche Länderzuständigkeit in engen Grenzen zu halten. Die Bankenaufsicht werde jedoch auch bisher von Institutionen des Bundes wahrgenommen. Die organisatorische Eingliederung des Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen in die Bundesbank56 stelle lediglich eine interne organisatorische Umgestaltung der bereits bestehenden Bundesverwaltung dar. Den Ländern würden keine Kompetenzen entzogen. Folglich sei der Schutzzweck des Art. 87 Abs. 3 Satz 2 GG durch die Aufgabenübertragung nicht berührt, die Verfassungsnorm greife insofern für den vorliegenden Fall nicht ein. Für die damit nach Heun zulässige Übertragung der Bankenaufsicht auf die Bundesbank bedürfe es jedoch eines Bundesgesetzes mit Zustimmung des Bundesrates57. 52 Vgl. den Wortlaut der Regelungen oben Ziff. 2.1.. 53 Vgl. Heun, a.a.O., S. 21; andere Ansicht Blumenwitz/Bausback, a.a.O., S. 14 f., nach denen die Übertragung neben Art. 88 GG auch auf Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG als Auffangkompetenz gestützt werden könne. 54 Heun, a.a.O., S. 26. 55 Ebenda. 56 Dies war das damals diskutierte und von Heun begutachtete Modell, vgl. oben Ziff. 3.. 57 Heun stützt dies auf den insoweit „durchschlagenden“ Grundsatz des Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG, Heun, a.a.O. S. 26 und S. 30. - 16 - 3.3. Zusammenfassung der Diskussion um die Übertragung der Bankenaufsicht auf die Bundesbank Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, dass in der Zeit vor Schaffung der BaFin im Jahr 2002 in der juristischen Literatur keine Einigkeit über die Zulässigkeit der Übertragung der Bankenaufsicht auf die Bundesbank bestand. Herdegen ist der Aufassung , gestützt auf die Rechtsprechung des BVerfG aus dem Jahr 1962 und auf die Kommentierung von Hahn/Häde58 zu Art. 88 GG, dass eine solche Aufgabenübertragung gegen die Verfassung verstößt. Demgegenüber halten Blumenwitz/Bausback, Hirdina und Heun die Übertragung im Ergebnis für zulässig. Zu bedenken ist bei diesem Ergebnis, dass sich die Ausführungen aller genannten Autoren auf die in den Jahren von 1999 bis 2002 diskutierten Modelle für die Übertragung der Bankenaufsicht auf die Bundesbank59 beziehen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich ihre Bewertung ändern würde, wenn nunmehr eine abweichende Form der Aufgabenübertragung diskutiert würde. Festzuhalten bleibt jedoch, dass die Mehrzahl der Autoren die Übertragung der Bankenaufsicht auf die Bundesbank für zulässig erachtet. Welche Auffassung das BVerfG in einem Rechtsstreit über die Zulässigkeit der Aufgabenübertragung vertreten würde, lässt sich jedoch nicht voraussagen, da seit der Entscheidung von 1962 mittlerweile 45 Jahre vergangen sind und die Situation der Bundesbank und der Bankenaufsicht seit dem einem erheblichen Wandel unterlag. 4. Anforderungen an die Übertragung der Bankenaufsicht auf die Bundesbank Schließt man sich der Auffassung der Mehrzahl der Autoren an und hält die Übertragung der Bankenaufsicht auf die Bundesbank für zulässig, sind – nach der jeweiligen Argumentation der Autoren – die folgenden Voraussetzungen zu beachten: Nach Blumenwitz/Bausback60 ist dem Bundesministerium der Finanzen in Bezug auf die bankenaufsichtsrechtlichen Maßnahmen, die nicht mit dem Aufgabenbereich der ESZB in Zusammenhang stehen, ein Weisungsrecht einzuräumen. Die Aufgabenübertragung bedarf eines entsprechenden Bundesgesetzes. Innerhalb der Befürworter der Aufgabenübertragung werden jedoch unterschiedliche Auffassungen dazu vertreten, ob der Bundesrat diesem Bundesgesetz zustimmen muss. 58 Bonner Kommentar zum Grundgesetz, a.a.O.. 59 Wie oben erwähnt, ging es insbesondere um die Übertragung durch Eingliederung des Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen in die Bundesbank. 60 Blumenwitz/Bausback, a.a.O., S. 24. - 17 - Blumenwitz/Bausback und Hirdina stützen die Zulässigkeit der Aufgabenübertragung auf Art. 88 GG61. Im Rahmen von Art. 88 GG ist eine Zustimmung des Bundesrates nicht notwendig. Nach Heun hingegen kann die Aufgabenübertragung nicht auf Art. 88 GG gestützt werden. Seiner Auffassung nach ist für die Übertragung nach den Grundsätzen des Art. 87 Abs. 3 GG ein Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates erforderlich62. 61 Zur Frage, ob im Rahmen von Art. 88 GG überhaupt ein Bundesgesetz notwendig ist, vgl. von Münch/Kunig, Kommentar zum Grundgesetz, 5. Auflage 2003, Art. 88 Rdnr. 5, die im Ergebnis die Notwendigkeit bejahen. 62 Heun, a.a.O. S. 26 und S. 30.