© 2020 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 135/20 Zulässigkeit einer Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaftsteuer zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Pandemiebedingter Finanzbedarf 8 2.2.2. Finanzbedarf des Bundes zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung 9 3. Anforderungen an die Ausgestaltung der Ergänzungsabgabe 10 4. Zweckbindung der Ergänzungsabgabe 11 5. Verhältnis einer „weiteren“ Ergänzungsabgabe zum Solidaritätszuschlag 13 5.1. Zwei verschiedene Ergänzungsabgaben? 13 5.2. Umwidmung des Solidaritätszuschlages aufgrund verschiedener Finanzbedarfe? 14 6. Zusammenfassung 14 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 135/20 Seite 4 1. Einleitung Die Coronavirus-Pandemie führt im Jahr 2020 und voraussichtlich auch im Jahr 2021 zu erheblichen finanziellen Mehrbelastungen für die gesetzliche Krankenversicherung. Diese bestehen zum einen in konjunkturbedingten Mindereinnahmen und zum anderen in Mehrausgaben zur Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie und ihrer Folgen. Die Bundesregierung rechnet daher für die Jahre 2020 und 2021 mit erheblichen Mindereinnahmen und erheblichen Mehrausgaben für die gesetzliche Krankenversicherung.1 Die gesetzliche Krankenversicherung erhält unabhängig von der Coronavirus-Pandemie einen jährlichen Bundeszuschuss aus Steuermitteln (§ 221 Abs. 1 SGB V). Der Bundeszuschuss an den Gesundheitsfonds der gesetzlichen Krankenversicherung beträgt seit 2017 jährlich 14,5 Mrd. Euro.2 Da die Bundesregierung das Ziel verfolgt, die Lohnnebenkosten zu den verschiedenen Zweigen der Sozialversicherung bis zum Jahr 2021 auf maximal 40 Prozent zu begrenzen, soll der zusätzliche Finanzbedarf der gesetzlichen Krankenversicherung zum Teil – neben weiteren Maßnahmen wie z.B. einer Reduzierung der Finanzreserven der gesetzlichen Krankenkassen – mit zusätzlichen Mitteln aus dem Bundeshaushalt gedeckt werden.3 Daher hat der Bund in 2020 bereits einen ergänzenden Bundeszuschuss in Höhe von 3,5 Mrd. Euro an den Gesundheitsfonds geleistet; in 2021 will der Bund einen ergänzenden Zuschuss in Höhe von 5 Mrd. Euro an den Gesundheitsfonds leisten.4 Neben den ergänzenden Bundeszuschüssen für 2020 und 2021 stellt der Bund der gesetzlichen Krankenversicherung weitere Mittel für pandemiebedingte Mehrbelastungen zur Verfügung. So leistet der Bund im Jahr 2020 bis zu 11,5 Mrd. Euro an den Gesundheitsfonds für Ausfälle von Einnahmen der Krankenhäuser aufgrund der Freihaltung von Bettenkapazitäten während der Coronavirus-Pandemie.5 1 Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung und Pflege (Gesundheitsversorgungs- und Pflegeverbesserungsgesetz – GPVG) v. 19.10.2020, BT-Drs. 19/23483, S. 20 f., 35; Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage „Belastung der gesetzlichen Krankenversicherung durch die Corona-Pandemie“ v. 12.11.2020, BT-Drs. 19/24244. 2 Bundesministerium der Finanzen, Finanzbericht 2021, Oktober 2020, S. 28. 3 Gesetzentwurf der Bundesregierung: Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung und Pflege (Gesundheitsversorgungs- und Pflegeverbesserungsgesetz – GPVG) v. 19.10.2020, BT-Drs. 19/23483, S. 35; Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage „Belastung der gesetzlichen Krankenversicherung durch die Corona-Pandemie“ v. 12.11.2020, BT-Drs. 19/24244. 4 Gesetz zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung und Pflege (Gesundheitsversorgungs- und Pflegeverbesserungsgesetz – GPVG), beschlossen vom Deutschen Bundestag am 26.11.2020, siehe Bundesrat-Drs. 717/20 v. 27.11.2020; der Bundesrat forderte zuvor eine Erhöhung dieses Zuschusses auf 11 Mrd. Euro, siehe BT-Drs. 19/24231, S. 1. 5 Bundesministerium der Finanzen, Finanzbericht 2021, Oktober 2020, S. 96; Gegenäußerung der Bundesregierung zur Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 19/24231, S. 14. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 135/20 Seite 5 In der Diskussion über die Finanzierung der Mehrbelastungen für die gesetzliche Krankenversicherung wurde vorgeschlagen zu prüfen, ob die Mehrbelastungen durch Steuern, z.B. durch einen „Solidaritätszuschlag“, finanziert werden können, um die Höhe der Beiträge für die gesetzlich Versicherten stabil zu halten.6 Vor diesem Hintergrund wird gefragt, ob die Einführung eines „Corona-Solidaritätszuschlages“, der der gesetzlichen Krankenversicherung zufließen soll, zulässig ist. 2. Zulässigkeit einer Ergänzungsabgabe zur Einkommen- und Körperschaftsteuer 2.1. Finanzbedarf des Bundes als Voraussetzung für die Erhebung einer Ergänzungsabgabe 2.1.1. Ergänzungsabgabe als Steuer des Bundes Der Bund kann durch Gesetz eine Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer erheben; das Aufkommen aus dieser Ergänzungsabgabe steht allein dem Bund zu (Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG). Daher ist das Gesetz zur Einführung der Ergänzungsabgabe ein Einspruchs - und kein Zustimmungsgesetz (vgl. Art. 105 Abs. 3 GG). Weitere ausdrückliche Vorgaben für die Erhebung und Ausgestaltung der Ergänzungsabgabe, z.B. hinsichtlich ihres Umfangs oder ihrer Dauer, enthält der Wortlaut des Grundgesetzes nicht.7 Eine Ergänzungsabgabe ist der seit 1995 erhobene Solidaritätszuschlag auf der Grundlage des Solidaritätszuschlaggesetzes 1995.8 Bei der Ergänzungsabgabe handelt es sich um eine Steuer; sie fließt in den allgemeinen Bundeshaushalt , ohne dass ihr Aufkommen für bestimmte Zwecke oder konkrete Ausgaben verwendet werden muss. Davon zu unterscheiden ist die Begründung der Ergänzungsabgabe mit einem Finanzbedarf des Bundes (siehe dazu nachfolgend 2.1.2). Zur ausdrücklichen rechtlichen Zweckbindung des Aufkommens aus der Ergänzungsabgabe für die Finanzierung bestimmter Ausgaben siehe nachfolgend 4. 2.1.2. Zusätzlicher Finanzbedarf des Bundes Die Ergänzungsabgabe ermöglicht es dem Bund, einen Finanzbedarf, der gerade beim Bund und nicht zugleich bei den Ländern und Gemeinden besteht, durch eine Belastung des Einkommens der natürlichen Personen und Körperschaften (anstelle einer Belastung des Verbrauchs durch Erhöhung von Bundesverbrauchssteuern) zu decken, wenn eine allgemeine Erhöhung der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer mit anteiliger Aufkommenswirkung zugunsten der Länder bzw. Gemeinden nicht notwendig ist.9 6 Siehe FAZ vom 24.11.2020, Nr. 274, S. 15 (dort als „Gesundheits-Soli“ bezeichnet). 7 Tappe, NVwZ 2020, 517 (518). 8 Zu den verschiedenen Ergänzungsabgaben in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland siehe Kube, DStR 2017, 1792 (1793). 9 Vgl. Tappe, NVwZ 2020, 517 (519). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 135/20 Seite 6 Da die Erhebung einer Ergänzungsabgabe Auswirkungen auf das bundesstaatliche Finanzgefüge hat, wird versucht, aus dem Zweck und dem Charakter der Ergänzungsabgabe verfassungsrechtliche Grenzen für die Erhebung durch den Bund abzuleiten. Dazu werden Anforderungen an den erforderlichen Finanzbedarf des Bundes aufgestellt.10 Es müsse einen „zusätzlichen Finanzbedarf “ des Bundes geben, der möglichst „konkret“ sein soll;11 die Ergänzungsabgabe sei ein subsidiäres Finanzierungsmittel zur Deckung eines „anderweitig nicht auszugleichenden Zusatzbedarfs “ des Bundeshaushaltes;12 es dürfe für den Bund keine anderweitige Möglichkeit zum Ausgleich von Bedarfsspitzen bestehen;13 ihre Erhebung setze einen „von der Normallage abweichenden Finanzbedarf des Bundes“ voraus;14 ihre Erhebung sei eine Ausnahme15 und dürfe nicht zur Finanzierung einer Daueraufgabe dienen16. Kritisch zur Anforderung des „konkreten“ Finanzbedarfs verhält sich dagegen Tappe17 mit dem Hinweis, die Ergänzungsabgabe als gewöhnliche Steuer sei gerade keine Zwecksteuer. Das BVerfG18 hat jedenfalls keine strengen Anforderungen an den Finanzbedarf des Bundes aufgestellt,19 sondern eher Grenzen für die konkrete Ausgestaltung der Ergänzungsabgabe formuliert (siehe dazu nachfolgend 3.). In jedem Falle kommt dem Gesetzgeber hinsichtlich des Bestehens eines zusätzlichen Finanzbedarfs des Bundes ein weiter 10 Zu den Anforderungen und Grenzen der Erhebung einer Ergänzungsabgabe vgl. Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Ausarbeitung „Zur Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlags - Zur Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit des Solidaritätszuschlags in aktueller Konzeption und der Verfassungsmäßigkeit geplanter Änderungen“, WD 4 – 3000 – 099/19 (https://www.bundestag.de/resource /blob/655866/4410c74d5f58e7ccf5830b0c4c2d3f39/WD-4-099-19-pdf-data.pdf). 11 Kube, in: BeckOK GG, 44. Ed. 15.8.2020, GG Art. 106 Rn. 14; Schwarz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, 7. Aufl. 2018, GG Art. 106 Rn. 49 verlangt einen akuten Fehlbedarf. 12 Seiler, in: Maunz/Dürig, 91. EL April 2020, GG Art. 106 Rn. 117; Heun, in: Dreier, 3. Aufl. 2018, GG Art. 106 Rn. 16. 13 Bartone, Gedanken zur Verfassungsmäßigkeit von Ergänzungsabgaben im Sinne von Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG, in: Jochum u.a. (Hrsg.), Festschrift für Rudolf Wendt, 2015, S. 739 (744). 14 Wernsmann, ZG 2020, 181 (185). 15 Wernsmann, NJW 2018, 916 (918) betont den Ausnahmecharakter der Ergänzungsabgabe. 16 BFH, Urteil v. 21.7.2011 – II R 52/10, DStRE 2011, 1199 (1202); Heintzen, in: von Münch/Kunig, 6. Aufl. 2012, GG Art. 106 Rn. 21. 17 Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses am 4.11.2019, S. 6, 11, https://www.bundestag.de/resource/blob/665706/c0a9878f8620621009b2e8cd1be6e9f7/11-Prof-Tappe-data.pdf. 18 BVerfG, Beschluss v. 9.2.1972 – 1 BvL 16/69, NJW 1972, 757. 19 Vgl. auch Kube, DStR 2017, 1792 (1794 f.). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 135/20 Seite 7 Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum zu.20 Übersteigerte Anforderungen dürfen daran nicht gestellt werden.21 Insgesamt sind die Anforderungen an die Erhebung einer Ergänzungsabgabe unklar geblieben.22 Dies hat Konsequenzen für die Frage, ob und wann eine einmal zulässig erhobene Ergänzungsabgabe ggf. verfassungswidrig werden kann, wovon die überwiegende Auffassung in der Fachliteratur ausgeht, wenn sich die den Zusatzbedarf des Bundes begründenden Verhältnisse ausschlaggebend geändert haben.23 Dies zeigt sich an der Kontroverse um die fortgesetzte Erhebung des Solidaritätszuschlages auf der Grundlage des Solidaritätszuschlaggesetzes 1995. Die für eine Ergänzungsabgabe erforderliche Rechtfertigung des Solidaritätszuschlags bestand in den durch die Wiedervereinigung ausgelösten Sonderlasten, die vorwiegend vom Bund übernommen wurden (sog. Solidarpakt).24 Da der Solidarpakt zum 31.12.2019 ausgelaufen ist, bestehen spätestens seitdem Zweifel an der fortwährenden Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlags als Ergänzungsabgabe .25 2.1.3. Umwidmung der Ergänzungsabgabe Während der Geltung einer einmal eingeführten Ergänzungsabgabe können sich für den Bund neue Aufgaben ergeben, für deren Erfüllung die bei der allgemeinen Verteilung des Steueraufkommens zur Verfügung stehenden Einnahmen nicht ausreichen, so dass die erneute Einführung der Ergänzungsabgabe und damit auch die Fortführung einer bereits bestehenden gerechtfertigt wäre.26 Der für die Erhebung der Ergänzungsabgabe erforderliche Ausgabebedarf des Bundes muss daher nicht der gleiche Bedarf sein, der bei Einführung der Ergänzungsabgabe bestand; viel- 20 Tappe, NVwZ 2020, 517 (519). 21 Kube, DStR 2017, 1792 (1796); Tappe, schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses am 4.11.2019, S. 6, https://www.bundestag.de/resource /blob/665706/c0a9878f8620621009b2e8cd1be6e9f7/11-Prof-Tappe-data.pdf 22 Über die Frage der fortgesetzten Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlages hat das BVerfG (2 BvL 6/14) noch nicht entschieden. 23 Vgl. dazu Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Ausarbeitung „Zur Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlags - Zur Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit des Solidaritätszuschlags in aktueller Konzeption und der Verfassungsmäßigkeit geplanter Änderungen“, WD 4 – 3000 – 099/19, S. 8 (https://www.bundestag.de/resource/blob/655866/4410c74d5f58e7ccf5830b0c4c2d3f39/WD-4-099-19-pdfdata .pdf). Vgl. auch Seiler, in: Maunz/Dürig, 91. EL April 2020, GG Art. 106 Rn. 117. 24 Seiler, in: Maunz/Dürig, 91. EL April 2020, GG Art. 106 Rn. 118. 25 Vgl. Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Ausarbeitung „Zur Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlags - Zur Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit des Solidaritätszuschlags in aktueller Konzeption und der Verfassungsmäßigkeit geplanter Änderungen“, WD 4 – 3000 – 099/19 (https://www.bundestag .de/resource/blob/655866/4410c74d5f58e7ccf5830b0c4c2d3f39/WD-4-099-19-pdf-data.pdf). 26 BVerfG, Beschluss v. 9.2.1972 – 1 BvL 16/69, NJW 1972, 757 (758); BFH, Urteil v. 21.7.2011 – II R 52/10, DStRE 2011, 1199 (1202). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 135/20 Seite 8 mehr kann auch ein anderer Bedarf an die Stelle treten und die weitere Erhebung der Ergänzungsabgabe rechtfertigen.27 Daher verliert eine zu einem bestimmten Zweck erhobene Ergänzungsabgabe ihre Berechtigung nicht durch einen Wechsel in der Zweckbestimmung, solange nicht insgesamt die Einnahmeerzielung nicht mehr erforderlich wäre.28 Dagegen wird zum Teil angenommen, wegen der engen Konnexität zwischen der „konkreten, außergewöhnlichen Finanzierungsaufgabe “ (siehe dazu aber 2.1.2.) und der Ergänzungsabgabe müsse diese bei Wegfall der ursprünglichen Aufgabe aufgehoben werden, und der Gesetzgeber müsse erneut tätig werden und seinen Willen zur Erhebung mit entsprechend geänderter Begründung ausüben.29 2.2. Zusätzlicher Finanzbedarf aufgrund der Coronavirus-Pandemie 2.2.1. Pandemiebedingter Finanzbedarf Die gesellschaftlichen, sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie führen im Jahr 2020 und voraussichtlich auch noch in den Folgejahren zu einer erheblichen Belastung für die Haushalte des Bundes.30 Die geplanten Ausgaben des Bundes für das Haushaltsjahr 2020 betragen 508,5 Mrd. Euro; dies entspricht einer Steigerung gegenüber den Ist-Ausgaben des Jahres 2019 um 48,2 %.31 Unter Berücksichtigung zugleich gesunkener Einnahmen resultiert daraus im Jahr 2020 ein geplantes Finanzierungsdefizit für den Bundeshaushalt von rund 218,1 Mrd. Euro.32 Die durch die Coronavirus-Pandemie bedingten Belastungen für den Haushalt des Bundes werden auch im Jahr 2021 bestehen. So sind für das Jahr 2021 Ausgaben im Bundeshaushalt in Höhe von 498,6 Mrd. Euro geplant, was annähernd den geplanten Ausgaben für 2020 entspricht ; die geplante Nettokreditaufnahme beträgt 179,8 Mrd. Euro.33 Zwar betreffen die pandemiebedingten Mindereinnahmen und Mehrausgaben nicht nur den Bund, sondern auch die Haushalte von Ländern und Gemeinden.34 Das Bundesministerium der 27 Tappe, NVwZ 2020, 517 (519). 28 Schwarz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, 7. Aufl. 2018, GG Art. 106 Rn. 49. 29 Bartone, Gedanken zur Verfassungsmäßigkeit von Ergänzungsabgaben im Sinne von Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG, in: Jochum u.a. (Hrsg.), Festschrift für Rudolf Wendt, 2015, S. 739 (757 f.), dort auch zum Streitstand. 30 Zur Finanzierung der Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie hat der Bund zwei Nachtragshaushalte zum Bundeshaushalt 2020 verabschiedet; siehe zu den Auswirkungen auf den Bundeshaushalt Bundesministerium der Finanzen, Finanzbericht 2021, Oktober 2020, S. 94 ff. 31 Bundesministerium der Finanzen, Finanzbericht 2021, Oktober 2020, S. 94. 32 Bundesministerium der Finanzen, Finanzbericht 2021, Oktober 2020, S. 94; zur Ist-Entwicklung bis einschließlich Oktober 2020 siehe Bundesministerium der Finanzen, Monatsbericht November 2020, S. 72 f. 33 Siehe FAZ v. 28.11.2020, Nr. 278, S. 19. 34 Zu den Auswirkungen auf die Haushalte von Ländern und Gemeinden im Überblick siehe Bundesministerium der Finanzen, Finanzbericht 2021, Oktober 2020, S. 128, 182 ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 135/20 Seite 9 Finanzen verweist allerdings darauf, dass der ganz überwiegende Teil der Maßnahmen zur Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie vom Bund finanziert wird.35 Zugleich wenden aber auch die Länder erhebliche Beträge zur Bekämpfung der Folgen der Coronavirus-Pandemie auf.36 Es ist allerdings unschädlich für die Erhebung einer Ergänzungsabgabe durch den Bund, wenn der Zusatzbedarf nicht allein beim Bund, sondern auch bei den Ländern entsteht.37 In den Bundeshaushalten für die Jahre 2020 und 2021 sind also im Vergleich zum Jahr 2019 vor der Coronavirus-Pandemie massive Mehrausgaben vorgesehen bei zugleich gesunkenen Einnahmen . Diese Ausgaben sind insbesondere durch die Bekämpfung der Auswirkungen der Coronavirus -Pandemie verursacht. Angesichts dieses erheblichen Finanzbedarfs des Bundes zumindest in den Jahren 2020 und 2021 spricht vieles dafür, den für die Erhebung einer Ergänzungsabgabe geforderten zusätzlichen Finanzbedarf des Bundes (siehe dazu 2.1.2.) zu bejahen. Angesichts der massiven Ausgabensteigerungen und Finanzierungsdefizite dürfte dies auch bei Zugrundelegung der im Schrifttum geäußerten strengeren Anforderungen an den zusätzlichen Finanzbedarf gelten . Dabei ist auch der weite Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers zu berücksichtigen. Zu betonen ist allerdings, dass die verfassungsrechtlichen Anforderungen an Art und Umfang des zusätzlichen Finanzbedarfs des Bundes zum Zwecke der Erhebung einer Ergänzungsabgabe nicht geklärt sind (siehe dazu 2.1.2.). 2.2.2. Finanzbedarf des Bundes zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung Die Coronavirus-Pandemie führt auch bei der gesetzlichen Krankenversicherung zu erheblichen Mehrbelastungen. Diese werden jedoch nur zum Teil durch Zuschüsse des Bundes an den Gesundheitsfonds finanziert, zum Teil aber auch durch andere Maßnahmen wie z.B. durch Verwendung der Finanzreserven der gesetzlichen Krankenkassen (siehe dazu 1.). Der pandemiebedingte ergänzende Bundeszuschuss an den Gesundheitsfonds beläuft sich im Jahr 2020 auf 3,5 Mrd. Euro und im Jahr 2021 auf 5 Mrd. Euro (siehe dazu 1.). Dabei handelt es sich in Relation zu den geplanten pandemiebedingten Mehrausgaben des Bundes im Jahr 2020 und im Jahr 2021 (siehe dazu 2.2.1.) um vergleichsweise geringe Beträge. Allerdings leistet der Bund im Jahr 2020 weitere Zahlungen an den Gesundheitsfonds von bis zu 11,5 Mrd. Euro für die Krankenhausfinanzierung. Stellt man – noch weitergehend – auf die generelle Mitfinanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung durch den Bund ab, müsste auch der nicht pandemiebedingte jährliche Bundeszu- 35 Bundesministerium der Finanzen, Finanzbericht 2021, Oktober 2020, S. 127. 36 Vgl. Beispiele in FAZ vom 1.12.2020, Nr. 280, S. 2. 37 BFH, Urteil v. 21.7.2011 – II R 52/10, DStRE 2011, 1199 (1201); Kube, DStR 2017, 1792 (1796). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 135/20 Seite 10 schuss in die Betrachtung einbezogen werden. Schließlich könnte man auch die weiteren Ausgaben des Bundes für das Gesundheitswesen, die durch die Coronavirus-Pandemie verursacht sind,38 in die Betrachtung einbeziehen. Je nachdem, wie weitgehend die Mehrbelastungen sind, die der Gesetzgeber bei Einführung einer Ergänzungsabgabe ins Visier nimmt, ob sie also eher eng gezogen nur die unmittelbare pandemiebedingte Mehrleistung des Bundes an den Gesundheitsfonds in den Blick nehmen oder weitergehend auch andere Finanzbedarfe in der gesetzlichen Krankenversicherung bzw. im Gesundheitswesen , bestehen jedenfalls durch die Coronavirus-Pandemie bedingte erhebliche Finanzierungsdefizite des Bundes. Der bestehende zusätzliche Finanzbedarf des Bundes (siehe dazu 2.2.1.) würde jedenfalls durch eine Ergänzungsabgabe zum Teil gedeckt werden, auch wenn es sich um eine Ergänzungsabgabe handelt, die nur bestimmte Ausgaben in den Blick nimmt. Vor dem Hintergrund der derzeit noch offenen tatsächlichen pandemiebedingten Belastungen für den Bundeshaushalt (dies gilt insbesondere für das Jahr 2021 und ggf. die Folgejahre) einerseits sowie der unklaren verfassungsrechtlichen Anforderungen an den zusätzlichen Finanzbedarf des Bundes (siehe dazu 2.1.2.) und des dabei bestehenden gesetzgeberischen Einschätzungsspielraums andererseits erscheint es jedenfalls nicht ausgeschlossen, die Erhebung einer Ergänzungsabgabe des Bundes wie dargestellt zu rechtfertigen. 3. Anforderungen an die Ausgestaltung der Ergänzungsabgabe Als Ergänzung der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer ähnelt die Ergänzungsabgabe in der Struktur diesen Steuern und baut auf ihrer Systematik auf.39 Das BVerfG verlangt daher, dass sich die Ergänzungsabgabe in einem angemessenen Verhältnis zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer hält, um diese auch den Ländern zustehenden Gemeinschaftsteuern nicht auszuhöhlen .40 Eine Aushöhlung ist nur bei einer sehr deutlichen Verschiebung des bundesstaatlichen Verteilungsgefüges anzunehmen.41 Der BFH verweist darauf, dass die „Aushöhlungsschwelle“ nur schwer betragsmäßig zu bestimmen sei, und verlangt eine „schwerwiegende Belastung“ für 38 Im Bundeshaushalt 2020 ist z.B. ein Betrag von 9,4 Mrd. Euro für die Beschaffung von Schutzausrüstung, Beatmungsgeräten , die Entwicklung eines Impfstoffes und andere Maßnahmen vorgesehen, Bundesministerium der Finanzen, Finanzbericht 2021, Oktober 2020, S. 96. Der Etat des Bundesministeriums für Gesundheit ist in 2020 von ursprünglich geplanten 15,3 Mrd. Euro auf 41,25 Mrd. Euro angewachsen (vgl. Bundesministerium der Finanzen , Finanzbericht 2021, Oktober 2020, S. 86); der Ansatz für 2021 liegt mit geplanten 35,3 Mrd. Euro (siehe FAZ Nr. 278 v. 28.11.2020, S. 19) aufgrund anhaltend hoher pandemiebedingter Belastungen ebenfalls deutlich über dem Etatvolumen aus der Zeit vor der Coronavirus-Pandemie. 39 BVerfG, Beschluss v. 9.2.1972 – 1 BvL 16/69, NJW 1972, 757. 40 BVerfG, Beschluss v. 9.2.1972 – 1 BvL 16/69, NJW 1972, 757; BFH, Urteil v. 21.7.2011 – II R 52/10, DStRE 2011, 1199 (1200). 41 Kube, DStR 2017, 1792 (1796 f.): beim Solidaritätszuschlaggesetz 1995 eindeutig nicht der Fall. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 135/20 Seite 11 das finanzielle Ausgleichssystem zwischen Bund und Ländern.42 Aus den vom BVerfG formulierten Anforderungen wird gefolgert, dass die Ergänzungsabgabe einen „kleinen Prozentsatz“ zur Einkommen- und Körperschaftsteuer nicht überschreiten darf.43 Die Ergänzungsabgabe muss nicht von vornherein gesetzlich befristet werden.44 Umstritten ist im Übrigen, welchen Gestaltungsspielraum der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung der Ergänzungsabgabe hat.45 4. Zweckbindung der Ergänzungsabgabe Bei der Ergänzungsabgabe handelt es sich um eine Steuer. Das Aufkommen von Steuern fließt grundsätzlich ohne Bindung an bestimmte Ausgabenzwecke in den allgemeinen Haushalt (Grundsatz der Gesamtdeckung, § 7 Satz 1 HGrG, § 8 Satz 1 BHO). Dies gilt auch für die Ergänzungsabgabe , die als Steuer ebenso zweckungebunden ist.46 Es besteht daher kein Zwang für den Gesetzgeber, die Ergänzungsabgabe als Zwecksteuer zu erlassen.47 Die mögliche Ausgestaltung als Zwecksteuer ist vielmehr von dem Erfordernis des zusätzlichen Finanzbedarfs als Begründung für die Ergänzungsabgabe zu trennen.48 Für die Rechtmäßigkeit der Ergänzungsabgabe ist daher die tatsächliche Verwendung der Einnahmen für bestimmte Ausgaben unerheblich.49 Allerdings dürfte die ausdrückliche Ausgestaltung der Ergänzungsabgabe als Zwecksteuer zulässig sein.50 42 BFH, Urteil v. 21.7.2011 – II R 52/10, DStRE 2011, 1199 (1201). 43 Siehe Kube, in: BeckOK GG, 44. Ed. 15.8.2020, GG Art. 106 Rn. 14; Seiler, in: Maunz/Dürig, 91. EL April 2020, GG Art. 106 Rn. 117. Für zulässig gehalten werden jedenfalls 5,5 % (Heintzen, in: von Münch/Kunig, 6. Aufl. 2012, GG Art. 106 Rn. 21), 7,5 % (Bartone, Gedanken zur Verfassungsmäßigkeit von Ergänzungsabgaben im Sinne von Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG, in: Jochum u.a. (Hrsg.), Festschrift für Rudolf Wendt, 2015, S. 739 (744)) und maximal 10 % als Zuschlagsteuer und 5 % bei direkter Erhebung vom Einkommen (Frank, Verfassungsmäßigkeit und Zukunft des Solidaritätszuschlags, 2019, zugl. Siegen, Univ. Diss. 2019, S. 49). 44 BVerfG, Beschluss v. 9.2.1972 – 1 BvL 16/69, NJW 1972, 757; siehe auch Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Ausarbeitung „Zur Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlags - Zur Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit des Solidaritätszuschlags in aktueller Konzeption und der Verfassungsmäßigkeit geplanter Änderungen“, WD 4 – 3000 – 099/19, S. 11 (https://www.bundestag.de/resource /blob/655866/4410c74d5f58e7ccf5830b0c4c2d3f39/WD-4-099-19-pdf-data.pdf). 45 Für einen eher weiten Spielraum Tappe, NVwZ 2020, 517 (520); Frank, Verfassungsmäßigkeit und Zukunft des Solidaritätszuschlags, 2019, zugl. Siegen, Univ. Diss. 2019, S. 35 ff.; restriktiver dagegen Wernsmann, NJW 2018, 916 (918) und ZG 2020, 181 (189). 46 BFH, Urteil v. 21.7.2011 – II R 52/10, DStRE 2011, 1199 (1202); Wernsmann, NJW 2018, 916 (917). 47 Seiler, in: Maunz/Dürig, 91. EL April 2020, GG Art. 106 Rn. 117; Kube, DStR 2017, 1792 (1796). 48 Zutreffend Frank, Verfassungsmäßigkeit und Zukunft des Solidaritätszuschlags, 2019, zugl. Siegen, Univ. Diss. 2019, S. 31. 49 BFH, Urteil v. 21.7.2011 – II R 52/10, DStRE 2011, 1199 (1202). 50 Seiler, in: Maunz/Dürig, 91. EL April 2020, GG Art. 106 Rn. 117; Frank, Verfassungsmäßigkeit und Zukunft des Solidaritätszuschlags, 2019, zugl. Siegen, Univ. Diss. 2019, S. 31 f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 135/20 Seite 12 Das Solidaritätszuschlaggesetz 1995 sieht eine gesetzliche Aufkommensbindung nicht vor.51 Eine rechtliche Verknüpfung zwischen dem Aufkommen aus dem Solidaritätszuschlag und dem Finanzbedarf für die Bewältigung der Wiedervereinigung bestand daher nie und besteht auch weiterhin nicht.52 Die Bindung der Einnahmen aus einer Steuer an einen bestimmten Ausgabenzweck im Sinne einer rechtlichen Verwendungsbindung ist grundsätzlich zulässig.53 Nach § 7 Satz 2 HGrG bzw. § 8 Satz 2 BHO dürfen Einnahmen auf die Verwendung für bestimmte Zwecke beschränkt werden, soweit dies durch Gesetz vorgeschrieben54 oder im Haushaltsplan zugelassen ist. Eine solche Zweckbindung (Einnahmen-Ausgaben-Koppelung) führt zu einer Beschränkung von Einnahmen auf die Verwendung für bestimmte Ausgabezwecke.55 Auch aus verfassungsrechtlicher Sicht sind solche Zweckbindungen von Steuern nach überwiegender Auffassung grundsätzlich zulässig.56 Das BVerfG hält Zweckbindungen von Einnahmen aus einer Steuer in Einzelfällen grundsätzlich für verfassungsrechtlich unbedenklich.57 Es lässt dahinstehen, ob dem Grundsatz der Gesamtdeckung des Haushalts Verfassungsrang zukommt.58 Eine möglicherweise verfassungswidrige Einengung der Dispositionsfreiheit des Haushaltsgesetzgebers könne allenfalls angenommen werden, wenn „Zweckbindungen in unvertretbarem Ausmaß “ stattfänden.59 Das BVerfG geht nicht darauf ein, ob zwischen dem spezifischen Erhebungszweck der Steuer und ihrem Verwendungszweck ein Sachzusammenhang bestehen muss.60 Einen solchen Zusammenhang muss der Gesetzgeber daher für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit 51 Kube, DStR 2017, 1792 (1793); Waldhoff, StuW 2002, 285 (296). 52 Es handelt sich lediglich um eine politische Verknüpfung, siehe Waldhoff, StuW 2002, 285 (296); Wernsmann, ZG 2020, 181 (184). 53 Dabei ist zwischen einer rechtlichen Verwendungsbindung und einer nur politischen Verwendungsabsicht strikt zu trennen, Waldhoff, StuW 2002, 285 (297). 54 Nr. 1.1 VV-BHO zu § 8 BHO verlangt eine ausdrückliche Regelung im Gesetz; dazu Gröpl, in: Gröpl, 2. Aufl. 2019, BHO § 8 Rn. 13 f.; zu Beispielen Gröpl, in: Gröpl, 2. Aufl. 2019, BHO § 8 Rn. 17. 55 Gröpl, in: Gröpl, 2. Aufl. 2019, BHO § 8 Rn. 11. 56 Vgl. Waldhoff, StuW 2002, 285 (297). 57 BVerfG, Urteil vom 18.7.2018 – 1 BvR 1675/16 u.a., NJW 2018, 3223 (Rz. 53). 58 Dafür aber Waldhoff, StuW 2002, 285 (307). 59 BVerfG, Beschluss vom 7.11.1995 – 2 BvR 413/88 u.a., NVwZ 1996, 469 (472); BVerfG, Urteil v. 20.4.2004 – 1 BvR 1748/99, 905/00, NVwZ 2004, 846 (848) zur Zweckbindung von Einnahmen (siehe § 213 Abs. 4 SGB VI) aus der Stromsteuer und der damaligen Mineralölsteuer im Rahmen der 1999 eingeführten ökologischen Steuerreform . 60 Selmer, JuS 2004, 813 (815). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 135/20 Seite 13 von Zweckbindungen nicht beachten.61 Solange sich die Zweckbindung nur auf einen kleineren Teil der staatlichen Einnahmen bezieht, der ganz überwiegende Teil aber ungebunden bleibt,62 ist eine Zweckbindung der Einnahmen aus einer Steuer verfassungsrechtlich nicht problematisch. Diese weit gezogenen verfassungsrechtlichen Grenzen dürften bei einer ausdrücklichen gesetzlichen Zweckbindung der Einnahmen aus einer Ergänzungsabgabe an die Verwendung für die oben genannten Finanzbedarfe des Bundes nicht überschritten sein. Eine Ergänzungsabgabe mit einer entsprechenden Zweckbindung ist daher grundsätzlich möglich. 5. Verhältnis einer „weiteren“ Ergänzungsabgabe zum Solidaritätszuschlag Sollte die Erhebung einer Ergänzungsabgabe zur Abdeckung der oben genannten Finanzbedarfe des Bundes zulässig sein, stellt sich die Frage nach dem Verhältnis einer solchen Ergänzungsabgabe zur bestehenden Ergänzungsabgabe in Gestalt des Solidaritätszuschlags, der seit 1995 auf der Grundlage des Solidaritätszuschlaggesetzes 1995 erhoben wird. 5.1. Zwei verschiedene Ergänzungsabgaben? Ob zwei unterschiedliche Ergänzungsabgaben erhoben werden können, wird im Schrifttum kaum besprochen.63 Der Wortlaut des Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG benennt „die Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer“, spricht also von der Ergänzungsabgabe im Singular. Im Zusammenhang mit systematischen Erwägungen soll dies dafür sprechen, dass jeweils nur eine einzige Ergänzungsabgabe zulässig sei.64 Zwar kann sich ein zusätzlicher Finanzbedarf des Bundes aus verschiedenen Gründen ergeben. Unterschiedliche Ergänzungsabgaben hätten zudem den politischen Vorteil gesteigerter Transparenz und besserer Nachvollziehbarkeit für die Steuerpflichtigen .65 Soweit man für eine Ergänzungsabgabe einen zusätzlichen Finanzbedarf des Bundes fordert (dazu 2.1.2.), lässt sich dieser allerdings nur aus der Perspektive des gesamten Haushalts des Bundes bestimmen und nicht durch separate Betrachtung einzelner Ausgabenbereiche. Danach besteht entweder ein zusätzlicher Finanzbedarf für den Bund mit der Möglichkeit zur Erhebung einer Ergänzungsabgabe oder nicht. Die hier genannten Aspekte sprechen überwiegend gegen die Zulässigkeit der Erhebung zweier verschiedener Ergänzungsabgaben. Zu beachten ist allerdings, dass die hier aufgeworfene Frage im Schrifttum nicht besprochen wird. Offen bleibt auch die weitere Frage, ob Differenzierungen 61 Enger dagegen Waldhoff, StuW 2002, 285 (307 ff.), der im Hinblick auf die konkrete Abgabe einen tragfähigen Rechtfertigungsgrund für die Zweckbindung verlangt; danach muss eine Äquivalenzbeziehung zwischen den Abgabepflichtigen und der konkreten Sachaufgabe, eine Verkoppelung von Einnahme und Ausgabe, bestehen. 62 Vgl. auch Waldhoff, StuW 2002, 285 (307). 63 Siehe aber Frank, Verfassungsmäßigkeit und Zukunft des Solidaritätszuschlags, 2019, zugl. Siegen, Univ. Diss. 2019, S. 50. 64 Frank, Verfassungsmäßigkeit und Zukunft des Solidaritätszuschlags, 2019, zugl. Siegen, Univ. Diss. 2019, S. 51 f. (das Grundgesetz verwende mit Bedacht den Singular (die Einkommensteuer) oder den Plural („die Zölle“, „die Verbrauchsteuern“, „die einmaligen Vermögensabgaben“ in der Nr. 5 des Art. 106 Abs. 1 GG)). 65 Frank, Verfassungsmäßigkeit und Zukunft des Solidaritätszuschlags, 2019, zugl. Siegen, Univ. Diss. 2019, S. 51. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 135/20 Seite 14 innerhalb einer Ergänzungsabgabe, z.B. eines Solidaritätszuschlages, im Hinblick auf verschiedene Ausgabebedarfe zulässig sind. 5.2. Umwidmung des Solidaritätszuschlages aufgrund verschiedener Finanzbedarfe? Eine Ergänzungsabgabe wie der Solidaritätszuschlag könnte mit zwei verschiedenen zusätzlichen Ausgabebedarfen des Bundes begründet werden (zum Rechtfertigungsbedarf siehe 2.1.2.), also z.B. mit der anhaltenden Finanzierung der Folgen der Wiedervereinigung als auch der Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie. Dafür spricht, dass die Fortführung einer einmal erhobenen Ergänzungsabgabe mit der Begründung eines anderen Finanzbedarfs jedenfalls nach der Rechtsprechung des BVerfG zulässig ist (zur Umwidmung siehe 2.1.3). In diesem Rahmen könnte dann auch ein allmähliches „Austauschen“ des erforderlichen Finanzbedarfs bzw. die zeitweise Begründung mit zwei parallelen Finanzbedarfen des Bundes zulässig sein. Auch hier ist allerdings zu beachten, dass dies bisher im Schrifttum nicht vertieft besprochen wird. Unabhängig von der Beantwortung der hier unter 5. nur angerissenen Fragen ist jedenfalls für die Einhaltung der verfassungsrechtlichen Grenzen der Erhebung von Ergänzungsabgaben eine Zusammenbetrachtung vorzunehmen.66 Dies gilt für die vom BVerfG aufgestellte Forderung nach einem angemessenen Verhältnis zu der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer und der Verhinderung der Aushöhlung dieser Gemeinschaftsteuern (siehe dazu 3.). 6. Zusammenfassung Eine Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer wie der Solidaritätszuschlag ermöglicht dem Bund die Generierung von Einnahmen ohne Beteiligung von Ländern und Gemeinden. Im Hinblick auf das bundesstaatliche System der Verteilung der Steuereinnahmen im Übrigen wird im Schrifttum mehrheitlich ein besonderer Finanzbedarf des Bundes als Voraussetzung für die Ergänzungsabgabe gefordert. Dieser Finanzbedarf könnte in den durch die Coronavirus-Pandemie hervorgerufenen Mehrbelastungen des Bundes liegen, auch wenn die Ergänzungsabgabe der Höhe nach nur auf die Mehrbelastungen abzielt, die dem Bund durch Zahlungen an die gesetzliche Krankenversicherung entstehen. Eine solche Zweckbindung im Hinblick auf die Verwendung der Einnahmen aus der Ergänzungsabgabe lässt sich grundsätzlich auch rechtlich verbindlich vorgeben, zwingend ist sie jedoch nicht. Für das Verhältnis einer solchen Ergänzungsabgabe zum bestehenden Solidaritätszuschlag stellen sich weitere Fragen, die hier nur angedeutet werden können; so könnte die fortgesetzte Erhebung des Solidaritätszuschlages als einer Ergänzungsabgabe mit teilweise ausgewechselter bzw. gemischter Begründung in Betracht kommen. * * * 66 Vgl. auch Frank, Verfassungsmäßigkeit und Zukunft des Solidaritätszuschlags, 2019, zugl. Siegen, Univ. Diss. 2019, S. 51.