© 2020 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 133/20 Steuern auf Wohnimmobilien Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 133/20 Seite 2 Steuern auf Wohnimmobilien Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 133/20 Abschluss der Arbeit: 16. Dezember 2020 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 133/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Inhalt der Arbeit 5 2. Frage 1: Welche Einnahmen werden derzeit aus Steuern auf Eigentum oder Transaktionen von Wohnimmobilien und auf daraus generierten Mieteinnahmen erzielt und wie haben sich diese Steuereinnahmen seit den 1980er Jahren entwickelt? 5 3. Frage 2: Welche weiteren Steuern auf Eigentum oder Transaktionen und daraus generierten Mieteinnahmen wurden in der Vergangenheit in Deutschland erhoben, auf welcher gesetzlichen Grundlage und mit welchem jeweiligen Steueraufkommen? 8 3.1. Zuwachssteuergesetz vom 14. Februar 1911 8 3.2. Besitzsteuergesetz vom 3. Juli 1913 9 3.3. Kriegsteuergesetz vom 21. Juni 1916 9 3.4. Vermögenszuwachssteuergesetz vom 8. April 1922 10 3.5. Finanzausgleichsgesetz vom 23. Juni 1923 / 10. August 1925 10 3.6. Die Baulandsteuer nach dem Bundesbaugesetz 11 4. Frage 3: Wie war die ab 1924 erhobene "Hauszinssteuer" konkret ausgestaltet? 12 4.1. Begründung und wesentliche Bestandteile des Gesetzes zum Geldentwertungsausgleich für die Länder („Hauszinssteuer“) 12 4.2. Formen der Hauszinssteuer in den Ländern 13 4.3. Aufkommen, Verwendung und Abschaffung der Hauszinssteuer 15 5. Fragen 4 und 5: Auf welcher verfassungsrechtlichen oder gesetzlichen Grundlage könnte der Bund heute eine progressiv ausgestaltete, nicht auf die Mieterinnen und Mieter umlegbare Steuer auf Mieteinnahmen, angelehnt an die frühere Hauszinssteuer, erheben, und welche rechtlichen Hindernisse könnten dem entgegenstehen? Unter welchen Bedingungen könnten Länder oder Kommunen eine entsprechende Steuer oder Abgabe auf Mieteinnahmen erheben? 16 5.1. Einbeziehung einer Steuer auf Mieteinnahmen in das bestehende Steuersystem 17 5.2. Einführung einer neuen Steuer 18 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 133/20 Seite 4 6. Fragen 6 und 7: Internationale Beispiele für eine Besteuerung im Zusammenhang mit Wohnobjekten 20 6.1. Frankreich 20 6.1.1. Einkommensteuerreduzierung (Loi Pinel) 20 6.1.2. Wohnungsbauabgabe (participation des employeurs à l’effort de construction) 20 6.1.3. Wohnsteuer (taxe d’habitation) 21 6.2. Großbritannien 21 6.3. Schweden 22 6.4. Wien 22 7. Fragen 8 und 9: Durch welche Instrumente, auf welcher gesetzlichen Grundlage und in welcher Höhe werden Bau, Kauf, Verwaltung und Vermietung von Wohnungen steuerlich begünstigt oder gefördert? Welche Steuermindereinnahmen folgen aus der steuerlichen Begünstigung beziehungsweise Förderung von Bau, Kauf, Verwaltung und Vermietung 2017, 2018, 2019? 22 8. In welcher Form und in welcher Höhe kann Wohnungsleerstand steuerlich abgesetzt werden? Für wie viele leerstehende Wohnungen wurden schätzungsweise in den Jahren 2017, 2018 und 2019 Anträge auf steuerliche Absetzbarkeit bewilligt und wie hoch sind die dadurch entstandenen geschätzten Steuermindereinnahmen? 24 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 133/20 Seite 5 1. Inhalt der Arbeit Es wird um eine Ausarbeitung zu den bisherigen und aktuellen Formen der Besteuerung von Wohnimmobilien sowie zu Steuervergünstigungen für private und privatwirtschaftliche Immobilieneigentümer im historischen und internationalen Vergleich gebeten. Dazu wurde vom Auftraggeber ein Fragenkatalog erstellt. 2. Frage 1: Welche Einnahmen werden derzeit aus Steuern auf Eigentum oder Transaktionen von Wohnimmobilien und auf daraus generierten Mieteinnahmen erzielt und wie haben sich diese Steuereinnahmen seit den 1980er Jahren entwickelt? Auf das Eigentum und die Transaktion von Grundstücken werden Grundsteuer (als Steuer vom Vermögensbesitz) und Grunderwerbsteuer (als Steuer vom Vermögensverkehr) erhoben. Bis 19961 war zudem noch Vermögensteuer (ebenfalls als Steuer vom Vermögensbesitz) fällig. Die nachfolgende Tabelle weist die Entwicklung der kassenmäßigen Steuereinnahmen seit 1980 aus diesen Steuern aus. Es erfolgt jedoch keine Differenzierung nach Wohnimmobilien; im Vermögensteueraufkommen sind auch die Steuern auf Betriebsvermögen und Sonstigem Vermögen enthalten. Jahr Vermögensteuer in Mio. Euro Grunderwerbsteuer in Mio. Euro Grundsteuer B in Mio. Euro 1980 2.385 521 2.751 1981 2.396 554 2.843 1982 2.547 527 3.010 1983 2.552 992 3.240 1984 2.297 1.142 3.490 1985 2.192 1.100 3.541 1986 2.248 1.144 3.678 1987 2.772 1.394 3.814 1988 2.840 1.525 3.981 1989 2.953 1.844 4.109 1990 3.238 1.999 4.235 1991 3.441 2.165 4.793 1992 3.541 2.626 5.224 1993 3.468 3.017 5.660 1994 3.388 3.595 6.165 1995 4.016 3.102 6.713 1996 4.620 3.267 7.194 1997 898 4.666 7.598 1998 543 5.502 7.971 1999 537 6.057 8.308 2000 433 5.081 8.516 2001 291 4.853 8.740 2002 239 4.763 8.916 1 Weil der Gesetzgeber keine Neuregelung der Vermögensteuer vorgenommen hat, ist eine Erhebung der Vermögensteuer nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Juni 1995 (Bundessteuerblatt (BStBl) II Seite 665) ab 1. Januar 1997 nicht mehr möglich. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 133/20 Seite 6 Jahr Vermögensteuer in Mio. Euro Grunderwerbsteuer in Mio. Euro Grundsteuer B in Mio. Euro 2003 230 4.800 9.317 2004 80 4.646 9.591 2005 97 4.791 9.897 2006 27 6.125 10.045 2007 5 6.952 10.358 2008 - 7 5.728 10.451 2009 7 4.857 10.580 2010 1 5.290 10.954 2011 - 4 6.366 11.306 2012 - 1 7.389 11.642 2013 - 1 8.394 11.992 2014 - 3 9.339 12.308 2015 - 1 11.249 12.821 2016 - 0 12.408 13.260 2017 0 13.139 13.561 2018 - 0 14.083 13.797 2019 0 15.789 14.032 Tabelle 1: Bundesministerium der Finanzen: Finanzbericht 2020, Tabelle 8, Kassenmäßige Steuereinnahmen nach Steuerarten in Mio. Euro. Für 2019: Bundesministerium der Finanzen: Finanzbericht 2021, Tabelle 9, Kassenmäßige Steuereinnahmen nach Steuerarten in den Kalenderjahren 2018 – 2021 (2020 und 2021) Schätzung Arbeitskreis „Steuerschätzungen “ vom September 2020. Wird ein Grundstück (oder Rechte, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen) verkauft und beträgt der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre unterliegt der Gewinn als privates Veräußerungsgeschäft nach § 23 Einkommensteuergesetz (EStG) der Einkommensteuer. Gebäude und Außenanlagen sind einzubeziehen , die Wirtschaftsgüter dürfen jedoch nicht zu eigenen Wohnzwecken genutzt worden sein. Verluste sind nur begrenzt verrechenbar. Eine steuerliche Statistik, wie viele Grundstücke innerhalb der Spekulationsfrist verkauft wurden, existiert nicht. Weiterhin unterfallen Mieteinnahmen oder realisierten Wertsteigerungen bei natürlichen Personen der Einkommensteuer. Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) werden zwar statistisch ausgewiesen, siehe nachfolgende Übersicht, ihr Anteil an der vom Steuerpflichtigen zu entrichtende Steuer ist aber nicht ermittelbar. Jahr Positive Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Mio. Euro 1989 9.653 1992 12.412 1995 14.901 1998 18.931 2001 20.446 2004 22.615 2007 24.433 2010 27.245 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 133/20 Seite 7 Jahr Positive Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung in Mio. Euro 2012 29.984 2013 31.884 2014 34.555 2015 37.028 2016 39.937 Tabelle 2: Statistisches Bundesamt (Destatis) 2020 Datenbank Genesis online, abgerufen am 3. Dezember 2020. Einkünfte aus einer privaten Vermietung und Verpachtung können bei natürlichen Personen einkommensteuerrechtlich auch unter Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG) fallen, wenn die Vermietung einen gewerbsmäßigen Charakter hat. Diese Einkünfte werden jedoch nicht ausgewiesen . Miteinkünfte von Personengesellschaften stellen immer Einkünfte aus Gewerbebetrieb dar. Die folgende Tabelle zeigt die positiven Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von Personengesellschaften und Gemeinschaften, wobei es sich allerdings auch um Einkünfte aus der Vermietung an Gewerbetreibende handeln kann. Jahr Positive Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von Personengesellschaften und Gemeinschaften in Mio. Euro 2007 7.261 2008 7.294 2009 7.901 2010 8.162 2011 8.493 2012 9.152 2013 9.479 2014 10.264 2015 11.466 Tabelle 3: Statistisches Bundesamt (Destatis) 2020 Datenbank Genesis online, abgerufen am 5. Dezember 2020. In der Körperschaftsteuerstatistik wird nach Wirtschaftszweigen differenziert. Für Körperschaften im Bereich Grundstücks- und Wohnungswesen wurde für Gewinnfälle in den letzten Jahren Körperschaftsteuer in folgender Höhe festgesetzt, wobei auch hier keine Trennung zwischen Vermietung an Private oder Gewerbetreibende erfolgt: Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 133/20 Seite 8 Jahr Festgesetzte positive Körperschaftsteuer für Körperschaften im Bereich Grundstücksund Wohnungswesen in Mio. Euro 2010 552,355 2013 814,885 2014 977,709 2015 1.248,351 Tabelle 4: Statistisches Bundesamt (Destatis) 2020 Datenbank Genesis online, abgerufen am 3. Dezember 2020. Die Transaktion von Grundstücken und Gebäuden kann auch der Erbschaft- und Schenkungsteuer unterliegen. Auch hier weist die Statistik nicht die Einkünfte und die darauf entfallenen Steuer für die verschiedenen geerbten oder geschenkten Vermögenswerte aus. 3. Frage 2: Welche weiteren Steuern auf Eigentum oder Transaktionen und daraus generierten Mieteinnahmen wurden in der Vergangenheit in Deutschland erhoben, auf welcher gesetzlichen Grundlage und mit welchem jeweiligen Steueraufkommen? Das Institut für Finanzen und Steuern hat in einer Veröffentlichung vom September 1973 frühere steuerrechtliche Versuche dokumentiert, „Wertsteigerungen des Grundbesitzes auch außerhalb der Spekulation zu erfassen oder seine Mobilität zu fördern“.2 Sofern nicht anders angegeben, sind die folgenden Angaben daraus entnommen. 3.1. Zuwachssteuergesetz vom 14. Februar 1911 Bis zur Einführung des Reich-Zuwachssteuergesetzes am 14. Februar 1911 (Reichsgesetzblatt (RGBl.) 1911, Seite 33) haben rund 470 deutsche Gemeinden Zuwachssteuern erhoben. Sie knüpften an den Eigentumswechsel an und verglichen zur Feststellung des Wertzuwachses den Veräußerungspreis mit dem früheren für das Grundstück gezahlten Erwerbspreis. Ein Teil des Wertzuwachses blieb steuerfrei. Die Steuersätze waren progressiv und in den verschiedenen Städten unterschiedlich hoch. Vielfach wurde die Steuer überhaupt nur dann erhoben, wenn seit dem früheren Eigentumswechsel weniger als 5 Jahre bei bebauten und weniger als 10 Jahre bei unbebauten Grundstücken verflossen waren. Die Länge der Frist für unbebaute Grundstücke sollte der Bodenspekulation entgegenwirken. In anderen Städten wurde das gleiche Ziel durch Ermäßigung der Steuersätze erreicht. Die im Einzelnen sehr unterschiedlichen Steuerordnungen der verschiedenen Städte führten schließlich im Jahr 1911 zum Erlass des Reich-Zuwachssteuergesetzes .3 2 Mönter, Wilhelm; Ziemer, Herbert: Zur Besteuerung der Bodenwertsteigerungen, Institut Finanzen und Steuern, Brief 141, September 1973, unter: https://www.ifst.de/wp-content/uploads/2013/09/141.pdf, abgerufen am 1. Dezember 2020. 3 Troll, Max: Grund und Boden – Politik und Steuern, Veröffentlichung der Studiengesellschaft zur Neugestaltung des Finanz- und Steuerrechts, Heft 12, Seite 60f, Heidelberg 1972. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 133/20 Seite 9 Nach der Regelung im Reich-Zuwachssteuergesetz wurde die Steuer anlässlich des Eigentumsübergangs erhoben. Dabei blieben die Fälle frei, in denen der Veräußerungspreis bei bebauten Grundstücken nicht mehr als 5.000 Mark betrug. Ferner durften weder der Veräußerer und sein Ehegatte im letzten Jahr ein Einkommen von mehr als 2.000 Mark gehabt, noch einer von ihnen den Grundstückshandel erwerbsmäßig betrieben haben. Von der Besteuerung waren die Erwerbe von Todes wegen sowie eine Reihe auch 1972 von der Grunderwerbsteuer freigestellten vergleichbaren Fällen ausgenommen. Als steuerpflichtiger Wertzuwachs galt der Unterschied zwischen dem Erwerbspreis und dem Veräußerungspreis, gegebenenfalls um einen Ausgleich für den durch den Veräußerer selbst veranlassten Wertzuwachs oder nicht in Anspruch genommene Entschädigungen erhöht. Der Steuersatz betrug 10 Prozent bei einer Wertsteigerung von mehr als 290 Prozent. Die Steuer sollte zu 50 Prozent dem Reich, in der Regel zu 10 Prozent dem zuständigen Land und zu 40 Prozent der Gemeinde, in der das Grundstück gelegen war, zufließen. Die Zuwachssteuer erfüllte offenbar nicht die vom Reich in sie gesetzten Erwartungen, denn mit dem „Gesetz über Änderungen im Finanzwesen“ vom 3. Juli 1913 (RGBl. Seite 521) zog sich das Reich von ihr zurück und suchte sich durch das unter dem gleichen Datum ergehende Besitzsteuergesetz (siehe unten) eine ergiebigere Steuerquelle zu schaffen. Das Zuwachssteuergesetz wurde zwar nicht aufgehoben, jedoch entfiel die Erhebung des Reichsanteils oder wurde zugunsten der Gemeinden, die früher schon eine Wertzuwachssteuer gehabt hatten, zeitweilig weiter erhoben. Für diese Gemeinden konnten die Landeszentralbehörden anordnen, dass die Satzungen, die vor dem 1. Januar 1911 bestanden hatten, wieder Geltung erhielten. Es wurde auch freigestellt, durch Landesgesetz oder gemäß Landesrecht durch ortsstatuarische Vorschriften eine andere Regelung der Besteuerung des Wertzuwachses zu treffen. 3.2. Besitzsteuergesetz vom 3. Juli 1913 Anders als die Beschränkung der Zuwachssteuer auf den durch Eigentumsübergang realisierten Wertzuwachs beim Grundbesitz stellte das Besitzsteuergesetz vom 3. Juli 1913 (RGBl. Seite 524) auf den Wertzuwachs des ganzen Vermögens ohne Rücksicht auf eine Realisierung ab. Besteuerungsgrundlage war der Vermögenszuwachs, der sich in einem jeweils dreijährigen Zeitraum ergab, beginnend mit dem Vermögenszuwachs in der Zeit vom 1. Januar 1914 bis 31. Dezember 1916. Der Grundbesitz war für diese Steuer mit den Gestehungskosten oder dem Ertragswert, Forderungen und Schulden mit dem Nennwert anzusetzen. Die Steuersätze betrugen 0,75 Prozent bis 1,5 Prozent mit Zuschlägen von 0,1 Prozent bis 1 Prozent bei einem Gesamtvermögen über 100.000 Mark. Die Abgabe war nicht von dem Zuwachs zu erheben, der den Betrag von 10.000 Mark nicht überstieg. Vermögen bis zu einem Gesamtwert von 20.000 Mark waren steuerfrei . 3.3. Kriegsteuergesetz vom 21. Juni 1916 Mit dem Kriegsteuergesetz vom 21. Juni 1916 (RGBl. Seite 561) wurde eine außerordentliche Kriegsabgabe eingeführt. Für sie bildete bei natürlichen Personen im Wesentlichen der nach dem Besitzsteuergesetz für die Zeit vom 1. Januar 1914 bis 31. Dezember 1916 festgestellte Vermögenszuwachs die Besteuerungsgrundlage. Die außerordentliche Kriegsabgabe war zu je einem Drittel 3 Monate nach Zugang des Steuerbescheids, zum 1. November 1917 und 1. März 1918 zu entrichten. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 133/20 Seite 10 "Die zusätzlichen Einnahmen, die man auf Grund der steuerlichen Maßnahmen der Jahre 1916-1918 erzielte, bleiben teilweise nicht unerheblich hinter den erwarteten Erträgen zurück , doch brachte die Kriegsabgabe von 1916 im Rechnungsjahr 1917 rund 4 Milliarden ein.4 3.4. Vermögenszuwachssteuergesetz vom 8. April 1922 Das Besitzsteuergesetz wurde zum Großteil durch das Vermögenszuwachssteuergesetz vom 8. April 1922, das zusammen mit dem Vermögensteuergesetz und anderen Gesetzen im Rahmen des „Gesetzes über Änderungen im Finanzwesen“ erlassen wurde (RGBl. Seite 335 (346)). Das Vermögenszuwachssteuergesetz bestimmte gleichfalls eine Besteuerung des Vermögenszuwachses , beginnend mit dem Zuwachs in der Zeit vom 1. Januar 1923 bis 31. Dezember 1925. Seine wesentliche Änderung gegenüber dem Besitzsteuergesetz bestand lediglich in einer engen Anlehnung an das Vermögensteuergesetz. So war der Vermögenzuwachs gleichzeitig mit der Feststellung des Vermögenswerts für die Vermögensteuer zu ermitteln, ferner waren beide Steuern zusammen zu veranlagen. Der Vermögenszuwachs war nur steuerpflichtig, wenn er 100.000 Mark überstieg. Die Steuer wurde nur erhoben, wenn das Endvermögen mehr als 200.000 Mark, bei über 60 Jahre alten oder erwerbsunfähigen oder nicht nur vorübergehend behinderten Steuerpflichtigen unter bestimmten Umständen mehr als 300.000 Mark betrug. Die Steuersätze lagen zwischen 1 und 10 Prozent. Infolge der Inflation kam das Gesetz nicht zu Anwendung. Es wurde durch das „Gesetz über Vermögen - und Erbschaftsteuer“ vom 10. August 1925 (RGBl. Seite 233) zunächst bis zum 31. Dezember 1928 außer Hebung gesetzt, ohne dann jedoch wieder angewandt zu werden. 3.5. Finanzausgleichsgesetz vom 23. Juni 1923 / 10. August 1925 Im Zusammenhang mit den noch geltenden Vorschriften des Zuwachssteuergesetzes sollte durch § 16 des Finanzausgleichsgesetzes vom 23. Juni 1923 (RGBl. Seite 494)5 in der Fassung des Finanzausgleichsänderungsgesetzes vom 10. August 1925 (RGBl. Seite 254) der Versuch gemacht werden, die Inflationsgewinne bei der Veräußerung des Grundbesitzes abzuschöpfen, den die Veräußerer in der Zeit vom 1. Januar 1919 bis 31. Dezember 1924 erworben hatten. Mangelnde feste Besteuerungsgrundlagen machten jedoch eine sachgerechte Besteuerung undurchführbar. Als 1944 das Zuwachssteuergesetz aufgehoben wurde und an seine Stelle gemäß § 15 Abs. 1 der Steuervereinfachungs-Verordnung vom 14. September 1944 (RGBl. Seite 205) ein Zuschlag von 2 Prozent zur Grunderwerbsteuer trat, war damit praktisch der Gedanke einer besonderen Besteuerung des Bodenwertzuwachses aufgegeben. 4 Deutsche Bundesbank (Hrsg.): Währung und Wirtschaft in Deutschland 1876-1975, Frankfurt am Main 1976, Seite 134 unter: http://www.digitalis.uni-koeln.de/Waehrung/waehrung_index.html, abgerufen am 14. Dezember 2020. 5 § 16 des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Reich, Ländern und Gemeinden (Finanzausgleichsgesetz) vom 23. Juni 1923 lautet wie folgt: „Werden von den Ländern und Gemeinden (Gemeindeverbänden) Steuern vom Wertzuwachs beim Übergang des Eigentums an Grundstücken erhoben, so bildet zur Feststellung des steuerbaren Wertzuwachses bei dem Erwerbs- und Verkaufspreis die innere Kaufkraft der Mark an den beiden Zeitpunkten die Grundlage der Wertbemessung.“ Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 133/20 Seite 11 3.6. Die Baulandsteuer nach dem Bundesbaugesetz Nach dem 2. Weltkrieg tauchten vereinzelt wieder Bestrebungen auf, die Wertzuwachssteuer einzuführen , ohne dass sie jedoch beim Bundesgesetzgeber und den Landesgesetzgebern auf Interesse stießen. Das galt auch für den 1956 eingebrachten „Entwurf eines Gesetzes zur Bodenbewertung und über Grundrentenabgabe“6, gegen den offiziell eingewandt wurde, dass dafür der Bund keine Gesetzgebungskompetenz habe. Nachdem jedoch infolge der unter dem 26. November 1936 ergangenen Verordnung über das Verbot von Preiserhöhungen (RGBl. Seite 965) über 20 Jahre hinaus kein eigentlicher durch offene Preise gesteuerter Bodenmarkt mehr bestand, sich dafür aber bei dem dringenden Bedarf an Bauland ein umso intensiverer sogenannter grauer Markt entwickelt hatte7, hielt es der Gesetzgeber im Rahmen des Bundesbaugesetzes vom 23. Juni 1960 (Bundesgesetzblatt (BGBl.) I Seite 341) für an der Zeit, auf den Grundstücksmarkt Einfluss zu nehmen. Bei der ersten Lesung des Gesetzes erklärte der Bundeswohnungsbauminister, dass es unter anderem ein „Grundziel des Gesetzes sei, sicherzustellen, dass dem Bodenwucher wirksam gegenübergetreten werde und ein Baumarkt entstehe, der Bauland zu gerechten Preisen anbiete“. Das sollte unter Aufhebung des Preisstopps durch grundsteuerliche Maßnahmen erreicht werden, die als Grundsteuer C oder Baulandsteuer bezeichnet wurden. Nach den durch das Bundesbaugesetz in das Grundsteuergesetz eingefügten §§ 12 a, b und c sollte sich die regulär 10 ‰ betragende Steuermesszahl für unbebaute baureife Grundstücke für die ersten zwei Kalenderjahre nach Feststellung oder Eintritt der Baureife auf 20 ‰, nach Ablauf dieser Zeit für die nächsten zwei Jahre auf 25 ‰ und danach auf 30 ‰ erhöhen. Im Falle der Bebauung des Grundstücks sollte der Steuermessbetrag rückwirkend für zwei Kalenderjahre vor der Fortschreibung als bebautes Grundstück wieder auf den alten Messbetrag herabgesetzt und die erhöhte Grundsteuer erstattet werden. Die Baulandsteuer war seit dem 1. Januar 1961 gut ein Jahr in Kraft, als ein Antrag der Fraktion der FDP zur Aufhebung der Baulandsteuer mit Wirkung vom 1. Januar 1963 durch das „Gesetz zur Änderung grundsteuerlicher Vorschriften“ vom 10. Juni 1964 führte (BGBl. I Seite 347) Sie wurde letztlich mit der Begründung aufgehoben, dass sie „kein geeignetes Mittel (darstelle), um den Baulandmarkt in dem gewünschten Sinne zu beeinflussen“8, aber auch wegen verfassungsrechtlicher Bedenken. Diese Bedenken hat der Bundesfinanzhof allerdings nicht bestätigt.9 6 Bundestags-Drucksache II/2132. 7 Siehe Begründung zum Entwurf des Bundesbaugesetzes vom 16. April 1958, Bundestags-Drucksache III/336, Seite 105. 8 So schriftlicher Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages vom 23. April 1964, zu Bundestags- Drucksache IV/2142. 9 Bundesfinanzhof, Urteil vom 19. April 1968, Aktenzeichen III R 78/67. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 133/20 Seite 12 4. Frage 3: Wie war die ab 1924 erhobene "Hauszinssteuer" konkret ausgestaltet? 4.1. Begründung und wesentliche Bestandteile des Gesetzes zum Geldentwertungsausgleich für die Länder („Hauszinssteuer“) Nach dem 1. Weltkrieg, der Zeit der Inflation und der schließlich erfolgten Währungsstabilisierung 1923 hatte die Wohnungskrise wegen des daniederliegenden Wohnungsbaus und der hohen Nachfrage durch Kriegsheimkehrer und nachgeholten Familiengründungen ein gigantisches Ausmaß angenommen. Die Reichsregierung hielt an der Politik der Wohnungsbaufinanzierung durch die öffentliche Hand fest.10 "Im wesentlichen beschaffte sich der Staat die Mittel aus der Wohnungsbauabgabe (Reichsgesetz über die Erhebung einer Abgabe zur Förderung des Wohnungsbaus vom 26. Juni 1921), die die Nutznießer (Mieter, Pächter, Eigentümer) der Pflicht einer Abgabe von 15% vom jährlichen Mietwert, zu dem noch Zuschläge der Gemeinden in gleicher Höhe kamen, unterwirft. … In der ursprünglichen Form der Wohnungsbauabgabe waren noch Zeichen einer Mietzinsoder (was dem Effekt nach auf dasselbe herausläuft) Wohnluxussteuer, d. h. die Mieter waren allein die gewollten Träger der Steuer: sie sollten entweder als Gegengabe für die Niedrighaltung der Mieten sozusagen solidarisch zur Verbilligung der Neubaumieten beitragen oder durch den Druck einer Steuer vor überhohem Wohnungsaufwand zurückschrecken."11 Einkommensschwache Mieter blieben von dieser Sondersteuer, die auf einen Vorschlag des Stadtbaurats Wagner aus Schöneberg zurückging, ausgenommen. Ab dem 1. April 1924 erfolgte eine durch die Inflation notwendig gewordene Neuregelung.12 Mit Gesetz vom 8. Dezember 1923 (RGBl. Seite 1179) erließ die Reichsregierung in der Dritten Steuernotverordnung vom 14. Februar 1924 (RGBl. Seite 74) zeitgleich Vorschriften zur Aufwertung von Vermögensanlagen, zu denen auch Hypotheken gehörten, und über einen Geldentwertungsausgleich für die Länder. Dem Geldentwertungausgleich lag "der Gedanke zugrunde, daß die Beschränkung der Hypothekenaufwertung dem Hausbesitzer gewisse Vorteile gebracht habe, weil er sein in bebautem Grundbesitz angelegtes Vermögen durch die Inflationszeit hindurch zu einem erheblichen Teil habe erhalten können. Zugleich sollte der Staat durch die Hauszinssteuer Mittel in die Hand bekommen, um durch Hergabe zinsverbilligter Hypotheken den dringend notwendigen Neubau von Wohnungen zu fördern und deren Mieten niedrig zu halten."13 10 Haerendel, Ulrike: Kommunale Wohnungspolitik im Dritten Reich, Studien zur Zeitgeschichte, Band 57, München 1999, Seite 111. 11 Herren, Arnolde: Das Problem des Lastenausgleichs in der Verteilung der Hauszinssteuer, Dissertation an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, 1931, Seite 5. 12 Häußermann, Hartmut; Siebel, Walter: Soziologie des Wohnens, Weinheim und München 1996, Seite 118. 13 Fabricius, Paulus: Die Abgeltung der Hauszinssteuer, Wirtschaftspolitische Zeitfragen, Heft 2, Leipzig 1942, Seite 1f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 133/20 Seite 13 Zum Geldentwertungsausgleich im Sinne des oben genannten Gesetzes hatten die Länder und nach näherer Bestimmung des Landesrechts die Gemeinden unter anderem eine Steuer auf bebauten Grundbesitz mit folgenden Rahmenbedingungen zu erheben (§§ 26 bis 32 des Gesetzes). – Das Aufkommen der Steuer sollte zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs der Länder und Gemeinden sowie für Aufwendungen zur gesetzlichen Wohlfahrtspflege dienen. 10 Prozent der aufkommenden Steuer mussten zur Förderung der Neubautätigkeit verwendet werden. – Die Länder wurden ermächtigt, die Mietzinsbildung abweichend von den Vorschriften des Reichsmietengesetzes vom 24. März 1922 (RGBl. Seite 273) zu regeln. Die Mieten sollten allmählich, auch unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit der Mieter, gemäß der allgemeinen Wirtschaftslage den Friedensmieten angenähert werden. Als Friedensmiete galt der Goldmarkbetrag des Mietzinses, der für die mit dem 1. Juli 1914 beginnende Mietzeit vereinbart war. – Die Besteuerung konnte in Form einer besonderen Aufwertungsteuer oder einer Steuer vom Grundvermögen erfolgen: – Eine besondere Aufwertungsteuer musste in einem von den Ländern zu bestimmendem Prozentsatz der Friedensmiete erhoben werden. Die Steuer war bei der den Ländern vorbehaltenen Regelung zur Mietzinsbildung auf den Mieter zu überwälzen . – Bei einer Besteuerung des Grundvermögens musste eine getrennte Berechnung der aufgrund der Verordnung berechneten Steuer und der allgemeinen Grundsteuer vorgesehen sein. – Die Steuer sollte so bemessen sein, dass durch die Miete mindestens die Betriebs- und Instandsetzungskosten zur Erhaltung des Gebäudes gedeckt werden. Die dem Eigentümer hiernach verbleibenden Beträge mussten am 1. April 1924 30 Prozent der Friedensmiete erreicht haben. – Von der Besteuerung waren Neubauten oder neu geschaffene Gebäudeteile auszuschließen, wenn der Bau erst nach dem 1. Juli 1918 bezugsfertig geworden ist, es sei denn, dass die Neubauten, Um- oder Einbauten mit Beihilfen aus öffentlichen Mitteln ausgeführt worden waren. Die aus der Besteuerung dieser Neubauten aufkommenden Steuerbeträge waren ausschließlich zur Förderung des Wohnungsneubaus zu verwenden. – Die Bestimmungen sollten nicht über den 31. März 1926 hinaus gelten. 4.2. Formen der Hauszinssteuer in den Ländern In Preußen, Bayern und einigen anderen Ländern hieß die aufgrund des Rahmengesetzes des Reiches erhobene Steuer Hauszinssteuer, in Hamburg Mietzinssteuer, in Sachsen Aufwertungsteuer Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 133/20 Seite 14 und in Baden Gebäudesondersteuer.14 Auf diese fünf Länder entfiel 90 Prozent des Hauszinssteueraufkommens im Deutschen Reich.15 Im Jahr 1925 erhoben bis auf Württemberg alle Länder eine Hauszinssteuer. Sie war in Waldeck mit 16 Prozent der Friedensmiete am niedrigsten und in Bayern mit 36 Prozent am höchsten. Die Prozentzahlen stiegen im Laufe der Jahre in allen Ländern an. 1928 reichte die Spanne von Bremen mit 20 Prozent zu Sachsen mit 51 Prozent.16 Eine mögliche Ausgestaltung der Hauszinssteuer soll am Beispiel Preußens gezeigt werden. Dort betrug die Hauszinssteuer generell 1.200 Prozent von der Steuer vom Grundvermögen. "Die Grundvermögensteuer beträgt je 1000 Reichsmark 2.40 Mk. jährlich. Rechnet man, daß je 1000 Mk. im Wohnungsbau angelegtes Kapital sich vor dem Krieg mit durchschnittlich 6% verzinst haben, so verhalten sich Grundvermögensteuer zur Verzinsung (= Jahresmiete auf 1000 Mk. Kapital) wie 2.40 : 60 = 4 : 100. Bei einer Grundvermögensteuer von 100% träfe man 4% der Friedensmiete, mit 1200% also 48% derselben. … Eine Miete von 120% der Friedensmiete zerfällt nach der üblichen Gliederung in 21% Zinsen (Aufwertung), 23% Instandsetzung , 21% Betriebs-, 7% Verwaltungskosten, 48% Hauszinssteuer. Die Steuer ist reich gestaffelt, und zwar erstens nach der hypothekarischen Belastung. Sie steigt in 5 Stufen, wachsend um 125% von 375 bis 1000%, sodann in 4 Stufen um 50% wachsen von 1000 bis 1200% der Grundvermögensteuer. Daneben werden Größe des Grundstücks und die Eigennützung verschieden gewertet, außerdem existiert eine Reihe von Erleichterungen ."17 In Hamburg hatte sich die Regierung für eine andere Variante entschieden: „Für Hamburg war die Neuregelung insofern günstig, als die Mietzinssteuer nicht erst eingeführt werden brauchte, sondern eine Erhöhung der bisherigen Grundsteuer genügte, die bereits den Charakter einer Mietzinssteuer trug.“18 14 Im Folgenden wird die Bezeichnung Hauszinssteuer verwendet. 15 Fabricius, Paulus: Die Abgeltung der Hauszinssteuer, Wirtschaftspolitische Zeitfragen, Heft 2, Leipzig 1942, Seite 1. 16 Führer, Karl Christian: Mieter, Hausbesitzer, Staat und Wohnungsmarkt, Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Nr. 119, Stuttgart 1995, Seite 408, Tabelle 10. 17 Herren, Arnolde: Das Problem des Lastenausgleichs in der Verteilung der Hauszinssteuer, Dissertation an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, 1931, Seite 11f. In der Fassung der Verordnung vom 21. Oktober 1932 (Preußische Gesetzsammlung, Seite 329) betrug die Steuer 960 Prozent der Steuer vom Grundvermögen, vgl. Hopfe, Emil: Die Veranlagung und Verwaltung der Hauszinssteuer in Preußen, Witzenhausen, 2. Auflage 1932, Seite 12. 18 Brandt, Jürgen: Hamburgs Finanzen von 1914 bis 1924, De Gruyter; Reprint 2019 Edition (1. April 1924), Seite 56. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 133/20 Seite 15 In den Ländern, in denen die Hauszinssteuer als Vielfaches der Grundsteuer erhoben wurde, ergaben sich wegen der komplizierten steuertechnischen Details für zahlreiche Hauswirte verdeckte Gewinne. "Der Hauswirt zog die Abgabe in Prozent der Friedensmiete von den eingehenden Zahlungen der Wohnungsinhaber ab und lieferte sie als prozentualen Aufschlag zur Grundsteuer an die öffentliche Hand ab. Dabei ergaben sich teilweise Diskrepanzen; die überschüssigen Summen verblieben beim Besitzer.19 Die Bestimmungen zur Hauszinssteuer mussten mehrfach geändert werden, weil die Steuer ihrem Ursprung und ihrer Ausgestaltung nach mit der jeweiligen Höhe der Mieten, mit der Verzinsung der Aufwertungshypotheken und mit der Regelung der Grundsteuer in Einklang gebracht werden musste. Durch die Grundsteuerreform 1936 ergaben sich weitere Änderungen. Das Gesetz vom 1. Dezember 1936 (RGBl. Seite 992) senkte die Hauszinssteuer in den höchsten Steuerstufen um ein Sechstel. "Nach der Grundsteuerreform des Jahres 1936 hatte die Hauszinssteuer, soweit sie in den Ländern an die frühere landesrechtliche Grundsteuer gebunden war, ihre Grundlage verloren. Mit reichsrechtlicher Ermächtigung wurde das Hauszinssteuerrecht deshalb in verschiedenen Punkten dem neuen Grundsteuergesetz und den dazu ergangenen Billigkeitsrichtlinien angepaßt und damit ein etwaiger spätere Einbau der Hauszinssteuer in die Grundsteuer vorbereitet . … Auch bei diesen Reformen konnten die Länder nicht immer einfache, aus sich heraus anzuwendende Vorschriften erlassen, mußten vielmehr, um unerwünschte Belastungsverschiebungen zu vermeiden, auf den früheren Regelungen weiterbauen. Es ist erklärlich, dass nach allem die Hauszinssteuer ungewöhnlich kompliziert war …"20 4.3. Aufkommen, Verwendung und Abschaffung der Hauszinssteuer Die Hauszinssteuer, die eigentlich nicht über den 31. März 1926 bestehen sollte, wurde als Finanzierungsquelle für die Länder und Gemeinden immer wichtiger: "Die gesamten Einnahmen der Länder und Gemeinden wurden zu über 10%, am Ende des Jahrzehnts sogar zu 20% aus dieser Steuer bestritten. Obwohl also diese Sondersteuer im Laufe der Zeit immer mehr zur Finanzierung der Länder- und Gemeindehaushalte insgesamt verwendet wurde, bildete sie doch die Basis für ein staatliches Engagement in der Wohnungsbaufinanzierung , das ohne Beispiel war. Im Jahr 1926 betrugen die Gesamtinvestitionen in den Wohnungsbau 1.900 Mill. RM. Mehr als ein Drittel davon (35,3%) wurden durch die Hauszinssteuer aufgebracht. Im Jahre 1930 waren es 2.400 Mill. RM, wovon noch 29% aus der Hauszinssteuer stammten. Zur Zeit der Weltwirtschaftskrise 1932 wurden nur noch 800 Mill. RM in den Wohnungsbau investiert. Da obendrein die Hauszinssteuer mehr und 19 Führer, Karl Christian: Mieter, Hausbesitzer, Staat und Wohnungsmarkt, Vierteljahresschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, Nr. 119, Stuttgart 1995, Seite 166. 20 Fabricius, Paulus: Die Abgeltung der Hauszinssteuer, Wirtschaftspolitische Zeitfragen, Heft 2, Leipzig 1942, Seite 3. Reichsrechtliche Ermächtigung: Gesetz vom 28. März 1938, RGBl. Seite 337. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 133/20 Seite 16 mehr für allgemeine Aufgaben der Gemeinden und Länder 'zweckentfremdet' wurde, betrug ihr Anteil an dieser geschrumpften Summe nur noch 6,3% …"21 Laut Paulus Fabricius wurden aus dem Aufkommen der Steuer 6 Mrd. Reichsmark an zinsverbilligten Hypotheken gegeben.22 1931 entfiel die Zweckbindung der Hauszinssteuer. Sie sollte nunmehr zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs der Länder und Gemeinden dienen. Die Länder konnten jedoch bestimmen , ob und inwieweit sie Mittel aus dem Aufkommen für den Wohnungsbau bereitstellen (RGBl. Seite 706). Auch weitere geplante Abschaffungen der Hauszinssteuer schlugen fehl: „Durch das Gesetz zur Förderung des Wohnungsbaues vom 30. März 1935 erhielt der Hausbesitz – mit wenigen Ausnahmen – die Auflage, den ursprünglich vorgesehenen Senkungsbetrag für die Rechnungsjahr 1935 und 1936 dem Reich als Anleihe für Zwecke des Kleinwohnungsbaues und der Kleinsiedlung zur Verfügung zu stellen. Die Grund- und Hausbesitzer wurden damit erheblich getäuscht, hatte ihnen die nationalsozialistische Propaganda vor 1933 doch die Beseitigung der Steuer versprochen.“23 Erst durch die Verordnung vom 31. Juli 1942 wurde die Hauszinssteuer als letzte Landessteuer beseitigt (RGBl. Seite 501). "Die bisher mit der Veranlagung und Erhebung der Steuer befassten Behörden, die außer den monatlichen Buchungen für etwa 3 Mill. Grundstücke zahlreich Einzelanträge zu bearbeiten hatten, werden von einer großen Verwaltungsarbeit entlastet; … Eine sofortige Entlastung des Althausbesitzes um jährlich etwa 850 Millionen Reichsmark war angesichts der finanziellen Auswirkungen des Krieges allerdings nicht vertretbar. Der Hauseigentümer wird deshalb wirtschaftlich so gestellt, als wenn die Steuer erst im Jahre 1956 ausliefe. Für insgesamt 32 Jahre (1924-1956) trägt der Althausbesitz neben der Grundsteuer diese Sonderbelastung. … Die Abgeltung der Steuer mit dem zehnfachen Jahresbetrag bringt dem Reich als Beitrag zur Kriegsfinanzierung gegen 8 Mrd. RM."24 5. Fragen 4 und 5: Auf welcher verfassungsrechtlichen oder gesetzlichen Grundlage könnte der Bund heute eine progressiv ausgestaltete, nicht auf die Mieterinnen und Mieter umlegbare Steuer auf Mieteinnahmen, angelehnt an die frühere Hauszinssteuer, erheben, und welche rechtlichen Hindernisse könnten dem entgegenstehen? 21 Häußermann, Hartmut; Siebel, Walter: Soziologie des Wohnens, Weinheim und München 1996, Seite 118. 22 Fabricius, Paulus: Die Abgeltung der Hauszinssteuer, Wirtschaftspolitische Zeitfragen, Heft 2, Leipzig 1942, Seite 3f. 23 Haerendel, Ulrike: Kommunale Wohnungspolitik im Dritten Reich, Studien zur Zeitgeschichte, Band 57, München 1999, Seite 131. 24 Fabricius, Paulus: Die Abgeltung der Hauszinssteuer, Wirtschaftspolitische Zeitfragen, Heft 2, Leipzig 1942, Seite 3f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 133/20 Seite 17 Unter welchen Bedingungen könnten Länder oder Kommunen eine entsprechende Steuer oder Abgabe auf Mieteinnahmen erheben? Wie in Kapitel 4 dargestellt, war die Hauszinssteuer eine Ländersteuer auf Grundlage eines Reichsrahmengesetzes, deren finanzieller Ertrag auch den Kommunen zugutekam. Es gab nicht eine Hauszinssteuer, sondern die Länder hatten gewisse Freiheiten bei der Ausgestaltung dieser Steuer, einigen Ländern war sie Teil der Grundsteuer. Ziele der Steuer waren, zumindest zu Beginn der Steuererhebung, die Erhöhung der Mieten, die Abschöpfung der Inflationsgewinne von hypothekenbelasteten Hausbesitzern und die Verwendung des Steuerertrags für den Wohnungsneubau . 5.1. Einbeziehung einer Steuer auf Mieteinnahmen in das bestehende Steuersystem Im geltenden Steuersystem unterliegen Mieteinnahmen der Einkommensteuer (vgl. Kapitel 2). Aufgrund des im Grundsatz bestehenden Systems der synthetischen Besteuerung werden zunächst alle steuerrelevanten Einkünfte ermittelt und Abzüge aufgrund der persönlichen Lebenssituation des Steuerpflichtigen vorgenommen. Das so ermittelte zu versteuernde Einkommen wird dem Steuersatz unterworfen. Eine Differenzierung der Einkünfte zur Ermittlung der Steuerbelastung erfolgt ausschließlich über die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen oder die Berücksichtigung etwaiger Verluste. Nur bei einem System der Schedulensteuer könnten Mieteinnahmen mit einem höheren Steuersatz belegt werden als andere Einnahmen. Eine Ausnahme im deutschen Steuerrecht macht jedoch die Besteuerung der Einkünfte aus privatem Kapitalvermögen, die einer Abgeltungsteuer unterliegen. Ziel der Einführung war die Sicherung des Steuersubstrats, nachdem Kapital der privaten Haushalte ins Ausland transferiert wurde. 25 Allerdings kann der persönliche Steuersatz auf die Einkünfte angewendet werden, wenn er unter dem Abgeltungssatz liegt. Insofern wäre die Steuer aus rein fiskalischen Gründen nicht sinnvoll. Zudem entfällt bei Steuern im Zusammenhang mit Immobilien das Argument der Verlagerung ins Ausland. Bei der Ermittlung der Grundsteuer werden nicht die tatsächlichen Mieteinnahmen, sondern die Ertragswerte aus der Vermietung in Form der Nettokaltmiete einbezogen. Dies entspricht dem Charakter der Grundsteuer als Objektsteuer (§ 3 Abs. 2 AO). Der Einbezug der tatsächlichen 25 Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD: Entwurf eines Unternehmensteuerreformgesetzes 2008, Bundestags-Drucksache 16/4841, Seite 30. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 133/20 Seite 18 Mieteinnahmen als Ertrag des Eigentümers wäre wegen des Gleichheitsgrundsatzes verfassungsrechtlich bedenklich26 Zudem sind Versuche, die Überwälzung der Grundsteuer auf die Mieter abzuschaffen, bisher gescheitert.27 Die nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts notwendige Reform des Grundsteuergesetzes sieht weiterhin die Nettokaltmiete als ein Element der Bewertung vor, die Länder können aber mit eigenen Gesetzen davon abweichen. Nachdem einige Länder von der Öffnungsklausel Gebrauch machen wollen28, wäre unabhängig von der Verfassungsbedenklichkeit kein bundeseinheitlicher Einbezug aller Mieteinnahmen in die Steuer gegeben. Dies verstieße wiederum gegen den Gleichheitsgrundsatz, nach dem wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich besteuert werden muss. Zudem soll die Umwälzung der Steuer auf die Mieter offenbar beibehalten werden. 5.2. Einführung einer neuen Steuer Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes (BVerfG) ist es dem Staat erlaubt, neue Steuern auch aus rein fiskalischen Gründen zu erheben.29 Der Gesetzgeber kann sich in der Ausübung seines Steuerfindungsrechts von finanzpolitischen, volkswirtschaftlichen, sozialpolitischen und steuertechnischen Erwägungen leiten lassen. Das BVerfG hat das Steuerfindungsrecht des Gesetzgebers nach Artikel 105 und Artikel 106 Grundgesetz (GG) jedoch zuletzt in seinem Urteil zur Kernbrennstoffsteuer erheblich eingeschränkt . Artikel 105 GG beinhaltet die ausschließliche Gesetzgebung des Bundes (Zölle und Finanzmonopole ) und die konkurrierende Gesetzgebung des Bundes (Grundsteuer und über die übrigen Steuern, wenn ihm das Aufkommen dieser Steuern ganz oder zum Teil zusteht) sowie die 26 Kirchhof, Gregor: Die Reform der Grundsteuer und das Maß des Grundgesetzes. Vorläufige Ergebnisse eines Gutachtens im Auftrag des Zentralen Immobilien Ausschusses, Januar 2019, Seite12f., unter: https://www.ziadeutschland .de/fileadmin/Redaktion/Meta_Service/PDF/G._Kirchhof__Gutachten_ZIA__10.1.2019.pdf, abgerufen am 7. Dezember 2020. 27 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz a) zu dem Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN "Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches und anderer Gesetze – Abschaffung der Grundsteuer-Umlagefähigkeit (Mieter-Grundsteuer-Entlastungsgesetz)"; b) zu dem Antrag der Fraktion DIE LINKE. "Grundsteuer nicht länger auf Mieterinnen und Mieter umlegen", Bundestags-Drucksache 19/14118 vom 16. Oktober 2019. 28 Eine aktuelle Übersicht über die Entscheidungen einiger Länder bietet: o. V.: Kabinettsbeschluss: Grundsteuer in Bayern ist durchgewunken, Haufe Online Redaktion, 8. Dezember 2020, unter: https://www.haufe.de/immobilien /wirtschaft-politik/grundsteuer-reform-nicht-am-ziel-aber-eckpunkte-stehen_84342_483246.html#!, abgerufen am 9. Dezember 2020. 29 Die folgenden Angaben mit den entsprechenden Quellennachweisen stammen, wenn nicht anders angegeben, aus: Wissenschaftliche Dienste Deutscher Bundestag: Besteuerung von leerstehenden Immobilien – Verfassungsrechtliche Möglichkeiten und Grenzen, WD 4 – 128/18, unter: https://www.bundestag.de/resource /blob/579568/a0610021144843a562dd02fda3fbd68e/WD-4-128-18-pdf-data.pdf, abgerufen am 9. Dezember 2020. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 133/20 Seite 19 Gesetzgebungsbefugnis der Länder über die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern. In Artikel 106 GG ist die Verteilung des Steueraufkommens und des Ertrages der Finanzmonopole niedergelegt . „Für die in Art. 105 und Art. 106 GG aufgeführten Steuern und Steuerarten verwendet das Grundgesetz Typusbegriffe. Innerhalb der durch Art. 105 und Art. 106 GG vorgegebenen, weit zu interpretierenden Typusbegriffe steht es dem Gesetzgeber offen, neue Steuern zu "erfinden ". Die Zuweisung von Gesetzgebungskompetenzen an Bund und Länder durch Art. 105 GG in Verbindung mit Art. 106 GG ist abschließend. Ein über den Katalog der Steuertypen des Art. 106 GG hinausgehendes allgemeines Steuererfindungsrecht lässt sich aus dem Grundgesetz nicht herleiten.“30 Eine neue, die Einnahmen aus Vermietung unterwerfende Steuer, müsste somit aus Artikel 106 GG ableitbar sein, sie passt jedoch nicht in dort genannten Typusbegriffe. Im Gegenteil: Art. 106 Abs. 3 GG weist namentlich das Aufkommen der Einkommensteuer, der Körperschaftsteuer und der Umsatzsteuer zu und lässt keinen Raum für eine weitere Steuer mit diesem Charakter . Das wird nach Gregor Kirchhof auch durch die Beschlüsse des BVerfG zur Vermeidung einer doppelten Besteuerung unterstrichen: "Die Kompetenzordnung des Grundgesetzes, die eindeutige Verteilung des steuerlichen Ertrags und die gleichheitsgerechte Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit verbieten dem Steuergesetzgeber, eine steuerliche Leistungsfähigkeit doppelt als Bemessungsgrundlage heranzuziehen oder eine Steuer zwei Mal zu regeln.“31 In anderen Beschlüssen hat das BVerfG die Steuergesetzgebungskompetenz der Länder präzisiert. Wie oben erläutert, gibt Artikel 105 Abs. 2a Satz 1 GG den Ländern die Befugnis zur Gesetzgebung über die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern, solange und soweit sie nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind. Aufwandsteuern sind Steuern auf das Halten beziehungsweise den Gebrauch von Gütern und Dienstleistungen. Das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt, dass für die Aufwandsteuer das Merkmal der "Einkommensverwendung" in erster Linie zur Abgrenzung von den Einkommensentstehungssteuern dient.32 Eine Steuer auf Mieteinnahmen hätte kein Merkmal der Einkommensverwendung und könnte somit nicht von Ländern geregelt werden. 30 Bundesverfassungsgericht, Leitsätze 1 bis 3 zum Beschluss des Zweiten Senats vom 13. April 2017, Aktenzeichen 2 BvL 6/13, Fassung Internetseite des Bundesverfassungsgerichts. 31 Kirchhof, Gregor: Die Reform der Grundsteuer und das Maß des Grundgesetzes. Vorläufige Ergebnisse eines Gutachtens im Auftrag des Zentralen Immobilien Ausschusses, Januar 2019, Seite 5, unter: https://www.ziadeutschland .de/fileadmin/Redaktion/Meta_Service/PDF/G._Kirchhof__Gutachten_ZIA__10.1.2019.pdf, abgerufen am 7. Dezember 2020. 32 Mit weiteren Nachweisen: Wissenschaftliche Dienste Deutscher Bundestag: Besteuerung von leerstehenden Immobilien – Verfassungsrechtliche Möglichkeiten und Grenzen, WD 4 – 128/18, unter: https://www.bundestag .de/resource/blob/579568/a0610021144843a562dd02fda3fbd68e/WD-4-128-18-pdf-data.pdf, abgerufen am 9. Dezember 2020. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 133/20 Seite 20 6. Fragen 6 und 7: Internationale Beispiele für eine Besteuerung im Zusammenhang mit Wohnobjekten Mieteinnahmen werden typischerweise im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung besteuert. So gelten diese beispielsweise in Frankreich oder Großbritannien als Einkünfte aus Grundvermögen , in Schweden hingegen als Einkommen aus Kapital. Nur in den drei genannten Ländern gelten nach vorliegenden Informationen besondere Regeln bei der Besteuerung im Zusammenhang mit Wohnobjekten. 6.1. Frankreich 6.1.1. Einkommensteuerreduzierung (Loi Pinel) In Frankreich ansässige Steuerpflichtige können maximal 12 Jahre lang von einer Einkommensteuerreduzierung profitieren, wenn sie eine neue Immobilie an bestimmten Orten bauen lassen und sie an Personen mit geringem Einkommen vermieten. Die Steuerbefreiung besteht im Abzug eines Teils der Anschaffungskosten (bis zu 21 Prozent bzw. maximal 63.000 Euro bei 12 Jahren). Das Programm soll bis Ende des Jahres 2021 laufen.33 6.1.2. Wohnungsbauabgabe (participation des employeurs à l’effort de construction) Unternehmen mit mindestens 20 Beschäftigten müssen Zwangsbeiträge zum Wohnungsbau in Höhe von 0,45 Prozent der im Vorjahr gezahlten Löhne und Gehälter zahlen. Beteiligt sich der Arbeitgeber nicht an diesen Investitionsbeträgen, so muss er eine Abgabe in Höhe von 2 Prozent der Lohnsumme zahlen.34 Die Wohnungsbauabgabe wird hauptsächlich in Form langfristiger Darlehen an Arbeitnehmer oder in Form von Beiträgen an bestimmte Kollektiveinrichtungen (wie z. B. Action Logement Services 35) entrichtet. Action Logement Services verwaltet die von den betroffenen Unternehmen gezahlte Wohnungsbauabgabe, um so ihre beiden Hauptaufgaben zu erfüllen: Unterstützung der Arbeitnehmer in ihrer Wohn- und beruflichen Mobilität durch Dienstleistungen und finanzielle Unterstützung, um den Zugang zu Wohnraum und damit zu Beschäftigung zu erleichtern, Bauen und Finanzieren von Sozial- und Zwischenwohnungen, vor allem in angespannten Gebieten. 33 Aktuelle Informationen über das „Loi Pinel“ unter: https://www.loipinel.fr/, abgerufen am 15. Dezember 2020. 34 Mennel/Förster, Steuern, 121. Lieferung 2019, Hellio/Cadet/Fermine, Frankreich, Rz. 300. 35 https://www.economie.gouv.fr/entreprises/entreprises-un-pour-cent-logement-peec, abgerufen am 15. Dezember 2020. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 133/20 Seite 21 Action Logement Services ist außerdem ein wichtiger Finanzier der öffentlichen Hand für die Stadterneuerung und Wiederbelebung mittelgroßer Städte.36 6.1.3. Wohnsteuer (taxe d’habitation) Der französischen Wohnsteuer unterliegen alle Bewohner (Mieter und Eigentümer) von möblierten Räumen. Für ihre Höhe spielt die persönliche Situation des Steuerzahlers eine Rolle und es werden Steuererleichterungen für Personen mit geringem Einkommen, die nicht der Vermögensteuer unterliegen, gewährt. Die Wohnsteuer ist eine Steuer, die zugunsten der örtlichen Gemeinden erhoben wird, die den Steuersatz jeweils festlegen. Die Wohnsteuer gilt auch für Zweitwohnsitze , wobei Gemeinden, in denen eine Abgabe für leerstehende Wohnungen erhoben wird, die Wohnsteuer um 20 Prozent erhöhen dürfen.37 Durch das Finanzgesetz 2020 wird jedoch für 80 Prozent der Steuerhaushalte die Wohnsteuer endgültig abgeschafft, nachdem sie 2018 bereits um 30 Prozent und 2019 um 65 Prozent gesenkt wurde. Für die verbleibenden Haushalte beträgt der Rückgang 2021 30 Prozent und 2022 65 Prozent . Im Jahr 2023 wird kein Haushalt mehr Wohnsteuer auf seinen Hauptwohnsitz zahlen müssen .38 Die Wohnsteuer wird zur Finanzierung öffentlicher Dienstleistungen auf kommunaler Ebene verwendet . Sie trägt insbesondere zur Finanzierung von Sozial- und Schulkosten, Sport- und Kultureinrichtungen sowie der Straßenunterhaltung bei. Im Jahr 2016 sollte sie (nach einer Prognose der Generaldirektion für öffentliche Finanzen) 21,9 Mrd. Euro betragen.39 6.2. Großbritannien Bei Einkünften aus Grundvermögen ist in Großbritannien der Überschuss der Einnahmen über die (Werbungs-) Kosten steuerpflichtig. Dies betrifft nur die laufenden Kosten, da Abschreibungen für Wohnbauten nicht berücksichtigungsfähig sind. Wenn Schulden für den Erwerb aufgenommen werden und das Grundstück während einer Veranlagungsperiode von mindestens 26 Wochen vermietet oder verpachtet ist, sind auch die Zinszahlungen abzugsfähig. In einem ansonsten eigengenutzten Haus gibt es zudem eine Freigrenze von 7.500 britischen Pfund40 bei der Vermietung von Wohnräumen.41 36 https://groupe.actionlogement.fr/qui-sommes-nous, abgerufen am 15. Dezember 2020. 37 Mennel/Förster, Steuern, 121. Lieferung 2019, Hellio/Cadet/Fermine, Frankreich Rz. 345. 38 https://www.economie.gouv.fr/particuliers/taxe-habitation, abgerufen am 15. Dezember 2020. 39 https://www.lesechos.fr/2017/06/mais-a-quoi-sert-la-taxe-dhabitation-174448, abgerufen am 15. Dezember 2020. 40 1 GBP = 1,1032 Euro, Stand 15. Dezember 2020. 41 Mennel/Förster, Steuern, 110. Lieferung 2017, Altmann, Großbritannien, Rz. 130 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 133/20 Seite 22 6.3. Schweden Der Einkommensteuersatz für Mieteinnahmen aus der Vermietung und Untervermietung von Privathäusern , Eigentumswohnungen und Mietwohnungen beträgt 30 Prozent. Abzugsfähig sind Kosten für die Vermietung in Höhe von maximal 40.000 schwedischen Kronen42 pro Jahr. Außerdem können bei der Vermietung von Ein- und Zweifamilienhäusern 20 Prozent der Mieteinnahmen abgezogen werden. 6.4. Wien Die historische Wohnbausteuer wurde ab dem 1. Februar 1923 in Wien erhoben. Sie war zweckgebunden und ermöglichte es, ein umfassendes kommunales Wohnungsbauprogramm einzuleiten , durch welches (unter Verwendung zusätzlicher Mittel aus dem ordentlichen Budget) bis 1933 über 63.000 Wohnungen erbaut werden konnten.43 Die Wohnbausteuer war sozial gestaffelt, nämlich von 2,1 Prozent für kleine Arbeiterwohnungen bis zu 36,6 Prozent für Luxuswohnungen mit einem Friedenszins von 100.000 Kronen. 1925 betrugen die Bruttoeinnahmen aus dieser Steuer 37,9 Mio. Schilling, 1930 36,3 Mio. Schilling und 1933 50,8 Mio. Schilling.44 7. Fragen 8 und 9: Durch welche Instrumente, auf welcher gesetzlichen Grundlage und in welcher Höhe werden Bau, Kauf, Verwaltung und Vermietung von Wohnungen steuerlich begünstigt oder gefördert? Welche Steuermindereinnahmen folgen aus der steuerlichen Begünstigung beziehungsweise Förderung von Bau, Kauf, Verwaltung und Vermietung 2017, 2018, 2019? Bei den nachstehend aufgelisteten Instrumenten handelt es sich um Steuervergünstigungen im Sinne des aktuellen Subventionsberichts der Bundesregierung.45 – §§ 13 Abs.5, 15 Abs. 1, 18 Abs. 4 EStG: Steuerfreie Entnahme von Grund und Boden aus dem Betriebsvermögen beim Bau einer eigengenutzten Wohnung oder einer Altenteilerwohnung . 2017 bis 2020: jährlich 35 Mio. Euro (Bund: 15 Mio. Euro). – § 3 Nr. 59 EStG: Steuerbefreiung der Mietpreisvorteile, die Arbeitnehmern im Rahmen eines Dienstverhältnisses gewährt werden, soweit sie die Vorteile aus einer entsprechenden Förderung nach dem Zweiten Wohnungsbaugesetz, nach dem Wohnraumförderungsgesetz oder einem Landesgesetz zur Wohnraumförderung nicht überschreiten. 2017 bis 2020: Genauere Berechnung des Steuerausfalls wegen unzureichenden Datenmaterials bzw. wegen besonderer Schwierigkeiten bei der Schätzung nicht möglich. 42 1 SEK = 0,0981 Euro, Stand 15. Dezember 2020. 43 Czeike, Felix, Historisches Lexikon Wien, Band 1, S. 458. 44 https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Wohnbausteuer, abgerufen am 15. Dezember 2020. 45 Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Finanzhilfen des Bundes und der Steuervergünstigungen für die Jahre 2017 bis 2020 (27. Subventionsbericht), Bundestags-Drucksache 19/15340. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 133/20 Seite 23 – § 7b EStG: Sonderabschreibungen zur steuerlichen Förderung des Mietwohnungsneubaus in Höhe von jährlich bis zu 5 Prozent der Anschaffungs- oder Herstellungskosten über einen Gesamtzeitraum von 4 Jahren zusätzlich zur linearen Absetzung für Abnutzung von jährlich 2 Prozent, wenn die geförderten neuen Wohnungen mindestens 10 Jahre zu Wohnzwecken vermietet werden, der Bauantrag/die Bauanzeige nach dem 31. August 2018 und vor dem 1. Januar 2022 gestellt wird und eine Baukostenobergrenze in Höhe von 3.000 Euro je m² Wohnfläche eingehalten wird. Zusätzlich ist die maximal förderfähige Bemessungsgrundlage auf 2.000 Euro je m² Wohnfläche begrenzt. 2019: Genauere Berechnung des Steuerausfalls wegen unzureichenden Datenmaterials bzw. wegen besonderer Schwierigkeiten bei der Schätzung nicht möglich. 2020: 5 Mio. Euro (Bund: 2 Mio. Euro). – § 7h EStG: Erhöhte Absetzungen bei Gebäuden in Sanierungsgebieten und städtebaulichen Entwicklungsbereichen. Die Absetzungen betragen jährlich bis zu 9 Prozent für die ersten 8 Jahre und 7 Prozent für vier weitere Jahre der begünstigten Aufwendungen (bis 2003: 10 Jahre bis zu 10 Prozent). 2017 bis 2020: jährlich 56 Mio. Euro (Bund: 24 Mio. Euro). Fallzahl : ESt 14.000; Personengesellschaften k.A.; Körperschaften 70. – § 7i EStG: Erhöhte Absetzungen bei Baudenkmalen. Die Absetzungen betragen jährlich bis zu 9 Prozent für die ersten 8 Jahre und bis zu 7 Prozent für 4 weitere Jahre der begünstigten Aufwendungen (bis 2003: jährlich bis zu 10 % für 10 Jahre). 2017: 78 Mio. Euro (Bund: 33 Mio. Euro), 2018 bis 2020: jährlich 79 Mio. Euro (Bund: 34 Mio. Euro). Fallzahl: ESt 14.000; Personengesellschaften k.A.; Körperschaften 130. – § 10a EStG (Sonderausgabenabzug) und §§ 79-99 EStG (Zulage): Zum Aufbau einer zusätzlichen kapitalgedeckten Altersvorsorge. Im Rahmen des Eigenheimrentengesetzes vom 29. Juli 2008 wurde ab dem Veranlagungsjahr 2008 die Einbeziehung des selbstgenutzten Wohneigentums erweitert und das genossenschaftliche Wohnen integriert. Ab diesem Zeitpunkt können beispielsweise auch Tilgungsbeiträge, die der Bildung von selbstgenutztem Wohneigentum dienen, unter bestimmten Voraussetzungen steuerlich gefördert werden. Außerdem besteht die Möglichkeit, das angesparte Altersvorsorgevermögen förderunschädlich zur Entschuldung des selbstgenutzten Wohneigentums einzusetzen. Grundzulage: 175 Euro pro Jahr, Kinderzulage 185 Euro pro Jahr (für ein nach dem 31. Dezember 2007 geborenes Kind: 300 Euro pro Jahr). Die gesamten Steuermindereinnahmen (also nicht nur für "Wohn-Riester) werden für 2020 auf 731 Mio. Euro geschätzt. – § 10f EStG: Steuerbegünstigung für zu eigenen Wohnzwecken genutzte Baudenkmale und Gebäude in Sanierungsgebieten und städtebaulichen Entwicklungsbereichen. 2017: 140 Mio. Euro (Bund: 60 Mio. Euro); 2018: 142 Mio. Euro (Bund: 60 Mio. Euro); 2019: 143 Mio. Euro (Bund: 61 Mio. Euro); 2020: 144 Mio. Euro (Bund: 61 Mio. Euro). Fallzahl: ESt 50.000. – § 5 Abs. 1 Nr. 10 KStG und § 3 Nr. 15 GewStG: Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuerbefreiung bestimmter Rechtsformen in der Wohnungswirtschaft und der Siedlungspolitik wegen ihrer sozialen Bedeutung: Genossenschaften und Vereine, soweit sie sich auf die Vermietung von Wohnungen an ihre Mitglieder beschränken. Mit Gewinnen aus nicht begüns- Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 133/20 Seite 24 tigten Tätigkeiten sind die Genossenschaften und Vereine partiell steuerpflichtig. Übersteigen die Einnahmen aus den nicht begünstigten Tätigkeiten 10 Prozent der gesamten Einnahmen , verlieren die Unternehmen ihre Steuerfreiheit in vollem Umfang. Zukünftig bleibt bei Wohnungsgenossenschaften und - vereinen deren Steuerbefreiung für Vermietungseinkünfte grundsätzlich erhalten, wenn sie solare Mieterstromanlagen betreiben (Gesetz zur steuerlichen Förderung des Mietwohnungsneubaus). – § 5 Abs. 1 Nr. 12 KStG und § 3 Nr. 17 GewStG: Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuerbefreiung bestimmter Rechtsformen in der Wohnungswirtschaft und der Siedlungspolitik wegen ihrer sozialen Bedeutung: Beschränkung auf gemeinnützige Siedlungsunternehmen und ihre eigentümlichen Aufgaben (zum Beispiel Bereitstellung von Flächen für kleinere landwirtschaftliche Betriebe). Nicht mehr begünstigt ist zum Beispiel der Wohnungsbau. Übersteigen die Einnahmen aus den nicht begünstigten Tätigkeiten die begünstigten Einnahmen , entfällt die Steuerbefreiung in vollem Umfang. – § 13 des Fünften Vermögensbildungsgesetzes: Gefördert wird untern anderem auch das Bausparen, ähnliche Anlageformen und die wohnungswirtschaftliche Verwendung. Die Arbeitnehmer -Sparzulage beträgt 9 Prozent bis zu einem Anlagehöchstbetrag von 470 Euro im Jahr. Die Einkommensgrenzen betragen 17.900 Euro/35.800 Euro zu versteuerndes Einkommen für alleinstehende/verheiratete beziehungsweise verpartnerte Arbeitnehmer. 2017, 2018, 2020: jährlich 80 Mio. Euro; 2020: 100 Mio. Euro (inklusive Beteiligung Arbeitnehmer am Produktivkapital). Im Oktober 2019 erfolgte im Auftrag des Bundesministeriums der Finanzen eine Evaluierung der einkommensteuerlichen Steuervergünstigungen im Wohnungswesen und Städtebau.46 8. In welcher Form und in welcher Höhe kann Wohnungsleerstand steuerlich abgesetzt werden ? Für wie viele leerstehende Wohnungen wurden schätzungsweise in den Jahren 2017, 2018 und 2019 Anträge auf steuerliche Absetzbarkeit bewilligt und wie hoch sind die dadurch entstandenen geschätzten Steuermindereinnahmen? Ein wesentliches Tatbestandmerkmal von § 21 EStG ist die Einkünfteerzielungsabsicht, die sich aber nicht aus dieser Norm, sondern aus § 2 Abs. 1 Nr. 6 EStG erschließt. Der Steuerpflichtige muss die Absicht haben, auf Dauer gesehen nachhaltig Überschüsse zu erzielen. Dabei wird nicht auf das Ergebnis der Vermögensnutzung eines oder weniger Jahre oder auf einen Vorteil durch 46 Thöne, Michael (Hrsg): Evaluierung von Steuervergünstigungen Evaluierungsgruppe D: Einkommensteuer – Wohnungswesen und Städtebau, Finanzwissenschaftliches Forschungsinstitut an der Universität zu Köln in Kooperation mit ZEW – Leibniz‐Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung, Leibniz‐Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität zu München (ifo Institut) und Fraunhofer‐Institut für Angewandte Informationstechnik , FiFo‐Berichte Nr. 28‐D, Oktober 2019, unter: https://www.ifo.de/DocDL/FiFo-Bericht%2028- D%20BMF-fe10-16_StV-Eval_D.pdf, abgerufen am 10. Dezember 2020. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 133/20 Seite 25 Steuerminderung abgestellt, sondern auf das positive Gesamtergebnis der voraussichtlichen Vermögensnutzung .47 Andernfalls werden negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung steuerlich nicht berücksichtigt. Auch der Abzug von Aufwendungen für leerstehende Wohnimmobilien als – vorab entstandene – Werbungskosten setzt voraus, dass der Steuerpflichtige mit Einkünfteerzielungsabsicht handelt. Die Rechtsprechung unterscheidet drei Fallgruppen: – Aufnahme der Einkünfteerzielungsabsicht bei einer nach Anschaffung, Herstellung und Selbstnutzung leerstehenden Immobilie. Aufwendungen für eine nach Herstellung, Anschaffung oder Selbstnutzung leerstehende Wohnung können als – vorab entstandene – Werbungskosten abziehbar sein, wenn der Steuerpflichtige die Einkünfteerzielungsabsicht hinsichtlich dieses Objekts erkennbar aufgenommen . Die Einzelfallumstände, aus denen sich die Aufnahme der Einkünfteerzielungsabsicht ergibt, sind in erster Linie ernsthafte und nachhaltige Vermietungsbemühungen des Steuerpflichtigen. – Aufgabe der Einkünfteerzielungsabsicht nach vorangegangener dauerhafter Vermietung der Wohnimmobilie. Aufwendungen für eine Wohnung, die nach vorheriger (auf Dauer angelegter) Vermietung leer steht, sind auch während der Zeit des Leerstands als Werbungkosten abziehbar, solange der Steuerpflichtige den ursprünglichen Entschluss zur Einkünfteerzielung im Zusammenhang mit dem Leerstand der Wohnung nicht endgültig aufgegeben hat. – Verlust der Einkünfteerzielungsabsicht bei strukturell bedingtem Leerstand der Wohnimmobilie . Auch im Falle eines langfristigen, strukturell bedingten Leerstands besteht eine nachweisliche aufgenommene Einkünfteerzielungsabsicht – wie in der zweiten Fallgruppe – grundsätzlich zunächst indiziell weiter. Allerdings kann ein besonders lang andauernder Leerstand nach vorheriger, auf Dauer angelegter Vermietung dazu führen, dass eine vom Stpfl. aufgenommene Einkünfteerzielungsabsicht – trotz ernsthafter und nachhaltiger Vermietungsbemühungen – ohne sein Zutun oder Verschulden wegfällt; hiervon kann im Einzelfall aber nur ausgegangen werden, wenn ein objektives Vermietungshindernis besteht.48 47 Schallmoser, Ulrich: EStG § 21 Vermietung und Verpachtung, Randnummer 150, in: Blümich: Einkommensteuergesetz , Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Werkstand: 154. Ergänzungslieferung Juli 2020, beckonline . 48 Schallmoser, Ulrich: EStG § 21 Vermietung und Verpachtung, Randnummern 210 bis 214, in: Blümich: Einkommensteuergesetz , Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Werkstand: 154. Ergänzungslieferung Juli 2020, beck-online. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 133/20 Seite 26 Wie in Kapitel 2 im Zusammenhang mit den Steuereinnahmen kurz erläutert, kann die Vermietung von unbeweglichem Vermögen eine gewerbliche Tätigkeit im Sinne von § 15 oder 18 EStG darstellen, wenn „im Einzelfall besondere Umstände vorliegen, welche der Betätigung des Vermieters als Ganzes gesehen das Gepräge einer selbständigen, nachhaltigen, von Gewinnstreben getragenen Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr verleihen, hinter welche die Nutzung des Vermögens zurücktritt“.49 Auch hier muss somit eine Einnahmeerzielungsabsicht vorliegen, ansonsten droht die Nichtanerkennung der steuerlichen Verluste. * * * 49 Schallmoser, Ulrich: EStG § 21 Vermietung und Verpachtung, Randnummern 591 bis 595, mit Hinweis auf Urteil des Bundesfinanzhofs vom 18. Januar 1973, Aktenzeichen IV R 196/71, in: Blümich: Einkommensteuergesetz , Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Werkstand: 154. Ergänzungslieferung Juli 2020, beck-online .