© 2019 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 133/19 Einkünfteerzielungsabsicht bei Vermietung und Verpachtung Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Konkurrierende Einkunftsarten bei Vermietung und Verpachtung 6 4.2. Abgrenzung der Einkünfteerzielungsabsicht zur Liebhaberei bei Einkünften nach § 21 EStG 7 5. Ist die Vermietung im Sinn der gesetzlichen Regelung (Erzielung nachhaltiger Gewinne/Überschüsse) beweislastpflichtig? 9 6. Wann und wie oft wird dies von den Finanzämtern geprüft? Wird dies von den Finanzämtern einheitlich gehandhabt? 9 7. Sind hierzu Reformüberlegungen beziehungsweise Gesetzesinitiativen bekannt? 11 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 133/19 Seite 4 1. Vorbemerkung Grundlage des Auftrags ist der Beschluss des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 25. Juni 1984.1 Darin stellt der Große Senat fest, dass analog zu den Gewinneinkünften des Einkommensteuergesetzes (EStG)2 auch bei den Überschusseinkünften3 eine einkommensteuerrechtlich relevante Betätigung oder Vermögensnutzung nur dann als gegeben angesehen wird, wenn die Absicht besteht, auf Dauer gesehen nachhaltige Überschüsse zu erzielen. Aus diesem Beschluss ergeben sich für den Auftraggeber insbesondere für die Überschusseinkunftsart Vermietung und Verpachtung nach § 21 EStG verschiedene Fragen. Im Folgenden wird der Begriff Einkünfteerzielungsabsicht als Oberbegriff für die Gewinnerzielungsabsicht bei den Gewinneinkünften und für die Überschusserzielungsabsicht bei den Überschusseinkünften verwendet. 2. Regelung der Einkünfteerzielungsabsicht im Einkommensteuergesetz Für den Großen Senat des BFH ergibt sich die Notwendigkeit der Einkünfteerzielungsabsicht aus dem Zweck des Einkommensteuergesetzes. Dieses diene dazu, Mittel für die öffentliche Hand zu beschaffen und dabei den Steuerpflichtigen entsprechend seiner Leistungsfähigkeit heranzuziehen .4 Während der Steuerpflichtige die im Zusammenhang mit seiner Einkunftserzielung entstehenden Verluste steuermindernd geltend machen möchte, versagen die Finanzverwaltung, die Finanzgerichte und der Steuergesetzgeber die Geltendmachung bestimmter Verluste. Dazu gehören auch diejenigen Verluste, die aufgrund fehlender Einkünfteerzielungsabsicht entstanden sind.5 Im Einkommensteuergesetz ist der Begriff der Einkünfteerzielungsabsicht selbst nicht definiert. § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG definiert jedoch darüber den Gewerbebetrieb: „Eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, ist Gewerbebetrieb, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft 1 Bundesfinanzhof: Beschluss vom 25. Juni 1984, Aktenzeichen GrS 4/82, Bundessteuerblatt Teil II 1984, Seite 751, Randnummer 184 in der Fassung von juris. 2 § 2 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 EStG: Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (§ 13 EStG), Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG) und Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 18 EStG). 3 § 2 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 4 bis 7 EStG: Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (19 EStG), Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG), Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) und sonstige Einkünfte im Sinne des § 22 EStG. 4 Bundesfinanzhof: Beschluss vom 25. Juni 1984, Aktenzeichen GrS 4/82, Bundessteuerblatt Teil II 1984, Seite 751, Randnummer 183 in der Fassung von juris. 5 Urban, Sandro: Die Einkünfteerzielungsabsicht in der Systematik des Einkommensteuergesetzes, Dissertation Universität Regensburg, Baden-Baden 2010. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 133/19 Seite 5 noch als Ausübung eines freien Berufs noch als eine andere selbständige Arbeit anzusehen ist.“ Aus der Abgrenzung des Gewerbebetriebs zu den anderen Gewinneinkünften wird in der Literatur geschlossen, dass die genannten Merkmale der Betätigung (Selbständigkeit, Nachhaltigkeit etc.) genauso für die beiden anderen Gewinneinkünfte Land- und Forstwirtschaft und selbständige Arbeit zur Prüfung der Gewinnerzielungsabsicht heranzuziehen sind. Auch für die Überschusseinkünfte wird die Überschusserzielungsabsicht mangels Definition aus dem EStG abgeleitet. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG unterliegen der Einkommensteuer die Einkünfte , die der Steuerpflichtige „erzielt“. Der Begriff beinhalte das Hinarbeiten auf und das Erreichen eines Ziels.6 Das Wort „erzielen“ wurde erst 1975 ohne weitere Begründung in das EStG eingefügt, früher wurden Einkünfte nach § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG „bezogen“.7 3. Beziehen sich die gesetzlichen Regelungen sowohl auf Wohnimmobilien als auch auf Gewerbeimmobilien beziehungsweise welche Unterscheidungen bestehen? Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung im Sinne des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG sind Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von unbeweglichem Vermögen. Eine Unterscheidung von Wohn- und Gewerbeimmobilien wird an dieser Stelle nicht vorgenommen. Eine Unterscheidung erfolgt wiederum durch die Rechtsprechung des BFH. Auch in einem neueren Urteil vom 2019 erläutert er, dass nach dem Regelungszweck des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit von Wohnimmobilien grundsätzlich und typisierend unterstellt wird, dass der Steuerpflichtige beabsichtigt, einen Einnahmenüberschuss zu erwirtschaften. Bei der Vermietung von Wohnimmobilien wird nur dann nicht von einer Einkünfteerzielungsabsicht ausgegangen, wenn besondere Umstände oder Beweiszeichen gegen eine auf Dauer angelegte Vermietungstätigkeit sprechen (zu besonderen Umständen und Beweiszeichen siehe unten). Bei der Vermietung von Gewerbeimmobilien hingegen ist die Überschusserzielungsabsicht stets ohne typisierende Vermutung im Einzelfall festzustellen. Denn die Vermietung zu gewerblichen Zwecken ist wegen ihres Einflusses auf den Gebrauchswert der Immobilie nicht mit einer auf Dauer ausgerichteten Wohnraumvermietung vergleichbar.8 Folglich muss bei einer Vermietung von Gewerbeobjekten die Einkunftserzielungsabsicht unabhängig von einer auf Dauer angelegten Vermietung stets geprüft werden (zur Überschussprognose siehe unten). 6 Mit weiteren Hinweisen Credo, Hartmut: Abgrenzung von Einkünfteerzielungsabsicht und Liebhaberei am Beispiel der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, Dissertation Jena 2005, Seite 26ff. Die elektronische Fassung der Dissertation ist herausgegeben von der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena, sie ist abrufbar unter: https://www.db-thueringen.de/servlets/MCRFileNodeServlet/dbt_derivate_00004248/Credo.pdf, abgerufen am 5. November 2019. 7 Zur Entwicklung des Begriffs vgl. Urban, Sandro: Die Einkünfteerzielungsabsicht in der Systematik des Einkommensteuergesetzes , Seite 110, Dissertation Universität Regensburg, Baden-Baden 2010. 8 Bundesfinanzhof: Urteil vom 19. Februar 2019, Aktenzeichen IX R 16/18. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 133/19 Seite 6 4. Kann beziehungsweise wie wird zwischen der Einkünfteerzielungsabsicht und der sogenannten Liebhaberei unterschieden? Welche (weiteren) Implikationen ergeben sich hieraus ? 4.1. Konkurrierende Einkunftsarten bei Vermietung und Verpachtung An dieser Stelle soll kurz auf den Umstand eingegangen werden, dass Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung auch zu einer anderen Einkunftsart gehören können. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sind nach § 21 Abs. 3 EStG anderen Einkunftsarten zuzurechnen, soweit sie zu diesen gehören. Die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG) sind gegenüber denen aus Vermietung und Verpachtung vorrangig. Für die Unterscheidung ist entscheidend, in wessen vorrangigem Interesse das vermietete oder verpachtete Objekt genutzt wird. § 20 Abs. 3 EStG und § 22 Nr. 1 Satz 1 EStG regeln hingegen ausdrücklich die Nachrangigkeit der Einkünfte aus Kapitalvermögen sowie der sonstigen Einkünfte. Im Zusammenhang mit den Einkünften aus Kapitalvermögen stellt sich regelmäßig die Frage, ob die Zinsen Entgelt für eine Nutzungsüberlassung darstellen. Allerdings ordnet der BFH Zinseinnahmen den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung bereits dann zu, wenn die Einnahmen mit einer Nutzungsüberlassung in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen, zum Beispiel wenn Verzugszinsen fällig werden.9 Bei der Abgrenzung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu Einkünften aus Gewerbebetrieb nach § 15 EStG ist zunächst maßgeblich, ob der Vermietungsgegenstand zu einem Betriebsvermögen gehört. Anderenfalls sind, unabhängig vom Umfang des vermieteten Immobilienvermögens , grundsätzlich Einkünfte nach § 21 EStG anzunehmen.10 Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist eine private Vermögensverwaltung und als Folge Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung im Sinne von § 21 EStG anzunehmen, solange sich die Tätigkeit noch als Nutzung von Grundbesitz durch Fruchtziehung aus zu erhaltender Substanz darstellt. Hingegen liegt ein Gewerbebetrieb vor, wenn nach dem Gesamtbild der Betätigung und unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung die Umschichtung von Vermögenswerten und deren Verwertung als Vermögenssubstanz in den Vordergrund tritt. Bei der Vermietung von Wohnungen führt nicht jede über die Zurverfügungstellung von Wohnraum hinausgehende Sonderleistung schon dazu, dass der Charakter der Vermögensverwaltung verloren ginge. Solche Umstände werden aber insbesondere dann bejaht, wenn wegen bestimmter , ins Gewicht fallender, bei der Vermietung von Räumen nicht üblicher Sonderleistungen des 9 Mellinghoff, Rudolf, in: Kirchhof, Paul; Seer, Roman: Einkommensteuergesetz, 18. Auflage 2019, § 21 EStG. Schallmoser, Ulrich, in: Blümich, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Stand Juli 2019, 148. Ergänzungslieferung, EStG § 21. 10 Hey, Johanna in: Tipke, Klaus; Lang, Joachim: Steuerrecht, 23. Auflage 2018, Die einzelnen Einkunftsarten, Randziffer 516. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 133/19 Seite 7 Vermieters oder wegen eines besonders häufigen Wechsels der Mieter eine gewisse, einem gewerblichen Beherbergungsbetrieb wie einem Hotel oder einer Fremdenpension vergleichbare, unternehmerische Organisation erforderlich ist.11 Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehören auch die Gewinne, die bei einer Veräußerung des Gewerbebetriebs unter Aufdeckung der stillen Reserven erzielt werden (§ 16 EStG). Darüber hinaus unterliegen Gewerbebetriebe gegebenenfalls weiteren Steuern wie der Umsatzsteuer und der Gewerbesteuer. Kann die Einkunftserzielungsabsicht (noch) nicht abschließend beurteilt werden, erfolgt die Festsetzung der Einkommensteuer vorläufig nach § 165 Abs. 1 Abgabenordnung (AO), sie ist also zu einem späteren Zeitpunkt zugunsten, aber auch zuungunsten des Steuerpflichtigen änderbar. 4.2. Abgrenzung der Einkünfteerzielungsabsicht zur Liebhaberei bei Einkünften nach § 21 EStG Ebenso wie die Einkünfteerzielungsabsicht ist die Liebhaberei nicht im EStG definiert, vielmehr wurde der Begriff durch die Rechtsprechung geprägt.12 Vor dem Urteil des Großen Senats von 1984 beruhte Liebhaberei laut BFH ausschließlich auf privater Neigung. Noch 1980 urteilte er: „Es ist schwer vorstellbar, dass jemand Gebäude oder Räume in Gebäuden ohne Überschusserzielungsabsicht lediglich aus persönlicher Neigung an Fremde vermietet.“13 In der weiteren Rechtsprechung schließt die Liebhaberei neben der privaten Neigung zum Beispiel auch eine Steuerersparnisabsicht ein.14 Im Urteil des Großen Senats des BFH ist Liebhaberei ein Verhalten des Steuerpflichtigen, das unter keine Einkunftsart passt. Kennzeichnend für diese Einkunftsarten ist, dass die ihnen zugrundeliegenden Tätigkeiten oder Vermögensnutzungen auf eine größere Zahl von Jahren gesehen der Erzielung positiver Einkünfte oder Überschüsse dienen. Fehlt es an dieser Voraussetzung, so fallen die wirtschaftlichen Ergebnisse auch dann nicht unter eine Einkunftsart, wenn sie sich ihrer Art nach unter § 2 Abs. 3 EStG einordnen ließen. 11 Bundesfinanzhof: Urteil vom 14. Juli 2016, Aktenzeichen IV R 34/13, Randnummer 35ff. 12 Credo, Hartmut: Abgrenzung von Einkünfteerzielungsabsicht und Liebhaberei am Beispiel der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, Dissertation Jena 2005, Seite 25. Der Verfasser verweist auf § 8 der Verordnung über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 2 der Abgabenordnung, in dem das Wort „Liebhaberei“ überhaupt vorkäme. Die elektronische Fassung der Dissertation ist herausgegeben von der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena, sie ist abrufbar unter: https://www.db-thueringen .de/servlets/MCRFileNodeServlet/dbt_derivate_00004248/Credo.pdf, abgerufen am 5. November 2019. 13 Bundesfinanzhof: Urteil vom 21. Oktober 1980, Aktenzeichen VIII R 81/79, Randnummer 14 bei juris. 14 Urban, Sandro: Die Einkünfteerzielungsabsicht in der Systematik des Einkommensteuergesetzes, Seiten 100ff., 195f., Dissertation Universität Regensburg, Baden-Baden 2010. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 133/19 Seite 8 Als Konsequenz daraus wirken sich Verluste, die dem Steuerpflichtigen durch ein solches, unter keine Einkunftsart fallendes Verhalten entstehen, ebenso wenig einkommensmindernd aus, wie etwaige Gewinne oder Überschüsse daraus das steuerpflichtige Einkommen erhöhen.15 Wie oben erläutert, geht der BFH bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit von Wohnimmobilien grundsätzlich und typisierend davon aus, dass der Steuerpflichtige beabsichtigt , einen Einnahmenüberschuss zu erwirtschaften. Er geht nur dann nicht von einer Einkünfteerzielungsabsicht aus, wenn besondere Umstände oder Beweiszeichen gegen eine auf Dauer angelegte Vermietungstätigkeit sprechen. Die Finanzverwaltung16 teilt einige der möglichen Umstände und Beweiszeichen in vier Gruppen auf: – nicht auf Dauer angelegte Vermietung: befristete Vermietung, zeitnahe Veräußerung, Mietkauf- und Bauherrenmodelle, unbebaute Grundstücke. – Verbilligte Überlassung von Wohnraum nach § 21 Abs. 2 EStG: Seit dem Veranlagungszeitraum 201217 ist bei einer dauerhaft verbilligten Überlassung von Wohnraum keine Überschussprognose mehr erforderlich. Es ist zu prüfen, ob die vereinbarte und tatsächlich gezahlte Warmmiete weniger als 66 Prozent der ortsüblichen Miete beträgt. Sofern die Grenze von 66 Prozent erreicht ist, wird von Gesetzes wegen eine Vollentgeltlichkeit unterstellt. Die Werbungskosten hinsichtlich dieser Wohnung sind in voller Höhe abzugsfähig. Beträgt das Entgelt für die Überlassung weniger als 66 Prozent der ortsüblichen Miete, so ist die Nutzungsüberlassung in einen entgeltlichen und einen unentgeltlichen Anteil aufzuteilen. Werbungskosten können nur entsprechend dem entgeltlichen Anteil anerkannt werden. Eine Überschussprognose (siehe unten) ist nicht erforderlich. – Ferienwohnungen: Bei Ferienwohnungen wird zwischen ausschließlicher Vermietung und zeitweiser Selbstnutzung unterschieden. Bei ausschließlicher Vermietung wird eine Einkünfteerzielungsabsicht unterstellt, wenn die Ferienwohnung nicht selbstgenutzt wird und die tatsächliche Vermietung mindestens 75 Prozent der ortsüblichen Vermietungszeit beträgt. In diesem Fall ist keine Überschussprognose (siehe unten) zu erstellen. Bei einer zeitweisen Selbstnutzung sind die Aufwendungen der Selbstnutzung nicht abziehbar, die Aufwendungen für die zeitweise Vermietung unter bestimmten Bedingungen. 15 Bundesfinanzhof: Beschluss vom 25. Juni 1984, Aktenzeichen GrS 4/82, Bundessteuerblatt Teil II 1984, Seite 751, Randnummer 183 in der Fassung von juris. 16 Bayerisches Landesamt für Steuern: Einkunftserzielung bei Vermietung und Verpachtung, vom 1. Dezember 2018, Schema auf Seite 42, unter: https://datenbank.nwb.de/Dokument/Anzeigen/772792/, abgerufen am 5. November 2019. 17 Steuervereinfachungsgesetz 2011 vom 1. November 2011, Bundesgesetzblatt Teil I, Seite 2131. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 133/19 Seite 9 – Sonstige Fälle: Luxuswohnungen, unbebaute Grundstücke, Verlustzuweisungsgesellschaften. Ob die jeweilige Vermietungstätigkeit einen Totalüberschuss innerhalb des Zeitraum der tatsächlichen Vermögensnutzung erwarten lässt, hängt von einer vom Steuerpflichtigen zu erstellenden Prognose über die voraussichtliche Dauer der Vermögensnutzung (der BFH geht von 30 Jahren aus), die in dieser Zeitspanne voraussichtlich erzielbaren steuerpflichtigen Einnahmen und anfallenden Werbungskosten (zum Beispiel Regel-Abschreibungen) ab.18 Fällt die Prognose positiv aus, sind Verluste anzuerkennen, fällt sie negativ aus, werden die Verluste nicht anerkannt. Nicht in die Überschussprognose einbezogen werden Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften nach § 23 EStG. Diese fallen an, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung eines Grundstücks nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Bei streitigen Fällen wird die Steuerverwaltung die Bescheide auch hier nach § 165 Abs. 1 AO vorläufig erlassen, mit den entsprechenden Rechtsunsicherheiten. 5. Ist die Vermietung im Sinn der gesetzlichen Regelung (Erzielung nachhaltiger Gewinne /Überschüsse) beweislastpflichtig? Die objektive Beweislast (Feststellungslast) für das Vorliegen der Einkünfteerzielungsabsicht bei Vermietung und Verpachtung nach § 21 EStG trägt im Zweifel der Steuerpflichtige. Er kann das gegen die Einkünfteerzielungsabsicht sprechende Beweisanzeichen erschüttern.19 6. Wann und wie oft wird dies von den Finanzämtern geprüft? Wird dies von den Finanzämtern einheitlich gehandhabt? Die Verwaltung der Steuern und somit auch etwaige Prüfungen der Steuerpflichtigen obliegen nach Artikel 108 Grundgesetz (GG) bis auf die dort genannten Ausnahmen den Ländern. Wie die Steuerpflichtigen geprüft werden, hängt von der Einkunftsart ab. So ist eine Außenprüfung beim Steuerpflichtigen als besonders angeordnete Prüfung nach § 193 Abgabenordnung (AO) nur zulässig bei – Steuerpflichtigen mit Gewinneinkünften und bei – Steuerpflichtigen, deren positive Überschusseinkünfte in der Summe im Kalenderjahr mehr als 500.000 Euro betragen (umgangssprachlich Einkommensmillionäre). Bei anderen Steuerpflichtigen ist eine Außenprüfung nur zulässig, 18 Schreiben des Bundesministerium der Finanzen vom 8. Oktober 2004: Einkunftserzielung bei den Einkünften aus der Vermietung und Verpachtung, IV C 3 - S 2253 - 91/04, abrufbar bei beck-online mit BeckVerw 058992. 19 Ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, vgl. zum Beispiel Beschluss vom 30. November 2005, Aktenzeichen IX B 172/04. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 133/19 Seite 10 – soweit sie die Verpflichtung dieser Steuerpflichtigen betrifft, für Rechnung eines anderen Steuern zu entrichten oder Steuern einzubehalten und abzuführen, – wenn die für die Besteuerung erheblichen Verhältnisse der Aufklärung bedürfen und eine Prüfung an Amtsstelle nach Art und Umfang des zu prüfenden Sachverhalts nicht zweckmäßig ist oder – wenn ein Steuerpflichtiger seinen Mitwirkungspflichten nicht nachkommt. Die Organisation der Außenprüfung ist in den Bundesländern nicht einheitlich. Vielfach ist der Prüfungsdienst Teil eines Finanzamts und meist zuständig für die Bezirke mehrerer Finanzämter. Der Prüfungsdienst kann auch in einem eigenen Prüfungs-Finanzamt zusammengefasst sein. Nach § 19 Abs. 1 Finanzverwaltungsgesetz (FVG) ist das Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) berechtigt, an Außenprüfungen der Landesfinanzbehörden mitzuwirken. Bei Großbetrieben soll sich ein Prüfungszeitraum an den anderen anschließen, so dass diese lückenlos in einem Dreijahresturnus geprüft werden sollen (§ 4 Abs. 2 Betriebsprüfungsordnung - BpO). Bei anderen Betrieben (Mittel-, Klein- und Kleinstbetriebe) ist kein bestimmter Prüfungsturnus vorgesehen.20 Bei Steuerpflichtigen mit Überschusseinkünfte wird es deshalb überwiegend keine Außenprüfungen geben. Die Finanzverwaltung Nordrhein-Westfalen veröffentlicht die Schwerpunkte der Prüfungen in den Finanzämtern: „Im Kalenderjahr 2019 werden durch die Finanzämter die zentralen Prüffelder ‚Prüfung der Einkunftserzielungsabsicht (Liebhaberei) bei § 15 und § 18 EStG‘ sowie ‚Verlustabzug bei Körperschaften gem. § 8c KStG‘ bearbeitet. Die für das Kalenderjahr 2019 von den Finanzämtern ausgewählten dezentralen Prüffelder ergeben sich aus der beigefügten Tabelle .“21 „Von Zeit zu Zeit wird jeder Steuerfall gründlicher unter die Lupe genommen. Dafür haben wir ein System ausgetüftelt, bei dem auch der Zufall eine Rolle spielt.“22 20 Melchior, Jürgen: Außenprüfung, Beck'sches Steuer- und Bilanzrechtslexikon. 21 Ministerium der Finanzen des Landes Nordrhein-Westfalen: Prüffelder für das Kalenderjahr 2019, unter: https://www.finanzverwaltung.nrw.de/de/prueffelder-fuer-das-kalenderjahr-2019, abgerufen am 8. November 2019. 22 Katharina Hacker, Sprecherin der Oberfinanzdirektion Nordrhein-Westfalen, in einem Interview mit Stiftung Warentest Finanztest vom, 21. Juli 2015: Wie prüft das Finanzamt? unter: https://www.test.de/Interview-Wieprueft -das-Finanzamt-4880122-0/, abgerufen am 11. November 2019. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 133/19 Seite 11 7. Sind hierzu Reformüberlegungen beziehungsweise Gesetzesinitiativen bekannt? Die fehlenden gesetzlichen Definitionen zum Beispiel der Einkünfteerzielungsabsicht sollen zeigen , dass der Gesetzgeber die Lösung der Problematik bewusst der Rechtsprechung und der Literatur zugewiesen hat.23 Insofern sind vermutlich keine Konkretisierungen zu erwarten. Beim sogenannten Wohngipfel am 21. September 2018 im Bundeskanzleramt sind keine Beschlüsse zu einer Änderung von § 21 EStG gefasst worden.24 Die Bundesregierung hat wiederholt Initiativen des Bundesrates abgelehnt, in § 21 Abs. 2 EStG die verbilligte Überlassung von Wohnraum zu ändern. Der Bundesrat schlägt vor, bereits bei 50 Prozent der ortsüblichen Miete die Vollentgeltlichkeit zu unterstellen, sodass die Werbungskosten in voller Höhe abziehbar sind. Die Bundesregierung gibt jedoch zu bedenken, dass bei der häufigen Konstellation der verbilligten Vermietung zwischen Angehörigen die Gefahr des Missbrauchs bestehe. Auch kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Herabsetzung der Teilentgeltlichkeitsgrenze zu einer Beihilfe im Sinne von Artikel 107 AEUV führt. Der Bundesrat hat zudem vorgeschlagen, § 21 Abs. 2 EStG dahingehend zu ändern, dass die Vermietung durch einen Arbeitgeber im Rahmen eines Ausbildungsdienstverhältnisses als entgeltlich gilt. Die Bundesregierung hat eine Prüfung zugesagt.25 Neu geregelt werden soll nach dem Willen des Bundestages die Befreiung von der Einkommensbesteuerung von Sachleistungen des Wohnraumnehmers und des Wohnraumgebers zur Förderung alternativer Wohnformen (zum Beispiel das Konzept „Wohnen für Hilfe“). Wohnraumnehmer sind zumeist Studierende. Wohnraumgeber können neben Senioren zum Beispiel auch junge Familien sein. Für den Wohnraumnehmer lagen bisher regelmäßig Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nach § 19 EStG vor. Der Wohnraumgeber konnte gegebenenfalls Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach § 21 EStG erzielen.26 Zur Frage der Vereinheitlichung des Steuervollzugs gab es in der letzten Wahlperiode einen Vorstoß der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Sie beklagten die ineffiziente Organisation der Steuerverwaltung im föderalen System. Das Nebeneinander von 16 Landessteuerverwaltungen habe sich nicht bewährt. Einzelnen gelinge es erfolgreich, sich ihrer Steuerverantwortung zu ent- 23 Zur Entwicklung des Begriffs vgl. Urban, Sandro: Die Einkünfteerzielungsabsicht in der Systematik des Einkommensteuergesetzes , Seite 117, Dissertation Universität Regensburg, Baden-Baden 2010. 24 Gemeinsame Wohnraumoffensive von Bund, Ländern und Kommunen, Ergebnisse des Wohngipfels, unter https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/downloads/DE/veroeffentlichungen/2018/ergebnisse-wohngipfel .pdf;jsessionid=1B7B1F319AD116B3BAB5B6A1FFB12657.2_cid295?__blob=publicationFile&v=6 25 Entwurf eines Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften, Bundestags-Drucksache 19/13436, und Gegenäußerung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrates, Bundestags-Drucksache 19/13712. 26 § 3 Nummer 49 EStG im Entwurf eines Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften, Bundestags-Drucksache 19/13436. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 133/19 Seite 12 ziehen, andere Steuerpflichtige könnten nicht immer darauf vertrauen, dass sie überall im Bundesgebiet gleich behandelt würden. Deshalb beantragte die Fraktion unter anderem die Vorgabe bundeseinheitlicher quantitativer und qualitativer Vollzugsziele und die vollständige Verlagerung der Zuständigkeit für die Steuerprüfung großer Unternehmen beziehungsweise Konzerne sowie Einkommensmillionäre auf den Bund. Die Fraktionen von CDU/CSU und SPD lehnten den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN mit der Begründung ab, dass bei der Frage einer Bundessteuerverwaltung mit den Bundesländern keine Einigung erzielt werden könnte.27 * * * 27 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses … zu dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Bundestags-Drucksache 18/2877: Für eine Bundessteuerverwaltung – Gleiche Grundsätze von Flensburg bis zum Bodensee, Bundestags-Drucksache 18/12127, Seite 47.