© 2020 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 130/20 Maßgebliche Einflüsse auf finanzpolitische Kennziffern und ihre Komponenten in den Jahren 2010 bis 2019 Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 130/20 Seite 2 Maßgebliche Einflüsse auf finanzpolitische Kennziffern und ihre Komponenten in den Jahren 2010 bis 2019 Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 130/20 Abschluss der Arbeit: 1. Dezember 2020 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 130/20 Seite 3 1. Fragestellung – Wie sind die Begriffe Staatsquote, Steuerquote, Sozialquote und Abgabenquote definiert? – Wie haben sich Staatsquote, Steuerquote, Sozialquote und Abgabenquote in den Jahren 2010 – 2020 (jeweils nach Jahren in Prozent) entwickelt? – Welche Gründe waren maßgebend für die Entwicklung der Staatsquote, Steuerquote, Sozialquote und Abgabenquote in den Jahren 2010 – 2020 (nach Jahren differenziert)? 2. Definitionen, Werte und Erläuterungen Die in den Fragestellungen genannten Quoten definieren sich wie folgt: – Staatsquote (oder Ausgabenquote): Gesamtausgaben des Staates (Bund, Länder, Gemeinden, Sozialversicherung) in Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). – (Volkswirtschaftliche) Steuerquote: Steuern einschließlich Erbschaftsteuer und Steuern an die EU in Prozent des Bruttoinlandprodukts – Sozialbeitragsquote: Sozialbeiträge in Prozent des Bruttoinlandsprodukts. – Abgabenquote: Steuern einschließlich Erbschaftsteuer und Steuern an die EU und tatsächliche Sozialbeiträge in Prozent des Bruttoinlandprodukts.1 Die nachfolgenden Daten sind dem Datenportal des Bundesministeriums der Finanzen entnommen : Die Entwicklung der Staatsquote und die Entwicklung der Steuer- und Abgabenquoten in Abgrenzung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR), aktualisiert am 25. September 2020. Jahr Staatsquote Steuerquote Sozialbeitragsquote Abgabenquote 2010 48,1 % 21,8 % 16,6 % 38,4 % 2011 45,2 % 22,3 % 16,4 % 38,8 % 2012 44,9 % 22,9 % 16,6 % 39,4 % 2013 44,9 % 23,0 % 16,6 % 39,5 % 2014 44,3 % 22,8 % 16,5 % 39,3 % 2015 44,1 % 23,1 % 16,6 % 39,7 % 2016 44,4 % 23,4 % 16,7 % 40,1 % 2017 44,2 % 23,5 % 16,9 % 40,4 % 2018 44,5 % 23,9 % 17,1 % 40,9 % 2019 45,2 % 24,0 % 17,3 % 41,3 % 1 Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 2020/21, Erläuterungen zu Tabelle 6. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 130/20 Seite 4 Eine systematische Analyse der Entwicklung aller Quoten enthielten bis 2012 die Geschäftsberichte der Deutschen Bundesbank. In den Jahren danach gehen die Deutsche Bundesbank, ebenso wie das Bundesministerium der Finanzen und der Sachverständigenrat für die Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in ihren entsprechenden Berichten nicht mehr regelmäßig auf die Quoten ein. Stattdessen stehen die Ursachen für die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts , der Staatsausgaben, der Steuern und der Sozialabgaben und damit indirekt die Quoten im Mittelpunkt der Berichterstattung. Die nachfolgende Darstellung enthält deshalb, auf Grundlage der Berichte in den jeweiligen Jahren , eine Zusammenstellung der auffälligsten Ereignisse bei der konjunkturellen Entwicklungen, den gesetzlichen Änderungen oder bei Sonderfaktoren, die auf die Komponenten der Quoten gewirkt haben. Deshalb ist es möglich, dass ein bei den Akteuren kassenwirksames Ereignis hervorgehoben wird, obwohl es sich gemäß des Systems der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung um eine Ausgabenminderung handelt, die mehrere Jahre betrifft. Zudem wird, wenn es bedeutsam erschien, über hohe Transfers zwischen Bund, Ländern und Sozialversicherungsträgern berichtet. Für das Jahr 2020 sind wegen der Corona-Pandemie noch keine seriösen Voraussagen über die Entwicklung der Quoten und ihrer Komponenten möglich. 3. 2010 Die finanzpolitischen Kennziffern für das Jahr 2010 wurden von der anziehenden konjunkturellen Entwicklung geprägt. Die deutsche Volkswirtschaft hat sich überraschend schnell von der Finanzkrise 2008/2009 erholt, die Wirtschaftsleistung nahm im Jahr 2010 um 3,6 Prozent zu. Hauptantriebskraft für die konjunkturelle Erholung war die Belebung der Weltwirtschaft und des Welthandels. Trotzdem nahm die konjunkturbereinigte Staatsquote wegen des dynamischen Anstiegs der Gesundheitsausgaben (siehe unten) sowie die höheren Kapitaltransfers aufgrund der Hilfsmaßnahmen für die Hypo Real Estate noch etwas zu. Bei der gesunkenen Steuerquote wirkten sich zum einen die Mindereinnahmen durch Rechtsänderungen (die Anhebung des Kindergelds zum Jahresbeginn 2010, die erweiterte Absetzbarkeit von Versicherungsbeiträgen durch das Bürgerentlastungsgesetz und die Konjunkturpakete) aus. Zum anderen entwickelten sich die Bruttolöhne und -gehälter und der private Verbrauch schwächer als das Bruttoinlandsprodukt. Die Erlöse aus der Versteigerung von Nutzungsrechten der Frequenzen für den drahtlosen Netzzugang zum Angebot von Telekommunikationsdiensten in Höhe von rund 4,4 Mrd. Euro wurden im Bundeshaushalt vereinnahmt. Die Entwicklung der Ländersteuern mit Aufkommensverlusten von fast 26 Prozent war gekennzeichnet durch die Kompetenzverlagerung bei der Kraftfahrzeugsteuer. Für die Erholung des Haushalts der Bundesagentur für Arbeit war neben der günstigeren Entwicklung am Arbeitsmarkt die Bereitstellung beträchtlicher Mittel durch den Bund maßgeblich. Die Beiträge legten vor allem durch die Erträge aus der Insolvenzgeldumlage nach der Erhöhung des Umlagesatzes von 0,1 Prozent auf 0,41 Prozent zu. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 130/20 Seite 5 Bei der gesetzlichen Rentenversicherung trug die Nullanpassung der Renten zur Jahresmitte 2010 bei positiver Beitragsentwicklung zur Verbesserung der Finanzlage bei. Im Gesamtsystem der gesetzlichen Krankenversicherung (Krankenkassen und Gesundheitsfonds Fußnote: Die hauptsächliche Einnahmenquelle der gesetzlichen Krankenkassen besteht aus den im Voraus festgelegten monatlichen Überweisungen des Gesundheitsfonds.) ergab sich 2010 ein Überschuss. Der Gesundheitsfonds profitierte von der günstigen Entwicklung der beitragspflichtigen Einkommen trotz Beitragssatzminderung von 15,5 Prozent auf 14,9 Prozent zum 1. Juli 2009. Der Gesundheitsfonds erhielt deutlich höhere Bundeszuschüsse, die von einem verlangsamten Ausgabenanstieg bei den Krankenkassen begleitet wurden. In der gesetzlichen Pflegeversicherung stiegen die Ausgaben mehr als die Einnahmen, unter anderem durch gesetzliche Regelungen bei den stationären Vergütungszuschlägen.2 4. 2011 Das Jahr 2011 stand aus realwirtschaftlicher Sicht im Zeichen eines breit angelegten Aufschwungs , der gegen Jahresende durch die Verlangsamung der globalen Konjunkturdynamik und die Zuspitzung der europäischen Schuldenkrise allerdings erkennbar belastet wurde. Die Beschäftigung hat sich 2011 im Zuge des starken Wirtschaftswachstums kräftig erhöht. Die Steuerquote stieg im Jahr 2011 deutlich: Das Aufkommen der Lohnsteuer wuchs mit 6,9 Prozent mit der höchsten Rate seit dem Jahr 1992 vor allem aufgrund des Beschäftigungsaufbaus, der nominalen Lohnerhöhungen und durch die „Kalte Progression“. Das Aufkommen der Umsatzsteuer wies mit 5,0 Prozent ebenfalls einen der höchsten Zuwächse seit der Vereinigung auf. Das Aufkommen aus der 2009 eingeführten Abgeltungsteuer nahm um 35,4 Prozent zu. Der Anstieg im 1. Quartal 2011 (+ 81,5 Prozent) war laut Bundesministerium der Finanzen "durch einen Sonderfall überzeichnet".3 Vermutlich mussten die Steuereinnahmen für das Jahr 2010 wegen der Belastungen aus der Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur steuerlichen Abzugsfähigkeit des Arbeitszimmers und der Rechtssache Meilicke zur Berücksichtigung ausländischer Körperschaftsteuerzahlungen bei der Besteuerung von Dividenden im 2001 abgeschafften Anrechnungsverfahren nach unten korrigiert werden. 2 Deutsche Bundesbank Geschäftsbericht 2010, Seite 52ff., Monatsbericht Februar 2011, Seiten 66, 80 und Monatsbericht März 2011, Seite 8ff.; Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung , Jahresgutachten 2010/11, Textziffer 341ff.; Bundesministerium der Finanzen Monatsbericht Februar 2011, Seite 54. 3 Vermutlich mussten die Steuereinnahmen für das Jahr 2010 wegen der Belastungen aus der Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur steuerlichen Abzugsfähigkeit des Arbeitszimmers und der Rechtssache Meilicke zur Berücksichtigung ausländischer Körperschaftsteuerzahlungen bei der Besteuerung von Dividenden im 2001 abgeschafften Anrechnungsverfahren nach unten korrigiert werden. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 130/20 Seite 6 Die hohen Zuwachsraten bei den Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuereinnahmen waren maßgeblich vom vorhergehenden konjunkturellen Einbruch getrieben, dem ein kräftiger Aufholprozess folgte. Schließlich erzielte der Bundeshaushalt erstmals Einnahmen aus den jüngst eingeführten neuen Steuern (Kernbrennstoffsteuer, Luftverkehrsteuer, Bankenabgabe). Die reinen Ländersteuern dehnten ihr Volumen im Kalenderjahr 2011 durch den Zuwachs bei der Grunderwerbsteuer (+ 20,3 Prozent) aus. Neben der verbesserten konjunkturellen Situation trugen die Anhebungen der Hebesätze dazu bei. Die Ausgabenquote verringerte sich deutlich um 2,2 Prozentpunkte: Für die Stabilisierung des Finanzsystems, vor allem aufgrund der Ausgliederung von Vermögenswerten und Schulden von der Hypo Real Estate Holding AG auf die FMS Wertmanagement AöR, wurden im Jahr 2010 Vermögenstransfers in Höhe von etwa 34 Mrd. Euro im Rahmen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen gebucht. Ohne diesen Sondereffekt wären die gesamtstaatlichen Ausgaben um rund 1,2 Prozent gestiegen. Allerdings waren das Kurzarbeitergeld, die Eingliederungshilfen und die Zahlungen an Arbeitsuchende stark rückläufig. Die Dynamik der Entwicklung der Sozialbeiträge fiel weniger stark aus, weil erstens die Insolvenzgeldumlage auf Null abgesenkt wurde, zweitens keine Rentenversicherungsbeiträge mehr für Bezieher des Arbeitslosengelds II entrichtet wurden und drittens die Beitragsbemessungsgrenzen im Wesentlichen konstant blieben. Positiv wirkten sich Beitragssatzerhöhungen zur Arbeitslosenversicherung und zur gesetzlichen Krankenversicherung aus. Bei den gesetzlichen Krankenkassen wuchsen nicht zuletzt deshalb die Einnahmen deutlich schneller als die Ausgaben. Die Aufwendungen für Arzneimittel unterschritten ihren Vorjahrswert, weil seit August 2010 Herstellerrabatte auf Arzneimittel ohne Festbeträge erhöht wurden und Rabattverträge beträchtliche Einsparungen ermöglichten.4 5. 2012 Die Konjunktur in Deutschland hat im Jahr 2012 an Schwung eingebüßt. Das nominale Bruttoinlandsprodukt ist lediglich um 2,0 Prozent gestiegen, das reale um 0,7 Prozent. Der Anstieg der Steuereinnahmen fiel deutlich stärker aus, als es die üblicherweise verwendete makroökonomische Bezugsgröße hätte erwarten lassen. Allerdings war die Situation bei den gewinnabhängigen Steuern nicht ausschließlich auf die laufende Gewinnentwicklung der Unternehmen zurückzuführen, sondern wesentlich auf die Gewinne der Vorjahre, die herausragend gut waren. Die Mehreinnahmen bei der Abgeltungsteuer waren von der guten Gewinnentwicklung im Vorjahr und den daraus resultierenden hohen Ausschüttungen sowie von einigen Sondereffekten ge- 4 Deutsche Bundesbank Geschäftsbericht 2011, Seite 55ff. und Monatsbericht März 2012, Seite 7ff.; Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 2011/12, Textziffern 296 bis 299; Bundesministerium der Finanzen Monatsbericht Januar 2012, Seite 45ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 130/20 Seite 7 prägt. Die Einführung des sogenannten Zahlstellenverfahrens betraf insbesondere die Ausschüttungen von großen Kapitalgesellschaften, die über die depotführenden Banken erfolgen. Die Erstattungen durch das Bundeszentralamt für Steuern nahmen um rund ein Fünftel zu. Die Ausgabenquote ist leicht zurückgegangen. Neben niedrigeren Zinsausgaben trugen die sinkenden Arbeitsmarktausgaben und das Auslaufen der Konjunkturstützungsmaßnahmen im Zusammenhang mit der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009. Diese Faktoren überwogen insbesondere die Belastungen durch Vermögenstransfers im Zuge der WestLB-Auflösung. Zum Bundeshaushalt 2012 wurden wegen der notwendigen haushaltsrechtlichen Ermächtigungen für den deutschen Beitrag am einzuzahlenden Kapital des Europäischen Stabilitätsmechanismus und für die Zahlung des deutschen Anteils an der Kapitalerhöhung der Europäischen Investitionsbank zwei Nachtragshaushalte beschlossen. Daneben diente das 2. Nachtragshaushaltsgesetz der Umsetzung der Entscheidungen zum weiteren Ausbau der Tagesbetreuung für Kinder unter drei Jahren. Aufseiten der gesetzlichen Krankenkassen übertrafen die Einnahmen 2012 ihren Vorjahrswert. Auf die Ausgabenhöhe wirkte sich der Umstand aus, dass die Weihnachtsfeiertage im Unterschied zum Vorjahr sämtlich auf Wochentage fielen. Zudem machte die Abschaffung der Praxisgebühr zum Jahresanfang 2013 die Verschiebung von Arztbesuchen attraktiv. Der kräftige Zuwachs der Beiträge der Beschäftigten für die gesetzliche Pflegeversicherung folgte mit gut 4 Prozent der günstigen Beschäftigungs- und Entgeltentwicklung. Zu dem beschleunigten Anstieg auf der Ausgabenseite hat nicht zuletzt die Erhöhung der Leistungssätze um durchschnittlich knapp 2 Prozent zum Jahresanfang 2012 beigetragen.5 6. 2013 Die deutsche Wirtschaft erwies sich im Jahresdurchschnitt 2013 insgesamt als stabil und Deutschland befand sich mit Blick auf die öffentlichen Finanzen demografisch in einer besonderen Zwischenphase: Während bereits in den Jahren unmittelbar nach der Jahrtausendwende der Anteil der Rentner und Pensionäre an der Gesamtbevölkerung angestiegen war und langfristig weiter sehr deutlich zunehmen wird, waren die Zuwächse in den fünf vergangenen Jahren spürbar geringer. Die Steuerquote überstieg den Durchschnitt seit der Wiedervereinigung um 0,9 Prozentpunkte. Dies war zu einem gewissen Teil darauf zurückzuführen, dass der Tarifverlauf der Einkommensteuer in den vergangenen Jahren trotz gestiegener Löhne und Preise kaum angepasst wurde. In der Folge kumulierten sich die Mehreinnahmen aus der Kalten Progression. 5 Deutsche Bundesbank Geschäftsbericht 2012, Seite 53ff. und Monatsbericht März 2013, Seite 7ff.; Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 2012/13, Textziffer 344 bis 346; Bundesministerium der Finanzen Monatsbericht Januar 2013, Seiten 6ff., 20ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 130/20 Seite 8 Maßgeblich für den kräftigen Anstieg des Lohnsteueraufkommens sind jedoch weiterhin die deutlich verbesserte Lage auf dem Arbeitsmarkt mit einer Zunahme der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Arbeitnehmer sowie die tariflichen Lohnerhöhungen und Besoldungsanpassungen . Das Wachstum der reinen Ländersteuern wurde insbesondere vom Zuwachs bei der Grunderwerbsteuer getragen. Bei der Erbschaftsteuer hatte im 1. Halbjahr noch der gestalterische Spielraum bei der Vererbung von Betrieben Einfluss. Bei der Rückführung der Staatsquote wurden in den vergangenen Jahren nur auf den ersten Blick Fortschritte erzielt. So ist sie Mitte der 2000er-Jahre gegenüber den 1990er Jahren um etwa 3 Prozentpunkte gesenkt worden. Der Rückgang der vergangenen drei Jahre muss weiterhin vor dem Hintergrund der Krisenbewältigungsmaßnahmen der Jahre 2009 und 2010 gesehen werden. Diese Maßnahmen trugen zu einem Anstieg der Staatsquote um fast 5 Prozentpunkte von 2007 bis 2009 bei. Der Rückgang der Zinsausgaben allein hat die Staatsquote in den vergangenen fünf Jahren um 0,4 Prozentpunkte verringert. Im Jahr 2012 lag die Staatsquote trotzdem noch immer 1,2 Prozentpunkte über derjenigen des Vorkrisenjahres 2007. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich, dass der Staatskonsum – im Wesentlichen also die Arbeitnehmerentgelte des Staates und die vom Staat nachgefragten Vorleistungen – eine niedrigere Staatsquote verhindert hat. Die gesetzliche Rentenversicherung profitierte trotz der Senkung des Beitragssatzes von dem unerwartet kräftigen Beschäftigungsanstieg. Zudem fiel die Rentenanpassung in Westdeutschland mit 0,25 Prozent deutlich niedriger aus als veranschlagt. Schließlich hat die Anzahl der ausgezahlten Renten im Jahresdurchschnitt nicht mehr zugenommen. Ursächlich für die gleichbleibende Zahl der ausgezahlten Renten waren die Anhebung des gesetzlichen Rentenalters um einen weiteren Monat, das Entfallen der abgesenkten Altersgrenze für Frauen im Jahr 2012 sowie die derzeit relativ schwach besetzten Rentenzugangsjahrgänge. Dem stehen allerdings beträchtliche Mehrausgaben durch das Rentenversicherungs-Leistungsverbesserungsgesetz gegenüber, das die Anrechnung von Erziehungszeiten ausweitet, bei bestimmten Voraussetzungen einen abschlagsfreien Renteneintritt ermöglicht und Verbesserungen für Erwerbsminderungsrentner vorsieht. Bei der Bundesagentur für Arbeit gingen wegen der Kappung der regelgebundenen Zahlungsströme zwischen Bundesagentur und Bundeshaushalt (Bundeszuschuss und Eingliederungsbeitrag ) die Einnahmen und die Ausgaben deutlich zurück. Allerdings nahmen die Beitragseinnahmen insbesondere aufgrund der günstigen Beschäftigungs- und Entgeltentwicklung und der beträchtlichen Mehreinnahmen aus der Insolvenzgeldumlage zu. Auf der Ausgabenseite wurden 11,5 Prozent mehr für das Arbeitslosengeld I aufgewendet. Auf der Ausgabenseite der gesetzlichen Krankenversicherung nahmen erneut die Aufwendungen für die ambulante ärztliche und zahnärztliche Versorgung zu, nachdem die Praxisgebühr zu Beginn des Jahres wieder abgeschafft worden war. Für die Krankenhausbehandlung ergab sich ebenfalls ein merklich höherer Ausgabenanstieg als in den Vorjahren, zu dem höhere Versorgungszuschläge und eine einmalige stärkere Beteiligung der Kassen an den Personalkostensteigerungen der Krankenhäuser beigetragen haben. Die Zahlungen für Arzneimittel sind zum Jahresende hin wieder spürbar gestiegen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 130/20 Seite 9 Die Einnahmen der gesetzlichen Pflegeversicherung wuchsen nach der Anhebung des Beitragssatzes von 1,95 Prozent auf 2,05 Prozent (jeweils zuzüglich 0,25 Prozent für Kinderlose). Die Ausgaben stiegen nach den Ausweitungen der Pflegeleistungen insbesondere für Demenzkranke sehr kräftig.6 7. 2014 Das Bruttoinlandsprodukt stieg nach den ersten vorläufigen Berechnungen des Statistischen Bundesamtes um real 1,5 Prozent. Die überaus positive Einnahmeentwicklung wurde durch die Kalte Progression in der Einkommensteuer zusätzlich unterstützt. Weil die Kalte Progression die reale Steuerbelastung stetig erhöht , steigt die Steuerquote, die auf einem der höchsten Niveaus der vergangenen drei Jahrzehnte liegt. Die Steuereinnahmen wuchsen 2014 weiter. Der dynamische Anstieg des Lohnsteueraufkommens wurde von stagnierenden Abzugsbeträgen (Kindergeld und Altersvorsorgezulage) zwar unterstützt , ging aber vor allem auf die positive Entgeltentwicklung sowie auf steigende Arbeitnehmerzahlen zurück. Die Einnahmen aus der veranlagten Einkommensteuer wuchsen zwar weiter kräftig, was zum Teil auf die Entwicklung der Abzugsbeträge zurückzuführen ist (deutlich schwächer gestiegene Erstattungen an Arbeitnehmer und rückläufige Eigenheim- und Investitionszulage). Die Einnahmen aus der Abgeltungsteuer auf Zins- und Veräußerungserträge waren deutlich rückläufig, nicht zuletzt angesichts des im Jahresdurchschnitt nochmals gesunkenen Zinsniveaus. Zudem war im Jahr 2014 das Aufkommen bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer überzeichnet, da nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zur teilweisen Unvereinbarkeit der steuerlichen Privilegierung des Betriebsvermögens mit der Verfassung Übertragungen in Erwartung möglicher Mehrbelastungen vorgezogen wurden.7 Die Mehreinnahmen der gesetzlichen Rentenversicherung aus dem Verzicht auf die gesetzlich eigentlich vorgeschriebene Beitragssatzsenkung Anfang 2014 haben im Ergebnis die ab der Jahresmitte anfallenden Mehrausgaben infolge des Rentenpakets (insbesondere Mütterrente und abschlagsfreie Rente ab 63 Jahren) überwogen. Die Einnahmen der Bundesagentur für Arbeit wuchsen etwas schwächer, weil die im Jahr 2013 letztmals geleisteten Erstattungen des Bundes für überhöhte Eingliederungsbeiträge entfielen. Die Ausgaben für die aktive Arbeitsmarktpolitik sowie für das Kurzarbeiter- und das Insolvenzgeld fielen noch niedriger aus als erwartet. 6 Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 2013/14, Textziffern 547, 548, 556; Bundesministerium der Finanzen: Monatsbericht Januar 2014, Seiten 6ff, 19ff.; Deutsche Bundesbank Monatsbericht Februar 2014, Seite 71ff. und Monatsbericht März 2014, Seite 7ff. 7 Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 17. Dezember 2014, Aktenzeichen 1 BvL 21/12. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 130/20 Seite 10 Auf der Ausgabenseite der gesetzlichen Krankenkassen war der Zuwachs bei den Arzneimittelaufwendungen besonders stark, weil die erhöhten gesetzlichen Herstellerrabatte zum Jahresanfang 2014 größtenteils wieder zurückgenommen worden sind. Zu Buche schlugen auch die Prämienausschüttungen und freiwilligen Leistungen einzelner Kassen, die sich in der Summe auf 1 Mrd. Euro addieren. Zum 1. Januar 2015 wurde der Beitragssatz in der gesetzlichen Pflegeversicherung von 2,05 Prozent auf 2,35 Prozent (zuzüglich jeweils 0,25 Prozent für Kinderlose) angehoben. Ein Teil der Mehreinnahmen floss in einen von der Bundesbank verwalteten Vorsorgefonds.8 8. 2015 Die Belebung der deutschen Wirtschaft, die im Frühjahr 2013 eingetreten war, hielt nach einer kurzen Dämpfung im Sommerhalbjahr 2014 im Jahr 2015 weiter an. Die aufgrund des Verfalls des Ölpreises stark gesunkenen Energiepreise führten zu einer Entlastung der privaten Haushalte und eröffneten Spielräume für eine Ausweitung des privaten Verbrauchs. Hinter dem dynamischen Plus bei der Lohnsteuer standen im Wesentlichen die weiter stabile Entgeltentwicklung in Verbindung mit der Steuerprogression sowie steigende Arbeitnehmerzahlen . Das Kindergeld wurde mit dem Gesetz zur Anhebung des Grundfreibetrags, des Kinderfreibetrags , des Kindergeldes und des Kinderzuschlags rückwirkend zum 1. Januar 2015 angehoben. Für den Bundeshaushalt trugen neben einem spürbaren Zuwachs des Steueraufkommens insbesondere Erlöse von 4,5 Mrd. Euro aus der Frequenzversteigerung vom Frühjahr bei. Allerdings fiel der Bundesbankgewinn niedriger aus. Die Länder steigerten ihr Steueraufkommen durch ein Zulegen insbesondere der Grunderwerbsteuer um 20,4 Prozent auf 11,2 Mrd. Euro zulegen. Neben der Anhebung von Steuersätzen zeigte sich ein verstärkter Trend zum Immobilienerwerb, welcher wiederum mit einem Anstieg der Immobilienpreise verbunden war. Die Erbschaftsteuer stieg um 15,4 Prozent auf 6,3 Mrd. Euro. Bei der gesetzlichen Rentenversicherung wurde der Anstieg der Beitragseinnahmen durch die Senkung des Beitragssatzes auf 3 Prozent gedrückt. Die Ausgaben wurden von den Rentenanpassungen zur Jahresmitte getrieben (zum Juli 2015: 2,1 Prozent im Westen, 2,5 Prozent im Osten). Weiterhin zeigten sich hier nochmals die mit dem Rentenpaket verbundenen Leistungsausweitungen . Die Ergebnisverbesserung der Bundesagentur für Arbeit resultierte aus den unter dem Vorjahresniveau liegenden Ausgaben: Die fortgesetzte Verbesserung der Lage am Arbeitsmarkt trug zum deutlichen Rückgang bei den Aufwendungen für das Arbeitslosengeld bei. Besonders stark schrumpften die Leistungen nach dem Altersteilzeitgesetz aufgrund der auslaufenden Subventionierung durch die Bundesagentur für Arbeit. 8 Bundesministerium der Finanzen: Monatsbericht Januar 2015, Seiten 6ff., 20ff.; Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 2014/15, Textziffer 46, 47; Deutsche Bundesbank Monatsbericht Februar 2015, Seite 64ff. und Monatsbericht März 2015, Seite 7ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 130/20 Seite 11 Die Einnahmen der gesetzlichen Krankenkassen wuchsen wegen der Zuweisungen des Gesundheitsfonds . Die Aufwendungen für den Bereich stationäre Versorgung, den größten Kostenblock, stiegen knapp leicht unterdurchschnittlich. Auch die sonstigen Ausgaben sanken, nachdem mit der Umstellung auf kassenindividuelle Zusatzbeitragssätze keine Prämien mehr ausgeschüttet werden dürfen. Beim Gesundheitsfonds fiel die Kürzung des Bundeszuschusses geringer aus. Der Anstieg der Beitragseinnahmen waren auch die Leistungsausweitungen vor allem in Form der abschlagsfreien Rente mit 63 und der erhöhten Mütterrente von Bedeutung. Das zum 1. Januar 2015 in Kraft getretene Pflegestärkungsgesetz I ließ sowohl die Einnahmen als auch die Ausgaben der gesetzlichen Pflegeversicherung stark ansteigen. Die Einnahmensteigerung ist insbesondere auf die Beitragssatzanhebung auf 2,35 Prozent (2,6 Prozent für Kinderlose) und auf die anhaltend günstige Beschäftigungs- und Entgeltentwicklung zurückzuführen. Neben der Weiterleitung der Mehreinnahmen an den Vorsorgefonds schlug die Anpassung der Leistungssätze der einzelnen Pflegestufen zu Buche. Hinzu kamen etwa erweiterte Möglichkeiten zur Inanspruchnahme von Betreuungs- und Entlastungseinrichtungen sowie höhere Zuschüsse für häusliche Umbaumaßnahmen und Pflegehilfsmittel.9 9. 2016 Eine weiterhin expansive Wirtschaftspolitik bestimmt die konjunkturellen Rahmenbedingungen der deutschen Wirtschaft im Jahr 2016. Die Einnahmenquote wurde durch den deutlichen Zuwachs der Steuereinnahmen gestützte. So nahmen das Lohnsteueraufkommen und die Grunderwerbsteuereinnahmen stärker zu, als es durch die Entwicklung der verwendeten makroökonomischen Bezugsgrößen zu erklären gewesen wäre. Die Anhebung des Grund- und des Kinderfreibetrags und die Rückgabe der Kalten Progression dämpften das Aufkommen. Das Bruttoaufkommen der Körperschaftsteuer stieg im Haushaltsjahr 2016 sehr deutlich um 39,2 Prozent. Der Zuwachs basiert auf der guten wirtschaftlichen Entwicklung, verbunden mit Entlastungen auf der Kostenseite durch niedrige Rohstoffpreise, was für die Unternehmen eine positive Gewinnsituation zur Folge hatte. Hingegen sank die Gewinnausschüttung der Bundesbank. Seit 2016 beteiligt sich der Bund über den Umsatzsteueranteil pauschal an den Ausgaben für Asylsuchende (von der Registrierung bis zur Erteilung eines Bescheids durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) und für abgelehnte Flüchtlinge. Die Ausgabenquote ging auf 44 Prozent zurück. Hierin zeigten sich die günstige Konjunktur, das Auslaufen der temporären Effekte sowie der Rückgang der Zinsaufwendungen. Demgegenüber legten vor allem die Sozialleistungen deutlich zu. Dies hängt gemäß den bisherigen Analysen nur zum kleineren Teil mit der hohen Flüchtlingszuwanderung zusammen, deren Auswirkungen im 9 Bundesministerium der Finanzen: Monatsbericht Januar 2016, Seiten 6ff., 20ff.; Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 2015/16, Textziffern 185, 187, 247, 248, Tabelle 11.; Deutsche Bundesbank Monatsbericht Februar 2016, Seite 61ff., Monatsbericht März 2016, Seite 8f. und Monatsbericht April 2016, Seite 9f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 130/20 Seite 12 Gesamtjahr hier noch nicht stärker zu Buche schlugen. Insgesamt gewichtiger waren spürbare Zuwächse bei den Alterssicherungsausgaben (teils noch aufgrund des Rentenpakets aus dem Jahr 2014) sowie im Bereich Gesundheit und Pflege. Die gesetzliche Rentenversicherung konnte ihre Beitragseinnahmen erhöhen. Auch deshalb konnte der geltende Beitragssatz in der allgemeinen Rentenversicherung nach der Senkung 2015 für 2016 und 2017 fortgeschrieben werden. Bei den gesetzlichen Krankenkassen lag das Einnahmenplus, bereinigt um die Erhöhung der Zusatzbeitragssätze (um durchschnittlich 0,25 Prozentpunkte) bei 4 Prozent. Bei den Ausgaben wurden die im Krankenhausbereich beschlossenen Leistungsausweitungen im Schlussquartal spürbar . Der vergleichsweise starke Zuwachs der Verwaltungskosten hängt nicht zuletzt mit zinsbedingt deutlich gestiegenen Altersrückstellungen zusammen. Der Gesundheitsfonds profitierte auf der Einnahmenseite von der kräftigen Rentenanpassung zur Jahresmitte und der Wiederanhebung des Bundeszuschusses auf seinen regulären Betrag. Auch die Beiträge an die gesetzliche Pflegeversicherung wuchsen wegen der kräftigen Rentenanpassung . Die Pflegegeldzahlungen legten im letzten Quartal 2016 deutlich zu, wahrscheinlich durch die vorschüssig gezahlten höheren Leistungssätze für die im Zuge des zweiten Pflegestärkungsgesetzes ab 2017 neu eingeführten Pflegegrade.10 10. 2017 Die anhaltend kräftige Wachstumsdynamik mit steigender Beschäftigung und hohen Unternehmensgewinnen bewirkt 2017 steigende Steuereinnahmen. Die gewinnabhängigen Steuern stiegen dabei stärker als es die gesamtwirtschaftliche Entwicklung erwarten ließ. Gründe hierfür könnten gestiegene Vorauszahlungen und auslaufende Verlustvorträge sein. Die geringfügigen Entlastungen bei der Einkommensteuer (insbesondere eine leichte Anpassung von Freibeträgen und der übrigen Tarifeckwerte), der sukzessive Übergang zur nachgelagerten Rentenbesteuerung und die Belastung aus der Rückzahlung der Kernbrennstoffsteuer an die Atomkraftwerksbetreiber bremsten den Anstieg bei den direkten Steuern nur leicht. Nach den Kassenergebnissen schlossen die Länderkernhaushalte das Jahr 2017 mit einem außerordentlich hohen Überschuss von 14 Mrd. Euro ab. Es wurde das höchste Ergebnis seit der Wiedervereinigung erreicht. Die Ausgaben sanken nach der flüchtlingsbedingt außerordentlich starken Zunahme im Jahr 2016. Die Einnahmen der gesetzlichen Rentenversicherung stiegen aufgrund der anhaltend positiven Beschäftigungs- und Entgeltentwicklung, aber auch wegen des Auslaufens einer vorübergehenden Minderung des Bundeszuschusses. Der gedämpfte Zuwachs bei der Rentenzahl minderte die Ausgaben. 10 Deutsche Bundesbank Monatsbericht Februar 2016, Seite 61ff. und Monatsbericht Marz 2017, Seite 8ff.; Bundesministerium der Finanzen: Monatsbericht Januar 2017, Seiten 40ff., 45ff.; Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 2016/17, Textziffern 225, 226, 265, 266. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 130/20 Seite 13 Die Einnahmen der Bundesagentur für Arbeit stiegen bei kräftigen Beitragszuwächsen. Das Ausgabenplus blieb darunter, trotz einer Sonderzuführung zum Versorgungsfonds. Vor allem die Aufwendungen für das Arbeitslosengeld waren weiter rückläufig. Aufseiten der gesetzlichen Krankenkassen stiegen die Einnahmen bei insgesamt praktisch unveränderten Zusatzbeitragssätzen. Die Ausgaben für Arzneimittel und für ambulante ärztliche Behandlungen verzeichneten überdurchschnittliche Zuwächse. Allerdings wiesen die Neuversicherten aus Sicht der Krankenkassen nicht nur eine günstigere Altersstruktur als die Bestandsversicherten auf, sondern nahmen darüber hinaus auch weniger Gesundheitsleistungen in Anspruch . Gleichzeitig wurde der Beitragssatz für die gesetzliche Pflegeversicherung erhöht. Damit erreichte die Abgabenquote mit 39,5 Prozent den höchsten Stand seit 2000.11 11. 2018 In den vergangenen Jahren bleiben Steuerreformen in Deutschland weitgehend aus. Seit dem Jahr 2010 wurden lediglich kleine Korrekturen am progressiven Einkommensteuertarif vorgenommen, die allerdings nicht die Mehrbelastung durch die Kalte Progression ausgeglichen haben. Abbildung 1: Quelle: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 2018/19, Abbildung 5, Seite 18. 11 Bundesministerium der Finanzen: Monatsbericht Januar 2018 Seiten 30ff., 34ff.; Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 2017/18, Textziffern 314, 581; Deutsche Bundesbank Monatsbericht Januar 2018, Seite 59 und Monatsbericht März 2018, Seite 8ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 130/20 Seite 14 Die Mehrerträge aus der Einkommensteuerprogression wurden durch Mindereinnahmen infolge von Rechtsänderungen zu einem guten Teil kompensiert (die Freibeträge und die übrigen Tarifeckwerte der Einkommensteuer sowie das Kindergeld wurden etwas angehoben). Bei der Körperschaftsteuer ergaben sich Mehreinnahmen, weil keine Steueraltguthaben aus dem Systemwechsel im Jahr 2001 mehr zu erstatten waren. Negativ überraschte Bund, Länder und Gemeinden dagegen die Abgeltungsteuer auf Zins- und Veräußerungserträge. Dies könnte insbesondere darauf zurückgehen, dass die Veräußerungserträge im letzten Quartal 2018 (gegenüber dem Vorjahresquartal) im Umfeld von teilweise deutlichen Kursverlusten am Aktienmarkt sanken. Bei den nichtsteuerlichen Einnahmen des Bundes stand ein kräftiges Plus von 4 Mrd. Euro zu Buche. Neben der höheren Bundesbankausschüttung waren nicht zuletzt Mehreinnahmen aus der Lkw-Maut, die zur Jahresmitte auf alle Bundesstraßen ausgeweitet wurde, und aus Darlehensrückflüssen bedeutsam. Die Ausgaben wuchsen mit 3 Prozent deutlich schwächer als die Einnahmen , vor allem wegen des Rückgangs der Zinsausgaben. Die Länderfinanzen verbesserten sich auch im Jahr 2018. Ohne die Sonderlast im Schlussquartal aus der Garantieabrechnung im Zuge der Privatisierung der HSH Nordbank wäre das Ergebnis sogar noch deutlich günstiger ausgefallen. Wie in den Vorjahren konnte die Grunderwerbsteuer deutlich um 7,2 Prozent zulegen, die Erbschaftsteuer stieg um 11,4 Prozent. Die Ausgaben des Bundes für den laufenden Sachaufwand nahmen überdurchschnittlich zu. Dies ist vor allem auf den Anstieg der Ausgaben für militärische Beschaffungen gegenüber dem Jahr 2017 zurückzuführen. Die Zuweisungen aus dem Bundeshaushalt an den Energie- und Klimafonds wurden um rund 2,1 Mrd. Euro erhöht. Wegen der Beteiligung des Bundes gegenüber den Ländern an den Leistungen für Unterkunft und Heizung sowie für höhere Unterhaltsvorschüsse stiegen die laufenden Zuweisungen. Die Beitragseinnahmen der gesetzlichen Rentenversicherung stiegen trotz der leichten Satzsenkung von 18,7 Prozent auf 18,6 Prozent. Hinter dem deutlich schwächeren Ausgabenwachstum stehen die jahresdurchschnittliche Rentenanpassung und eine nur moderat höhere Rentenzahl. Die Einnahmen der Bundesagentur für Arbeit stiegen durch kräftige Beitragseingänge, während sich das Aufkommen der Insolvenzgeldumlage infolge der Satzsenkung etwas verringerte. Die Ausgaben für das Arbeitslosengeld und die aktive Arbeitsmarktpolitik gingen spürbar zurück. Bei den gesetzlichen Krankenkassen legten die Einnahmen wegen des niedrigeren durchschnittlichen kassenindividuellen Zusatzbeitragssatzes um einen Prozentpunkt weniger zu. Auf der Ausgabenseite stiegen die Aufwendungen für Heil- und Hilfsmittel wegen deutlich höherer Honorare für Heilmittelerbringer deutlich. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 130/20 Seite 15 Bei der gesetzlichen Pflegeversicherung bewirkte das im Jahr 2017 stark belastende zweite Pflegestärkungsgesetz einen kräftigen Anstieg der Ausgaben. Im Jahresverlauf lief dieser Effekt aber weitgehend aus.12 12. 2019 2019 ist der lang anhaltende Aufschwung vorerst zu einem Ende gekommen, die Konjunkturabkühlung betraf vor allem die exportabhängigen Sektoren. Demgegenüber zeigten sich die binnenwirtschaftlich orientierten Sektoren robust. Auch Beschäftigung, Löhne und privater Konsum entwickelten sich weiterhin stabil. Vor diesem Hintergrund stieg die Lohnsteuer nochmals dynamisch. Dazu trugen auch progressionsbedingte Mehreinnahmen bei, die aber teilweise durch das Familienentlastungsgesetz kompensiert wurden. Die in höherem Maße von Gewinnen aus Exporten beeinflusste Körperschaftsteuer sank hingegen. Bei den Ausgaben wirkte ein weiterer Rückgang der Zinsausgaben entlastend, die Ausgaben für militärische Beschaffungen stiegen hingegen. Daneben sanken die Zuweisungen an die Extrahaushalte Digitalisierungsfonds (die Auktion der 5G-Frequenzen im Frühjahr 2019 erbrachte zwar Erlöse von 6,5 Mrd. Euro, diese fließen dem Fonds aber erst zeitlich gestreckt zu) sowie Energie- und Klimafonds. Wie in den Vorjahren sank die Flüchtlingsrücklage nicht um den veranschlagten Betrag, vielmehr erhöhte sie sich zum Haushaltsabschluss auf nunmehr 48 Mrd. Euro. Bemerkenswert ist, dass die staatlichen Primärausgaben (Ausgaben ohne Zinsen) bereits seit dem Jahr 2016 strukturell deutlich stärker wuchsen als das nominale Bruttoinlandsprodukt. Dynamisch entwickelte sich das Steueraufkommen der Länder, weil ihnen unter anderem nach der rechnerischen Ausfinanzierung des Fonds „Deutsche Einheit“ im Jahr 2018 wieder mehr Umsatzsteuermittel verbleiben. Wie in den Vorjahren konnte die Grunderwerbsteuer deutlich um 12,1 Prozent zulegen. Die Einnahmen aus Geldbußen im Zusammenhang mit Dieselabgasen reichten nahe an den Vorjahreswert heran. Die Ausgaben der Länder stiegen infolge der Privatisierung der HSH Nordbank einmalig. Die Personalausgaben legten deutlich um 5 Prozent zu, was größtenteils in Tarif- und Besoldungsanpassungen und Einstellungen begründet war. Stark rückläufig waren die Zinsausgaben wegen der günstigen Refinanzierung der fälligen Schuldtitel. Hinter deutlich steigenden Ausgaben der gesetzlichen Rentenversicherung standen Anpassungen der individuellen Renten von jahresdurchschnittlich fast 3,5 Prozent und eine moderat höhere Rentenzahl. Außerdem weitete der Bundesgesetzgeber die „Mütterrenten“ neuerlich aus. Zudem 12 Bundesministerium der Finanzen: Monatsbericht Januar 2019 Seiten 23ff., 38ff.; Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 2018/19, Textziffern 19, 106; Deutsche Bundesbank , Monatsbericht Februar 2019, Seite 60ff.und Monatsbericht März 2019, Seite 10ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 130/20 Seite 16 werden die Zusatzbeitragssätze der gesetzlichen Krankenversicherung seit Anfang 2019 durch die Rentenversicherung paritätisch finanziert. Die Einnahmen der Bundesagentur für Arbeit gingen wegen der deutlichen Senkung des Beitragssatzes zu Jahresbeginn zurück. Die Ausgaben für das Arbeitslosengeld wuchsen mit 9 Prozent kräftig. Für die berufliche Weiterbildung wurden 5,5 Prozent mehr aufgewendet, da zu Beginn des Jahres 2019 Leistungen ausgeweitet worden waren. Bei den Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen wuchsen diejenigen für Krankengeld sowie für Heil- und Hilfsmittel besonders kräftig. Die Verwaltungskosten sanken dagegen wegen der geringeren Zuführungen zu den Pensionsrückstellungen. Die Einnahmen der gesetzlichen Pflegeversicherung wurden merklich erhöht, weil die Krankenkassen durch das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz Zahlungen an die Pflegekassen leisteten. Unter den Leistungsausgaben fielen die höheren Pflegegeldzahlungen und höheren Rentenbeiträgen für pflegende Angehörige und die mit 11,5 Prozent gestiegenen Verwaltungskosten ins Gewicht.13 * * * 13 Bundesministerium der Finanzen: Monatsbericht Januar 2020, Seiten 19ff., 23ff.; Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 2019/20, Textziffern 1, 109, 110; Deutsche Bundesbank Monatsbericht Februar 2020, Seite 58ff. und Monatsbericht März 2020, Seite 9ff.