© 2019 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 128/19 Möglichkeiten des Verbots von Kryptowährungen durch bestehende Gesetze Dokumentation Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 4 - 3000 - 128/19 Seite 2 Möglichkeiten des Verbots von Kryptowährungen durch bestehende Gesetze Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 128/19 Abschluss der Arbeit: 9. Oktober 2019 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 4 - 3000 - 128/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Einschätzungen 4 Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 4 - 3000 - 128/19 Seite 4 1. Fragestellung Auf welcher bestehenden gesetzlichen Grundlage (Bundesbankgesetz, E-Geldrichtlinie) können Kryptowährungen, insbesondere Libra, verboten werden? 2. Einschätzungen Der Bundestagsausschuss Digitale Agenda führte am 25. September 2019 eine öffentliche Anhörung zum Thema „Digitale Währungen, insbesondere Libra“ durch.1 Daran haben sieben Sachverständige teilgenommen. Die Mitglieder des Ausschusses haben einen Fragenkatalog erstellt, in dem insbesondere ein Teil der Frage 7 und ein Teil der Frage 11 direkten Bezug zu oben genannter Fragestellung haben. Diese lauten: „Ist Libra als eigenständige Währung zu betrachten? …“ „… Inwiefern besteht die Gefahr, dass die Einführung von Libra gegen § 35 des Gesetzes über die Deutsche Bundesbank, welches die unbefugte Herausgabe von Geldzeichen verbietet, verstößt ? …“ Die Sachverständigen haben schriftliche Stellungnahme zur Anhörung abgegeben. Sofern sie die Teilfragen beantworten, spricht sich kein Sachverständiger explizit dafür aus, dass § 35 Gesetz über die Deutsche Bundesbank (BBankG) eine geeignete Vorschrift für das Verbot von Libra sei. Die gegebenen Antworten der Sachverständigen werden im Folgenden auszugsweise wiedergegeben . Der Bundesverband deutscher Banken stellt fest: „Libra ist keine eigenständige Währung, sondern ein Stablecoin, der seine Reputation aus der Stabilität von US-Dollar, Euro und Yen beziehen soll.“ Dr. Oliver Leistert von der Leuphana Universität Lüneburg lehnt das „Projekt Libra“ eindeutig ab und plädiert für eine regulatorische Verhinderung oder ein Verbot, ohne Rechtsgrundlagen zu benennen. Er begründet seine Ablehnung mit der Macht der Plattformbetreiber, in Fall von Libra Facebook, die das Bezahlen und Versenden von Geld ausschließlich in ihrem Interesse betreiben. Ralph Bärligea von BearingPoint fordert in seiner Stellungnahme eine Klarstellung des § 35 BBankG, der „bloß Nutzende“ mit zu einer Freiheitsstrafe oder Geldstrafe belegen kann und der allein den Versuch unter Strafe stellt. Ohne eine Klarstellung sei zu befürchten, dass Finanzwesen und Wirtschaft in Deutschland von einer aktiven Beschäftigung mit Kryptowährungen abgeschreckt würden. 1 Alle Unterlagen zur Anhörung stehen auf der Internetseite des Deutschen Bundestages unter „Ausschüsse – Digitale Agenda – Öffentliche Anhörungen“ zur Verfügung. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 4 - 3000 - 128/19 Seite 5 Katharina Gehra von Immutable Insight beantwortet die Frage nach Libra als eigenständiger Währung und einem möglichen Verstoß gegen § 35 BBankG wie folgt: „Im Kontext des aufsichtsrechtlichen Geldverständnisses wäre wohl allenfalls eine Qualifizierung als E-Geld (§ 1 Abs. 2 S. 3 ZAG) denkbar.“2 „Bisher scheitert eine Subsumierung virtueller Währungen unter § 35 BBankG, da sie kein taugliches Tatobjekt darstellen. Als Geldzeichen i.S.d. § 35 BBankG sind lediglich Urkunden zu verstehen, die nach ganz h.M. eine verkörperte Gedankenerklärung erfordern. Unstreitig ist wohl aber auch, dass die Intention des § 35 BBankG grundsätzliche jede Art von Nebengeld erfassen will, dass grundsätzlich dazu geeignet ist, als Zahlungsmittel eingesetzt zu werden .“ Katharina Gehra benennt in ihrer Stellungnahme einen aktuellen Aufsatz von Victoria Ibold als Quelle.3 In dem Aufsatz untersucht die Autorin der Ludwig-Maximilians-Universität München aus strafrechtlicher Perspektive, ob das bestehende Währungsstrafrecht bereits einen Schutz des Euro vor virtuellen Währungen zur Verfügung stellt. So habe der deutsche Gesetzgeber schon im Bankgesetz von 1875 die Ausgabe und die Verwendung von privaten Währungen mit strafrechtlichen Sanktionen belegt, um die Währungshoheit zu schützen. Die Ausgestaltung des Gesetzes sei mit dem Gesetz über die Ausgabe und Einlösung von Notgeld vom 17. Juli 1922 verschärft worden. Dieses Notgeld habe wesentlich zu der nach dem 1. Weltkrieg entstandenen Hyperinflation beigetragen. § 35 BBankG besteht in der jetzigen Fassung seit 1957, allerdings tendiere die praktische Bedeutung dieser Norm in den letzten Jahrzehnten gegen null. Das hoheitliche Geldausgabemonopol diene der Steuerung der Geldschöpfung beziehungsweise der Geldmenge mit dem Ziel der Preisstabilität. Deshalb gehe es bei § 35 BBankG letztlich um den Schutz der Währung als solche. Geschütztes Rechtsgut im § 35 BBankG sei der Euro als Währung der europäischen Währungsunion. § 35 BBankG beschreibe ein abstrakt gefährliches Verhalten weit im Vorfeld einer konkreten Gefahr oder Verletzung, denn durch die Erhöhung der im Umlauf befindlichen Geldmenge könne es, müsse es aber nicht zu inflationären Reaktionen und damit zu einer Gefährdung des Vertrauens in das Geld kommen. „§ 35 BBankG ist ein abstraktes Gefährdungsdelikt.“ Tatgegenstand von § 35 BBankG seien sogenannte Geldzeichen. Diese seien legal definiert als Urkunden , die geeignet seien, im Zahlungsverkehr an Stelle der gesetzlich zugelassenen Münzen oder Banknoten verwendet zu werden. Die Frage, ob § 35 B BankG auf virtuelle Währungen anwendbar sei, verneint die Autorin, weil diese kein taugliches Tatobjekt darstellten. 2 Gesetz über die Beaufsichtigung von Zahlungsdiensten (Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz - ZAG). 3 Ibold, Victoria: Private Geldschöpfung durch virtuelle Währungen, Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik (ZIS), 2/2019, Seite 95ff. Wissenschaftliche Dienste Dokumentation WD 4 - 3000 - 128/19 Seite 6 „Geldzeichen sind nach der Legaldefinition des § 35 Abs. 1 Nr. 1 BBankG nur Urkunden, worunter nach der ganz h.M. zum Urkundenbegriff, insbesondere bei den § 267 ff. StGB, nur verkörperte , also mit einer Sache fest verbundene Gedankenerklärungen, zu verstehen sind. Dass der allgemeine Urkundenbegriff auch i.R.d. § 35 BBankG Anwendung findet, bestätigen die im Tatbestand enumerativ aufgezählten Geldzeichen: Marken, Münzen, Scheine. Hierbei handelt es sich sämtlich um verkörperte Gedankenerklärungen. Virtuelle Währungen, die lediglich elektronisch dargestellt werden, können damit mangels Urkundeneigenschaft nicht unter den Begriff des Geldzeichens subsumiert werden. Eine den Anwendungsbereich erweiternde analoge Anwendung scheitert an der durch den Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 103 Abs. 2 GG gezogenen Wortlautgrenze. Das Ausgeben und Verwenden virtueller Währungen unterfällt folglich nicht dem Anwendungsbereich des § 35 BBankG und ist damit nicht strafbar.“ Ein anderes strafrechtlich sanktioniertes Verbot nicht verkörperter privater Währungen kennt das deutsche Recht nicht. Die Autorin geht allerdings in einem Exkurs auf das Kreditwesengesetz (KWG) ein, das als einziges einen gewissen regulatorischen – auch mit Mitteln des Strafrechts durchsetzbaren – Rahmen für eine sonstige private Wertschöpfung vorsehe. Entsprechend der zum BBankG unterschiedlichen Zielrichtung des KWG (Anlegerschutz, Vertrauen der Öffentlichkeit in das Funktionieren der Finanzwirtschaft) löst das Ausgeben und Verwenden von Rechnungseinheiten zunächst nur ein „präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt aus. Und auf eine solche Erlaubnis besteht grundsätzlich ein Anspruch, wenn keine Versagungsgründe vorliegen (§ 33 KWG) – anders als bei § 35 BBankG, wo eine Ermächtigung zur Ausgabe von privaten Währungen nach derzeitigem Stand allenfalls theoretischer Natur ist. Die Erlaubnispflicht gilt aber auch nur dann, wenn mit virtuellen Währungen gewerbsmäßig Bankgeschäfte (§ 1 Abs. 1 S. 2 KWG) oder Finanzdienstleistungen (§ 1 Abs. 1a S. 2 KWG) betrieben werden sollen, § 32 Abs. 1 KWG. Darunter fällt jedenfalls nicht der Gebrauch von virtuellen Währungen in ihrer ursprünglichen Funktion als Zahlungsmittel; in den Mittelpunkt der Erlaubnispflicht rückt vielmehr der Umgang mit virtuellen Währungen als Spekulationsobjekt.“ Folgt man der Einschätzung, dass Libra E-Geld ist (siehe oben), wäre das ZAG als Aufsichtsrecht einschlägig. Dies enthält jedoch, wie das KWG, kein strafrechtliches Verbot, sondern ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt für das E-Geld-Geschäft. E-Geld-Geschäft ist die Ausgabe von E-Geld (§ 1 Abs. 2 Satz 2 ZAG). Wer das E-Geld-Geschäft als E-Geld-Institut betreiben will, braucht nach § 11 Abs. 1 ZAG grundsätzlich eine schriftliche Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht . * * *