© 2018 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 128/18 Besteuerung von leerstehenden Immobilien Verfassungsrechtliche Möglichkeiten und Grenzen Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 128/18 Seite 2 Besteuerung von leerstehenden Immobilien Verfassungsrechtliche Möglichkeiten und Grenzen Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 128/18 Abschluss der Arbeit: 13. September 2018 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen PE 6: Europa Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 128/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Die Leerstandsteuer in Vancouver 4 3. Unionsrechtliche Bewertung (Beitrag des Fachbereichs PE 6) 4 4. Verfassungsrechtliche Vorgaben im Steuerrecht 6 5. Integration einer Leerstandsbesteuerung in die Grundsteuer? 7 6. Steuer eigener Art auf leerstehende Wohnungen 9 6.1. Verfassungsrechtliche Vorgaben zur Steuerfindung 9 6.2. Leerstandsteuer als Aufwandsteuer mit örtlichem Bezug? 10 7. Zweckentfremdungsverbotsgesetz in Baden-Württemberg 13 8. Auswirkungen und Steuereinnahmen 13 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 128/18 Seite 4 1. Fragestellung Die Auftraggeber möchten wissen, ob eine Steuer auf leerstehende Wohnimmobilien wie sie die kanadische Stadt Vancouver seit Kurzem erhebt, mit nationalem und EU-Recht vereinbar wäre. Gefragt wird auch, welche Steuerart hierfür einschlägig wäre. Ferner wird nach dem möglichen Steueraufkommen und den zu erwartenden Effekten gefragt. 2. Die Leerstandsteuer in Vancouver Die kanadische Stadt Vancouver erhebt auf leerstehende Immobilien eine Steuer in Höhe von 1% des steuerpflichtigen Immobilienwerts.1 Die Steuerpflicht entsteht für Wohnungen, die mehr als 180 Tage im Jahr weder von den Eigentümern selbst noch von Mietern genutzt werden. Die Steuereinnahmen sollen in Projekte für bezahlbaren Wohnraum reinvestiert werden. Jeder Wohnungseigentümer in Vancouver muss jährlich eine Erklärung zur Nutzung seiner Wohnung abgeben . Nicht besteuert werden Wohnungen, die für mindestens sechs Monate vermietet oder für mindestens 180 Tage im Jahr als Zweitwohnsitz für ein Arbeitsverhältnis in Vancouver genutzt wurden. Weitere Ausnahmetatbestände bestehen für Fälle, bei denen der Leerstand von mehr als 180 Tagen durch - eine Erkrankung mit Aufenthalt im Krankenhaus oder einer Pflegeeinrichtung, - einen Todesfalls des Bewohners, - eine eigentumsrechtliche Übertragung der Immobilie auf einen neuen Eigentümer oder - eine zügige Sanierung verursacht wurde. 3. Unionsrechtliche Bewertung (Beitrag des Fachbereichs PE 6) Aus unionsrechtlicher Sicht begegnet die Idee der mitgliedstaatlichen Einführung einer Leerstandsteuer im Grundsatz keinen Bedenken. Entscheidend wäre jedoch die konkrete Ausgestaltung einer solchen Steuer. 1 Die Regelungen und Ausnahmen der Empty Home Taxes der Stadt Vancouver werden auf https://vancouver .ca/home-property-development/empty-homes-tax.aspx dargestellt [zuletzt abgerufen am 4.9.2018] Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 128/18 Seite 5 Da es sich hierbei um eine direkte Steuer handeln dürfte, bei der Steuerschuldner und Steuerträger personengleich sind,2 liegt die Zuständigkeit für diesen Bereich nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der EU zwar bei den Mitgliedstaaten.3 Sie könnten folglich entsprechende Steuern einführen. Bei der Ausübung ihrer Zuständigkeit in diesem Bereich haben die Mitgliedstaaten allerdings die sich aus dem sonstigen Unionsrecht ergebenden Grenzen zu beachten.4 Diese ergeben sich insbesondere aus den Grundfreiheiten. Im vorliegenden Zusammenhang kommt bei Vorliegen grenzüberschreitender Sachverhalte vor allem die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 Abs. 1 AEUV als Schranke mitgliedstaatlichen Handelns in Betracht.5 Diese Grundfreiheit verbietet alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen diesen und Drittstaaten. Zum geschützten Kapitalverkehr zählen insbesondere auch Immobilieninvestitionen .6 Ob die Einführung einer neuen Steuer wie im Fall einer Leerstandsteuer als Beschränkung im Sinne des Art. 63 Abs. 1 AEUV angesehen werden könnte, hinge maßgeblich von ihrer Ausgestaltung ab. Würde sie im Hinblick auf die hiervon betroffenen Personen bzw. Steuerschuldner unterschiedslos ausgestaltet sein, also nicht zwischen ausländischen Unionsbürgern und Inländern als Inhabern der betroffenen Immobilien unmittelbar oder mittelbar unterscheiden, dürfte es bereits an einer Beschränkung fehlen.7 Wäre dies aufgrund der Weite des Beschränkungsbegriffs und seiner unklaren Konturen anders zu beurteilen,8 dürfte eine solche Steuer am Maßstab des offenen Katalogs zwingender Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt werden können,9 soweit ihre Ausgestaltung dem ebenfalls zu beachtenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügt.10 2 Vgl. zu dem Begriffspaar der direkten und indirekten Steuern sowie zu dem Verständnis der Begriffe etwa Seiler , in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Art. 113 AEUV (59. EL Juli 2016), Rn. 22. 3 Vgl. etwa EuGH, Urt. v. 18.12.2007, Rs. C-101/05 (A), Rn. 19, mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung. Dies wäre im Ergebnis ebenso, wenn es sich um eine indirekte Steuer handeln würde. Zwar verfügt die EU für diese Steuerarten über eine ausdrückliche Harmonisierungskompetenz in Art. 113 AEUV. Es handelt sich hierbei aber um eine dem Binnenmarkt zuzuordnende Rechtsgrundlage, die nach Art. 4 Abs. 1, Abs. 2 Buchst. b AEUV eine geteilte Zuständigkeit darstellt, vgl. Obwexer, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, Europäisches Unionsrecht, 7. Aufl. 2015, Art. 4 AEUV, Rn. 12. Nach Art. 2 Abs. 2 AEUV dürfen bei dieser Zuständigkeitsart die EU als auch die Mitgliedstaaten gesetzgeberisch tätig werden. Die Mitgliedstaaten können ihre Zuständigkeit aber nur wahrnehmen, sofern und soweit die Union ihre Zuständigkeit nicht ausgeübt hat. EU-Regelungen zur einer Leerstandsteuer oder vergleichbaren Steuern gibt es im Unionsrecht nicht. 4 Siehe EuGH, Urt. v. 18.12.2007, Rs. C-101/05 (A), Rn. 19. 5 Siehe zum Merkmal der Grenzüberschreitung bei der Kapitalverkehrsfreiheit, Sedlaczek/Züger, in: Streinz, EUV/AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 63 AEUV, Rn. 26. 6 Vgl. Sedlaczek/Züger, in: Streinz, EUV/AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 63 AEUV, Rn. 19. 7 Vgl. Sedlaczek/Züger, in: Streinz, EUV/AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 65 AEUV, Rn. 24. 8 Siehe hierzu Sedlaczek/Züger, in: Streinz, EUV/AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 65 AEUV, Rn. 19 ff. 9 Vgl. dazu Sedlaczek/Züger, in: Streinz, EUV/AEUV, 3. Aufl. 2018, Art. 65 AEUV, Rn. 25 ff. 10 EuGH, Urt. v. 18.12.2007, Rs. C-101/05 (A), Rn. 56. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 128/18 Seite 6 Würde der Leerstandsteuer hingegen eine Ungleichbehandlung von ausländischen Unionsbürgern und Inländern zum Nachteil erstgenannter zugrunde liegen, wäre eine Beschränkung gegeben und eine Rechtfertigung nur am Maßstab der in Art. 65 Abs. 1 AEUV ausdrücklich niedergelegten Gründe (etwa öffentliche Ordnung und Sicherheit) möglich. 4. Verfassungsrechtliche Vorgaben im Steuerrecht Bei der verfassungsrechtlichen Prüfung der Zulässigkeit eines neuen Besteuerungselements auf leerstehende Wohnungen sind die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) für den Gesetzgeber aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) und der Finanzverfassung des GG zu beachten: Nach ständiger Rechtsprechung11 des BVerfG gebietet der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG12, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Aus ihm ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen. Im Bereich des Steuerrechts hat der Gesetzgeber einen weitreichenden Entscheidungsspielraum sowohl bei der Auswahl des Steuergegenstandes als auch bei der Bestimmung des Steuersatzes. Diese grundsätzliche Freiheit des Gesetzgebers wird für den Bereich des Steuerrechts vor allem durch zwei eng miteinander verbundene Leitlinien begrenzt: durch die Ausrichtung der Steuerlast an den Prinzipien der finanziellen Leistungsfähigkeit und der Folgerichtigkeit. Der Gleichheitssatz hat im Steuerrecht seine besondere Ausprägung in Form des Grundsatzes der Steuergerechtigkeit gefunden, wobei die Besteuerung grundsätzlich an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auszurichten ist. Die Steuerpflichtigen müssen dem Grundsatz nach durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleichmäßig belastet werden. Bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands hat der Gesetzgeber die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne dieser Belastungsgleichheit umzusetzen. Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes. „Das hindert den Gesetzgeber nicht daran, außerfiskalische Förderungs- und Lenkungsziele zu verfolgen. Er darf nicht nur durch Ge- und Verbote, sondern ebenso durch mittelbare Verhaltenssteuerung auf Wirtschaft und Gesellschaft gestaltend Einfluss nehmen. Der Bürger wird dann nicht rechtsverbindlich zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet, erhält aber durch Sonderbelastung eines unerwünschten oder durch steuerliche Verschonung eines erwünschten Verhaltens ein finanzwirtschaftliches Motiv, sich für ein bestimmtes Tun oder Unterlassen zu entscheiden. Führt ein Steuergesetz zu einer steuerlichen Verschonung, die einer gleichmäßigen Belastung der 11 Sofern nicht anders angegeben, stammen die folgenden Ausführungen aus dem Beschluss des BVerfG vom 7. November 2006 – 1 BvL 10/02, Erbschaftsteuer. 12 Auf das Grundrecht auf Eigentum (Art. 14 Abs. 1 GG) und das Recht auf Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) wird hier nicht weiter eingegangen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 128/18 Seite 7 jeweiligen Steuergegenstände innerhalb einer Steuerart widerspricht, so kann eine solche Steuerentlastung vor dem Gleichheitssatz gerechtfertigt sein, wenn der Gesetzgeber das Verhalten des Steuerpflichtigen aus Gründen des Gemeinwohls fördern oder lenken will. Bei Vorliegen ausreichender Gemeinwohlgründe kann die Entlastung dabei im Ausnahmefall in verfassungsrechtlich zulässiger Weise sogar dazu führen, dass bestimmte Steuergegenstände vollständig von der Besteuerung ausgenommen werden.“13 Nach ebenfalls ständiger Rechtsprechung des BVerfG ist Art. 3 Abs. 1 GG jedenfalls verletzt, "wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt".14 Weiterhin ist der allgemeine Gleichheitssatz auch dann verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können. Dafür kommt es wesentlich auch darauf an, in welchem Maß sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten nachteilig auswirken kann. Genauere Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen im Einzelfall das Willkürverbot oder das Gebot verhältnismäßiger Gleichbehandlung durch den Gesetzgeber verletzt ist, lassen sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur bezogen auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sachund Regelungsbereiche bestimmen. 5. Integration einer Leerstandsbesteuerung in die Grundsteuer? Eine denkbare Option für die Besteuerung von leerstehenden Wohngebäuden wäre eine Erweiterung der Grundsteuer um dieses Besteuerungsmerkmal. Auf Grund der BVerfG - Entscheidung15 zur Verfassungswidrigkeit der Einheitsbewertung für Zwecke der Grundsteuer ist diese Rechtsmaterie zurzeit ohnehin Gegenstand von gesetzgeberischen Reformüberlegungen. Es ist jedoch fraglich, ob sich ein leerstandsbezogener Steuerzuschlag ohne weiteres in das bestehende System der Grundsteuer integrieren ließe. Die Grundsteuer wurde bislang vor allem mit Verweis auf das Äquivalenzprinzip begründet. „Danach soll die Grundsteuer über Gebühren und Beiträge hinaus Aufwendungen der Gemeinde für Infrastrukturleistungen (z.B. Straßen, Grünanlagen und andere öffentliche Einrichtungen) kompensieren, die vor allem durch die Nutzung des Grundbesitzes ausgelöst werden. Diesem Gedanken entspricht es, dass die Grundsteuer mittlerweile regelmäßig offen auf den Mieter als Nutzer überwälzt wird.“16 Aus dem Vorgenannten ergeben sich bereits die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine zusätzliche steuerliche Belastung für leerstehende Immobilien innerhalb der Grundsteuer. Der kommunale Aufwand für eine leerstehende Immobilie ist nicht per se höher als der für ein zu Wohn- 13 BVerfGE 93, 121 (147); 99, 280 (296); 105, 73 (112); 110, 274 (292) 14 siehe Fn. 4 15 BVerfG, Urteil vom 10.04.2018, Az: 1 BvL 11/14, 1 BvL 12/14, 1 BvL 1/15, 1 BvR 639/11, 1 BvR 889/12 16 Seer in: Tipke/Lang, Steuerrecht, 23. Aufl. 2018, Grund-/Vermögensteuer, Rn. 2 (juris) Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 128/18 Seite 8 zwecken genutztes Gebäude. Zwar können sich bei dauerhaftem Leerstand erweiterte Verkehrssicherungspflichten für das Gebäude und Grundstück ergeben. Diese treffen jedoch die Eigentümer und nicht die betroffene Gemeinde. Gegen die Einführung einer zusätzlichen Belastung für leerstehende Immobilien spricht auch die Praxis der Überwälzung der Grundsteuer auf den Mieter. Diese Überwälzung ist im Falle des Leerstands nicht möglich, der Eigentümer hat im Leerstandsfall die Grundsteuerlast wirtschaftlich allein zu tragen. Damit enthält die Rechtspraxis bereits einen indirekten Mehrbelastungseffekt für leerstehende Gebäude. Eine zusätzliche Belastung ließe sich somit allein mit dem beabsichtigten Lenkungszweck zu Gunsten der Vermietung von Wohngebäuden rechtfertigen. Eine derartige Lenkungswirkung wäre jedoch ein neuartiges Element innerhalb der bislang rein objektbezogenen Grundsteuer. Wesensmerkmal der Grundsteuer ist es bislang, dass Grundstücke und darauf befindliche Gebäude nach ihrem Ertragswert der Besteuerung zu unterwerfen. Unter Berücksichtigung des von der Grundsteuer betroffenen Eigentumsgrundrechts des Art. 14 Abs. 1 GG, ist die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Sonderbesteuerung leerstehender Wohngebäude innerhalb der Grundsteuer zweifelhaft. Die hier zu prüfende Sonderbelastung für leerstehende Immobilien würde in der Gesamtschau mit der im Leerstandsfall vom Eigentümer zu tragenden Grundsteuer zu einer Doppelbelastung im Vergleich zum Eigentümer einer vermieteten Immobilie führen. Der Lenkungszweck der Bekämpfung des Wohnungsmangels vermag diese Ungleichbehandlung allein nicht zu rechtfertigen, da mit der Sonderbesteuerung vom Objektcharakter der Grundsteuer abgewichen würde. Hieraus könnte sich ein Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Folgerichtigkeit ergeben, denn die grundsätzliche Belastungsentscheidung des Gesetzgebers bei der Grundsteuer geht von der generellen Nutzungsabsicht des Eigentümers (bspw. zur Vermietung) für das Gebäude aus. Kurzfristige Nutzungsunterbrechungen führen weder im bisherigen System der Einheitsbewertung noch in den bislang diskutierten alternativen Bewertungsmodellen zu einer Neubewertung der Immobilie. Nach der ständigen Rechtsprechung des BVerfG hat der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne dieser Belastungsgleichheit umzusetzen. Ausnahmen von einer solchen folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes. Die Sonderbelastung für leerstehende Immobilien lässt sich jedoch mit dem Charakter der Grundsteuer als Objektsteuer und den Grundsätzen der Belastungsgleichheit nicht vereinbaren, da eine auf einen nutzungsabhängigen Lenkungszweck ausgerichtete Sonderbelastung eingeführt würde. Dieser Sondertatbestand für leerstehende Immobilien würde ein „Fremdkörper“ im bestehenden Bewertungs- und Besteuerungssystem der Grundsteuer sein. Der besondere sachliche Grund für diesen Ausnahmetatbestand kann dabei nicht allein der Wohnungsmangel sein, denn – wie soeben bereits dargelegt – ergibt sich aus der Überwälzungspraxis der Grundsteuer auf die Mieter bereits eine wirtschaftliche Sonderbelastung der Eigentümer bei Leerstand der Immobilie. Zwischenergebnis: Eine leerstandsbezogene Sonderbelastung der Immobilieneigentümer innerhalb des bestehenden Grundsteuersystems wäre mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Folgerichtigkeit der steuerlichen Belastungsentscheidung nicht zu vereinbaren. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 128/18 Seite 9 6. Steuer eigener Art auf leerstehende Wohnungen 6.1. Verfassungsrechtliche Vorgaben zur Steuerfindung Alternativ wäre die Schaffung einer neuen Steuer auf leerstehende Wohnimmobilien denkbar. Die Schaffung einer neuen Steuer ist grundsätzlich im Rahmen des Steuerfindungsrechts des Gesetzgebers möglich. „Der Gesetzgeber kann sich in der Ausübung seines Steuerfindungsrechts von finanzpolitischen, volkswirtschaftlichen, sozialpolitischen und steuertechnischen Erwägungen leiten lassen.“17 „Entschließt sich der Gesetzgeber, eine bestimmte Steuerquelle zu erschließen, andere Steuerquellen aber nicht auszuschöpfen, so ist der allgemeine Gleichheitssatz schon dann nicht verletzt , wenn einer der oben genannten Gründe die verschiedene Behandlung hinreichend motiviert .“18 „Steuerwürdigkeitsentscheidungen beruhen wesentlich auf politischen Wertungen, die nach dem GG der Legislative zustehen und von ihr im Wege der Gesetzgebung getroffen werden müssen. Deshalb wird bei diesen Entscheidungen der Gleichheitssatz bereits eingehalten, wenn der Gesetzgeber einen Sachgrund für seine Wahl des Steuergegenstandes vorbringen kann, die Berücksichtigung sachwidriger, willkürlicher Erwägungen ausgeschlossen ist und die konkrete Belastungsentscheidung für ein Steuerobjekt nicht mit anderen Verfassungsnormen in Konflikt gerät .“19 „Die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers bei der Erschließung von Steuerquellen endet erst dort, wo die gleiche oder ungleiche Behandlung der geregelten Sachverhalte nicht mehr mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise vereinbar ist, wo also ein einleuchtender Grund für die Gleichbehandlung oder Ungleichbehandlung fehlt. Nur die Einhaltung dieser äußersten Grenzen der gesetzgeberischen Freiheit (Willkürverbot) ist vom BVerfG nachzuprüfen, nicht aber, ob der Gesetzgeber im Einzelfall die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Lösung gefunden hat.“20 Das BVerfG hat das Steuerfindungsrecht des Gesetzgebers jedoch zuletzt in seinem Urteil zur Kernbrennstoffsteuer21 erheblich eingeschränkt: „Für die in Art. 105 und Art. 106 GG aufgeführten Steuern und Steuerarten verwendet das Grundgesetz Typusbegriffe. Innerhalb der durch Art. 105 und Art. 106 GG vorgegebenen, weit zu interpretierenden Typusbegriffe steht es dem Gesetzgeber offen, neue Steuern zu "erfinden". Die Zuweisung von Gesetzgebungskompetenzen an 17 BVerfGE 13, 203 unter Hinweis auf BVerfGE 6, 81; vgl. ferner BVerfGE 49, 360; 50, 392; 65, 354; 81, 117; 85, 244 18 BVerfGE 13, 203; 65, 354 19 BVerfGE 137, 350, 367 20 BVerfGE 26, 310 unter Hinweis auf BVerfGE 1, 52; 4, 18; 17, 330; 18, 124; 19, 367; vgl. ferner BVerfGE 27, 66, 383; 29, 335; 31, 130; 49, 360 f.; 50, 77, 392; 65, 354; 145, 106, 143 21 BVerfG, Beschluss vom 13.04.2017, Az: 2 BvL 6/13 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 128/18 Seite 10 Bund und Länder durch Art. 105 GG in Verbindung mit Art. 106 GG ist abschließend. Ein über den Katalog der Steuertypen des Art. 106 GG hinausgehendes allgemeines Steuererfindungsrecht lässt sich aus dem Grundgesetz nicht herleiten.“22 Eine neue Steuer hätte allein den Leerstand von mehr als sechs Monaten als Tatbestandsvoraussetzung für die Besteuerung. Damit läge kein Verstoß gegen den Grundsatz der Folgerichtigkeit vor, da die gesetzgeberische Belastungsentscheidung von vornherein auf den Leerstand der Immobilie ausgerichtet wäre. Die finanzielle Leistungsfähigkeit würde durch die steuerliche Mehrbelastung von Wohneigentum auch nicht verletzt. Steuerlich belastet würden Eigentümer, die über einen längeren Zeitraum ihre Immobilie nicht wirtschaftlich zur Einkünfteerzielung mittels Vermietung nutzen. Einen derartigen Leerstand können sich in der Regel nur wirtschaftlich leistungsfähige Steuerpflichtige erlauben. Es ist daher davon auszugehen, dass die Leistungsfähigkeit der betroffenen Steuerpflichtigen bei einem moderaten Steuersatz nicht über Gebühr beansprucht werden würde. 6.2. Leerstandsteuer als Aufwandsteuer mit örtlichem Bezug? Es ist jedoch fraglich, ob der Bund oder die Länder die Gesetzgebungskompetenz für eine derartige Steuer beanspruchen könnten und welchen Typusbegriff des Art. 106 GG der Gesetzgeber hierfür heranziehen könnte. Die in Art. 106 Abs. 6 Satz1 GG enthaltene abschließende Aufzählung schränkt den Handlungsspielraum des einfachen Gesetzgebers entscheidend ein und schließt eine Anknüpfung an andere als die genannten Realien (Grundstücke, Gewerbebetrieb) aus.23 Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG gibt den Ländern jedoch die Befugnis zur Gesetzgebung über die örtlichen Verbrauch- und Aufwandsteuern, solange und soweit sie nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind. Aufwandsteuern sind Steuern auf das Halten bzw. den Gebrauch von Gütern und Dienstleistungen . Der sich darin zeigende Einsatz finanzieller Mittel wird nicht nur indirekt besteuert, so dass Aufwandsteuern nicht notwendig auf Überwälzung angelegt sind. Die ständige Rechtsprechung des BVerfG charakterisiert Aufwandsteuern als „Steuern auf die in der Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit .“24 „Für die Aufwandsteuer hat das Bundesverfassungsgericht bereits klargestellt, dass das Merkmal der "Einkommensverwendung" in erster Linie zur Abgrenzung von den Einkommensentstehungssteuern dient.“25 22 BVerfG: ebenda, Leitsätze 1-3 23 Kloepfer: Finanzverfassungsrecht, München 2014, § 5 Rn. 81 24 BVerfGE 16, 64 (74); 49, 343 (354); 65, 325 (346); 114, 316 (334); 123, 1 (10) 25 BVerfG: siehe Fn. 10, Rn. 118 aE (juris) unter Verweis auf BVerfGE 65, 325 (346 f.) Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 128/18 Seite 11 „Für die in Art. 105 und Art. 106 GG aufgeführten Steuern und Steuerarten verwendet das Grundgesetz Typusbegriffe. Zur Feststellung der Merkmale, die den betreffenden Typus kennzeichnen , ist auf den jeweiligen Normal- oder Durchschnittsfall abzustellen; Merkmale, die sich als bloße Einzelfallerscheinungen darstellen, sind bei der Typusbildung auszuscheiden. Es ist zudem nicht erforderlich, dass stets sämtliche den Typus kennzeichnende Merkmale vorliegen. Diese können vielmehr in unterschiedlichem Maße und verschiedener Intensität gegeben sein; je für sich genommen haben sie nur die Bedeutung von Anzeichen oder Indizien. Maßgeblich ist das durch eine wertende Betrachtung gewonnene Gesamtbild.“26 Zu den Aufwandsteuern wird beispielsweise die Zweitwohnungsteuer gezählt. Die vorgenannten Kriterien einer Aufwandsteuer könnten auf die hier zu prüfende Leerstandsteuer zutreffen. So reicht der bloße Besitz einer leerstehenden Wohnimmobilie für die Besteuerung aus. Es wird nicht die Entstehung von Einkommen der Besteuerung unterworfen, sondern die Einkommensverwendung in Form des Leerstands der Wohnimmobilie. Auch wenn der Leerstand einer Immobilie keine aktive Einkommensverwendung darstellt, so wird doch aus wirtschaftlichen Opportunitätserwägungen eine vorübergehender Leerstand in Kauf genommen. Der Gesetzgeber könnte durch die Schaffung von entsprechenden Ausnahmetatbeständen zudem den Charakter der Einkommensverwendung einer Leerstandsteuer schärfen. Hierzu würden sich steuerfreie Ausnahmen für den Leerstand auf Grund von Krankheit, Tod oder einem bevorstehenden Eigentümerwechsel anbieten. Damit verbliebe als steuerpflichtiger Tatbestand der spekulative Leerstand und den Charakter einer Leerstandsteuer als Aufwandsteuer verdeutlichen würde. Es handelt sich auch um eine Aufwandsteuer mit örtlichem Bezug. „Der örtliche ist dabei als kommunaler Bezug zu verstehen, was sich nicht zuletzt in der Ertragskompetenz der Gemeinden (oder Gemeindeverbände) nach Art. 106 Abs. 6 S. 1 GG spiegelt. Als „örtlich“ gilt eine Verbrauch - oder Aufwandsteuer, wenn sie tatbestandlich an örtliche Gegebenheiten, namentlich an die Belegenheit einer Sache oder einen Vorgang im Gebiet der steuererhebenden Gemeinde, anknüpft und sich ihre Wirkungen – um ein die Wirtschaftseinheit gefährdendes Steuergefälle zu vermeiden – auf dieses Gebiet beschränken.“27 Dies wäre bei der Leerstandsteuer der Fall, da die Immobilien fester Bestandteil des jeweiligen Gemeindegebietes sind und die steuerlichen Anknüpfungspunkte des Wohnungsleerstands bei gleichzeitigem Wohnraummangel ortsbezogen variieren können. So ist es auch durchaus denkbar , dass nur einzelne Gemeinden von dem Recht zur Erhebung einer derartigen Aufwandsteuer Gebrauch machen, während Gemeinden mit einem entspannteren Mietwohnungsmarkt auf die Steuererhebung verzichten könnten. Eine derartige Leerstandsteuer würde auch nicht gegen den Vorrang gleichartiger bundesgesetzlich geregelter Steuern verstoßen. Die Leerstandsteuer ist mit der Grundsteuer nicht gleichartig, 26 BVerfG, Beschluss vom 13. April 2017 – 2 BvL 6/13 –, Rn. 65, juris 27 Maunz/Dürig/Seiler GG Art. 105 Rn. 170-177, beck-online Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 128/18 Seite 12 da Letztere – wie bereits zuvor erwähnt – eine reine Objektsteuer ist. Die konkreten Nutzungsverhältnisse bzw. -änderungen sind für die Bewertung zum Zwecke der Grundsteuererhebung unerheblich . In diesem Zusammenhang könnte eingewandt werden, dass nach § 33 Abs. 1 Grundsteuergesetz (GrStG) die Grundsteuer im Fall strukturellen Leerstands erlassen werden kann, wenn die Minderung des normalen Rohertrags mehr als 50 % beträgt und der Steuerschuldner die Minderung des Rohertrages nicht zu vertreten hat. Die Erlassmöglichkeit verändert indes nicht die Kategorisierung der Grundsteuer als Objektsteuer. Vielmehr wird die Grundsteuer unabhängig von der Ertragsminderung für das Kalenderjahr festgesetzt und der Erlaß wird nach dessen Ablauf ausgesprochen (§ 34 GrStG). Der Bundesfinanzhof (BFH)28 stellte zu § 33 GrStG fest, dass „der Gesetzgeber von Verfassungs wegen auch unter Berücksichtigung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht verpflichtet ist, bereits bei einer geringeren Minderung des Rohertrags einen Erlassanspruch einzuräumen . Er konnte vielmehr im Rahmen des ihm zustehenden weiten Gestaltungsspielraums bei der Abwägung der Interessen der Steuerpflichtigen mit dem Interesse der Gemeinden am Aufkommen aus der Grundsteuer, die der Erfüllung der im öffentlichen Interesse liegenden Aufgaben der Gemeinden dient, zu dem Ergebnis kommen, dass es den Steuerpflichtigen zumutbar ist, die volle Grundsteuer zu entrichten, wenn der normale Rohertrag des Grundstücks nicht um mehr als 50 % gemindert ist. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Grundsteuer aufgrund ihres Charakters als Realsteuer (§ 3 Abs. 2 AO) grundsätzlich ohne Rücksicht auf die persönlichen Verhältnisse und die persönliche Leistungsfähigkeit des Eigentümers erhoben wird (BVerfG-Beschluss in BVerfGK 15, 89; BFH-Beschluss vom 12. Oktober 2005 II B 36/05, BFH/NV 2006, 369) und dass der in § 33 Abs. 1 GrStG vorgesehene Teilerlass von Grundsteuer bei einer Minderung des normalen Rohertrags somit einen Fremdkörper im Grundsteuerrecht darstellt (Puhl, Kommunale Steuer-Zeitschrift --KStZ-- 2010, 67, 68 f.). Die Grundsteuer gehört zudem bei vermieteten oder verpachteten oder zur Vermietung oder Verpachtung bestimmten Grundstücken zu den Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes --EStG-- ggf. i.V.m. § 8 Abs. 1 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes) oder Werbungskosten (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 EStG) und mindert somit die Belastung mit Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer und ggf. auch Gewerbesteuer. Zugleich hat dies zur Folge, dass ein Teilerlass der Grundsteuer dem Steuerpflichtigen in solchen Fällen im Ergebnis nicht in vollem Umfang zugutekommt , es sei denn, dass im Ausnahmefall keine Ertragsteuer anfällt.“ Eine Leerstandsteuer wäre daher als örtliche Aufwandsteuer umsetzbar. Aus den o.g. Gründen sollten jedoch alltagstypische Leerstandsfälle wie Krankenhausaufenthalt oder Eigentümerwechseln von der Steuerpflicht ausgenommen werden. Viele Flächenländer habe ihre Gesetzgebungskompetenz für örtliche Aufwandsteuern in den Kommunalabgabengesetzen auf die Gemeinden übertragen.29 Es obläge somit dem kommunalen 28 BFH, Urteil vom 18.04.2012, Az: II R 36/10, Rn. 13 (juris) 29 so beispielsweise Rheinland-Pfalz in § 5 Abs. 2 Kommunalabgabengesetz (KAG), Baden-Württemberg in § 9 Abs. 4 KAG und der Freistaat Bayern in Art. 3 Abs. 1 KAG Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 128/18 Seite 13 Satzungsgeber über die Einführung einer derartigen Aufwandsteuer zu entscheiden. In den Stadtstaaten liegt diese Gesetzgebungskompetenz dagegen weiterhin bei den Landesparlamenten. 7. Zweckentfremdungsverbotsgesetz in Baden-Württemberg Eine weitere Möglichkeit um dem Leerstand von Wohnraum zu begegnen hat das Land Baden- Württemberg mit dem Zweckentfremdungsverbotsgesetz (ZwEWG) genutzt. § 2 Abs. 1 Satz 1 ZwEWG sieht vor, dass Gemeinden mit Wohnraummangel durch Satzung mit einer Geltungsdauer von höchstens fünf Jahren bestimmen können, dass im Gemeindegebiet oder in Teilen davon Wohnraum nur mit ihrer Genehmigung überwiegend anderen als Wohnzwecken zugeführt werden darf (Zweckentfremdung). Als gesetzliches Regelbeispiel nennt § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 ZwEWG Sachverhalte bei denen eine Wohnung mehr als sechs Monate leer steht. § 2 Abs. 2 Nr. 2 ZwEWG nennt als Ausnahme vom Genehmigungsvorbehalt Fallkonstellationen, bei denen der Leerstand durch ein überwiegend schutzwürdiges privates Interesse gerechtfertigt ist. Hat die Gemeinde durch Satzung in ihrem Gemeindegebiet das Zweckentfremdungsverbotsgesetz für anwendbar erklärt und lässt ein Eigentümer sodann eine Wohnung ohne Genehmigung länger als sechs Monate leer stehen, verwirklicht er gemäß § 5 Abs. 1 ZwEWG eine Ordnungswidrigkeit. Diese kann gemäß § 5 Abs. 2 ZwEWG mit einer Geldbuße bis zu 50.000 Euro geahndet werden. Auf dieser Grundlage haben beispielsweise die Städte Freiburg30, Tübingen31 und Stuttgart32 Satzungen im Sinne des ZwEWG beschlossen. 8. Auswirkungen und Steuereinnahmen Die Auswirkungen einer Leerstandsteuer werden zunächst lokal begrenzt auftreten, da die Steuer nur als Aufwandsteuer mit örtlichem Bezug von einzelnen Gemeinden oder den Stadtstaaten beschlossen werden kann. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass der Leerstand, vor allem wenn er allein aus Spekulationsgründen bestand, unattraktiver wird. Jede Sanktionsregelung schafft jedoch auch Anreize zur Vermeidung derselben. So würde ein Leerstand von 5 Monaten und 29 Tagen keine Steuerpflicht auslösen. Mit entsprechend planendem Verhalten der potentiell steuerpflichtigen Vermieter müsste gerechnet werden. Zudem dürfte eine Leerstandsteuer einen hohen Vollzugsaufwand bei den zuständigen Finanzbehörden nach sich ziehen. Die städtischen Kämmereien oder Finanzämter müssten die Meldepflicht und den Leerstand im gesamten Anwendungsgebiet der Leerstandsteuer kontrollieren. Die erwartbaren Steuereinnahmen sind schwer zu prognostizieren. Sie sind abhängig von der (steuerpflichtigen) Leerstandsquote der jeweiligen Gemeinde und der Bemessungsgrundlage der 30 https://www.freiburg.de/servicebw/OrtsR_22_04.pdf [zuletzt abgerufen am 4.9.2018] 31 https://www.tuebingen.de/verwaltung/uploads/zweckentfremdungsverbotssatzung.pdf [zuletzt abgerufen am 4.9.2018] 32 https://www.stuttgart.de/img/mdb/item/586687/112936.pdf [zuletzt abgerufen am 4.9.2018] Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 128/18 Seite 14 Leerstandsteuer. So bezifferte die Bundesregierung den Geldumsatz von bebauten und unbebauten Immobilien allein für das Land Berlin im Jahr 2016 auf 15,3 Mrd. Euro. Wenn man, ähnlich wie in Vancouver, auf 1% des Immobilienwerts abstellen würde, so kämen je Leerstandsfall jährlich mehrere tausend Euro erzielbare Steuern in Betracht. Dabei wäre es naheliegend die Verkehrswerte der Gutachterausschüsse zu verwenden, da diese regelmäßig aktualisiert werden und in der momentanen Umbruchsphase im Bewertungsrecht eine valide Bewertungsgrundlage liefern . ***