© 2016 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 127/16 Einzelfragen zur Forschungsfinanzierung Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 127/16 Seite 2 Einzelfragen zur Forschungsfinanzierung Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 127/16 Abschluss der Arbeit: 21. November 2016 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 127/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Einzelfragen 4 2.1. Welche rechtlichen Finanzierungsmöglichkeiten gibt es für den Bund und das jeweilige Bundesland, um gemeinsam eine Forschungseinrichtung zu finanzieren? 4 2.1.1. Inhalt und Gegenstand von Art. 91b GG 4 2.1.2. Voraussetzungen 4 2.1.3. Formen 5 2.2. Gibt es eine rechtliche Konstruktion, bei der der Bund und das Bundesland eine dauerhafte (mind. 5 Jahre) Finanzierung herstellen können, ohne auf die außeruniversitären Forschungsverbünde zurückzugreifen? Wie könnte eine solche Konstruktion aussehen, falls es noch keine Möglichkeiten gibt? 6 2.3. Könnte sich ein Bundesland an einer Ressortforschungseinrichtung eines Bundesministeriums beteiligen? 6 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 127/16 Seite 4 1. Fragestellung Gegenstand des vorliegenden Sachstands sind verschiedene Fragen zur gemeinsamen Forschungsförderung von Bund und Ländern. 2. Einzelfragen 2.1. Welche rechtlichen Finanzierungsmöglichkeiten gibt es für den Bund und das jeweilige Bundesland, um gemeinsam eine Forschungseinrichtung zu finanzieren? 2.1.1. Inhalt und Gegenstand von Art. 91b GG Nach der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes sind die Länder für die staatlichen Aufgaben auf den Gebieten der Bildung und Forschung zuständig. Hiervon abweichend besitzt der Bund eng umgrenzte (Mit-)Verwaltungszuständigkeiten als ungeschriebene Kompetenzen aus der Natur der Sache für Vorhaben der wissenschaftlichen Großforschung. Das Grundgesetz knüpft an die Wahrnehmungszuständigkeit die Ausgabenlast. Diese Konnexität ist allerdings durch Artikel 91b Grundgesetz durchbrochen. Hiernach können Bund und Länder aufgrund von Vereinbarungen in Fällen überregionaler Bedeutung zusammenwirken bei der Förderung von Wissenschaft, Forschung und Lehre. Bund und Länder können daneben vereinbaren, in bestimmten weiteren Fällen zusammenzuwirken (Art. 91b Abs. 2 GG). 2.1.2. Voraussetzungen Die seit 1. Januar 2015 in Kraft getretene Neufassung von Art. 91b Abs. 1 GG ermöglicht eine erweiterte Kooperation von Bund und Ländern.1 Der Grundsatz, dass ein Zusammenwirken nur in Fällen überregionaler Bedeutung in Betracht kommt, ist erhalten worden. Dieses Merkmal setzt voraus, dass „der Gegenstand der Förderung Ausstrahlungskraft über das einzelne Land hinaus hat und bedeutend ist im nationalen oder internationalen Kontext.“2 Folglich ist künftig eine Beurteilung jedes einzelnen Falles notwendig. Demnach ist ein Beurteilungsspielraum anzunehmen . „Denn Art. 91b GG ist insgesamt auf politische Einigung ausgerichtet. So hängt schon die Frage, ob im Wissenschafts- und Bildungsbereich überhaupt eine Bund-Länder-Kooperation stattfindet , davon ab, ob sich die Beteiligten politisch auf eine solche Kooperation einigen können.“3 1 Vgl. BT-Drs. 18/2710, S. 1. 2 BT-Drs. 18/2710, S. 7. So auch Seckelmann, in: Friauf/Höfling: Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 91b, Rn. 21. 3 Wolff, Johanna: Der neue Art. 91b GG – verfassungsrechtliche Vorgaben und politische Spielräume, in: Borgwardt , Angela: Neuer Artikel 91b GG: Was ändert sich für die Wissenschaft?, Schriftenreihe des Netzwerk Exzellenz an Deutschen Hochschulen, Publikation zur Konferenz am 19. Mai 2015 in der Friedrich-Ebert-Stiftung, Berlin, S. 13. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 127/16 Seite 5 Nach Einschätzung von Wolff haben Bund und Länder damit „große Gestaltungsspielräume“ erhalten .4 Art. 91b GG enthält keinen Verfassungsauftrag für das Zusammenwirken von Bund und Ländern. Er legt auch keine allgemeinen materiellen Voraussetzungen für das Zusammenwirken fest, sondern macht dieses allein von der formellen Voraussetzung einer Vereinbarung zwischen Bund und Ländern abhängig. Über die Form dieser Vereinbarungen sagt Art. 91b GG nichts aus. Der Begriff „Vereinbarungen“ kann daher Staatsverträge und Verwaltungsvereinbarungen umfassen.5 Die Aufteilung der Kosten ist nach Art. 91b Abs. 3 GG ebenfalls in den Vereinbarungen zu regeln. Auch hier ist Art. 91b GG flexibel und lässt grundsätzlich jeden Schlüssel für die Kostenverteilung zu. Jedoch muss allerdings stets eine Aufteilung der Kosten vorgenommen werden. Das bedeutet, dass weder der Bund, noch die Länder im Rahmen des Zusammenwirkens nach Art. 91b GG die alleinige Finanzierung einer Aufgabe übernehmen dürfen. Der Anteil darf auch nicht so groß sein, dass es praktisch auf eine alleinige Finanzierung durch eine Seite hinausläuft.6 Unter die gemeinsame Finanzierung können grundsätzlich nur die Zweckausgaben fallen, da die Mitfinanzierung von Verwaltungskosten nach Art. 104a Abs. 5 GG verboten ist. Das darf aber nicht zu dem Schluss führen, dass bei der gemeinsamen Förderung von Forschungseinrichtungen, die Teile der Länderverwaltung sind (z.B. unselbständige Forschungsanstalten der Länder), keine Personalkosten der Einrichtungen mitfinanziert werden können, weil Personalkosten in der Regel Verwaltungskosten sind. Bei der Förderung von Forschungseinrichtungen gehören die gesamten Kosten der Einrichtungen zu den Zweckausgaben, weil der Betrieb und die Erhaltung der Einrichtungen gerade der Zweck der Förderung ist.7 2.1.3. Formen Die Förderung nach Art. 91b GG erfolgt im Rahmen des Zuwendungsrechts durch eine Projektförderung oder eine institutionelle Förderung. Als Projektförderung werden Zuwendungen zur Deckung von Ausgaben des Zuwendungsempfängers für einzelne abgegrenzte Vorhaben (z. B. Forschungsprojekte, Modellvorhaben, Tagungen und Ausstellungen) bezeichnet (VV Nr. 2.1 zu § 23 BHO). Diese Förderung ist sowohl zeitlich als auch sachlich begrenzt, wobei auch mehrjährige Projekte förderfähig sind. Verlängert sich ein Projekt über die zunächst vorgesehene Laufzeit hinaus oder ergibt sich ein finanzieller Mehrbedarf, ist 4 Vgl. Wolff, Johanna: Der neue Art. 91b GG – verfassungsrechtliche Vorgaben und politische Spielräume, a.a.O., S. 13. 5 Maunz/Dürig/Maunz GG Art. 91b Rn. 34. 6 Maunz/Dürig/Maunz GG Art. 91b Rn. 40. 7 Maunz/Dürig/Maunz GG Art. 91b Rn. 42. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 127/16 Seite 6 eine Anschlussbewilligung möglich, ohne dass damit der Charakter einer Projektförderung verloren geht. Allerdings besteht grundsätzlich kein Anspruch auf eine Folgebewilligung.8 Unter einer institutionellen Förderung versteht man eine Zuwendung zur Deckung der gesamten Ausgaben oder eines nicht abgegrenzten Teils der Ausgaben eines Zuwendungsempfängers (VV Nr. 2.2 zu § 23 BHO). Gefördert wird die Institution als solche. Wenn auch bei dieser Zuwendungsart die Zuwendung regelmäßig nur für ein Haushaltsjahr bewilligt wird, so dass - rechtlich gesehen - unmittelbar kein Anspruch auf eine Anschlussbewilligung besteht, geht der Zuwendungsgeber faktisch die Verpflichtung zur Förderung über eine längere Zeit ein. Die Veranschlagung von Zuwendungen zur institutionellen Förderung ist abhängig von der Vorlage eines Haushalts- oder Wirtschaftsplanes. Er muss alle zu erwartenden Einnahmen und Ausgaben sowie einen Organisations - und Stellenplan enthalten (VV Nr. 3.4 zu § 23 BHO).9 2.2. Gibt es eine rechtliche Konstruktion, bei der der Bund und das Bundesland eine dauerhafte (mind. 5 Jahre) Finanzierung herstellen können, ohne auf die außeruniversitären Forschungsverbünde zurückzugreifen? Wie könnte eine solche Konstruktion aussehen, falls es noch keine Möglichkeiten gibt? Die Aufnahme in die Förderung regelt das Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern über die Errichtung einer Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK-Abkommen). Art. 2 GWK-Abkommen rekurriert auf die in Art. 91b Abs. 1 GG genannte Voraussetzung der „überregionalen Bedeutung“. Gemäß der § 1 Anlage zum GWK-Abkommen ist die Aufnahme in die Förderung nach Abs. 1 Nr. 5 und Nr. 9 möglich. Die Einzelheiten zu Abs. 1 Nr. 5 regelt die entsprechende Ausführungsvereinbarung. Hierzu ist es notwendig Mitglied der Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz e.V. zu sein. In dem e.V. können, im Gegensatz zur Max-Planck- Gesellschaft, selbständige Einrichtungen der Forschung und der wissenschaftlichen Infrastruktur von überregionaler Bedeutung und gesamtstaatlichem wissenschaftspolitischem Interesse Mitglied werden. Für andere Einrichtungen bietet Abs. 1 Nr. 9 eine Möglichkeit. Jedoch besteht hierzu keine Ausführungsvereinbarung, da es noch keine Anwendung in der Praxis gibt. In diesem Kontext ist es verfassungsrechtlich unbedenklich, wenn bilaterale Vereinbarungen zwischen dem Bund und einem Land getroffen werden.10 2.3. Könnte sich ein Bundesland an einer Ressortforschungseinrichtung eines Bundesministeriums beteiligen? Bund und Länder haben allerdings in dem nach Art. 91b GG abgeschlossenen GWK-Abkommens die Ressortforschung und die Industrieforschung vom Anwendungsbereich der Vereinbarung ausgenommen (s. Protokollnotiz zu § 1 Abs. 1 Anlage zum GWK-Abkommen). Zwar fallen Industrie- und Ressortforschung grundsätzlich in den Bereich der Forschung, dies schließt je- 8 Bundesrechnungshof: Prüfung der Vergabe und Bewirtschaftung von Zuwendungen – Typische Mängel und Fehler im Zuwendungsbereich, 2., überarbeitete Auflage, Bonn 2016, S. 23 9 Bundesrechnungshof: Prüfung der Vergabe und Bewirtschaftung von Zuwendungen, a.a.O., S. 24. 10 Vgl. Glaser, in: Kahl/Waldhoff/Walter: Bonner Kommentar zum GG, Art. 91b GG, Rn. 35. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 127/16 Seite 7 doch nicht aus, dass bestimmte unter dem Etikett „Forschung“ betriebene Tätigkeiten die diesbezüglichen Anforderungen objektiv nicht erfüllen und damit auch nicht im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe gefördert werden dürfen. Maßgeblich sind allein die in Art. 5 Abs. 3 GG zugrunde liegenden Definitionen von Forschung und Lehre als Komponenten des Oberbegriffs Wissenschaft .11 *** 11 Glaser, in: Kahl/Waldhoff/Walter: Bonner Kommentar zum GG, Art. 91b, Rn. 18.