© 2016 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 126/16 Verfassungsrechtliche Aspekte einer Steuerermäßigung für die Landund Forstwirtschaft Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 126/16 Seite 2 Verfassungsrechtliche Aspekte einer Steuerermäßigung für die Land- und Forstwirtschaft Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 126/16 Abschluss der Arbeit: 18.11.2016 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 126/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung und Problemskizzierung 4 2. Verfassungsrechtliche Prüfung des § 34e EStG-E 5 2.1. Grundkonzeption der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft sowie des § 34e EStG-E 5 2.2. Verfassungsrechtliche Aspekte des § 34e EStG-E 6 3. Gerichtliche Überprüfbarkeit der Steuerbegünstigung 9 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 126/16 Seite 4 1. Fragestellung und Problemskizzierung Der Auftraggeber erkundigt sich nach der verfassungsrechtlichen Beurteilung eines derzeit im parlamentarischen Beratungsverfahren befindlichen Gesetzentwurfs1 der Koalitionsfraktionen mit dem u.a. eine neue Vorschrift zur Bemessung des Steuertarifs für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft eingeführt werden soll. Der Entwurf eines Gesetzes zum Erlass und zur Änderung marktordnungsrechtlicher Vorschriften sowie zur Änderung des Einkommensteuergesetzes sieht vor, dass im Einkommensteuergesetz (EStG) ein neuer § 34e eingeführt werden soll. Dieser soll folgenden Inhalt haben: „§ 34e Steuerermäßigung bei Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft (1) Die tarifliche Einkommensteuer wird nach Ablauf von drei Veranlagungszeiträumen (Betrachtungszeitraum ) um den sich nach Satz 2 ergebenden Betrag ermäßigt, wenn die Summe der tariflichen Einkommensteuer, die auf die steuerpflichtigen Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft im Sinne des § 13 entfällt, innerhalb des Betrachtungszeitraums höher ist als die Summe der nach Absatz 2 ermittelten fiktiven tariflichen Einkommensteuer. Bei der Steuerfestsetzung des letzten Veranlagungszeitraums im Betrachtungszeitraum wird die tarifliche Einkommensteuer, die auf die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft entfällt, um den Betrag ermäßigt, um den die Summe der tariflichen Einkommensteuer, die innerhalb des Betrachtungszeitraums auf die steuerpflichtigen Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft im Sinne des § 13 entfällt, die Summe der nach Absatz 2 ermittelten fiktiven tariflichen Einkommensteuer übersteigt. (2) Die fiktive tarifliche Einkommensteuer wird für jeden Veranlagungszeitraum des Betrachtungszeitraums gesondert ermittelt. Dabei treten an die Stelle der tatsächlichen Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft im Sinne des § 13 die nach Satz 3 zu ermittelnden durchschnittlichen Einkünfte. Zur Ermittlung der durchschnittlichen Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft wird die Summe der tatsächlichen Gewinne oder Verluste der Veranlagungszeiträume eines Betrachtungszeitraums gleichmäßig auf die Veranlagungszeiträume des Betrachtungszeitraums verteilt. (3) Bei der Ermittlung der tatsächlichen und der durchschnittlichen Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft im Sinne des Absatzes 2 bleiben Veräußerungsgewinne im Sinne des § 14 in Verbindung mit § 34 Absatz 1 oder Absatz 3 außer Betracht. (4) Sind in einem Veranlagungszeitraum bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft keine vollen zwölf Monate land- und forstwirtschaftlicher Tätigkeit erfasst worden, gelten bei der Anwendung des Absatzes 1 für diesen Veranlagungszeitraum die Sätze 2 und 3. An die Stelle der tariflichen Einkommensteuer tritt diejenige Einkommensteuer, die sich bei Hochrechnung der Summe der tatsächlich erzielten Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft auf zwölf Monate ergibt. Hierfür sind die tatsächlich erzielten Einkünfte in dem Veranlagungszeitraum durch die Anzahl der Monate land- und forstwirtschaftlicher Tätigkeit, die im Veranlagungszeitraum erfasst 1 BT-Drs. 18/10237 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 126/16 Seite 5 worden sind, zu teilen und mit zwölf zu multiplizieren. Die nach Satz 3 hochgerechneten Einkünfte sind entsprechend bei der Berechnung der fiktiven tariflichen Einkommensteuer nach Absatz 2 für diesen Veranlagungszeitraum zugrunde zu legen. (5) Wird ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft innerhalb des Betrachtungszeitraums aufgegeben oder veräußert, verkürzt sich der Betrachtungszeitraum entsprechend. Bestehen in diesen Fällen mehrere Betriebe der Land- und Forstwirtschaft und weichen die Betrachtungszeiträume dieser Betriebe voneinander ab, ist die Steuerermäßigung für jeden Betrieb gesondert zu ermitteln . Dasselbe gilt, wenn bei Neueröffnung eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft die Betrachtungszeiträume mehrerer Betriebe der Land- und Forstwirtschaft voneinander abweichen. Für Mitunternehmeranteile an Betrieben der Land- und Forstwirtschaft gelten die Sätze 1 bis 3 entsprechend. (6) Ist für einen Veranlagungszeitraum, in dem eine Steuerermäßigung nach Absatz 1 gewährt wurde, bereits ein Steuerbescheid erlassen worden, ist dieser zu ändern, soweit sich die innerhalb des Betrachtungszeitraums erzielten Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft ändern. Die Festsetzungsfrist endet insoweit nicht, bevor die Festsetzungsfrist für den Veranlagungszeitraum abgelaufen ist, in dem sich die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft geändert haben.“ 2. Verfassungsrechtliche Prüfung des § 34e EStG-E 2.1. Grundkonzeption der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft sowie des § 34e EStG-E Grundsätzlich unterscheidet das EStG in Gewinn- und Überschusseinkünfte. Die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft gehören zu den Gewinneinkünften, § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG. Gemäß § 4a Abs. 1 Satz 1 EStG ist bei Land- und Forstwirten der Gewinn nach dem Wirtschaftsjahr zu ermitteln. Gemäß Satz 2 Nr. 1 EStG ist das Wirtschaftsjahr bei Land- und Forstwirten der Zeitraum vom 1. Juli bis zum 30. Juni. § 4a EStG sieht insoweit bereits eine Ausnahme vom Grundsatz des § 25 Abs. 1 EStG vor, wonach die Einkommensteuer nach Ablauf des Kalenderjahres (Veranlagungszeitraum) nach dem Einkommen veranlagt wird, das der Steuerpflichtige in diesem Veranlagungszeitraum bezogen hat. § 4a Abs. 1 EStG durchbricht diesen Grundsatz der Abschnittsbesteuerung nicht, sondern sieht lediglich eine vom Kalenderjahr abweichende Gewinnermittlung aufgrund eines besonderen Beginns des Wirtschaftsjahres für Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft vor. Der geplante § 34e EStG-E sieht dagegen eine Steuerermäßigung vor: Die Steuerverwaltung muss gemäß § 34e Abs. 1 EStG-E eine Vergleichsprüfung zwischen der tariflichen Einkommensteuer auf Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft einerseits und einer nach Absatz 2 der neuen Vorschrift zu ermittelnden fiktiven tariflichen Einkommensteuer anderseits durchführen. „Die fiktive tarifliche Einkommensteuer wird für jeden Veranlagungszeitraum des Betrachtungszeitraums gesondert ermittelt. Dabei treten an die Stelle der tatsächlichen Einkünfte aus Landund Forstwirtschaft im Sinne des § 13 die nach Satz 3 zu ermittelnden durchschnittlichen Einkünfte . Zur Ermittlung der durchschnittlichen Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft wird die Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 126/16 Seite 6 Summe der tatsächlichen Gewinne oder Verluste der Veranlagungszeiträume eines Betrachtungszeitraums gleichmäßig auf die Veranlagungszeiträume des Betrachtungszeitraums verteilt.“ (§ 34e Abs. 2 EStG-E) Die Steuerermäßigung des § 34e EStG-E durchbricht somit die Grundprinzipien der Abschnittsbesteuerung , da über den Zeitraum eines Kalender- bzw. Wirtschaftsjahres hinaus ein Ausgleich für Gewinne und Verluste bei Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft mittels Durchschnittsbildung über einen dreijährigen Betrachtungszeitraum erfolgen soll. 2.2. Verfassungsrechtliche Aspekte des § 34e EStG-E Der Gesetzgeber ist an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden, Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG). „Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt für ungleiche Belastungen wie auch für ungleiche Begünstigungen.2 Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengeren Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen.“3 „Im Bereich des Steuerrechts kommen zwei Leitlinien hinzu, die den weitreichenden Entscheidungsspielraum begrenzen, der dem Gesetzgeber sowohl bei der Auswahl des Steuergegenstands als auch bei der Bestimmung des Steuersatzes grundsätzlich zusteht. Es sind das Gebot der Ausrichtung der Steuerlast am Prinzip der finanziellen Leistungsfähigkeit und das Gebot der Folgerichtigkeit (vgl. BVerfGE 117, 1 (30); 121, 108 (119f.); 126, 400 (417)). Die Steuerpflichtigen müssen dem Grundsatz nach durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleichmäßig belastet werden. Die mit der Wahl des Steuergegenstandes einmal getroffene Belastungsentscheidung hat der Gesetzgeber unter dem Gebot möglichst gleichmäßiger Belastung aller Steuerpflichtigen bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands folgerichtig umzusetzen. Ausnahme von einer folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes.“4 Im Interesse verfassungsrechtlich gebotener steuerlicher Lastengleichheit muss darauf abgezielt werden, Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit auch gleich hoch zu besteuern (horizontale Steuergerechtigkeit) während (in vertikaler Richtung) die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich mit der Steuerbelastung niedrigerer Einkommen angemessen sein muss.5 Vergleicht man die geplante Steuerermäßigung für Land- und Forstwirte mit den Besteuerungsregelungen für Gewerbetreibende, denen § 34e EStG-E verwehrt bleibt, so kann sich bei identisch hohen Einkünften in Folge der Steuerermäßigung eine ungleiche Belastung ergeben. Dies wäre nur gerechtfertigt, wenn die subjektive Leistungsfähigkeit der Land- und Forstwirte in Folge von 2 BVerfGE 110, 412 (431); 116, 164 (180) 3 BVerfGE 122, 210-248, Rn. 56 (Pendlerpauschale) 4 BVerfG, Beschluss vom 18. Juli 2012 – 1 BvL 16/11-, BVerfGE 132, 179-194, Rn. 33 5 BVerfGE 82, 60 (89); 99, 246 (260); 107, 27 (46 f.); 116, 164 (180); 122, 210 (231) Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 126/16 Seite 7 nachteiligen klimatischen Einflüssen auf ihre Ernte tatsächlich verringert wäre. Dies dürfte jedoch nicht für sämtliche anspruchsberechtigten Steuerpflichtigen mit Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft der Fall sein, da bestimmte Anbauformen von vornherein von klimatischen Faktoren weitgehend unabhängig sind (bspw. Gartenbaubetriebe). Zweifel könnten sich auch in Bezug auf die Folgerichtigkeit der Belastungsentscheidung ergeben. Die geplante Steuervergünstigung des § 34e EStG-E steht allen Steuerpflichtigen offen, die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft erzielen. Damit wird eine einzelne Gewinneinkunftsart gegenüber den Einkünften aus Gewerbebetrieb und selbstständiger Tätigkeit privilegiert. Der Grundsatz der Abschnittsbesteuerung wird für Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft durchbrochen , indem eine mehrere Wirtschaftsjahre übergreifende Gewinnglättung mit Günstigerprüfung im Vergleich zur Tarifbelastung ohne Gewinnglättung durchzuführen ist. Als besondere sachliche Gründe für Ausnahmen von einer folgerichtigen Umsetzung und Konkretisierung steuergesetzlicher Belastungsentscheidungen hat das Bundesverfassungsgericht in seiner bisherigen Rechtsprechung6 außerfiskalische Förderungs- und Lenkungszwecke sowie Typisierungs - und Vereinfachungserfordernisse anerkannt, nicht jedoch den rein fiskalischen Zweck staatlicher Einnahmenerhöhung. Der Steuergesetzgeber ist grundsätzlich nicht gehindert, außerfiskalische Förderungs- und Lenkungsziele aus Gründen des Gemeinwohls zu verfolgen7. Er darf nicht nur durch Ge- und Verbote , sondern ebenso durch mittelbare Verhaltenssteuerung auf Wirtschaft und Gesellschaft gestaltend Einfluss nehmen. Der Bürger wird dann nicht rechtsverbindlich zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet, erhält aber durch Sonderbelastung eines unerwünschten Verhaltens oder durch steuerliche Verschonung eines erwünschten Verhaltens ein finanzwirtschaftliches Motiv, sich für ein bestimmtes Tun oder Unterlassen zu entscheiden.8 Nur dann jedoch, wenn solche Förderungs- und Lenkungsziele von erkennbaren gesetzgeberischen Entscheidungen getragen werden, sind sie auch geeignet, rechtfertigende Gründe für steuerliche Belastungen oder Entlastungen zu liefern.9 Weiterhin muss der Förderungs- und Lenkungszweck gleichheitsgerecht ausgestaltet sein10, und auch Vergünstigungstatbestände müssen jedenfalls ein Mindestmaß an zweckgerechter Ausgestaltung aufweisen.11 Als Begründung für die beabsichtigte Regelung führt der Gesetzentwurf an, dass die Folgen des globalen Klimawandels für die land- und forstwirtschaftlichen Betriebe zunehmend spürbar zu massiven Ernteausfällen und daraus resultierenden schwankenden Gewinnen geführt hätten. 6 BVerfGE 122, 210 (231 ff.) m.w.N. 7 stRspr; vgl. BVerfGE 93, 121 (147); 99, 280 (296); 105, 73 (112); 110, 274 (292); 116, 164(182); 117, 1 (31) 8 BVerfGE 98, 106 (117); 117, 1 (31 f.) 9 BVerfGE 105, 73 (112 f.) 10 BVerfGE 93, 121 (148); 99, 280 (296); 110, 274 (293); 116, 164 (182); 117, 1 (32) 11 BVerfGE 105, 73 (113); 117, 1 (33) Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 126/16 Seite 8 „Darüber hinaus bestehen weitere vielfältige Gründe, die derzeit zu einer erheblichen Verschlechterung der Ertragslage führen, die im Bereich der Tierhaltung besonders dramatisch ist. Als Reaktion auf diese Entwicklungen sollen die land- und forstwirtschaftlichen Betriebe durch eine steuerliche Maßnahme entlastet werden.“12 Die Einführung und der Anwendungsbereich der Steuervergünstigung werden demnach mit Gewinnschwankungen in der Land- und Forstwirtschaft auf Grund des Klimawandels sowie Verschlechterungen der Ertragslage insbesondere im Bereich der Tierhaltung begründet. Diese Begründung ist sehr allgemein gehalten und schlägt sich in den Tatbestandsvoraussetzungen für die Gewährung der Steuervergünstigung nicht nieder. Weder wird die Vergünstigung vom tatsächlichen Vorliegen derartiger Gewinnschwankungen abhängig gemacht, noch sind Einschränkungen auf landwirtschaftliche Betriebe der Freilandbewirtschaftung enthalten, die auf Grund ihrer Produktionsweise tatsächlich klimatischen Schwankungen unterworfen sind. Unter den Begriff der Landwirtschaft fallen nicht nur Ackerbaubetriebe, die ihren Anbau unter freiem Himmel vornehmen und somit nachweislich etwaige klimatischen Schwankungen und Unwetter direkt in Ernteeinbußen oder –ausfällen zu spüren bekommen können. Zum Begriff der Landwirtschaft zählen vielmehr auch sämtliche Gartenbaubetriebe, die ihre Bewirtschaftung weitgehend „unter Glas“ vornehmen und somit von klimatischen Schwankungen kaum betroffen sein dürften. Der einkommensteuerrechtliche Begriff der Land- und Forstwirtschaft erfasst zudem sämtliche Forstbetriebe. Auch bei dieser Wirtschaftsform spielen klimatische Schwankungen durch längere Regen- oder Dürreperioden längst nicht dieselbe bedeutende Rolle für den wirtschaftlichen Ertrag wie dies beim Ackerbau der Fall ist. Dennoch würden sowohl Gartenbaubetriebe als auch sämtliche Forstbetriebe von der Steuervergünstigung des §34e EStG-E profitieren. Sogar Einkünfte aus der Jagd unterfielen dem Anwendungsbereich der Vergünstigung, wenn sie im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 3 EStG auf eigenen landwirtschaftlichen Flächen erfolgt. Der Kreis der Berechtigten im § 34e EStG-E ist insoweit von der Gesetzesbegründung nicht gedeckt . Der Rechtfertigungsgrund für die Gewährung der Steuervergünstigung wird nicht folgerichtig auf den Kreis der Berechtigten umgesetzt. Zwischenergebnis: Es muss daher davon ausgegangen werden, dass sich durch den weiten Anwendungsbereich der Vergünstigung verfassungsrechtliche Zweifel an deren gleichheitsgerechter Ausgestaltung ergeben könnten. Bezüglich des Erfordernisses einer zweckgerechten Ausgestaltung der Steuervergünstigung ergeben sich ebenfalls Bedenken bezüglich des weiten Kreises der Begünstigten. Der Differenzausgleich der ggf. höheren Belastung der Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft durch den Normaltarif soll nur alle drei Jahre mittels Vergleichsrechnung zum fiktiven Steuertarif erfolgen, § 34e Abs. 1 Satz 1 EStG-E. 12 BT-Drs. 18/10237, S. 1 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 126/16 Seite 9 Damit ist jedoch fraglich, ob die gewünschte steuerliche Entlastungswirkung für die von Ernteausfällen betroffenen Landwirte so zeitnah eintritt, wie es für einen derartigen Förderzweck opportun erschiene. Kurzfristig auftretende Verluste im Jahr 2017 würden bspw. erst im Veranlagungszeitraum 2019 in die fiktive Steuerberechnung einbezogen und ggf. zu Ausgleichszahlungen führen. Mit den bestehenden Mechanismen der Vorauszahlungsanpassung (§ 37 Abs. 3 Satz 3 EStG) sowie des Verlustrücktrags und –vortrags (§ 10d EStG) bestehen bereits gegenwärtig flexible Handlungsinstrumente für sich erheblich ändernde Geschäftsverläufe innerhalb eines Wirtschaftsjahres . In diesem Zusammenhang ist auf die allgemeine Wirkungsweise von Steuerbegünstigungen innerhalb eines linear-progressiven Steuertarifs hinzuweisen: Generell profitieren Steuerpflichtige mit einem höheren zu versteuernden Einkommen von derartigen Begünstigungen ungleich stärker als Kleinbetriebe, die oftmals gar keine oder nur einen sehr geringen Prozentsatz an Einkommensteuer entrichten müssen. Zwar wird die Norm zeitlich befristet bis zum Jahr 2022 eingeführt, § 52 Abs. 34b EStG-E. Ein sachlicher Grund für die Befristung fehlt jedoch. Nach der Zielsetzung des Gesetzentwurfs handelt es sich bezüglich des Klimawandels und der damit verbundenen Ernteausfälle eigentlich um einen Dauersachverhalt, der keinen Raum für eine Befristung lassen würde. Zugleich verringert die Befristung der Steuervergünstigung aber die Belastungswirkung für den sich aus Art. 3 Abs. 1 GG ergebenden Gleichbehandlungsgrundsatz. Zusammenfassung: „Das Bundesverfassungsgericht billigt dem Steuergesetzgeber grundsätzlich einen weitreichenden Entscheidungsspielraum zu. Die mit der Wahl des Steuergegenstandes einmal getroffene Belastungsentscheidung hat der Gesetzgeber unter dem Gebot möglichst gleichmäßiger Belastung aller Steuerpflichtigen bei der Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands folgerichtig umzusetzen. Ausnahmen von einer folgerichtigen Umsetzung bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes.“13 Hieran bestehen bezüglich des geplanten § 34e EStG-E verfassungsrechtliche Zweifel insbesondere in Bezug auf die horizontale Lastengleichheit und die Folgerichtigkeit der geplanten Steuervergünstigung. 3. Gerichtliche Überprüfbarkeit der Steuerbegünstigung Die Finanzgerichtsbarkeit hat keine Normverwerfungskompetenz für formelle Gesetze. Die Gerichte können die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einholen, wenn sie ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig halten (konkrete Normenkontrolle, Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG). Nur das Bundesverfassungsgericht hat insoweit die Kompetenz, formelle Bundesgesetze für verfassungswidrig zu erklären. Ob in einem finanzgerichtlichen Verfahren derartig durchgreifende Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit der Steuervergünstigung des § 34e EStG-E bestünden, kann nicht valide prognos- 13 BVerfG, Beschluss vom 18. Juli 2012 – 1 BvL 16/11-, BVerfGE 132, 179-194, Rn. 33 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 126/16 Seite 10 tiziert werden. Die Kriterien für ein verfassungskonformes Steuergesetz lassen einen Einschätzungs - und Bewertungsspielraum im konkreten Einzelfall, der von den Gerichten auszufüllen bleibt. * * *