© 2019 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 122/19 und WD 6 – 3000 – 120/19 Sozialversicherungs- und steuerrechtliche Behandlung von Abfindungen in Zusammenhang mit Wertguthaben Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 122/19 und WD 6 – 3000 – 120/19 Seite 2 Sozialversicherungs- und steuerrechtliche Behandlung von Abfindungen in Zusammenhang mit Wertguthaben Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 122/19 und WD 6 – 3000 – 120/19 Abschluss der Arbeit: 1. Oktober 2019 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 122/19 und WD 6 – 3000 – 120/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellungen 4 2. Definition von Wertguthaben und deren sozialversicherungsrechtliche Behandlung 4 3. Steuerliche Behandlung einer Abfindung und Zusammenhang mit Wertguthaben 5 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 122/19 und WD 6 – 3000 – 120/19 Seite 4 1. Fragestellungen Inwieweit gibt es Möglichkeiten, Abfindungen in Wertguthaben einzuzahlen und wie wird hier besteuert? Wieviel kann der Arbeitgeber unversteuert in Wertguthaben einzahlen? 2. Definition von Wertguthaben und deren sozialversicherungsrechtliche Behandlung Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB IV) sind gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Personen grundsätzlich nach Maßgabe der besonderen Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige in der Sozialversicherung pflichtversichert. Dies setzt eine zeitliche Zuordnung des Entgelts zu einer Phase der Beschäftigung voraus. Beschäftigung ist gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Arbeitsentgelt sind gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. § 1 Abs. 1 der Sozialversicherungsentgeltverordnung (SvEV) enthält eine Aufstellung der nicht dem Arbeitsentgelt zuzurechnenden Zuwendungen des Arbeitgebers, wie einmalige, zusätzlich zu Löhnen oder Gehältern gewährte, lohnsteuerfreie Einnahmen. Ferner fallen Abfindungen wegen der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, etwa im Sinne der §§ 1a, 9, 10 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG), als Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes nicht unter die Beitragspflicht in der Sozialversicherung, weil die Zahlung für Zeiten außerhalb der Beschäftigung erfolgt. Die für die Beitragspflicht in der Sozialversicherung erforderliche strikte zeitliche Zuordnung des Entgelts zur tatsächlich ausgeübten Beschäftigung war an die Flexibilisierung der Arbeitszeit anzupassen . Deshalb wurden für zwischen den Arbeitnehmern und Arbeitgebern vereinbarte Zeiten der Freistellung von der Arbeitsleistung bei Weiterzahlung des Entgelts besondere Regelungen getroffen: Mit dem zum 1. Januar 1998 in Kraft getretenen Gesetz zur sozialrechtlichen Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen (Flexi I) ist im SGB IV erstmals die Möglichkeit geschaffen worden, im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses Arbeitszeit oder Arbeitsentgelt in einem so bezeichneten Wertguthaben anzusparen und diese zu einem späteren Zeitpunkt zur Finanzierung einer längerfristigen Freistellung von der Arbeit einzusetzen. Mit dem zum 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Gesetz zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen (Flexi II) sind die Verwendung und der Schutz von Langzeitkonten modifiziert und die Portabilität der Wertguthaben bei einem Arbeitgeberwechsel geregelt worden.1 Von den Wertguthaben als Langzeitkonten sind Kurzzeit-, Gleitzeit und Jahresarbeitszeitkonten zu unterscheiden. Während Wertguthaben den Zweck verfolgen, den Sozialversicherungsschutz 1 Vgl. Knospe, Armin (2009), Neue Rahmenbedingungen für Wertguthaben und Arbeitszeitkonten im Sozialgesetzbuch IV, NZS 2009, S. 600. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 122/19 und WD 6 – 3000 – 120/19 Seite 5 für längerfristige Freistellungen beizubehalten, dienen Kurzzeit-, Gleitzeit und Jahresarbeitszeitkonten der täglichen oder wöchentlichen Arbeitszeitgestaltung und dem Ausgleich betrieblicher Produktions- oder Arbeitszeitzyklen.2 Für die sozialversicherungsrechtliche Behandlung der Wertguthaben maßgebliche Vorschriften sind die §§ 7 Abs. 1a, 7b - 7g und 23b SGB IV. Danach besteht eine Beschäftigung auch in Zeiten der Freistellung von der Arbeitsleistung, soweit eine Weiterzahlung des Arbeitsentgelts aus einem Wertguthaben erfolgt. Der Aufbau und die Verwendung von Wertguthaben beruhen auf tarifvertraglichen Regelungen, einer Betriebsvereinbarung oder zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern individuell getroffenen Vereinbarungen. Das Wertguthaben kann aus laufendem Arbeitsentgelt , Einmalzahlungen, Mehrarbeitsvergütung, Überstunden, nicht genommenem Urlaub oder zusätzlichen Arbeitgeberleistungen aufgebaut werden, soweit diese vom Entgeltbegriff des § 14 SGB IV erfasst werden. Vom Arbeitgeber gezahlte Abfindungen wegen der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses sind daher für den Aufbau eines Wertguthabens nicht vorgesehen. Die Wertguthaben können neben den vertraglich vereinbarten Freistellungen von der Arbeitszeit, beispielsweise für eine berufliche Qualifizierung oder unmittelbar vor dem Bezug einer Altersrente , insbesondere für die gesetzlich geregelten Freistellungsansprüche verwendet werden. Dies sind Zeiten der Pflege von Familienangehörigen, der Kindererziehung und Teilzeitbeschäftigungen nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz. Während der Ansparphase besteht für das angesammelte Wertguthaben keine Beitragspflicht in der Sozialversicherung. Die Sozialversicherungsbeiträge werden erst fällig, wenn das Wertguthaben während der Freistellung ausgezahlt wird. Soweit das Wertguthaben nicht für gesetzlich oder vertraglich geregelte vollständige oder teilweise Freistellungen von der Arbeitsleistung verwendet wird, beispielsweise bei vorzeitiger Beendigung der Beschäftigung, liegt ein sogenannter Störfall vor. Gegebenenfalls kann das bereits angesparte Wertguthaben auf einen neuen Arbeitgeber übertragen und dort fortgeführt werden. Eine Übertragung des Wertguthabens kann auf die Deutsche Rentenversicherung Bund erfolgen, wenn der neue Arbeitgeber einer solchen nicht zustimmt.3 3. Steuerliche Behandlung einer Abfindung und Zusammenhang mit Wertguthaben Das Einkommensteuerrecht verwendet anstelle des Begriffs Entgelt regelmäßig den Begriff Arbeitslohn . Zum Arbeitslohn gehören nach § 2 Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV) alle Einnahmen, die dem Arbeitnehmer aus einem bestehenden, einem früheren oder im Hinblick auf ein künftiges Arbeitsverhältnis zufließen. Nur bestimmte Arbeitgeberleistungen sind vom Arbeitslohnbegriff ausgenommen oder werden steuerfrei gestellt. Dazu gehören vor allem: 2 Broschüre des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (2015), Wertguthaben - Arbeitsleben aktiv gestalten, S. 6, abrufbar im Internet unter https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Publikationen/a861-1- wertguthaben-broschuere.pdf?__blob=publicationFile, zuletzt abgerufen am 30. September 2019. 3 Vgl. Knospe, Arnim (2018), Beschäftigung während der Freistellung von der Arbeitsleistung (flexible Arbeitszeiten ), in: Übersicht über das Sozialrecht, Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.), 15. Auflage, Nürnberg , BW Bildung und Wissen Verlag, S. 117-121. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 122/19 und WD 6 – 3000 – 120/19 Seite 6 – Annehmlichkeiten, Gelegenheitsgeschenke oder Aufmerksamkeiten, – Auslagenersatz, – Zuwendungen bei Betriebsveranstaltungen bis zu 110 Euro brutto, – bestimmte Sachzuwendungen bis zu 44 Euro monatlich (z. B. Warengutscheine) und – Personalrabatte bis zu 1.080 Euro.4 Zahlt der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer hingegen eine Abfindung, ist davon auszugehen, dass das Arbeitsverhältnis (vorzeitig) beendet werden soll. Damit diese Abfindung als eine steuerbegünstigte Entschädigung nach § 24 Nr. 1 in Verbindung mit § 34 Abs. 1 und 2 EStG behandelt werden kann, müssen drei Voraussetzungen vorliegen: – An Stelle der bisher geschuldeten Leistung, zum Beispiel des Arbeitslohns, muss eine andere , auf einem eigenständigen Rechtsgrund beruhende Leistung treten. – Die Entschädigung setzt den Verlust von Einnahmen voraus. Eine Zahlung des Arbeitgeber, die bereits erdiente Ansprüche abgilt, ist keine Entschädigung. – Nach ständiger Rechtsprechung setzt die Anwendung der begünstigten Besteuerung voraus, dass die Entschädigungsleistungen dem Arbeitnehmer zusammengeballt in einem Veranlagungszeitraum zufließen. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kann die Entschädigungszahlung mit der Fünftelungsregelung nach § 34 Abs. 1 EStG begünstigt besteuert werden. Die Besteuerung wirkt in diesem Fall progressionsmildernd, weil die Entschädigung bei der Ermittlung der Einkommensteuer so behandelt wird, als sei sie über einen Zeitraum von fünf Jahren in gleichgroßen Beträgen an den Arbeitnehmer gezahlt worden.5 Wird eine Abfindung auf ein Wertguthaben eingezahlt, das ja gerade die (befristete) Weiterführung des Beschäftigungsverhältnisses bezweckt, sind die oben genannten Bedingungen nicht erfüllt : Es tritt kein anderer Rechtsgrund ein, es besteht kein Verlust von Einnahmen und die Abfindung fließt nicht zusammengeballt zu. Die Fünftelungsregelung kommt insofern nicht zum Tragen. Die Abfindungszahlung wird steuerlich wie Arbeitslohn als Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit (§ 19 EStG) behandelt. Allerdings wird die zunächst erfolgte Gutschrift auf einem Wertguthabenkonto nicht als gegenwärtig zufließender Arbeitslohn behandelt.6 Die Besteuerung 4 Fuldner, Ulrike: Lexikonstichwort Entgelt, 3. Steuerfreie Arbeitgeberleistungen, Haufe Steuer Office Kanzlei- Edition Online, HI7403, Stand: 29. Dezember 2016. 5 Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen betr. Zweifelsfragen im Zusammenhang mit der ertragsteuerlichen Behandlung von Entlassungsentschädigungen (§ 34 EStG) vom 1. November 2013 in der Fassung vom 4. März 2016, IV C 4 – S 2290/13/10002, Randziffer 1f., abrufbar bei beck-online mit Beck-Verw 277640. 6 Bundesfinanzhof (BFH), Urteil vom 22. Februar 2018, Aktenzeichen VI R 17/16. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 122/19 und WD 6 – 3000 – 120/19 Seite 7 erfolgt gemäß § 11 Abs. 1 EStG erst in dem Veranlagungszeitraum, wenn die Abfindung, vermutlich in Form von Teilbeträgen, aus dem Wertguthaben dem Arbeitnehmer zugeflossen ist. Eine gewisse Progressionsmilderung tritt ein, wenn sich die zu versteuernden Zuflüsse für den Arbeitnehmer durch die verzögerte Auszahlung aus dem Wertguthaben verringern. Der oben beschriebene Übertragung von Wertguthaben auf die Deutsche Rentenversicherung Bund nach § 7f Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB IV ist nach § 3 Nr. 53 EStG steuerfrei. Erhält der Arbeitnehmer Leistungen aus diesem übertragenen Wertguthaben, gehören sie zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit im Sinne des § 19 EStG. Die Deutsche Rentenversicherung Bund wird als Arbeitgeber fingiert und hat somit die Lohnsteuer von den Leistungen einzubehalten (§ 38 Abs. 3 EStG). * * *