Deutscher Bundestag Verfassungsrechtliche Voraussetzungen einer Zwangsanleihe für Griechenland Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 4 – 3000 - 122/10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 - 122/10 Seite 2 Verfassungsrechtliche Voraussetzungen einer Zwangsanleihe für Griechenland Verfasser/in: Morgenstern Aktenzeichen: WD 4 – 3000 - 122/10 Abschluss der Arbeit: 28.05.2010 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 - 122/10 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Die Sonderabgabenrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 4 2.1. Verfassungsrechtliche Einordnung von Sonderabgaben 5 2.2. Arten von Sonderabgaben 5 2.3. Voraussetzungen 7 2.3.1. Gesetzgebungskompetenz 7 2.3.2. Materielle Voraussetzungen 7 2.3.2.1. Verfolgung eines bestimmten Sachzwecks 8 2.3.2.2. Homogene Gruppe 8 2.3.2.3. Besondere Finanzierungsverantwortlichkeit 8 2.3.2.4. Gruppennützige Verwendung 9 2.3.2.5. Legitimitätsüberprüfung 9 3. Mögliche Eingriffe in Grundrechte 10 3.1. Eigentumsgarantie 10 3.2. Berufsfreiheit 10 3.3. Allgemeines Gleichheitsgebot 11 4. Literatur 11 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 - 122/10 Seite 4 1. Einleitung Diese Ausarbeitung befasst sich zunächst allgemein mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Sonderabgabe und geht danach hierauf aufbauend auf die Frage ein, ob eine Zwangsanleihe rechtlich möglich wäre. Insbesondere wird die Verpflichtung deutscher Banken, griechische Staatsanleihen zu zeichnen, problematisiert. Unter einer Zwangsanleihe versteht man grundsätzlich eine „Form der staatlichen Geldbeschaffung , die sich von einer Anleihe durch die Unfreiwilligkeit der Geldhergabe und von einer Steuer durch die vom Staat als Gegenleistung eingegangene Rückzahlungsverpflichtung unterscheidet.“1 Es handelt sich grundsätzlich um finanzielle Zwangsabgaben mit Rückzahlungsversprechen, die zum vorübergehenden Kapitalentzug desjenigen führen, der sie aufbringen muss. Hier konkret ist mit der Zwangsanleihe insbesondere die gesetzliche Verpflichtung deutscher Banken gemeint, griechische Staatsanleihen zu zeichnen. 2. Die Sonderabgabenrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Zunächst soll kurz in groben Zügen die Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Sonderabgaben erörtert werden.2 In der Entscheidung zur Berufsausbildungsabgabe3 nach dem Ausbildungsplatzförderungsgesetz war das Bundesverfassungsgericht der Ansicht, dass sich die Steuer in der „Idee und Funktion“ maßgeblich von einer Sonderabgabe unterscheide. Die Sonderabgabe sei nur unter engen Voraussetzungen zulässig. In Anspruch könne man allein eine homogene Gruppe nehmen, die dem mit der Sonderabgabe verfolgten Zweck besonders nahe stehe. Aus dieser Sachnähe müsse eine besondere Gruppenverantwortung entspringen. Mit der Entscheidung zur Schwerbehindertenabgabe 4 lockerte das Bundesverfassungsgericht die bis dahin entwickelten Grundsätze zur Zulässigkeit wieder auf. Die strengen Zulässigkeitsvoraussetzungen sollten nur für Sonderabgaben mit Finanzierungszweck Anwendung finden. Im Kohlepfennig- Beschluss5 von 1994 wurde schließlich kurz und bündig festgestellt, das Bundesverfassungsgericht habe nunmehr in gefestigter Rechtsprechung die Grenzen benannt, in denen Sonderabgaben allein zulässig seien. Der Kohlepfennig war ein Preisaufschlag auf die Strompreise der Energieversorgungsunternehmen in Deutschland, den die Verbraucher der alten Bundesländer von 1974 bis 1995 zu entrichten hatten . Unter Zugrundelegung der in der früheren Rechtsprechung entwickelten Grenzen, die je- 1 Von Bitter, Handwörterbuch der preußischen Verwaltung, Bd. 2, S. 1180. 2 Siehe allgemein hierzu Schaefer, Der verfassungsrechtliche Steuerbegriff, Diss., 1996, S. 107 ff. 3 BVerfGE 55, 274 ff. 4 BVerfGE 57, 139 ff. 5 BVerfGE 91, 186 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 - 122/10 Seite 5 weils Sonderabgaben mit Finanzierungszwecken betraf, sah das Gericht den Kohlepfennig als unzulässige Sonderabgabe an, weil er keine homogene Gruppe belaste, sondern eine Allgemeinheit von Stromverbrauchern treffe, die keine besondere Finanzierungsverantwortlichkeit zur Sicherung des Steinkohleeinsatz bei Stromerzeugern habe. Weitere zu nennende Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes sind die Entscheidung zur Investitionshilfeabgabe6, die Entscheidung zur Künstlersozialversicherungsabgabe7, zur Fehlbelegungsabgabe8, zur Absatzfondsabgabe 9, zur Feuerwehrabgabe10 und zum Wasserpfennig11. In seiner Entscheidung vom 3.2.2009 zum Absatzfondsgesetz12 hat das Bundesverfassungsgericht seine bisherige Rechtsprechung grundsätzlich bestätigt und verschärfte Anforderungen für Sonderabgaben aufgestellt, die ausschließlich wirtschaftspolitischen Förderungszielen und –wirkungen dienen. 2.1. Verfassungsrechtliche Einordnung von Sonderabgaben Als Sonderabgaben werden Abgaben bezeichnet, die im Unterschied zu Steuern nicht von der Gesamtheit der Steuerbürger, sondern nur von einer bestimmten Gruppe erhoben werden und zur Finanzierung besonderer Aufgaben in Sonderfonds fließen. Sie werden nicht im Haushaltsplan erfasst. Genau wie Steuern stehen ihnen grundsätzlich keine zurechenbaren Gegenleistungen gegenüber. Sonderabgaben sind verfassungsrechtlich problematisch, weil sie dem Grundsatz der Vollständigkeit des Haushaltsplans widersprechen und so die Verwendung der Sonderabgaben einer parlamentarischen Kontrolle entzogen ist. Deshalb nimmt das Bundesverfassungsgericht eine Begrenzungs - und Schutzfunktion der Finanzverfassung an, aus der sich Grenzen für die Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben ergeben. Sonderabgaben sind daher nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur unter engen Voraussetzungen zulässig. Nach überwiegender Meinung sind Sonderabgaben generell aus finanzverfassungsrechtlicher Sicht bedenklich und ökonomisch oft ineffizient, weil die parlamentarische Kontrolle sowie Haushaltsdebatten, in denen das finanzielle Konzept diskutiert wird, fehlen. Eine Steuer wird als die überlegene Alternative bewertet. 2.2. Arten von Sonderabgaben Grundsätzlich wird zwischen Sonderabgaben mit Lenkungsfunktion und Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion unterschieden. 6 BVerfGE 67, 256 ff. 7 BVerfGE 75, 108 ff. 8 BVerfGE 78, 249 ff. 9 BVerfGE 82, 159 ff. 10 BVerfGE 92, 91 ff. 11 BVerfG, DVBl. 1996, 357 ff. 12 BVerfG, Az. 2 BvL 54/06. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 - 122/10 Seite 6 Nach dem Urteil zur Investitionshilfeabgabe13 sehen Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion als Haupt- oder Nebenzweck die Finanzierung bestimmter Aufgaben vor. Eine Lenkungsfunktion ist dadurch gekennzeichnet, dass sie dem Betroffenen einen wirtschaftlichen Anreiz gibt, sich in einer bestimmten Weise zu verhalten. Dazu zählen beispielsweise die Schwerbehindertenabgabe14 und Umweltabgaben. Sie erfüllt damit eine Antriebs- und Sanktionsfunktion . Der Betroffene soll dazu animiert werden, sich in der gewünschten Weise zu verhalten (z.B. Beschäftigung schwerbehinderte Arbeitnehmer); verhält er sich nicht auf diese Weise, wird er sanktioniert, indem er wirtschaftliche Nachteile erfährt (Leistung von Abgaben). Damit rücken Sonderabgaben mit Lenkungsfunktion „in die unmittelbare Nachbarschaft des Bußgeldes“, von denen sie sich nur durch ihre besondere Ausgleichsfunktion unterscheiden.15 In dieser Ausgleichsfunktion liegt die Rechtfertigung für eine Ausgestaltung der Sanktion als Abgabenpflicht. Die hier zu erörternde Zwangsanleihe soll von deutschen Banken erhoben werden und besteht in der Verpflichtung der Finanzinstitute, griechische Staatsschuldtitel zu zeichnen bzw. zu halten. Die nähere Ausgestaltung wie die Länge der Laufzeit, die Höhe der Verzinsung oder die Höhe der Anteile sind nicht weiter beschrieben. Ein Lenkungszweck liegt vor, wenn die Zwangsanleihe einerseits die Finanzinstitute dazu animiert , sich entsprechend dem Lenkungszweck der Abgabe zu verhalten, auch wenn dies mit höheren Belastungen einhergeht, und wenn sie andererseits von denjenigen, die sich nicht wie gewünscht verhalten, einen entsprechenden finanziellen Ausgleich erhebt (Sanktionsfunktion). Eine Animation zu gewünschtem Verhalten bzw. eine entsprechende Sanktionsfunktion ist bei dieser Zwangsanleihe nicht erkennbar. Eine Lenkungsfunktion in Verbindung mit einer Abschöpfung derjenigen, die sich nicht wie gewünscht verhalten, kann nur vorliegen, wenn das Verhalten für die Betroffenen wählbar ist. Hier liegt aber keine Lenkung zu einem bestimmten Verhalten, sondern Vorschreibung eines bestimmten Verhaltens vor. Damit handelt es sich nicht um eine Sonderabgabe mit Lenkungsfunktion. Vorliegend müsste daher diese Zwangsanleihe wohl als eine Sonderabgabe mit Finanzierungsfunktion klassifiziert werden. Der Zweck der hier vorliegenden Abgabe wäre - vorbehaltlich einer konkreten Ausgestaltung - die Beschaffung von liquiden Mittel für den griechischen Staat. Da durch die Zwangsanleihe Kredite gewährt würden, handelte es sich nicht um die Finanzierung einer besonderen Aufgabe, sondern vielmehr um eine allgemeine Mittelbeschaffung für den Staat letztendlich zum Zweck einer Stabilisierung der Wechselkurse. Allerdings muss bei Sonderabgaben der Sachzweck und die Art der Durchführung klar und konkret herausgearbeitet werden. Die vorliegende Umschreibung genügt diesen Anforderungen noch nicht. Wird kein klarer Sachzweck umfassend auch in seiner Durchführung beschrieben, ist die Erhebung einer Sonderabgabe unzulässig.16 13 BVerfG 2 BvL 19/83, 20/83, 363/83, 491/83. 14 BVerfG 1 BvL 56, 57, 58/78 15 Schmidt, W., Sonderabgaben in der neueren Rechtsprechung des BVerfG, in: NVwZ 1991, 36, 39. 16 Vgl. hierzu BVerfG 2 BvL 19/83, 20/83, 363/83, 491/83. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 - 122/10 Seite 7 2.3. Voraussetzungen Die Zulässigkeitskriterien des Bundesverfassungsgerichts sind dazu gedacht, die Sonderabgabengesetzgebung in engen Grenzen zu halten. Sonderabgaben sollen gegenüber der Steuer die seltene Ausnahme bleiben. Aus diesem Grunde sind die Zulässigkeitskriterien restriktiv anzuwenden. Eine Einordnung als Steuer kommt bei der Verpflichtung, griechische Staatsanleihen zu erwerben , nicht in Betracht, da der deutsche Staat keine Einnahmen bzw. Einkünfte erwirbt. Es handelt sich auch nicht um eine Vorzugslast, da es keine besondere, dem Abgabepflichtigen individuell zurechenbare Gegenleistung gibt. Es stellt sich schon die Frage, ob Sonderabgaben zugunsten anderer Staaten überhaupt erhoben werden können und man letztendlich sich innerhalb der Prüfungskategorie Sonderabgabe befindet, da die Finanzierungsfunktion nicht dem deutschen Staat zugute kommt. Diese Frage wird hier offen gelassen; dennoch werden hier hypothetisch die Prüfungskriterien exemplarisch auf die Zwangsanleihen für Griechenland versucht zu übertragen , um die möglichen rechtlichen Probleme aufzuzeigen. Allgemein gesprochen könnte die generelle Zulässigkeit einer Verpflichtung zweifelhaft sein, bei der der deutsche Staat mit einer Zwangsanleihe in grundrechtlich geschützte Positionen eingreift , aber weder Nutznießer der dadurch bereitgestellten Mittel ist noch die Durchführung der zugesagten Rückzahlung in seiner tatsächlichen Verfügungsgewalt hat. Der Schuldner der verbrieften Forderungen ist ein anderer Staat, auf dessen Verhalten kein rechtlicher Einfluss genommen werden kann. Dies betrifft nicht nur die allgemeine Rückzahlungspflicht, sondern auch die Verwendung der Gelder, über die dem deutschen Parlament keine Rechenschaft abgelegt werden muss. Zudem könnte sich aus der negativen Haushaltslage, die die Finanzinstitute zur Zeichnung von quasi wertlosen Titeln verpflichtet, ein übermäßiger Eingriff in Grundrechte der Institute ergeben, da dies die Rückzahlung der investierten Gelder zumindest zweifelhaft macht. 2.3.1. Gesetzgebungskompetenz Voraussetzung für die formelle Zulässigkeit einer Sonderabgabe durch Bundesgesetz ist, dass dem Bund die Gesetzgebungskompetenz zum Erlass einer Sonderabgabe zusteht. Wie oben beschrieben stehen Sonderabgaben außerhalb des Regelungsgefüges der Finanzverfassung. Ihre Zulässigkeit richtet sich daher anders als bei Steuern nicht nach der Finanzverfassung, sondern als Annexkompetenz nach den Sachkompetenzen der Art. 70 ff. GG. Nach diesen Kompetenzen dürfen aber nicht „beliebig nichtsteuerliche Abgaben unter Umgehung der finanzverfassungsrechtlichen Verteilungsregeln begründet werden“17. In Betracht käme hier etwa das Recht der Wirtschaft nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG. In diesem Kompetenztitel wird insbesondere das Bankwesen ausdrücklich erwähnt. Ob sich aber die Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus einem Kompetenztitel der Art. 70 ff. GG ableiten lässt, kann von hier ohne vertiefte Hintergrundinformationen jedoch nicht überblickt werden. 2.3.2. Materielle Voraussetzungen Bei einer Sonderabgabe mit Finanzierungsfunktion müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein: 17 BVerfG 2 BvL 54/06, Rn. 97. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 - 122/10 Seite 8 - Verfolgung eines bestimmten Sachzwecks - Homogene Gruppe - Sachverantwortung - Gruppennützige Aufgabenverwendung - Periodische Legitimationsüberprüfung. 2.3.2.1. Verfolgung eines bestimmten Sachzwecks Zunächst ist es erforderlich, dass der Gesetzgeber mit der Sonderabgabe einen bestimmten Sachzweck verfolgt, der über die bloße Mittelbeschaffung hinausgeht. Dieser Sachzweck muss genau konkretisiert und in seiner Einordnung und Durchführung klar herausgearbeitet sein. Als Zweck könnte hier die Stabilisierung der Eurozone dienen. Durchgeführt werden soll dies über eine als Zwangsanleihe ausgestaltete Sonderabgabe, die Banken dazu verpflichtet, einen bestimmten Anteil in griechische Staatschuldtitel zu investieren. Es fehlt noch an einer genaueren Ausgestaltung. Eine entscheidende Rolle spielt dabei die Höhe der Anteile und die Länge der Laufzeit. Weiterhin muss die Art und Weise der Durchführung, da sie für die Abgabepflichtigen belastend wirkt, zur Zweckerreichung geeignet und erforderlich sein. Es darf sich auch nicht um einen bloßen Finanzierungszweck handeln. Dies könnte fraglich sein, da die Stabilisierung der Eurozone insbesondere über eine Beschaffung liquider Mittel für die entsprechenden Mitgliedstaaten besteht, um so das Vertrauen in die Stabilität der Wechselkurse gewährleisten zu können. Dies könnte als bloßer Finanzierungszweck angesehen werden. 2.3.2.2. Homogene Gruppe Weiterhin dürfen Sonderabgaben nur einer homogenen Gruppe auferlegt werden, die in der Rechtsprechung oder in der gesellschaftlichen Wirklichkeit bereits vorgefunden wird und durch gleiche Interessenlage oder durch besondere Gemeinsamkeiten klar von der Allgemeinheit abgrenzbar ist. Die Gruppe darf nicht vom Gesetzgeber selbst abgegrenzt werden, sondern muss der Lebenswirklichkeit entstammen. Als verpflichtete Gruppe sollen hier deutsche Banken belastet werden. Diese Gruppe ist nicht genauer spezifiziert worden. Es könnte sich um Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute im Sinne des Kreditwesengesetzes (KWG) handeln. Darunter fallen sowohl private Institute als auch öffentlich rechtlich-organisierte, wie zum Beispiel Sparkassen. Die öffentlich-rechtlich organisierte KfW Bankengruppe gilt hingegen gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 KWG nicht als Kreditinstitut im Sinne des § 1 KWG, unterliegt aber auch der Bankenaufsicht nach § 14 und §§ 22a-f KWG. Es ist also zu konkretisieren, aus welchen Merkmalen sich die homogene Gruppe ergeben soll. 2.3.2.3. Besondere Finanzierungsverantwortlichkeit Die ausgewählte Gruppe muss eine besondere Finanzierungsverantwortung haben. Das bedeutet, dass sie dem mit der Abgabenerhebung verfolgten Zweck näher stehen muss als jede andere Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 - 122/10 Seite 9 Gruppe oder als die Allgemeinheit der Steuerzahler. Alle einzelnen Gruppenmitglieder müssen Träger dieser besonderen Verantwortung sein. Anderenfalls würde die Abgabe gegen den Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verstoßen, wonach Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln ist. Er schützt den Einzelnen vor nicht gerechtfertigter ungleicher Belastung. Die besondere Verantwortlichkeit ergibt sich meist aus gruppenspezifischen Zuständen oder Verhaltensweisen. Die belasteten Finanzinstitute müssen also alle gleichermaßen eine sich aus dem Sachzweck ergebende Verantwortung innehaben, die außerhalb dieser Gruppen niemanden trifft. Es ist herauszuarbeiten , worin die gruppenspezifische Verhaltensweise besteht, die gleichermaßen bei lokal geführten Sparkassen über Genossenschafts- und Raiffeisenbanken bis hin zu international tätigen Investmentbanken zu einer solchen besonderen Verantwortung führt. Es könnte eine spezifische Verantwortung aus einem Verhalten in Betracht kommen, dass zur Verursachung der Finanzkrise geführt haben könnte. Die Gruppenverantwortlichkeit könnte sich also aus einer Verursachungsverantwortlichkeit für eine besonders schwere Belastung ergeben. Eine allgemeine Zuweisung erfüllt die Zulässigkeitsvoraussetzungen allerdings nicht. Es wären genaue Verhaltensweise zu konkretisieren, die von allen für die Zwangsanleihe adressierten Instituten erfüllt worden sind und die ursächlich für eine Destabilisierung der Eurozone gewesen sein müssen. Schließlich muss die Stabilisierung der Eurozone auch im spezifischen Gruppeninteresse liegen und sich deutlich vom Interesse, das die Allgemeinheit an der Erreichung des Zwecks hat, absetzen . 2.3.2.4. Gruppennützige Verwendung Die Sonderabgabe muss gruppennützig, d.h. im überwiegenden Interesse der Gruppe, verwendet werden, da nur dies den Eingriff in das durch Art. 14 GG geschützte Eigentum rechtfertigt. Da Zwangsabgaben im Allgemeinen ohne oder mit niedriger Verzinsung verknüpft werden, ist keine gruppennützige Verwendung ersichtlich, die insbesondere zweckgebunden der Gruppe zugute kommt. Die Ausgestaltung der Zwangsanleihe als verbriefte Forderung, die eventuell auch verzinst wird, reicht für einen Mehrwert nach Ansicht der Unterzeichnerinnen nicht aus. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Verzinsung unter Marktniveau und damit unter dem der Bank möglichen Gewinn liegen würde, da anderenfalls die Ausgestaltung einer Zwangsanleihe unnötig wäre. Die Vorteile der Bank, frei über ihre Mittel zu verfügen, geht auf den betreffenden Staat über. Weiterhin käme als Hintergrund für die finanzielle Unterstützung Griechenlands die Stabilisierung der Eurozone und damit der Wirtschaft in Betracht. Dieses allgemeine Ziel liegt aber nicht im ausschließlichen Interesse der Finanzinstitute, sondern es ist vielmehr von einer Allgemeinnützigkeit auszugehen, sodass sich auch hier keine gruppennützige Verwendung ergäbe. Bei der gruppennützigen Verwendung ist auch zu beachten, dass Sonderabgaben genau deswegen nicht in den allgemeinen Haushalt fließen, sondern in der Regel in Sonderfonds verwaltet werden . Dies scheint bei der Zeichnung von griechischen Staatsanleihen kaum zu realisieren, so dass diese Mittel in den griechischen Haushalt fließen und nach Ablauf der Laufzeit der Staatsanleihen für die Rückzahlung wiederum aus dem Haushalt die Mittel besorgt werden sollen. 2.3.2.5. Legitimitätsüberprüfung Bei Sonderabgaben muss zudem periodisch die fortdauernde Legitimität der Erhebung überprüft werden. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 - 122/10 Seite 10 3. Mögliche Eingriffe in Grundrechte 3.1. Eigentumsgarantie Im Urteil zum Konjunkturzuschlag stellte das Bundesverfassungsgericht folgendes fest: „Art. 14 GG schützt grundsätzlich das Vermögen nicht gegen die Auferlegung von Geldleistungspflichten. Ein Verstoß gegen Art. 14 GG könnte allenfalls dann in Betracht kommen, wenn die Geldleistungspflichten den Pflichtigen übermäßig belasten und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigen würden.“18 Es kommt bei einer Beurteilung also auf die genaue Ausgestaltung der Abgabe an, insbesondere die Zinsen, die Länge der Laufzeit und auch die Höhe der Anteile; ohne diese Angaben kann eine genaue Beurteilung nicht erfolgen. Dabei erstreckt sich die Eigentumsgarantie nur auf rechtlich geschützte Positionen, das Vermögen an sich wird nicht geschützt. Die Finanzinstitute erwerben eine verbriefte Forderung gegen den griechischen Staat. Eine übermäßige Belastung könnte sich aus langen Laufzeiten und der Verpflichtung, große Anteile der Aktiva in die Staatsschuldtitel zu investieren, ergeben. Zusätzlich zu den ausgeführten Erwägungen zu Art. 14 GG spielt bei der Verpflichtung zum Erwerb griechischer Staatsschuldtitel insbesondere die Sicherheit der Schuldtitel eine Rolle. Dies kann insbesondere bei einem Staat, der kurz vor dem Staatsbankrott steht, ein bedeutender Gesichtspunkt sein. 3.2. Berufsfreiheit Zur Verfolgung wirtschaftspolitischer Ziele steht dem Gesetzgeber ein weiter Spielraum offen. Im Investitionshilfeurteil19 hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass der Bundesgesetzgeber ordnend und lenkend in das Wirtschaftsleben eingreifen und in diesem Zusammenhang auch Geldleistungen auferlegen kann. Allerdings ist dabei das Grundrecht der Berufsfreiheit, Art. 12 GG, zu beachten. Der Schutzbereich des Art. 12 GG umfasst neben der freien Berufsausbildung und Berufswahl auch die freie Berufsausübung. Es wird damit auch die unternehmerische Freiheit geschützt. Ihre Verkürzung bedarf eines Rechtfertigungsgrundes und steht unter einem Gesetzesvorbehalt . Nach der 3-Stufen-Theorie können vernünftige und zweckmäßige Erwägungen des Gemeinwohls die Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit rechtfertigen. Dadurch sind die Grundrechtsträger insbesondere vor übermäßig belastenden und nicht zumutbaren Auflagen geschützt. Dabei ist das Verhältnismäßigkeitsgebot zu beachten. Juristische Personen des öffentlichen Rechts können sich nicht auf die Berufsfreiheit berufen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind zur Verfolgung wirtschaftspolitischer Ziele Steuern als Finanzinstrument vorrangig.20 Der Einsatz von Sonderabgaben darf nicht 18 BVerfG 1 BvR 559, 571, 586/70, Rn. 50, 51. 19 BVerfG 2 BvL 19/83, 20/83, 363/83, 491/83. 20 BVerfG 2 BvL 54/06, Rn. 107. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 - 122/10 Seite 11 beliebig erfolgen, sondern muss sich durch sachliche Gründe von besonderem Gewicht rechtfertigen . Daher sind insbesondere Abgaben zur ausschließlichen Förderung wirtschaftspolitischer Ziele und Auswirkungen restriktiv zu handhaben. Die Geschäftsfreiheit der Finanzinstitute darf nicht übermäßig und in besonders belastender Weise eingeschränkt werden. Die Verpflichtung, bestimmte vorgeschriebene Geschäfte abzuschließen , greift in den Kern der Berufsausübungsfreiheit ein. Es ist dabei zu beachten, in welchem Maße dies geschehen soll. Mit steigender Höhe der Anteile, die in Staatsschuldtitel investiert werden sollen, steigt die Belastung der Institute. Gleichzeit würde das Ziel einer Konsolidierung der Eurozone wahrscheinlich nur erreicht, wenn insgesamt ein sehr großer Betrag in die Staatsanleihen fließt. Dies spricht dafür, dass es sich bei der Verpflichtung um große Beträge und damit eine hohe Belastung der Institute handeln würde. Eine zu hohe Festschreibung der Aktiva in bestimmten Titeln allerdings würde die Finanzinstitute in ihrer Geschäftstätigkeit nicht nur einschränken , sondern bei gleichzeitigen relativen Einnahmeverlusten durch niedrige Verzinsung regelrecht blockieren. Würde es zu einer überwiegenden Einschränkung der Geschäftstätigkeit der Banken kommen, wäre dies wohl als unverhältnismäßig anzusehen sein. 3.3. Allgemeines Gleichheitsgebot Die Beachtung des allgemeinen Gleichheitsgebotes aus Art. 3 Abs. 1 GG muss sich in der Einhaltung der oben dargestellten Zulässigkeitsvoraussetzungen der Sonderabgaben widerspiegeln und die Belastungsgleichheit der Abgabepflichtigen sicherstellen. Insbesondere die spezielle Finanzierungsverantwortung jedes Gruppenmitglieds und die gruppennützige Verwendung bilden den Rechtfertigungsgrund für die Erhebung einer Sonderlast. Die Verpflichtung deutscher Finanzinstitute zur Zeichnung griechischer Staatsanleihen könnte gegen das allgemeine Gleichheitsgebot aus Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen, nach dem Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln ist. Daraus ergibt sich das Verbot, im Wesentlichen Ungleiches gleich und im Wesentlichen Gleiches ungleich zu behandeln. Entscheidend ist dabei die Bestimmung des richtigen Vergleichsmaßstabes. Die Unterscheidungsmerkmale müssen speziell genug sein, um die differenzierte Lebenswirklichkeit abzubilden und nicht ungleiche Gruppen anhand unspezifischer, allgemeiner Merkmale als eine Vergleichsgruppe zusammenzufassen. Zum einen könnten daraus Probleme entstehen, dass alle Finanzinstitute unabhängig von ihrer Größe, ihres Umsatzes, ihrer Bedeutung oder ihres Geschäftsmodells herangezogen werden sollen . Dies könnte eine Gleichbehandlung von im Wesentlichen Ungleichem bedeuten. Zu einer Beurteilung ist allerdings die konkrete Ausgestaltung der Zeichnungspflicht und der damit verfolgte Zweck hinsichtlich der Institute ausschlaggebend. 4. Literatur Gerichtsentscheidungen: BVerfGE 4, 7 (Investitionshilfe) BVerfG 1 BvR 559, 571, 586/70 = BVerfGE 29, 402 (Konjunkturzuschlag) Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 - 122/10 Seite 12 BVerfGE 55, 274 (307) (Berufsbildungsabgabe) BVerfG 1 BvL 56, 57, 58/78 = BVerfGE 57, 139 (167-169) (Schwerbehindertenabgabe) BVerfG 2 BvL 19/83, 20/83, 363/83, 491/83 (Investitionshilfeabgabe) BVerfG 2 BvL 54/06 (Absatzfonds) BVerwGE 69, S. 11, 20 BVerwGE 75, S. 292, 299 Literatur: Birk, Steuerrecht, § 2 Rn. 116 – 126, 12. Auflage, 2009 Epping/Hillgruber, Beck’scher Online Kommentar, Grundgesetz, Ausgabe 01.02.2010 Henseler, Das Urteil zur Investitionshilfenabgabe in seiner Bedeutung für die Dogmatik des Abgabenrechts , in: NVwZ 1985, S. 398 ff. Höfling, Erzwungene Investitionshilfe mittels einer „Neunzehntelsteuer“? in: BB 1992, S. 2479 ff. Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 12, Art. 115, Rn. 75, 2009 Schmidt, W., Sonderabgaben in der neueren Rechtsprechung des BVerfG, in: NVwZ 1991, 36 Tipke / Lang, Steuerrecht, § 3 Rn. 23 ff, 20. Auflage, 2009 Zimmermann, Die Zwangsanleihe, S. 15-17, 103, 1992