© 2019 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 121/19 und WD 6 – 3000 – 119/19 Steuerliche Behandlung von Beitragszahlungen bei vorzeitiger Inanspruchnahme einer Altersrente nach § 187a SGB VI Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 121/19 und WD 6 – 3000 – 119/19 Seite 2 Steuerliche Behandlung von Beitragszahlungen bei vorzeitiger Inanspruchnahme einer Altersrente nach § 187a SGB VI Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 121/19 und WD 6 – 3000 – 119/19 Abschluss der Arbeit: 26. September 2019 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 121/19 und WD 6 – 3000 – 119/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Erläuterung des Inhalts von § 187a SGB VI 4 3. Steuerliche Behandlung der Beiträge nach § 187a SGB VI 5 3.1. Leistung der Beiträge durch den Arbeitnehmer 5 3.2. Leistung der Beiträge durch den Arbeitgeber 6 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 121/19 und WD 6 – 3000 – 119/19 Seite 4 1. Fragestellung Der Auftraggeber bittet um Beantwortung folgender Fragen: Wie werden Beitragszahlungen bei vorzeitiger Inanspruchnahme einer Altersrente nach § 187a SGB VI steuerlich behandelt, wenn – der Arbeitnehmer die Beiträge leistet oder – der Arbeitgeber die Beiträge übernimmt? 2. Erläuterung des Inhalts von § 187a SGB VI § 187a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) eröffnet Versicherten unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, die bei einer vorzeitigen Inanspruchnahme einer Altersrente entstehende Rentenminderung durch Zahlung von Beiträgen ganz oder teilweise auszugleichen. In Frage kommen hier insbesondere die Altersrente für langjährig Versicherte, für schwerbehinderte Menschen, Altersrente für Frauen oder wegen Arbeitslosigkeit. Für eine Rente wegen Erwerbsminderung oder die Regelaltersrente kann keine zusätzliche Ausgleichszahlung erfolgen. Folgende Voraussetzungen müssen nach § 187a SGB VI für eine Beitragszahlung erfüllt werden: – Erklärung des Versicherten gegenüber dem Rentenversicherungsträger über die Absicht, später eine Altersrente beziehen zu wollen, die durch vorzeitige Inanspruchnahme gemindert ist, – eine Antragstellung des Versicherten auf eine entsprechende Rentenauskunft, die erst ab Vollendung des 50. Lebensjahres möglich ist, – eine Rentenauskunft des Rentenversicherungsträgers nach § 109 Abs. 5 Satz 4 SGB VI wurde erteilt und die entsprechende Höhe der zu zahlenden Beiträge mitgeteilt. Der Ausgleich der Rentenminderung ist freiwillig. Für die Zahlung verantwortlich sind die Versicherten selbst, jedoch kann die Zahlung auch durch Dritte, zum Beispiel den Arbeitgeber im Rahmen eines Sozialplans oder einer Abfindung, übernommen werden. Die Beiträge müssen vor dem Erreichen der Regelaltersgrenze gezahlt werden. Die Zahlung kann von der Vollendung des 50. Lebensjahres an vorgenommen werden. Wie viele Beiträge Versicherte zahlen, können sie selbst entscheiden, wobei die Beiträge keine Pflicht- oder freiwilligen Beiträge sind und nicht zur Wartezeitberechnung herangezogen werden können. Sie wirken vielmehr als dynamischer Zuschlag zu der auf Pflicht- oder freiwilligen Beiträgen beruhenden Rente. Teilzahlungen sind ausdrücklich zulässig und können im Kalenderjahr zweimal vorgenommen werden. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 121/19 und WD 6 – 3000 – 119/19 Seite 5 3. Steuerliche Behandlung der Beiträge nach § 187a SGB VI 3.1. Leistung der Beiträge durch den Arbeitnehmer In seiner Steuererklärung kann ein Steuerpflichtiger Sonderausgaben nach § 10 Einkommensteuergesetz geltend machen. Das EStG definiert die Sonderausgaben nicht, sondern zählt bestimmte Aufwendungen, die Sonderausgaben darstellen, abschließend auf.1 Zu den Sonderausgaben gehören auch die sogenannten Vorsorgeaufwendungen, die in § 10 Abs. 1 Nrn. 2, 3 und 3a EStG abschließend aufgezählt sind. Zu den Vorsorgeaufwendungen wiederum gehören nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a EStG die Beiträge zu den gesetzlichen Rentenversicherungen . Dazu gehören die Pflichtbeiträge aufgrund einer abhängigen Beschäftigung einschließlich des nach § 3 Nr. 62 EStG steuerfreien Arbeitgeberanteils. Beiträge sind auch freiwillige Zahlungen von Beiträgen zum Ausgleich einer Rentenminderung (bei vorzeitiger Inanspruchnahme einer Altersrente) nach § 187a SGB VI. Diese müssen durch eine Beitragsbescheinigung des Rentenversicherungsträgers nachgewiesen werden.2 Vorsorgeaufwendungen sind bis zum Höchstbeitrag zur knappschaftlichen Rentenversicherung steuerlich relevant (§ 10 Abs. 3 EStG). Im Veranlagungsjahr 2019 beläuft sich dieser Höchstbetrag auf 24.305 Euro; bei zusammenveranlagten Ehegatten verdoppelt sich dieser Höchstbetrag auf 48.610 Euro. Bis zu diesem Höchstbetrag kann der Steuerpflichtige im Jahr 2019 88 Prozent3 als Vorsorgeaufwendungen ansetzen. Der sich danach ergebende Betrag, vermindert um den nach § 3 Nr. 62 steuerfreien Arbeitgeberanteil zur gesetzlichen Rentenversicherung und einen diesem gleichgestellten steuerfreien Zuschuss des Arbeitgebers, ist als Sonderausgabe abziehbar. Zurzeit führt das Finanzamt noch eine Günstigerprüfung bei der Berechnung der zu berücksichtigenden Vorsorgeaufwendungen durch, weil es Fälle gibt, in denen der Abzug der Vorsorgeaufwendungen in der Fassung des EStG für 2004 günstiger ist (§ 10 Abs. 4a EStG). Zur Vermeidung einer Schlechterstellung wird in diesen Fällen der höhere Betrag berücksichtigt. Einbezogen in die Überprüfung werden nur Vorsorgeaufwendungen, die nach dem ab 2005 geltenden Recht, also nach der Umstellung des Rentenbezugs auf die nachgelagerte Besteuerung, abziehbar sind.4 1 Hutter, Ulrich: EStG § 10 Rn. 25, in: Blümich: Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz , 147. Ergänzungslieferung Mai 2019, abrufbar bei beck-online. 2 Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen betr. einkommensteuerrechtliche Behandlung von Vorsorgeaufwendungen und Altersbezügen, IV C 3 – S 221/12/10010:004, zuletzt geändert am 24. Mai 2017, Randziffer 2, abrufbar bei beck-online mit BeckVerw 275395. 3 Der Prozentwert resultiert aus der Übergangsphase zur nachgelagerten Besteuerung der Rente. Er erhöht sich bis 2025 um jährlich zwei Punkte, ab da sind die Vorsorgeaufwendungen bis zum Höchstbetrag absetzbar. 4 Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen betr. einkommensteuerrechtliche Behandlung von Vorsorgeaufwendungen und Altersbezügen, IV C 3 – S 221/12/10010:004, zuletzt geändert am 24. Mai 2017, Randziffer 164, abrufbar bei beck-online mit BeckVerw 275395. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 121/19 und WD 6 – 3000 – 119/19 Seite 6 Korrespondierend zur Abzugsmöglichkeit der Vorsorgeaufwendungen als Sonderausgabe muss der Steuerpflichtige die aufgrund der gesetzlichen und oben erläuterten freiwilligen Beiträge bezogene Leibrente als sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe a EStG versteuern. Beginnt die Rente beispielsweise in 2019, beträgt der Besteuerungsanteil 78 Prozent .5 Der Unterschiedsbetrag zwischen dem Jahresbetrag der Rente und dem der Besteuerung unterliegenden Anteil der Rente ist der steuerfreie Teil der Rente. Dieser gilt ab dem Jahr, das dem Jahr des Rentenbeginns folgt, für die gesamte Laufzeit des Rentenbezugs. 3.2. Leistung der Beiträge durch den Arbeitgeber Übernimmt der Arbeitgeber die Zahlungen der Beiträge im Sinne des § 187a SGB VI, sind sie für den Arbeitnehmer steuerfrei, soweit sie 50 Prozent der Beiträge nicht übersteigen (§ 3 Nr. 28 EStG). Die andere Hälfte der Beiträge, die der Arbeitgeber leistet, ist lohnsteuerpflichtig. Wenn die Zahlung der Beiträge aus Anlass einer Entlassung aus dem Dienstverhältnis vereinbart wurde, stellen sie jedoch eine Entlassungsentschädigung im Sinne von § 24 Nr. 1 Buchstabe a EStG als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen dar.6 Entlassungsentschädigungen werden nach § 34 Abs. 1 EStG nach der Fünftelungsregelung (siehe unten) begünstigt besteuert. Nach ständiger Rechtsprechung ist eine der Voraussetzung für diese begünstigte Besteuerung, dass die Entschädigungsleistungen zusammengeballt in einem Veranlagungszeitraum zufließen. Zahlt der Arbeitgeber die Rentenversicherungsbeiträge nach § 187a SGB VI wie zulässig in Teilbeträgen, ist die Voraussetzung für die steuerliche Begünstigung nicht gegeben. Zahlt der Arbeitgeber die Rentenversicherungsbeiträge nach § 187a SGB VI wie zulässig in Teilbeträgen und zahlt er seinem Arbeitnehmer darüber hinaus eine Entlassungsentschädigung in Form einer Einmalzahlung, könnte diese Einmalzahlung ebenfalls nicht nach der Fünftelungsregelung (§ 34 Abs. 1 und 2 EStG, siehe unten) begünstigt besteuert werden, weil es an der Zusammenballung der Entschädigungsleistungen fehlt. Die Finanzverwaltung bewilligt hier jedoch eine Ausnahme: Die vom Arbeitgeber zusätzlich zum steuerfreien Teil geleisteten Rentenversicherungsbeiträge nach § 187a SGB VI einschließlich darauf entfallender, gegebenenfalls vom Arbeitgeber getragene Steuerabzugsbeträge werden als Teil der Entlassungsentschädigung gesehen. Dass der Arbeitgeber diese Beiträge in Teilbeiträgen leistet , bleibt für die Frage der Zusammenballung der Entschädigungsleistungen somit außer Be- 5 Der Prozentwert resultiert aus der Übergangsphase zur nachgelagerten Besteuerung der Rente. Er erhöht sich bis 2040 um jährlich einen Punkt für neue Renten. Ab 2040 sind die dann neu bezogenen Renten vollständig zu versteuern. 6 Bundesfinanzhof (BFH), Urteil vom 15. Mai 2017, Aktenzeichen X R 10/15. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 121/19 und WD 6 – 3000 – 119/19 Seite 7 tracht. Deshalb kann eine dem Arbeitnehmer über diese Leistungen des Arbeitgebers hinausgehende Entlassungsentschädigung in Form einer Einmalzahlung begünstigt nach der Fünftelungsregelung besteuert werden, sofern auch die anderen Bedingungen des § 34 EStG vorliegen.7 Bei der Fünftelungsregelung nach § 34 EStG wird zunächst die Einkommensteuer auf das zu versteuernde Einkommen ohne die außerordentlichen Einkünfte, in diesem Fall die Entlassungsentschädigungen , ermittelt. Sodann wird die Einkommensteuer ermittelt, die auf das zu versteuernde Einkommen zuzüglich eines Fünftels der außerordentlichen Einkünfte ergibt. Zwischen diesen beiden Steuerbeträgen wird der Unterschiedsbetrag gebildet. Die für die außerordentlichen Einkünfte anzusetzende Einkommensteuer beträgt das Fünffache dieses Unterschiedsbetrags . * * * 7 Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen betr. Zweifelsfragen im Zusammenhang mit der ertragsteuerlichen Behandlung von Entlassungsentschädigungen (§ 34 EStG) vom 1. November 2013, IV C 4 – S 2290/13/10002, Randziffern 8und 21f. in der Fassung vom 4. März 2016, abrufbar bei beck-online mit Beck- Verw 277640.