© 2019 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 119/19 Verfassungsrechtliche Aspekte des Belastungsgrundes und der Bewertungsvorschriften im Grundsteuer-Reformgesetz Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Bewertung und Zusammenfassung 13 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 119/19 Seite 4 1. Fragestellung Der Auftraggeber bittet um eine verfassungsrechtliche Überprüfung des Belastungsgrundes und der Bewertungsmethode im Grundsteuer-Reformgesetz. 2. Der Belastungsgrund im Grundsteuer-Reformgesetz Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in seinem Urteil zur Verfassungswidrigkeit der Einheitsbewertung für Steuersachverhalte des Grundsteuerrechts betont, dass „der Gesetzgeber […] bei der Wahl der Bemessungsgrundlage und bei der Ausgestaltung der Bewertungsregeln einer Steuer einen großen Spielraum (hat), solange sie geeignet sind, den Belastungsgrund der Steuer zu erfassen und dabei die Relation der Wirtschaftsgüter zueinander realitätsgerecht abzubilden.“1 In der zur öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages vorgelegten Stellungnahme verweist Kirchhof auf diesen Leitsatz des BVerfG und leitet daraus das Erfordernis der Unterscheidbarkeit des Belastungsgrundes der Grundsteuer von dem der Vermögensteuer ab. „In der Klarheit über den Belastungsgrund und das Bemessungsziel hat sich die Grundsteuer von Verfassungs wegen von anderen Steuern und insbesondere von der Vermögensteuer rechtserheblich zu unterscheiden.“2 Kirchhof stellt fest: „Die verfassungsrechtliche Grenze der Sollertragsbesteuerung beschränkt die Vermögensteuer und die Grundsteuer. Sie bildet bereits deshalb keinen Belastungsgrund der Grundsteuer, der diese in der vom Grundgesetz geforderten Weise von der Vermögensteuer abgrenzt . Allein als Sollertragsteuer kann die Grundsteuer ohnehin nicht verfassungskonform begründet und bemessen werden. Das in der Gesetzesbegründung ebenfalls beschriebene „Innehaben von Vermögen“ unterscheidet sich ebenso nicht hinreichend von der Vermögensteuer, weil diese das Vermögen belastet. Die Grundsteuer ist keine Vermögensteuer, muss sich in ihrem Zugriff auf die Leistungsfähigkeit und auch auf Grund der unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Ertragsverteilung und Gesetzgebungskompetenz von dieser unterscheiden. Im Gewand der Grundsteuer darf keine Vermögensteuer erhoben werden. Auch die beschriebene Verkehrswertermittlung gibt der Grundsteuer keinen Belastungsgrund, der sie hinreichend von den anderen Steuern abgrenzt. Das verfassungsrechtliche Unterscheidungsgebot verbietet zwar keine parallele Bemessung von Steuern. So darf die Gewerbesteuer den nach dem Einkommen- oder Körperschaftsteuergesetz ermittelten Gewinn zugrunde legen. Steuern, die von einem gemeinsamen Ausgangswert ausgehen, müssen sich aber sodann in Begründung und Bemessung unterscheiden. Der Wert des Vermögens und damit auch des Grundbesitzes ist Gegenstand der Vermögensteuer. Die Grundsteuer wird auch nicht auf den Verkauf von Grundeigentum erhoben, für den der Verkehrswert maßgeblich ist. Anders als die Erbschaft- und Schenkungsteuer belastet die Grundsteuer nicht den gegenwärtigen Wert des anfallenden Vermögenszuwachses. Die Ausrichtung auf 1 BVerfG, Urteil vom 10. April 2018 – 1 BvL 11/14 –, BVerfGE 148, 147-217, Leitsatz 1 2 Kirchhof, Gregor: „Verfassungsrechtlicher Änderungsbedarf bei den erwogenen Reformen zur Grundsteuer“, Stellungnahme für die öffentliche Anhörung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages, https://www.bundestag.de/resource/blob/656876/a80cdba97342115b3a65c83cf759529a/12-Prof-Kirchhofdata .pdf [zuletzt abgerufen am 15.10.2019], S. 16 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 119/19 Seite 5 den Verkehrswert begeht ohne einen eigenständigen grundsteuerlichen Belastungsgrund den entscheidenden Fehler, die Bewertung an der Vermögensteuer, der Erbschaft- und Schenkungssteuer oder ganz anderen Vorgängen wie einen Verkauf zu orientieren. Entgegen der vom Bundesverfassungsgericht , vom Bundesfinanzhof und auch vom Bundesrat ausdrücklich betonten Vorgabe wird keine spezifische Bewertung der Grundsteuer aus einem im Gesetz erkennbaren eigenen Belastungsgrund entwickelt. Das Grundgesetz wird so verletzt.“3 Kirchhof lässt in seiner Kritik jedoch unerwähnt, dass das BVerfG den Belastungsgrund der Grundsteuer als Sollertragsteuer in seiner Entscheidung nicht in Frage gestellt hat. Vielmehr hat das BVerfG die weiten Entscheidungsspielräume des Gesetzgebers bei der Festlegung von Belastungsgründen betont: „Ausgehend von diesen Vorgaben hat der Gesetzgeber für die Wahl der Bemessungsgrundlage und die Ausgestaltung der Regeln ihrer Ermittlung einen großen Spielraum, solange sie nur prinzipiell geeignet sind, den Belastungsgrund der Steuer zu erfassen. Dabei ist er von Verfassungs wegen auch nicht verpflichtet, sich auf die Wahl nur eines Maßstabs zur Bemessung der Besteuerungsgrundlage festzulegen. Je nach Art und Vielfalt der von der Steuer erfassten Wirtschaftsgüter wird eine gleichheitsgerechte Bemessung der Erhebungsgrundlage ohnehin oft nur durch die Verwendung mehrerer Maßstäbe möglich sein. Bei der Wahl des geeigneten Maßstabs darf sich der Gesetzgeber auch von Praktikabilitätserwägungen leiten lassen, die je nach Zahl der zu erfassenden Bewertungsvorgänge an Bedeutung gewinnen und so auch in größerem Umfang Typisierungen und Pauschalierungen rechtfertigen können, dabei aber deren verfassungsrechtliche Grenzen wahren müssen. Jedenfalls muss das so gewählte und ausgestaltete Bemessungssystem, um eine lastengleiche Besteuerung zu gewährleisten, in der Gesamtsicht eine in der Relation realitäts- und damit gleichheitsgerechte Bemessung des steuerlichen Belastungsgrundes sicherstellen.“4 Eine Abgrenzbarkeit des Belastungsgrundes der Vermögensteuer von dem der Grundsteuer wird in der BVerfG-Entscheidung nicht erwähnt. Vielmehr gesteht das BVerfG dem Gesetzgeber für die Ermittlung des Verkehrswertes im Grundsteuerrecht einen größeren Spielraum zu als im Bereich der Vermögensteuer.5 Auch Hey6 sieht das Bemessungsziel hinreichend definiert. „Der Regierungsentwurf ist insofern jetzt jedoch sehr eindeutig und entspricht damit den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts an die Erkennbarkeit des Bemessungsziels: Das Grundsteuer -Reformgesetz will an der Grundstruktur des bisherigen Bewertungs- und Grundsteuerrechts festhalten. Bewertungsziel auch des Grundsteuer-Reformgesetzes ist „die Ermittlung eines objektiviert-realen Werts innerhalb eines Wertekorridors des gemeinen Werts im Sinne von §9 Abs. 1 BewG.“7 Dieses Bekenntnis zum Verkehrswert kommt an mehreren Stellen zum Ausdruck: 3 Kirchhof: ebenda, S. 18 f. 4 BVerfG, Urteil vom 10. April 2018 – 1 BvL 11/14 –, BVerfGE 148, 147-217, Rn. 98 (juris) 5 Siehe BVerfG, Rn. 109 (juris) 6 Hey, Johanna: „Stellungnahme zu dem Entwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD Grundsteuer-Reformgesetz https://www.bundestag.de/resource/blob/656092/1417af2f0455d387d0484f5393ec26c5/09-Prof-Heydata .pdf [zuletzt abgerufen am 16.10.2019], S. 9 7 BT-Drs. 19/11085, S. 86 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 119/19 Seite 6 So heißt es, das Bewertungsverfahren müsse „strukturell geeignet sein, das dem Bewertungsmaßstab innerhalb des zulässigen Wertekorridors nahekommende Bewertungsziel eines objektiviertrealen Grundsteuerwerts als Bemessungsgrundlage für eine relations- und realitätsgerechte Besteuerung zu erfassen.“ Es gehe um eine typisierende Verkehrswertermittlung „in Anlehnung an die anerkannten Vorschriften zur Verkehrswertermittlung von Grundstücken auf der Grundlage des Baugesetzbuchs“ und „entsprechend den „Preisbildungsmechanismen am Grundstücksmarkt .“8 Auch die im Gesetz vorgesehenen Wertfortschreibungen (§ 222 GrStG-E) ergeben nur dann Sinn, wenn Bewertungsziel der – sich im Zeitablauf verändernde – Verkehrswert des Grundstücks ist.9 Der ebenfalls in der Gesetzesbegründung enthaltene Hinweis10 auf die Infrastrukturleistungen der Kommunen, ein eher äquivalenztheoretisches Argument, hat erkennbar lediglich die Funktion allgemeiner Steuerrechtfertigung, ohne dass hieraus Vorgaben für die Bemessungsgrundlage abgeleitet werden.“11 3. Verfassungsrechtliche Aspekte der neuen Bewertungsverfahren für die Grundsteuer 3.1. Prüfungsmaßstab Der Gesetzgeber verfügt bei der Neuregelung der Grundsteuer „über einen weiten, vom Bundesverfassungsgericht nur begrenzt überprüfbaren Spielraum zur Bestimmung des Steuergegenstandes und des Steuersatzes“.12 Auch bei der sich an die Auswahl des Steuergegenstandes anschließenden Ausgestaltung der Regeln zur Erfassung der Bemessungsgrundlage steht ihm ein weiter Gestaltungsspielraum zu, solange das Verfahren geeignet ist, den Belastungsgrund der Steuer zu erfassen und die Wirtschaftsgüter in ihrer Relation zueinander realitätsgerecht abzubilden.13 Bei einer auf Verkehrswerten basierenden Grundsteuer bedarf es hierzu in regelmäßigen Abständen einer Neubewertung, da nur die zeitnahe Bewertung eine realitätsgerechte Erfassung ermöglicht. Dabei können für unterschiedliche Arten von Grundstücken unterschiedliche Verfahren zur Anwendung gebracht werden.14 „Gleichheitsrechtlicher Ausgangspunkt im Steuerrecht ist der Grundsatz der Lastengleichheit. Die Steuerpflichtigen müssen dem Grundsatz nach durch ein Steuergesetz rechtlich und tatsächlich gleichmäßig belastet werden. Der Gleichheitssatz belässt dem Gesetzgeber einen weit reichenden Entscheidungsspielraum sowohl bei der Auswahl des Steuergegenstandes als auch bei der Bestimmung des Steuersatzes. Abweichungen von der mit der Wahl des Steuergegenstandes einmal getroffenen Belastungsentscheidung müssen sich indessen ihrerseits am Gleichheitssatz 8 BT-Drs. 19/11085, S. 82 9 BVerfG v. 10.4.2018, BVerfGE 148, 217 Rz. 105 10 BT-Drs. 19/11085, S. 81 11 Hey: ebenda 12 BVerfG v. 10.4. 2018 – 1 BvR 1236/11, BVerfGE 148, 217 Rz. 168 13 BVerfG v. 10.4. 2018 – 1 BvR 1236/11, BVerfGE 148, 217 Rz. 97 u. 168 14 BVerfG v. 10.4. 2018 – 1 BvR 1236/11, BVerfGE 148, 217 Rz. 98 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 119/19 Seite 7 messen lassen (Gebot der folgerichtigen Ausgestaltung des steuerrechtlichen Ausgangstatbestands ). Demgemäß bedürfen sie eines besonderen sachlichen Grundes, der die Ungleichbehandlung zu rechtfertigen vermag. Dabei steigen die Anforderungen an den Rechtfertigungsgrund mit dem Ausmaß der Abweichung und ihrer Bedeutung für die Verteilung der Steuerlast insgesamt .“15 „Der Gesetzgeber darf und muss sich Typisierungen und Pauschalierungen bedienen. Das BVerfG leitet seine Anforderungen an derartige Typisierungen aus Art. 3 Abs. 1 GG her. „Die Typisierung muss realitätsgerecht sein. Dies ist dann der Fall, wenn die gesetzlichen Verallgemeinerungen „von einer möglichst breiten, alle betroffenen Gruppen und Regelungsgegenstände einschließenden Beobachtung ausgehen“.16 Insbesondere darf der Gesetzgeber für eine gesetzliche Typisierung keinen atypischen Fall als Leitbild wählen17, sondern muss den typischen Fall als Maßstab zugrunde legen.18 Dabei darf er sich am Regelfall orientieren und ist nicht gehalten, allen Besonderheiten jeweils durch Sonderregelungen Rechnung zu tragen19. Allerdings müssen die Vorteile der Vereinfachung in einem angemessenen Verhältnis zu der durch die Typisierung bewirkten Ungleichbehandlung stehen. Grundsätzlich dürfen Härten und Ungerechtigkeiten der Typisierung nur eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen treffen. Von Bedeutung ist zudem die Intensität der Ungleichbehandlung20.“21 Zur Typisierung für Zwecke der Grundsteuer hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt: „Bei der Ausgestaltung des Systems zur Erfassung der Bemessungsgrundlage kann der Gesetzgeber Praktikabilitätserwägungen Vorrang vor Gesichtspunkten der Ermittlungsgenauigkeit einräumen und dabei auch beträchtliche Bewertungs- und Ermittlungsunschärfen in Kauf nehmen, um die Festsetzung und Erhebung der Steuer handhabbar zu halten“22. 15 BVerfG, Urteil vom 10. April 2018 – 1 BvL 11/14 –, BVerfGE 148, 147-217, Rn. 96 16 BVerfG v. 6.7.2010 – 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268 (279); BVerfG v. 8.10.1991 – 1 BvL 50/86, BVerfGE 84, 348 (359); BVerfG v. 17.11.1992 – 1 BvL 8/87, BVerfGE 87, 234 (255); BVerfG v. 10.4.1997 – 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1 (6). 17 BVerfG v. 22.2.1984 – 1 BvL 10/80, BVerfGE 66, 214 (223); BVerfG v. 16.3.2005 – 2 BvL 7/00, BVerfGE 112, 268 (280 f.); BVerfG v. 7.11.2006 – 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 (31). 18 StRspr, vgl. BVerfG v. 21.6.2006 – 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 (182 f.); BVerfG v. 9. 12. 2008 – 2 BvL 1/07, BVerfGE 122, 210 (233). 19 Vgl. BVerfG v. 16.3.2005 – 2 BvL 7/00, BVerfGE 112, 268 (280); gl. BVerfG v. 31.5.1990 – 1 BvL 12, 13/88, 2 BvR 1436/87, BVerfGE 82, 159 (185 f.); BVerfG v. 8.10.1991 – 1 BvL 50/86, BVerfGE 84, 348 (359 f.); BVerfG v. 10.4.1997 – 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1 (6) 20 Ständige Rechtsprechung, z.B. BVerfG v. 7. 11. 2006 – 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 (21); BVerfG v. 15. 1. 2008 – 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1 (30) 21 Hey: siehe Fn. 6, S. 6 f. 22 BVerfG v. 10.4. 2018 – 1 BvR 1236/11, BVerfGE 148, 217 Rz. 131. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 119/19 Seite 8 Es gehe laut Hey vor allem darum, die Verkehrswerte im Verhältnis der Grundstücke zueinander gleichheitssatzkonform zu typisieren.23 3.2. Bewertung unbebauter Grundstücke Für die unbebauten Grundstücke sieht § 247 Bewertungsgesetz-Entwurf (BewG-E) vor, dass der Grundsteuerwert unbebauter Grundstücke durch Multiplikation der Fläche mit dem jeweiligen Bodenrichtwert ermittelt wird. Gegen die Qualität der Ermittlung der Bodenrichtwerte durch die Gutachterausschüsse werden zwar Bedenken vorgetragen. Diese sind jedoch nicht von derartig grundsätzlicher Natur, dass daraus verfassungsrechtliche Zweifel an der Legitimation dieser Bewertungsmethode erhoben würden . Bodenrichtwerte, so Hey, sind als Basis zur Ermittlung von Grundstückspreisen auf der Grundlage von Kaufpreissammlungen allgemein anerkannt.24 „Zwar wird allgemein davon ausgegangen , dass die Bodenrichtwerte als Durchschnittswerte etwa 10 bis 20 % unter dem Verkehrswert liegen25. Da diese Unterschreitung des Verkehrswertes grundsätzlich alle Grundstücke betrifft und nicht systematisch bei bestimmten Grundstücken auftritt, sind etwaige Abweichungen gleichheitsrechtlich jedoch unbedenklich. Zudem führt die in § 10 Abs. 3 Immobilienwertermittlungsverordnung -Entwurf vorgesehene Vereinheitlichung der Bodenrichtwertzonen zukünftig zu einer stärkeren Angleichung der Werte innerhalb der einzelnen Richtwertzone.“26 Es ergeben sich daher keine Einwendungen bezüglich der Bewertungsmethode und des Belastungsgrundes bei unbebauten Grundstücken. 3.3. Ertragswertverfahren bei Wohngrundstücken Wesentlich kritischer wird das geplante Ertragswertverfahren bei Wohngrundstücken beurteilt. „Sehr viel komplexer ist die Einbeziehung von Gebäuden in die Wertermittlung, wobei für Wohngebäude (Ein-, Zweifamilienhäuser, Mietwohngrundstücke, Eigentumswohnungen) ein vereinfachtes Ertragswertverfahren zur Anwendung kommt. Vor dem Hintergrund der Klassifizierung der Grundsteuer als Sollertragsteuer ist die Anwendung einer Ertragswertverfahrens sachgerecht . Ebenfalls nicht zu beanstanden ist, dass es sich um ein vereinfachtes Verfahren handelt, das auf Typisierungen (grobe Einteilung nach Wohnungsgröße, Gebäudeart und Baujahr, Mietwertypisierung nach Bundesländern und Wohngeld-/Mietniveaustufen, typisierten Bewirtschaftungskosten ) basiert. Problematisch ist jedoch das Zusammenspiel diverser Typisierungen. Aufgrund der Kombination der unterschiedlichen Faktoren ist der in der Gesetzesbegründung vielfach enthaltene Hinweis auf anerkannte Bewertungsverfahren, insbesondere der ImmoWertV, ir- 23 Hey, S. 8 24 Hey, S. 10 25 Rössler/Troll, Bewertungsgesetz. Kommentar, § 145 Rz. 22. 26 Hey: ebenda Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 119/19 Seite 9 reführend. Zwar werden Anleihen an vorhandenen Bewertungsverfahren der ImmoWertV genommen , diese werden aber abgewandelt und mit anderen Klassifizierungen (Wohngeldverfahren ) kombiniert, was die Bewertung schwer nachvollziehbar macht. Im Interesse der Akzeptanz der Reform ist dies kritikwürdig, verfassungsrechtlich jedoch unerheblich. Dem Bestimmtheitsgrundsatz ist Genüge getan; spätestens mit der ersten Hauptfeststellung zum 1.1.2022 ist der Grundsteuerwert bekannt.“27 Hey geht in ihrer Stellungnahme jedoch davon aus, dass der Bestimmtheitsgrundsatz nicht das alleinige Kriterium für die Verfassungsmäßigkeit der Grundsteuer ist. „Bestimmtheit reicht jedoch nicht für eine verfassungskonforme Typisierung. Die vorgesehenen Typisierungen und ihr Zusammenspiel führen nicht zu einer auch nur annähernd realitätsgerechten Wertermittlung. Dabei liegt das Problem nicht in der geringen Exaktheit, sondern darin, dass es systematisch zu einer Unterbewertung hochwertiger Immobilien kommt, während geringwertige Immobilien zutreffend oder tendenziell sogar zu hoch bewertet werden. Dadurch wirkt das vereinfachte Ertragswertverfahren regressiv28. Dies liegt vor allem an der unzureichenden Lagedifferenzierung, obwohl gerade die Lage der entscheidende Faktor des Werts einer Immobilie ist.29“30 Dabei wird insbesondere die Berechnungsweise des Rohertrags des Grundstücks gemäß § 254 BewG-E kritisiert. Dieser soll anhand der in Anlage 39 des Gesetzentwurfs nach Land, Gebäudeart , Wohnungsgröße und Baujahr des Gebäudes angegebenen monatlichen Nettokaltmieten je Quadratmeter Wohnfläche einschließlich der in Abhängigkeit der Mietniveaustufen festgelegten Zu- und Abschläge ermittelt werden. „Für die zur Ermittlung des Rohertrags angesetzten Nettokaltmieten wird zwar grob nach Gebäudearten und Größe differenziert, ansonsten werden aber einheitliche Durchschnittswerte für die einzelnen Länder gebildet. Zu einer gewissen Differenzierung innerhalb der Länder führen Zuund Abschläge anhand Mietniveaustufen, die auf der Eingruppierung für Zwecke des Wohngeldbezugs nach § 12 Abs. 3 Wohngeldgesetz i. V. m. § 1 Abs. 3 Anlage 1 Wohngeldverordnung beruhen . Da die Mietniveaustufen gemeindebezogen festgesetzt werden, fehlt es aber einer Differenzierung innerhalb der einzelnen Gemeinde, obwohl in größeren Gemeinden erhebliche Lageunterschiede existieren. Damit wirkt sich die konkrete Lage des Grundstücks nur über den Bodenrichtwert für den Grundstücksanteil aus. Dieser kann aber aufgrund der vorgesehenen Abzinsung mittels typisierter Liegenschaftszinssätze bis auf 30 % des Gesamtwertes absinken (§ 253 Abs. 2 Satz 4 BewG-E). Zwar reduziert sich der Liegenschaftszins bei hohen Bodenrichtwerten (§ 256 Abs. 2 u. 3 BewG-E). Dennoch kann der Bodenrichtwert gerade bei neuen Gebäuden mit langer Restnutzungsdauer die systematischen Unterzeichnungen des Mietwertes von Immobilien in guten Lagen nicht auffangen, da auch bei auf 1,5 % ermäßigtem Liegenschaftszins bei Neubauten 27 Hey: aaO., S. 11 28 Ebenso Löhr, ZKF 2019, 169 (171) 29 Löhr, ZKF 2019, 169 (171) 30 Hey: ebenda Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 119/19 Seite 10 mit nach Anlage 38 typisierter wirtschaftlicher Nutzungsdauer von 80 Jahren nur ein 30 prozentiger Bodenanteil verbleibt.“31 Kritisch sieht Hey auch die Datengrundlage zum Hauptfeststellungszeitpunkt 1.1.2022. „Ein weiterer Grund für die deutliche Unterzeichnung der Mieten in Ballungsgebieten liegt darin, dass die in Anlage 39 zu § 254 BewG-E aufgeführten Mietwerte auf dem Mikrozensus 2014 basieren32. Sie sollen für die erste Hauptfeststellung zum 1.1.2022 herangezogen werden, die dann für weitere sieben Jahre gilt, d. h. eine neue Hauptfeststellung erfolgt zum 1.1.2029. Wie wichtig die Forderung des Bundesverfassungsgerichts nach zeitnaher Bewertung ist, wird deutlich, wenn man sich die zum Teil massiven Mietpreissteigerungen in Ballungsgebieten innerhalb der letzten fünf Jahre vor Augen hält. Dass die Politik dieser Entwicklung mehr als Gewahr ist, wird an den diversen gesetzgeberischen Maßnahmen zur Begrenzung der Wohnungsmieten deutlich.“33 Der Gesetzentwurf verweist hier zur Begründung auf das Ziel der Vereinfachung im Massenverfahren .34 Zwar kann sich der Gesetzgeber – wie oben bereits dargestellt – Typisierungen und Pauschalierungen zum Zwecke der Vereinfachung im Steuerverfahren bedienen. „Vom Vereinfachungszweck ist die systematische Unterbewertung hochwertiger Immobilien nicht gedeckt. Das Bundesverfassungsgericht hat im Grundsteuerurteil ausgeführt, dass es nicht auf die Exaktheit des Verfahrens ankomme sondern das Verfahren lediglich „prinzipiell geeignet sein“ müsse, „den Belastungsgrund der Steuer zu erfassen“35. Das in §§ 250 BewG-E vorgesehene Verfahren genügt diesen Anforderungen nicht. Unproblematisch wäre es nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, wenn das vereinfachte Ertragswertverfahren eine systematische Unterbewertung sämtlicher Wohnimmobilien zur Folge hätte.36 Tolerierbar wäre auch noch, wenn es in einer gewissen Bandbreite (bis zu 30%, evtl. sogar bis zu 40%) für manche Immobilien zu einer Unterbewertung kommt, für andere zu einer weitgehend verkehrswertgerechten Bewertung. Das vorgesehene Verfahren führt aber zu sehr viel deutlicheren Unterbewertungen, und das nicht in atypischen Einzelfällen, sondern systematisch, in der „normativen Struktur“ der neuen Bewertungsregeln begründet.“37 31 Hey: S. 11 f. 32 https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Wohnen/_inhalt.html; Kritik s. Marx, DStZ 2019, 372 (374). 33 Hey, S. 13 34 BT-Drs. 19/11085, S. 115 35 BVerfG v. 10.4. 2018 – 1 BvR 1236/11, BVerfGE 148, 217 Rz. 98. 36 Ausdrücklich BVerfG v. 10.4. 2018 – 1 BvR 1236/11, BVerfGE 148, 217 Rz. 109. 37 Hey, S. 14 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 119/19 Seite 11 Auch Löhr38 sieht die fehlende Differenzierung der Wertberechnung nach der Lage eines bebauten Grundstücks innerhalb einer Gemeinde als problematisch an. Tatsächlich vereinbarte oder übliche Mieten im Sinne des § 79 Abs. 2 BewG seien für die Grundsteuer nicht relevant. „Zwischen den verschiedenen Lagen innerhalb der jeweiligen Gemeinden findet über die Durchschnittsmieten jedoch keine Differenzierung statt. Auch der in einem Vorläufer des Gesetzentwurfs (vom April 2019) noch enthaltene zweifach gestaffelte „Metropolenzuschlag“, der bei großen Großstädten ab 600.000 Einwohnern in Abhängigkeit vom Bodenrichtwert vorgenommen werden sollte, wurde ersatzlos gestrichen. Lediglich im Rahmen der zweiten Ertragswertkomponente wird über die Bodenrichtwerte (§ 196 BauGB) eine Differenzierung nach Lagen vorgenommen . Das Gewicht der Bodenwerte ist aufgrund der Abzinsungseffekte umso geringer, je länger die Restnutzungsdauer des Gebäudes ausfällt und je höher der anzulegende Liegenschaftszinssatz ist. Erst bei kurzen Restnutzungsdauern ist die Differenzierung nach Lagen wieder ausgeprägter. Infolge der mangelnden Lagedifferenzierung im Rahmen der ersten Ertragswertkomponente entsteht nun bei Wohngrundstücken eine systematische Bewertungsverzerrung. Grundstücke in guten Lagen haben nämlich in der Regel höhere übliche oder tatsächliche Mieten als die amtlich ermittelten Durchschnittsmieten; für Grundstücke in einfachen Lagen gilt das Gegenteil. Es ist fraglich, ob diese grundsteuerliche Bewertung von Wohngrundstücken der Forderung des Bundesverfassungsgerichts nach einer in ihrer Relation realitätsgerechten Bewertung der Wirtschaftsgüter entspricht.“39 Das Äquivalenzprinzip, das ergänzend als Besteuerungsgrundlage der Grundsteuer herangezogen wird, vermag die Verzerrungen in der Wertermittlung ebenfalls nicht zu rechtfertigen, da nicht nachvollziehbar argumentiert werden könne, dass „die zum Teil massiven Differenzen der Grundsteuerwerte gegenüber den Verkehrswerten in Zusammenhang mit unterschiedlich intensiver Inanspruchnahme kommunaler Infrastruktur stehen.“40 Scheffler hat in einer umfangreichen Untersuchung für das Institut für Finanzen und Steuern (ifst)41 die Auswirkungen des Ertragswertverfahrens auf den Grundsteuerwert und den Vergleich zum Verkehrswert untersucht. Dabei kam er zu dem Ergebnis, dass der Verkehrswert in den meisten Fällen nicht exakt zu bestimmen sei. „Wenn der Wert des Grundstücks nicht bekannt ist, kann auch nicht bestimmt werden, ob eine individuelle Berechnung zu einem „besseren“ Ergebnis führt als ein standardisiertes Verfahren. […] Die in der Tabelle 9 für Wohnungen zusammengestellten Werte zeigen, dass die nach den im Referentenentwurf vorgesehenen Bewertungsregeln sich ergebenden Grundsteuerwerte durchweg unter den in der Immobilien-Kompass-Karte für 38 Löhr, Dirk: „Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts (Grundsteuer-Reformgesetz- GrStRefG); https://www.bundestag.de/resource /blob/656414/63eef7068bf5865dcbb54fb42092a9c0/13-Prof-Loehr-data.pdf [zuletzt abgerufen am 17.10.2019] 39 Löhr: aaO., S. 5 40 Hey, S. 16 41 Scheffler, Wolfram und Hey, Johanna: „Aktuelle Fragen der Grundsteuerreform: Wirkungen und Gesetzgebungskompetenz “ ifst-schrift 530; https://www.ifst.de/wp-content/uploads/2019/06/530.pdf [zuletzt abgerufen am 17.10.2019] Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 119/19 Seite 12 alle Grundstücke einer Gemeinden zusammengefassten Werten liegen und dass die Abweichungen bei höheren Mietniveaustufen größer ausfallen. Dies gilt sowohl für den für die Gesamtgemeinde ausgewiesenen Durchschnittswert als auch für die für die Gesamtgemeinde ermittelte Bandbreite. Ob diese Ergebnisse eher zufällig sind oder ob das ausgewählte Beispiel eine allgemeine Tendenz zum Ausdruck bringt, kann ohne differenzierte Untersuchung nicht beurteilt werden. Allgemein gültige Aussagen zum Verhältnis zwischen dem Grundsteuerwert und dem Verkehrswert einer Eigentumswohnung lassen sich aufgrund der hier stark vereinfachten Analysen nicht treffen. Da auch nicht klar ist, ob die in der Immobilien-Kompass-Karte ausgewiesenen Werte tatsächlich den Verkehrswert repräsentieren oder ob sie nur eine grobe Orientierung über die Marktpreise erlauben, können die sich im Beispielfall ergebenden Ergebnisse lediglich als ein Indiz zur Aussagekraft der Grundsteuerwerte gewertet werden.“42 Der Verband der steuerberatenden und wirtschaftsprüfenden Berufe äußerte sich zur verfassungsrechtlichen Bewertung des Grundsteuerwerts ebenfalls zurückhaltend: „Eine erste Untersuchung in der steuerrechtlichen Literatur stützt diese Bedenken. So weichen die Grundsteuerwerte nach den entwurfsgemäßen Bewertungsverfahren in einer Beispielrechnung zuweilen mehr als 20 % nach oben bzw. nach unten von dem Verkehrswert ab. Ob diese Abweichungen zur Verfassungswidrigkeit führen, bleibt einer gerichtlichen Überprüfung vorbehalten.“43 3.4. Alternative Bewertungsgrundlagen Dem Gesetzgeber wird jedoch auch zugestanden, dass es zum Mikrozensus keine vergleichbaren, validen Daten gibt anhand deren eine Wertermittlung durchgeführt werden könnte.44 Er stehe daher vor dem Dilemma, eine unzureichende Datenbasis für die Immobilien-Verkehrswerte mit dem verfassungsrechtlichen Anspruch einer gleichheitssatzkonformen Grundsteuerreform in Einklang bringen zu müssen. Sowohl Hey45 als auch Löhr46 sehen im Metropolenzuschlag zumindest einen Ansatz, um großstadtspezifische Wertdifferenzen auf Grund der Immobilienlage abzubilden . Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium der Finanzen47 verzichtet in seinem Grundsteuervorschlag daher vollständig auf einen lageabhängigen Wertfaktor für das Gebäude 42 Scheffler/Hey: aaO., S. 43 43 Verband der steuerberatenden und wirtschaftsprüfenden Berufe: Stellungnahme zu den Gesetzentwürfen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zur Reform der Grundsteuer, https://www.bundestag.de/resource /blob/656464/e10416a5739b925d4dd55e047129480f/04-Dt-Steuerberaterverb--data.pdf [zuletzt abgerufen am 17.10.2019], S. 12 44 Hey, S. 14 f. 45 Hey, S. 12 46 Löhr, S. 5 47 Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen: „Die Reform der Grundsteuer – Ein Kompromissvorschlag “; https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Ministerium/Geschaeftsbereich /Wissenschaftlicher_Beirat/Gutachten_und_Stellungnahmen/Ausgewaehlte_Texte/2019-09-20- Grundsteuer-anl.pdf?__blob=publicationFile&v=2 [zuletzt abgerufen am 17.10.2019] Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 119/19 Seite 13 und schlägt stattdessen als Bemessungsgrundlage die Grundstücksfläche multipliziert mit dem Bodenrichtwert sowie die Wohn-/Nutzfläche multipliziert mit dem Baukostenindex pro qm vor. 4. Bewertung und Zusammenfassung Das BVerfG hat dem Gesetzgeber aufgegeben eine Grundsteuerreform durchzuführen, die den Belastungsgrund der Steuer erfasst und dabei die Relation der Wirtschaftsgüter zueinander realitätsgerecht abzubilden. Der Belastungsgrund der Grundsteuer wird beim vorliegenden Grundsteuer-Reformgesetz unverändert beibehalten. Insbesondere wird am Charakter der Sollertragsteuer mit einer Orientierung am Verkehrswert festgehalten. Diese Bemessungsgrundlage ist im Gesetzentwurf hinreichend deutlich bestimmt, sodass sich insoweit keine verfassungsrechtlichen Bedenken ergeben. Die wertbildenden Faktoren des Grundsteuer-Reformgesetzes sind in Bezug auf bebaute Grundstücke jedoch so stark typisierend, dass es zu erheblichen Verzerrungen zwischen Grundsteuerund Verkehrswert kommen kann. Insbesondere innerhalb eines Gemeindegebietes können größere Wertunterschiede auf Grund der jeweiligen Lage der Immobilie nicht adäquat mit der vom Gesetzgeber gewählten Bewertungsmethode abgebildet werden. Erste Musterberechnungen legen es nahe, dass teure Wohnlagen systematisch unterbewertet und mittlere bis einfache Wohnlagen über dem Verkehrswert bewertet würden. Verfassungsrechtlich problematisch sind dabei nicht die isoliert betrachteten Abweichungen des Grundsteuer- von den Verkehrswerten. Denn verfassungsrechtlich problematisch wird die Bewertungsmethode erst durch die fehlerhafte Bewertung teurer Lagen zu günstigen Wohnlagen. Zwar basieren die bisherigen Beurteilungen nur auf stichprobenhaften Berechnungen. Diese geben einen deutlichen Hinweis darauf, dass die Verwendung einheitlicher Mietstufen in Großstädten und bei sehr heterogenen Immobilienlagen in einer Gemeinde die realitätsgerechte Bewertung der Grundstücke und Gebäude beeinträchtigen würde, wenngleich die verfassungsrechtliche Beurteilung der Abweichungen dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten ist. Diese Typisierung ist mit dem vom Gesetzgeber gewählten Belastungsgrund einer am Verkehrswert orientierten Sollertragsteuer kaum zu vereinbaren. Sie lässt sich auch vor dem Hintergrund des Äquivalenzprinzips nicht rechtfertigen, denn Grundstücke und Gebäude in hochwertigeren Lagen nehmen nicht per se die kommunale Infrastruktur stärker in Anspruch als Grundstücke und Gebäude in durchschnittlichen Wohnlagen. ***