© 2020 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 118/20 Verteilungsschlüssel bei Bund-Länder-Finanzierungen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsi chtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 118/20 Seite 2 Verteilungsschlüssel bei Bund-Länder-Finanzierungen Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 118/20 Abschluss der Arbeit: 16. November 2020 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 118/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Bestehende Verteilungsschlüssel und ihre Funktionsweise 4 1.1. Verteilungsschlüssel des Kommunalinvestitionsförderungsgesetzes (KInvFG) 4 1.2. Verteilungsschlüssel zum Gemeindeanteil am Umsatzsteueraufkommen (Schlüsselzuweisung Kommunalfinanzausgleich) 4 1.3. Verteilungsschlüssel der Verwaltungsvereinbarung Städtebauförderung 5 1.4. Verteilungsschlüssel des Koordinierungsrahmens der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur (GRW) 6 1.5. Pauschaler Ausgleich für Mindereinnahmen aus der Gewerbesteuer – Art. 143h GG 7 2. Königsteiner Schlüssel 8 2.1. Historische Entwicklung und Anwendungsbereich 9 2.2. Berechnung des Verteilungsschlüssels 9 2.3. Bedarfsorientierung, soziale Steuerung und rechtliche Einordnung 10 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 118/20 Seite 4 1. Bestehende Verteilungsschlüssel und ihre Funktionsweise In der Praxis der Mittelverteilung zwischen Bund und Ländern haben sich unterschiedliche Methoden der Schlüsselzuweisung etabliert. Nachfolgend werden die Berechnungsgrundlagen einiger aktuell verwendeter Verteilungsschlüssel dargelegt. 1 1.1. Verteilungsschlüssel des Kommunalinvestitionsförderungsgesetzes (KInvFG) Ziel der Verteilung der Mittel aus dem Kommunalinvestitionsförderungsfonds, welcher durch das KInvFG 2015 ins Leben gerufen wurde, ist die überproportionale Förderung solcher Länder, in denen sich aufgrund von Strukturschwäche finanzschwache Kommunen konzentrieren.2 Dabei werden Mittel in Höhe von insgesamt 7 Mrd. EUR in zwei Programmen, dem Infrastrukturprogramm (Kapitel 1 KInvFG) und dem „Schulsanierungsprogramm“ (Kapitel 2 KInvFG) zugewiesen . Zu diesem Zweck wurde ein Schlüssel gebildet, welcher die durchschnittliche Einwohnerzahl der Länder zum 30. Juni der Jahre 2011-2013, den Durchschnitt der Arbeitslosenzahl der Jahre 2011-2013 sowie für denselben Zeitraum die durchschnittliche Höhe der Kassenkreditbestände in sich aufnimmt.3 Die sich ergebenden Zahlen wurden im Verhältnis zum Bundesdurchschnitt als Prozentsatz gewertet und mit einer Gewichtung von jeweils einem Drittel in den Schlüssel eingestellt. Hinsichtlich der Verteilung der Fördermittel im Binnenbereich der Länder besteht eine weitreichende Länderkompetenz, welche mit dem Bund jährlich im Rahmen der Verwaltungsvereinbarungen abgestimmt wird. Den Ländern obliegt die Auswahl der zu fördernden Investitionsmaßnahmen . 1.2. Verteilungsschlüssel zum Gemeindeanteil am Umsatzsteueraufkommen (Schlüsselzuweisung Kommunalfinanzausgleich) Seit Einführung der Beteiligung der Gemeinden am Umsatzsteueraufkommen im Jahr 1998 erfolgt die Zuweisung des jeder Gemeinde zustehenden Anteils nach einem Verteilungsschlüssel, festgelegt in den §§ 5a bis 5e Gemeindefinanzreformgesetz (GemFinRefG). Gemäß § 17 des Finanzausgleichsgesetzes (FAG) werden hiernach die Gemeindeanteile durch das Bundesfinanzministerium an die Länder verteilt, denen wiederum die Weiterverteilung an die Gemeinden obliegt. 1 Eine exemplarische Darstellung der nach diesen Schlüsseln erhaltenen Verteilungsquoten findet sich in: WD4 - 3000 - 101/20 vom 23.09.2020, verfügbar: https://www.bundestag.de/resource /blob/802768/fa410117f5d74f6ef82cc6e36c1bea14/WD-4-101-20-pdf-data.pdf 2 Bts.Drs. 120/15, S. 11 f. 3 Ebenda, S. 19. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 118/20 Seite 5 Ziel des orts- und wirtschaftsbezogenen Verteilungsschlüssels ist es, die Gemeinden so zu stellen , wie sie bei Fortbestand der 1997 Gewerbekapitalsteuer stünden.4 Nach einigen Anpassungen und Überbrückungszeiträumen gilt für den Zeitraum 01. Januar 2018 bis 31. Dezember 2020 der folgende, fortschreibungsfähige und bundeseinheitliche Verteilungsschlüssel für die Beteiligung der Gemeinden am Aufkommen der Umsatzsteuer (Gewichtung in Fettdruck): – Summe des Gewerbesteueraufkommens der letzten sechs verfügbaren Jahre des Realsteuervergleichs nach § 4 Nr. 2 des Finanz- und Personalstatistikgesetzes: 25%, – Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (ohne öffentlichen Dienst im engeren Sinne) jeweils am 30. Juni der letzten drei verfügbaren Jahre nach § 281 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB III): 50%, – Summe der sozialversicherungspflichtigen Entgelte (ohne öffentlichen Dienst im engeren Sine) der letzten drei verfügbaren Jahre nach § 281 SGB III: 25%. Hieraus ergibt sich eine Dezimalzahl, welche den Anteil der jeweiligen Gemeinde am Gemeindeanteil des Umsatzsteueraufkommens ausdrückt. Die Schlüsselzahlen werden auf der Grundlage des Gewerbesteueraufkommens der Jahre 2010 bis 2015, der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten der Jahre 2013 bis 2015, der sozialversicherungspflichtigen Entgelte der Jahre 2012 bis 2014 sowie der Gewerbesteuerhebesätze der Jahre 2012 bis 2015 errechnet.5 Für die kommenden Jahre erfolgt eine Anpassung aufgrund neuer Schlüsselzahlen. 1.3. Verteilungsschlüssel der Verwaltungsvereinbarung Städtebauförderung Die Städtebauförderung umfasst verschiedene Förderprogramme des Bundes und der Länder, darunter die „Soziale Stadt“, das Programm „Aktive Stadt- und Ortsteilzentren“, der „Städtebauliche Denkmalschutz“ und weitere. Seit 1999 erfolgt jährlich die Aufstellung eines Schlüssels zur Mittelverteilung in der Verwaltungsvereinbarung Städtebauförderung zwischen dem Bund und den Ländern. Die Berechnung des Schlüssels obliegt dem Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BSSR). Dieses setzt für die unterschiedlichen Förderprogramme entsprechend unterschiedliche Berechnungsparameter an und fasst die so errechneten einzelnen Schlüssel zu einem Gesamtschlüssel Städtebauförderung zusammen. 4 Kloepfer, Finanzverfassungsrecht, 2014, Rn. 80. 5 „Die Beteiligung der Gemeinden am Aufkommen der Umsatzsteuer“, Bundesministerium der Finanzen, Februar 2019, S.8, verfügbar: https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Oeffentliche _Finanzen/Foederale_Finanzbeziehungen/Kommunalfinanzen/Beteiligung -Gemeinden-Umsatzsteuer- 2019.pdf?__blob=publicationFile&v=3, abgerufen 29.10.2020. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 118/20 Seite 6 Grundkomponente jedes Verteilungsschlüssels ist die Bevölkerungszahl, welche mit 70% in die Berechnung einfließt.6 Der Verteilungsschlüssel für die Städtebaulichen Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen sowie für den Städtebaulichen Denkmalschutz basiert zusätzlich auf den Komponenten Anteil der Gemeinden mit einem Bevölkerungsverlust in einem bestimmten Zeitraum größer 2%, Anteil der Arbeitslosen, Anteil ausländischer Bevölkerung und Anteil der Wohneinheiten in Gebäuden, die vor 1918 errichtet wurden. Diese Komponenten gehen jeweils zu 7,5% in die Berechnung ein. Sie erfolgt getrennt für Ost- und Westdeutschland. Der gleiche Schlüssel gilt auch für das Programm "Aktive Stadt- und Ortsteilzentren". Hier erfolgt die Berechnung der Mittelverteilung aber für Gesamtdeutschland. Der Verteilungsschlüssel für die Soziale Stadt bezieht die beiden Komponenten Anteil der Arbeitslosen (22,5%) sowie Anteil ausländischer Bevölkerung (7,5%) mit ein. Die Berechnung erfolgt für Gesamtdeutschland. Für die Programme "Stadtumbau Ost" und "Stadtumbau West" sowie das Programm "Kleinere Städte und Gemeinden" erfolgt die Berechnung der Mittelverteilung auf Grundlage folgender weiterer Komponenten: – Anteil der Gemeinden mit einem Bevölkerungsverlust in einem bestimmten Zeitraum größer als 2%: 15%, – Anteil der Arbeitslosen: 7,5%, – Anteil an leerstehenden Wohnungen in Wohngebäuden: 5%, – Anteil der Bevölkerung über 65 Jahren: 2,5%. 1.4. Verteilungsschlüssel des Koordinierungsrahmens der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur (GRW) Die für die GRW veranschlagten Mittel fallen zunächst zu sechs Siebteln den neuen und zu einem Siebtel den alten Bundesländern zu. Die Zuweisung erfolgt bedarfsorientiert nach turnusmäßig neu festgelegten Fördergebieten, welche sich an den Leitlinien für Regionalbeihilfen der Europäischen Kommission orientieren (aktueller Förderzeitraum 01. Juli 2014 – 31. Dezember 6 Siehe „Ziele, Finanzierung und Mittelverteilung“, S tädtebauförderung von Bund, Ländern und Gemeinden. Verfügbar : https://www.staedtebaufoerderung.info/StBauF/DE/Grundlagen/Mittelverteilung/Mittelverteilung _node.html, abgerufen: 28.10.2020. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 118/20 Seite 7 2020).7 Die Festlegung der Fördergebiete richtet sich dabei nach dem sogenannten Regionalindikatorenmodell : Das Bundesgebiet wird in Arbeitsmarktregionen eingeteilt, die „Zentren der regionalen Arbeitsmärkte mit ihren jeweiligen Einzugs- bzw. Verflechtungsbereichen enthalten“.8 Diese Regionen werden anhand eines Gesamtindikators als sogenannte „C-Gebiete“ oder „D-Gebiete “ ausgewiesen, wonach sich wiederum die Förderfähigkeit bzw. die Höhe der im Rahmen der Förderung zu beanspruchenden Zuwendungen richtet. Der Gesamtindikator setzt sich aus den folgenden Regionalindikatoren zusammen: – Durchschnittliche Arbeitslosenquote der Jahre 2009 bis 2012: 45%, – Bruttojahreslohn je sozialversicherungspflichtig Beschäftigtem in 2010: 40%, – Erwerbstätigenprognose 2011 bis 2018: 7,5%, – Infrastrukturindikator (Stand: 30. September 2012): 7,5%. 1.5. Pauschaler Ausgleich für Mindereinnahmen aus der Gewerbesteuer – Art. 143h GG Mit zeitlich begrenzter Wirkung bis zum 31.12.2020 wird den Gemeinden zum Ausgleich der Folgewirkungen der COVID-19-Pandemie vom Bund und den Ländern ein Ausgleich für die Gewerbesteuermindereinnahmen im Jahr 2020 zur Verfügung gestellt (Art. 143h GG). Nach der Gesetzesbegründung handelt es sich um eine Ausnahmeregelung, durch die der Bund den Gemeinden eine „einmalige gezielte Hilfe anlässlich der COVID-19-Pandemie“ zur Verfügung stellt. Die ausdrückliche Regelung im Grundgesetz ist erforderlich, weil der Bund keine verfassungsrechtlichen Kompetenzen für die Gewährung eines einmaligen gezielten Ausgleichs von Mindereinnahmen der Gemeinden bei der Gewerbesteuer hat. Die finanzielle Beteiligung des Bundes setzt einen hälftigen Beitrag des jeweiligen Landes voraus. Die Länder erhalten aus dem Bundeshaushalt einen Betrag in Höhe von insgesamt 6,134 Mrd. Euro. Der Ausgleichsbetrag wird von den Ländern an die Gemeinden auf Grundlagen der erwarteten Mindereinnahmen weitergeleitet (Art. 143h Satz 2 GG).9 Um eine rasche noch im Jahre 2020 wirkende Stärkung der Finanzsituation der Gemeinden zu erzielen, wurde das Volumen der 7 Die Leitlinien für Regionalbeihilfen, ABl. der Europäischen Union C 209/01 vom 23.7.2013, S. 1, verfügbar: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52013XC0723(03)&from=DE, abgerufen 28.10.2020. 8 Koordinierungsrahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ ab 1. Januar 2020, S. 9, verfügbar: https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Downloads/J-L/koordinierungsrahmen-gemeinschaftsaufgabe -verbesserung-regionale-wirtschaftsstruktur.pdf?__blob=publicationFile&v=15, abgerufen 28.10.2020. 9 Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drs. 19/20595, S. 8. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 118/20 Seite 8 Steuermindereinnahmen auf Basis von Prognosen bestimmt und die Ergebnisse der Steuerschätzung bezüglich des prognostizierten Gewerbesteueraufkommens 2020 zugrunde gelegt.10 „Die dieser Regelung zugrundeliegenden Gewerbesteuermindereinnahmen der Gemeinden in Höhe von insgesamt 11,817 Mrd. Euro ergeben sich aus der Differenz der Schätzergebnisse zum Gewerbesteueraufkommen vom Oktober 2019 sowie Mai 2020 bereinigt um die von den Gemeinden an Bund und Länder abzuführende Gewerbesteuerumlage. Die Beiträge des Bundes zum pauschalen Ausgleich der Gewerbesteuermindereinnahmen der Gemeinden umfassen 50 Prozent der so ermittelten Mindereinnahmen der Gemeinden zuzüglich eines Betrages, der sich als Entlastung durch die Gewerbesteuermindereinnahmen im bundesstaatlichen Finanzausgleich bei den Bundesergänzungszuweisungen ergibt. Die Höhe dieses Betrages wurde mittels einer Modellrechnung abgeleitet.“11 Die Aufteilung der Gewerbesteuermindereinnahmen der Gemeinden auf die einzelnen Länder ist auf Grundlage des jeweiligen Gewerbesteueraufkommens der den Steuerschätzungen jeweils vorangehenden vier verfügbaren Quartale vorgenommen worden. Zudem sind für die einzelnen Länder die fiktiven Folgewirkungen der berücksichtigten Gewerbesteuermindereinnahmen im bundesstaatlichen Finanzausgleich (Finanzkraftausgleich, allgemeine Bundesergänzungszuweisungen , Gemeindesteuerkraftzuweisungen), die auf der Grundlage einer Modellrechnung ermittelt wurden, eingerechnet.12 2. Königsteiner Schlüssel Der in Verteilungsfragen häufig herangezogene Königsteiner Schlüssel beruht auf dem namensgebenden Staatsabkommen von 194913, durch welches die Länder die gemeinsame finanzielle Förderung überregionaler Forschungseinrichtungen beschlossen. Trotz Fortfalls des ursprünglichen Verwendungszweckes findet der Königsteiner Schlüssel bis heute Anwendung in einer Vielzahl unterschiedlicher Sachgebiete. Bei Fragen der Bund-Länder-Verteilung kommt er heute fachübergreifend regelmäßig zur Anwendung. 10 Vgl. Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD, BT-Drs. 19/20598, S. 13. 11 Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD, BT-Drs. 19/20598, S. 13. 12 Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD, BT-Drs. 19/20598, S. 13. 13 „Staatsabkommen der Länder der Bundesrepublik Deutschland über die Finanzierung wissenschaftlicher Forschungseinrichtungen “, sog. „Königsteiner Abkommen“, geschlossen am 31. März 1949 in Königstein im Taunus. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 118/20 Seite 9 2.1. Historische Entwicklung und Anwendungsbereich Das zur Einführung 1949 zunächst auf fünf Jahre befristete Königsteiner Staatsabkommen wurde mehrfach verlängert und lief 1969 letztmalig aus. Die Frage der Forschungsförderung konnte infolge eines mittlerweile stark gestiegenen Finanzbedarfes absehbar nicht ohne Beteiligung des Bundes behandelt werden; im Jahr 1970 wurde daher die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung 14 ins Leben gerufen, welche wiederum im Jahr 2007 in der nunmehr für die Berechnung des Königsteiner Schlüssels zuständigen Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) aufging. In der Laufzeit seines Bestehens wurde der Schlüssel bei unterschiedlichen Verteilungsfragen angewandt , wobei besonders im Stammbereich der Wissenschafts- und Forschungsförderung häufig auf die Verteilungssystematik zurückgegriffen wird. Insbesondere richtet sich die Förderung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG)15, der Max-Planck-Gesellschaft (MPG)16, der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech)17 und der Wissenschaftsgemeinschaft-Leibnitz (WGL)18 nach dem Königsteiner Schlüssel. Darüber hinaus findet der Königsteiner Schlüssel auch in einer Vielzahl „fachfremder“ Verteilungsfragen Anwendung. Dazu gehören u.a. die Verteilung finanzieller Lasten des Bundes auf die Länder nach dem Lastentragungsgesetz (§ 2 Absatz 2 Satz 1 Nr.2 und § 3 LastG), die Verteilung von Fördermitteln der sozialen und privaten Pflegeversicherung zur Förderung der Weiterentwicklung der Versorgungsstrukturen und des Ehrenamts nach dem elften Buch des Sozialgesetzbuches (§ 45c Absatz 6 SGB XI) und, mit wohl größter Prominenz, die Bestimmung der Aufnahmequoten der Bundesländer für Asylbegehrende nach dem Asylgesetz (§ 45 AsylG). 2.2. Berechnung des Verteilungsschlüssels Die Funktionsweise des Königsteiner Schlüssels ist seit seiner erstmaligen Anwendung 1949 im Wesentlichen unverändert geblieben. Eine Novellierung ist der vor allem in Fragen der Lastenverteilung gängige sog. „modifizierte Königsteiner Schlüssel“, welcher den Bund quasi als 17. Land in den Schlüssel mit einstellt. 14 Ab 1976 „Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung“. 15 § 4 der Ausführungsvereinbarung DFG (AV-DFG). 16 § 4 Absatz 2 AV-MPG. 17 § 4 Satz 2 AV-acatech. 18 § 5 Satz 1 Nr. 1 AV-WGL. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 118/20 Seite 10 Der aktuelle Königsteiner Schlüssel wird seit 1976 im Jahresturnus vom Büro der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz berechnet und im Bundesanzeiger veröffentlicht.19 Der Verteilungsschlüssel beruht auf den beiden Faktoren Einwohnerzahl und Steueraufkommen der Länder. Dabei wird das Steueraufkommen der Länder zweifach, die jeweilige Einwohnerzahl einfach gewertet . Dem Schlüssel für das jeweilige Haushaltsjahr liegen das Steueraufkommen und die Bevölkerungszahl zum 30. Juni des jeweiligen Vorvorjahres zu Grunde, also für das Jahr 2020 die Zahlen von 2018.20 Der Parameter des Steueraufkommens beinhaltet die im Länderfinanzausgleich zugrunde gelegten Steuereinnahmen der Länder, also Landessteuern zuzüglich des Länderanteils an der Umsatzsteuer . Es werden mithin die um den Länderfinanzausgleich bereinigten Werte, also diejenigen, die nach Durchführung des Länderfinanzausgleiches verbleiben, in die Berechnung eingestellt. 2.3. Bedarfsorientierung, soziale Steuerung und rechtliche Einordnung Die Funktionsweise des Königsteiner Schlüssels beruht wesentlich auf den beiden Faktoren Bevölkerungszahl und Steueraufkommen. Diese können abhängig vom jeweiligen Anwendungsbezug den entsprechenden Verteilungsbedarf besser oder schlechter abbilden. Im Vergleich mit anderen , spezifischen Verteilungsschlüsseln ist die Bedarfsorientiertheit des Schlüssels wenig granular , beruht sie doch nur auf zwei Parametern. Allein, dass das Korrektiv des Länderfinanzausgleichs über das Steueraufkommen Einzug in die Berechnung findet, reflektiert zu einem geringfügigen Betrag die unterschiedlichen strukturellen Verhältnisse der Länder. Der Königsteiner Schlüssel begegnet vereinzelter Kritik.21 In deren Fokus steht jedoch vor allem die Verteilung Asylbegehrender auf die Bundesländer, während die Anwendung des Königsteiner Schlüssels bei Fragen der Mittelverteilung auf weitgehenden Konsens trifft. Fraglich bleibt wohl dennoch, ob der Schlüssel im Einzelfall als adäquates Verteilungsinstrument vor allem in solchen Bereichen dienen kann, in denen die Mittel einer spezifischen Zweckbindung mit sozialem Bezug unterliegen. Denn die Facetten sozialer und wirtschaftlicher Realitäten der Bundesländer und ihrer Kommunen werden in der Berechnung des Schlüssels nur sehr bedingt widergespiegelt. 19 Zwischen 1976 und 2007 oblag die Berechnung der institutionellen Vorgängerin der GWK, der BLK, s. Fn. 11. 20 „Das Bundesamt in Zahlen 2016“, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 2016, S. 16, verfügbar: https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Statistik/BundesamtinZahlen/bundesamt -in-zahlen- 2016.pdf?__blob=publicationFile&v=16, abgerufen 02.11.2020. 21 Kritik wurde etwa im Zusammenhang mit einer Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) zur Verteilung Geflüchteter auf die Länder laut, https://www.zeit.de/politik/deutschland/2016-02/fluechtlinge-verteilunglaender -zuweisung-neuer-schluessel-gutachten, abgerufen 06.11.2020. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 118/20 Seite 11 Hinsichtlich der Rechts- und Verfassungsmäßigkeit des Königsteiner Schlüssels und seiner Anwendungsformen bestehen zunächst keine generellen Bedenken. Die Grundsätze des Finanzverfassungsrechts gebieten eine prinzipielle haushaltsrechtliche Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Länder und enthalten ein klares Verbot der Mischfinanzierung. Finanzhilfen des Bundes an die Länder sind grundsätzlich untersagt.22 Der allgemeinen Lastentragungsregelung, der Ausund Aufgabenverantwortung und dem Konnexitätsprinzip des Art. 104a Absatz 1 GG sind dabei in den Art. 104b und 104c GG Ausnahmen gesetzt23, die 2019 durch die Finanzhilfen für bedeutsame Investitionen der Länder im Bereich des sozialen Wohnungsbaus auf der Grundlage von Art. 104d GG erweitert wurden. Der Bund kann danach in bestimmten Grenzen und soweit die Förderung seiner Kompetenz unterliegt, nach eigenem Ermessen Mittel zuweisen. Laut höchstrichterlicher Rechtsprechung muss eine solche Zuweisung „sicherstellen, daß Finanzhilfen aus dem Bundeshaushalt an die Länder die Ausnahme bleiben und ihre Gewährung rechtlich so geregelt wird, daß sie nicht zum Mittel der Einflußnahme auf die Entscheidungsfreiheit der Gliedstaaten bei der Erfüllung der ihnen obliegenden Aufgaben werden“.24 Bei der Gewährung von Finanz- bzw. Investitionshilfen ist das Ermessen des Bundes daher Einschränkungen unterworfen. So bedarf es einer bundeseinheitlichen Regelung, welche die Verteilung „willkürfrei, transparent und nachvollziehbar bewältigt und dem Gebot interkommunaler Gleichbehandlung“ entspricht.25 Schließlich verbietet das bundesstaatliche Gleichheitsprinzip eine willkürliche Differenzierung zwischen den Ländern.26 Bei dieser Regelung muss es sich nach Art. 104b Absatz 2 GG um ein Bundesgesetz oder eine auf dem Haushaltsgesetz beruhende Verwaltungsvereinbarung handeln, welche alles Wesentliche enthält und die Festsetzung und Allokation von Mitteln weder Verwaltungsvorschriften noch Ermessensentscheidungen eines Bundesministeriums oder gar bloßer Verwaltungspraxis überlässt.27 Ein wesentliches Element solcher Regelungen ist also ein einheitlicher Verteilungsmaßstab.28 Die Anwendung eines feststehenden, unabhängigen Verteilungsschlüssels dient hier insofern dem Gebot der Willkürfreiheit. Entsprechend beruhen die im Vorangegangenen ausgewiesenen Inzidenzen der Finanzhilfen aus dem Bundeshaushalt jeweils auf Bundesgesetzen bzw. einer Verwaltungsvereinbarung auf Grundlage des Haushaltsgesetzes (etwa Kommunalinvestitionsförderungsgesetz , Gemeindefinanzreformgesetz oder die Ausführungsvereinbarungen im Bereich der Forschungsförderung ), welche den entsprechenden Verteilungsmaßstab regeln. 22 BeckOK Grundgesetz Maunz/Düring/Schwarz, 91. EL April 2020, Art. 104a, Rn. 49. 23 BeckOK Grundgesetz Heun/Thiele, 3. Aufl. 2018, Art. 104b, Rn. 10. 24 BVerfGE 39, 96 (107). 25 BVerfGE 137, 108 (154 f., Rn. 106 ff.). 26 BVerfGE 39, 96 (113, 117 ff.). 27 BVerfGE 39, 96 (116). 28 BeckOK (s. Fn. 24), Rn. 31. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 118/20 Seite 12 Auch die vom Bund im Rahmen des DigitalPakts Schule zur Verfügung gestellten Mittel von 5 Mrd. Euro werden auf die Länder auf der Grundlage einer zwischen dem Bund und den Ländern geschlossenen Verwaltungsvereinbarung verteilt.29 § 8 der Vereinbarung erklärt den Königsteiner Schlüssel für die Verteilung der Mittel als maßgeblich und nimmt in Absatz 3 die entsprechende Verteilung vor. Insofern dürfte die Verteilung der Bundesmittel aus dem DigitalPakt Schule den verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprechen. Politisch kann allerdings die Frage zur Diskussion gestellt werden, ob es sachgerechter wäre, für die Zurverfügungstellung der Bundesmittel auch die Zahl der bedürftigen Schüler zu berücksichtigen , sofern dieses Verhältnis unter den Ländern differiert. Derzeit erhalten finanzstarke Länder einen höheren Anteil aus der Anwendung des Königsteiner Schlüssels. An dieser Stelle erscheint es begründungsbedürftig, inwieweit die Finanzstärke eines Landes mit den Förderzielen korreliert . Andererseits ist es durchaus vorstellbar, dass mit der Einbeziehung der Einwohnerkomponente eine ausreichend hohe Kompensation in die Verteilung einfließt. Eine Entscheidung dieser Frage kann mangels vorliegender Daten hier nicht getroffen werden. Es ist aber in diesem Kontext darauf zu verweisen, dass dem Bund eine weitergehende sachliche Mitwirkung bei den Investitionsplanungen und -entscheidungen der Länder und der damit in untrennbarem Zusammenhang stehenden Auswahl der Förderobjekte nicht zusteht. Mitplanungs-, Mitverwaltungs- und Mitentscheidungsbefugnisse gleich welcher Art im Aufgabenbereich der Länder, ohne dass die Verfassung dem Bund entsprechende Sachkompetenzen übertragen hat, verstoßen gegen das grundgesetzliche Verbot der sog. Mischverwaltung.30 *** 29 Verwaltungsvereinbarung DigitalPakt Schule 2019 bis 2024 vom 16. Mai 2020 30 vgl. BVerfGE 32, 145 (156)