© 2013 Deutscher Bundestag WD 4 – 3000 – 113/13 Altschuldentilgungsfonds Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 113/13 Seite 2 Altschuldentilgungsfonds Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 4 – 3000 – 113/13 Abschluss der Arbeit: 10. Oktober 2013 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Telefon: Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 113/13 Seite 3 1. Einführung 4 2. Historische Vorbilder 4 2.1. Erblastentilgungsfonds 4 2.2. Fonds „Deutsche Einheit“ 6 2.2.1. Finanzierungsbeteiligung der Gemeinden zur Hälfte über die Gewerbesteuerumlage 6 2.2.2. Restliche Finanzierung 7 3. Rechtliche Voraussetzungen zur Einführung eines Altschuldentilgungsfonds 7 3.1. Finanzverfassungsrechtlicher Rahmen 7 3.2. Rolle der Kommunen 11 4. Welche Gesetze müssten geändert werden, damit aus den frei werdenden Solidarpakt II – Mitteln ein Teil zur Finanzierung der Zinslast der Länder und Kommunen verwendet werden kann? 13 5. Welche rechtlichen Änderungen wären für die Einführung einer Ergänzungsabgabe notwendig, mit der der Solidaritätszuschlag ab 2019 abgelöst werden kann? 13 5.1. Gesetzgebungskompetenz 14 5.2. Spezifische Vorgaben für eine Ergänzungsabgabe 14 5.3. Allgemeine verfassungsrechtliche Vorgaben 15 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 113/13 Seite 4 1. Einführung Der von der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) präsentierte Altschuldentilgungsfonds beinhaltet die Zusammenführung der Schulden der Länder unter Einbeziehung der kommunalen Schulden in einem vom Bund hauptsächlich finanzierten Fonds. Die „Fonds-Lösung“ ist ein Vorschlag zur Lösung der finanziellen Herausforderungen der Bundesländer, die durch die Einhaltung eines Konsolidierungspfades zur Erfüllung des Neuverschuldungsverbots ab 2020 entstehen. Die Länder sowie die Kommunen würden demnach Vorteile, insbesondere durch die Zinslastenübernahme , erhalten. Die in dem Fonds zusammengefassten Länderaltschulden werden dabei gemäß der Schuldenbeiträge der einzelnen Länder von diesen getilgt, sodass weiterhin die Verantwortung für den Abbau der Altschulden bei den jeweiligen Ländern bleibt. Zugleich einigen sich Bund und Länder auf verbindliche, langfristige Tilgungspläne für jedes einzelne Bundesland unter Beteiligung des Stabilitätsrates . Der Bund übernimmt unter Verwendung der freiwerdenden Mittel aus dem Solidarpakt II – bei gleichzeitiger Weitererhebung des Solidaritätszuschlags – ab dem Jahr 2020 die Zinslast der im Fonds zusammengefassten Altschulden. Grundsätzlich soll auch die Zinsentlastung proportional zu der Zinslast der einzelnen Bundesländer erfolgen. Das Modell der FES baut auf dem Vorschlag der Föderalismuskommission II auf, erweitert ihn aber an zwei zentralen Stellen. Zum einen sollen die Kommunen, die immerhin auch Schulden in Höhe von einem Viertel der Gesamtverschuldung der Länder zu stemmen haben, an der solidarischen Fondslösung beteiligt werden. Zum anderen wird vorgeschlagen, eine Übernahme der Altschulden bereits ab 2014 proportional zu den frei werdenden Mitteln des Solidarpakts II, die zur Bedienung der Zinslast verwendet werden, schrittweise zu beginnen. Der Fonds könnte so konstruiert werden, dass er ab 2014 jährlich so viele Schulden neu übernimmt , wie sich aus den frei werdenden Mitteln des Solidarpakts II (rund 715 Mio. Euro p. a. im Zeitraum 2014 bis 2019) finanzieren lassen. Die vorliegende Ausarbeitung fokussiert folgende Problemfelder: Vorbilder eines Altschuldentilgungsfonds, die rechtliche Problematik hinsichtlich der Implementierung des FES-Modells, notwendige rechtliche Veränderung um die frei werdenden finanziellen Mittel aus dem Solidarpakt II zu verwenden sowie die Einführung einer Ergänzungsabgabe anstelle des Solidaritätszuschlages. 2. Historische Vorbilder Historische Vorbilder für einen solchen Fonds bilden der „Erblastentilgungsfonds“ und der „Fonds Deutsche Einheit“. 2.1. Erblastentilgungsfonds Im Sondervermögen des Erblastentilgungsfonds sind zusammengefasst: 1. Verbindlichkeiten des Kreditabwicklungsfonds und der Treuhandanstalt aus Krediten, übernommenen Altkrediten und Ausgleichsforderungen Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 113/13 Seite 5 2. Altverbindlichkeiten von Wohnungsbauunternehmen und privaten Vermietern im Beitrittsgebiet nach den Vorschriften im Altschuldenhilfe-Gesetz und 3. Altschulden für gesellschaftliche Einrichtungen im Beitrittsgebiet. Das Sondervermögen startete am 1. Januar 1995 mit einem Schuldenstand von 172 Mrd. Euro. Aufgrund des Schuldenmitübernahmegesetzes vom 21. Juni 19991 wurden seine zu diesem Zeitpunkt noch bestehenden Schulden von 137 Mrd. Euro in die Bundesschuld (Einzelplan 32) überführt . Seitdem wird der Schuldendienst unmittelbar aus dem Bundeshaushalt geleistet. Die letzte planmäßige Tilgung der Verbindlichkeiten erfolgte Ende 2011.2 Die Tilgung der Altschulden für gesellschaftliche Einrichtungen im Beitrittsgebiet regelt das „Gesetz zur Regelung der Altschulden für gesellschaftliche Einrichtungen, zur Änderung des Erblastentilgungsfonds -Gesetzes und zur Änderung des Investitionsförderungsgesetzes Aufbau Ost“3 , das am 15. März 1997 in Kraft trat. Es legt unter anderem fest, dass die fünf ostdeutschen Bundesländer zu gleichen Teilen dem Bund ihren Beitrag zu den Zins- und Tilgungsleistungen erstatten . Den Anteil für Berlin übernimmt der Bund komplett. Die Erstattung gilt für den Zeitraum 1998 bis zur Tilgung des Erblastentilgungsfonds. Bis 2004 konnten die Länder ihren Anteil unter anderem aus dem Vermögen der Parteien der DDR bestreiten. Nach Wegfall dieser Verrechnungsmöglichkeit musste eine Anschlussregelung zwischen dem Bund und den ostdeutschen Ländern gefunden werden. Die „Verwaltungsvereinbarung zur Durchführung des Gesetzes zur Regelung der Altschulden für gesellschaftliche Einrichtungen “ wurde wirksam zum 1. Januar 2005 geschlossen. Danach muss jedes ostdeutsche Land (Berlin ausgenommen) von 2005 bis 2008 jährlich rund 26,8 Mio. Euro und von 2009 bis 2011 jährlich rund 1,7 Mio. Euro an den Bund zahlen.4 Die ostdeutschen Länder haben dabei ihre Kommunen im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs in unterschiedlicher Höhe an den oben genannten abschließenden Leistungen gegenüber dem Bund beteiligt. 1 BGBl. I, S. 1384. 2 Bundesrechnungshof: Bemerkungen 2011 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes, Seite 82, unter: http://bundesrechnungshof.de/veroeffentlichungen/bemerkungen-jahresberichte/Bemerkungen-2011.pdf, abgerufen am 20. Februar 2012. 3 BGBl. I, S. 434. 4 Bundesministerium der Finanzen: Altschulden für gesellschaftliche Einrichtungen in den neuen Ländern – Entstehung und abschließende Lösung, in: Monatsbericht des Bundesministeriums der Finanzen, März 2005, Seite 65 ff., unter: http://www.bundesfinanzministerium.de/nn_17844/DE/BMF__Startseite/Publikationen/Monatsbericht__des__B MF/2005/03/Altschulden_20f_C3_BCr_20gesellschaftliche_20Einrichtungen_20in_20den_20neuen_20L_C3_A4 ndern_20- _20Entstehung_20und_20abschlie_C3_9Fende_20L_C3_B6sung.pdf,templateId=raw,property=publicationFile.p df, abgerufen am 20. Februar 2012. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 113/13 Seite 6 2.2. Fonds „Deutsche Einheit“ Der kreditfinanzierte Fonds „Deutsche Einheit“ wurde mit der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion zur Finanzierung der Kosten der Wiedervereinigung geschaffen. Die Lasten der Tilgung des Fonds teilen sich Bund und alte Länder. Gemäß Artikel 31 und 32 des Gesetzes zu dem Vertrag vom 18. Mai 1990 über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 25. Juni 19905 tragen diese Länder 50 Prozent der vom Bund an den Fonds „Deutsche Einheit“ zu leistenden Zuschüsse, indem sie einen entsprechenden Anteil ihrer Umsatzsteuereinnahmen an den Bund abführen. Artikel 33 des Vertrages legte die finanzielle Beteiligung der Gemeinden in den alten Ländern durch eine Einfügung des § 6 Abs. 2a in das Gemeindefinanzreformgesetz (GFRG) fest. Die aktuelle Rechtslage bestimmt sich nach § 6 Abs. 5 GFRG (in Kraft ab 1. Januar 2009). Nach § 6 Abs. 5 Satz 2 GFRG beträgt die fortwährende Belastung der alten Länder bis 2019 jährlich 2 582 024 000 Euro. Ihre Gemeinden müssen sich daran mit bundesdurchschnittlich rund 40 Prozent dieses Betrags beteiligen. 2.2.1. Finanzierungsbeteiligung der Gemeinden zur Hälfte über die Gewerbesteuerumlage Die Hälfte dieser finanziellen Beteiligung wird durch die Erhöhung der Gewerbesteuerumlage geleistet. Die Pflicht der Kommunen zur Zahlung einer Gewerbesteuerumlage wurde 1969 eingeführt . Sie diente ursprünglich als Ausgleich für die direkte Beteiligung der Gemeinden am Aufkommen der Einkommensteuer, wurde im Laufe der Zeit aber um verschiedene Zwecke erweitert .6 Die finanzielle Beteiligung der Gemeinden nach Ablauf des Jahres 2019 richtet sich nach § 6b des Gesetzes über die Errichtung eines Fonds „Deutsche Einheit“. Danach müssen die alten Länder einen Ausgleich an den Bund leisten, wenn die nach bestimmten Berechnungen ermittelten Schulden des Fonds den Referenzbetrag von 6 544 536 079,31 Euro überschreiten. Der Ausgleich der Länder beträgt 53,3 Prozent des den Referenzbetrag übersteigenden Betrags. Für diesen Fall bestimmt § 6 Abs. 5 Satz 6 GFRG ebenfalls, dass die Hälfte des finanziellen Anteils der Gemeinden (bundesdurchschnittlich rund 40 Prozent des Länderanteils) im Jahr 2020 über die Erhöhung der Gewerbesteuerumlage zu leisten ist. Das durch die Anhebung des Vervielfältigers entstandene Mehraufkommen steht allein den Ländern zu und wird beim Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern nicht als Einnahme der Länder berücksichtigt (§ 6 Abs. 5 Satz 7 GFRG). 5 BGBl. II, S. 533ff. 6 Bundesministerium der Finanzen: Die Entwicklung der Gewerbesteuerumlage seit der Gemeindefinanzreform 1969, unter: http://www.bundesfinanzministerium.de/nn_4486/DE/Wirtschaft__und__Verwaltung/Finanz__und__Wirtschaft spolitik/Foederale__Finanzbeziehungen/Kommunalfinanzen/007__1,templateId=raw,property=publicationFile. pdf, Stand: 18. Januar 2010, abgerufen am 30. November 2010. Dazu gehört auch die finanzielle Beteiligung der Gemeinden an den Lasten der alten Länder durch die Einbeziehung der neuen Länder in den Länderfinanzausgleich seit 1995 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 113/13 Seite 7 2.2.2. Restliche Finanzierung Nach § 6 Abs. 5 Satz 9 GFRG bleibt die Feinabstimmung der Finanzierungsbeteiligung der Gemeinden in den einzelnen Ländern der Landesgesetzgebung vorbehalten. Sie wird in vielen Ländern im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs geregelt.7 So hat beispielsweise Bayern bis 2007 eine sogenannte Solidarumlage erhoben. Seit 2008 wird die Finanzierungslast des Landes bei der Ermittlung der Verbundmasse berücksichtigt, die im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs auf die Gemeinden aufgeteilt wird. Die Minderung bewirkt die Verteilung geringerer Zuweisungen an die Kommunen.8 Nordrhein-Westfalen hat seit 2006 keine sogenannte Spitzabrechnung im kommunalen Finanzausgleich mehr vorgenommen. Nach § 2 des Gemeindefinanzierungsgesetzes Nordrhein- Westfalen 2010 enthält die Verbundmasse 1,17 Prozentpunkte zur vorläufigen pauschalen Abgeltung von Ausgleichsansprüchen aus der Beteiligung der Gemeinden an den finanziellen Belastungen des Landes aus der Deutschen Einheit im Jahr 2010. Das im Februar 2010 verabschiedete Einheitslastenabrechnungsgesetz9 soll die Beteiligung der Gemeinden 2006 bis 2019 im Detail regeln. Allerdings hat die Hälfte der nordrhein-westfälischen Kommunen angekündigt, gegen das Gesetz vor den Verfassungsgerichtshof zu ziehen. Hauptstreitpunkt ist die Frage, ob und in welcher Höhe das Land durch die Wiedervereinigung belastet ist.10 3. Rechtliche Voraussetzungen zur Einführung eines Altschuldentilgungsfonds 3.1. Finanzverfassungsrechtlicher Rahmen Aus finanzverfassungsrechtlicher Sicht müssen die Garantie des parlamentarischen Budgetrechts sowie die Hoheitsrechte in der Finanz- und Haushaltspolitik problematisiert werden. Fraglich ist, ob diese gegen die Einführung eines Altschuldentilgungsfonds sprechen. Nach Art. 115 Abs. 1 GG bedürfen die staatliche Kreditaufnahme sowie bereits die Übernahme von Bürgschaften, Garantien und sonstigen Gewährleistungen, die zu Ausgaben in künftigen Rechnungsjahren führen können, einer in der Höhe zumindest bestimmbaren Ermächtigung durch Bundesgesetz. Indem die Exekutive daran gehindert werden soll, durch selbstverantwortete Kreditaufnahme oder Gewährleistungsermächtigungen das Parlament in seiner Entscheidungsfreiheit über den Haushalt zu binden, schützt der Artikel das Budgetrecht des Parlaments. 7 Die Rechtmäßigkeit einer Steuerumverteilung zwischen den Gemeinden wegen der einigungsbedingten Lasten hat das BVerwG bestätigt (BVerwG vom 25.3.98 –8 C 11-15.97–). 8 Bayerisches Staatsministerium der Finanzen: Der kommunale Finanzausgleich in Bayern, unter: http://www.verwaltung.bayern.de/Anlage4004029/DerkommunaleFinanzausgleichinBayern.pdf, abgerufen am 2. Dezember 2010. 9 Gesetz zur Abrechnung der Finanzierungsbeteiligung der Gemeinden und Gemeindeverbände an den finanziellen Belastungen des Landes Nordrhein-Westfalen in Folge der Deutschen Einheit (Einheitslastenabrechnungsgesetz NRW). 10 Deutscher Städtetag: der städtetag, Heft 5/2010, S. 61f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 113/13 Seite 8 Art. 115 Abs. 1 GG konkretisiert insoweit den demokratischen Parlamentsvorbehalt, gewährleistet die Aufmerksamkeit des Parlaments und der interessierten Öffentlichkeit für Belastungen des Staatshaushalts und ermöglicht dadurch Kontrolle.11 Der parlamentarische Gesetzgeber muss danach den finanziellen Umfang des staatlichen Engagements selbst festlegen. Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat in seinem Urteil vom 28. Februar 2012 zum 9er-Gremium für das Stabilisierungsmechanismusgesetz (StabMechG) nochmals deutlich herausgestellt, dass der Gesetzgeber sich nicht allein darauf beschränken darf, die Höhe des finanziellen Engagements festzulegen. Wird die Exekutive zu Gewährleistungen ermächtigt, mit deren Inanspruchnahme nach Umfang und sonstigen Rahmenbedingungen mit dem Risiko einer schwerwiegenden Reduzierung des Spielraums für künftige haushaltspolitische Entscheidungen gerechnet werden muss, so müssen die „wesentlichen Entscheidungen im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme der Gewährleistungsermächtigungen ihrerseits an die Mitwirkung des Bundestages gebunden bleiben.“12 Die rechtlichen Bedenken hinsichtlich der Fragen von Risiko und Haftung, die auch in der Frage eines Altschuldentilgungsfonds auf europäischer Ebene erörtert wurden, sind nicht derart gewichtig , da es nicht um die Übernahme von Schulden anderer souveräner Staaten geht. Auch wenn hier nur die Frage der Zinskostenübernahme innerhalb des Bundesstaates zur Debatte steht, gilt der Grundsatz, dass der Bund durch sein finanzielles Engagement die Handlungsfähigkeit künftiger Legislaturperioden nicht deutlich einschränken darf. Die Haushalte der Bundesländer mussten im Jahr 2012 rund 22,5 Mrd. Euro für Zinsen aufwenden.13 Angesichts einer Niedrigzinsphase ist davon auszugehen, dass sich in Folge der Refinanzierung auch die Zinslasten im Altschuldentilgungsfonds gegebenenfalls erhöhen werden. Jedoch wird die finanzielle Belastung wohl kaum eine Höhe erreichen, dass finanzielle Handlungsfähigkeit von Legislative und Exekutive in erhöhtem Maße eingeschränkt wird. Insofern spricht das finanzielle Volumen der Belastung für den Bund nicht gegen die Einführung eines Altschuldentilgungsfonds. Vielmehr müssen die Hoheitsrechte der Bundesländer in Fragen von Haushalts- und Finanzpolitik erörtert werden. Die Eigenstaatlichkeit der Länder ist gesetzlich in Art. 30 GG normiert. Gem. Art. 109 Abs. 1 GG sind Bund und Länder in ihrer Haushaltswirtschaft selbständig und voneinander unabhängig. Gem. Art. 104 a GG tragen der Bund und die Länder gesondert die Ausgaben, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben, soweit das Grundgesetz nichts anderes bestimmt. Die Finanzhoheit wird als Garantie des eigenverantwortlichen Wirtschaftens bei den Einnahmen und den Ausgaben substantiiert. Jedoch bestehen auch jetzt schon unter der Prämisse der Solidargemeinschaft im Bundesstaat ein horizontaler und vertikaler Finanzausgleich, um gleichwertige Lebensverhältnisse im ganzen Bundesgebiet zu ermöglichen. Weiterhin werden auch jetzt schon Konsolidierungshilfen für Bundesländer durch den Stabilitätsrat gewährt. Insofern spielt für die Einführung eines Altschuldentilgungsfonds auch das Verhältnis zwischen Bund und Ländern eine gewichtige Rolle. 11 Höfling/Rixen, in: Bonner Kommentar, Art. 115 GG, Rn. 109; Kube, in: Maunz/Dürig, Art. 115 GG, Rn. 1. 12 BVerfG, 2 BvE 8/11 vom 28.2.2012, Absatz-Nr. 112. 13 Vgl. iw-dienst, Ausgabe 38, 19.09.2013, S. 7. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 113/13 Seite 9 Aus dem Bundesstaatsprinzip des Art 20 Abs. 1 GG wird ein Gebot der Bundestreue bzw. des bundesfreundlichen Verhaltens abgeleitet, nach dem sowohl der Bund als auch jedes Land zur gegenseitigen Rücksichtnahme und zum Zusammenwirken verpflichtet sind14. Dies beinhaltet nicht nur Treuepflichten der Länder gegenüber dem Bund, sondern auch solche des Bundes gegenüber den Ländern und der Länder untereinander.15 Der Grundsatz der Bundestreue enthält mithin Rechte und Pflichten von Bund und Ländern zur Wahrung der gesamtstaatlichen Ordnung über das geschriebene Verfassungsrecht hinaus. Ein wesentliches Element des Grundsatzes ist das Einstehen füreinander. Dies wirkt sich vor allem auch auf die Finanzierung von Bund und Ländern aus. Damit werden Bund und Länder als Teile eines Bundesstaates unter einer gemeinsamen Verfassungsrechtsordnung aneinander gebunden.16 Aus dem Grundsatz der Bundestreue sind dementsprechend für viele Bereiche des Verhältnisses von Bund und Ländern zueinander Rechte und Pflichten abgeleitet worden. Im Kern sind es vor allem Kompetenzausübungsschranken und Missbrauchsverbote sowie Kooperations- und Koordinationspflichten, kurz Loyalitätsgebote , die verfassungsrechtlich das Prinzip von Treu und Glauben umsetzen. Namentlich dürfen weder Bund noch Länder ohne Rücksicht auf die Interessen des Gesamtstaates handeln.17 Zudem erfordern die bundesstaatlich ausdifferenzierten Aufgaben- und Kompetenzgefüge ein Zusammenwirken von Bund und Ländern, damit das gesamtstaatliche Gemeinwohl erreicht werden kann. Wenn dieses in der Bundesstaatlichkeit angelegte Erfordernis nicht durch spezielle Regelungen näher bestimmt ist, kann aus der erforderlichen Erreichung bzw. Erhaltung der Funktionsfähigkeit der bundesstaatlichen Ordnung gefolgert werden, dass das Verfassungsrecht eine Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten beinhaltet, die ihre positiv-rechtliche Grundlage im Bundesstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG hat.18 Der Grundsatz der Bundestreue ist zwar nachrangig gegenüber besonderen Regelungen des GG. Dabei ist aber zu beachten, dass eine Reihe verfassungsrechtlicher Regelungen Ausprägungen der Bundestreue sind, weshalb diese zur Auslegung der Regelungen herangezogen werden kann.19 Dies betrifft insbesondere den Länderfinanzausgleich nach Art. 107 Abs. 2 GG. Aus dem Bundesstaatsprinzip ergibt sich zudem ein Zielkonflikt, denn einerseits müssen Selbstständigkeit , Eigenverantwortlichkeit und Individualität der Länder bewahrt werden; andererseits haben die Länder eine solidargemeinschaftliche Mitverantwortung für die Existenz und Eigenständigkeit ihrer Bundesgenossen. Zwischen diesen Zielen muss „die richtige Mitte“ gefunden werden.20 Denn aus der Bundesstaatlichkeit folgt zwar das bündische Prinzip des Einstehens für- 14 Huster/Rux, in: BeckOK GG, Art. 20, Rn. 36. 15 Vgl. BVerfGE 1, 117, 131. 16 Vgl. BVerfGE 8, 122, 140. 17 Vgl. Gutachten des wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen, S. 29. 18 Herzog/Grzeszick, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar,68. Ergänzungslieferung 2013, Art. 20, rn. 121 19 Herzog/Grzeszick, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar,68. Ergänzungslieferung 2013, Art. 20, rn. 123; Bauer, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar Bd. II, 1998, Art. 20, Rn. 27. 20 BVerfGE 101, 158 (222). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 113/13 Seite 10 einander, das sowohl im Verhältnis der Länder untereinander, als auch im Verhältnis zwischen dem Bund und den Ländern gilt. Danach sind die finanziell leistungsstarken Länder zu Hilfeleistungen an finanziell leistungsschwache Länder verpflichtet.21 Der bundesstaatliche Gedanke der Solidargemeinschaft geht nicht so weit, dass die Eigenverantwortung der Länder für ihr wirtschaftspolitisches Verhalten im Ergebnis aufgehoben werden darf. Folglich kann ein Glied des Bundesstaates nicht ohne weiteres auf Kosten der Gesamtheit über seine Verhältnisse leben und solange Schulden machen, bis es sich in einer extremen Haushaltsnotlage befindet, durch den es dann durch den Beistand der übrigen Glieder des Bundes wieder befreit wird.22 Es ist daher zum einen mit dem „bündischen Prinzip des Einstehens füreinander“ unvereinbar, einem Land eine Garantie für seine Finanzkraft zu geben und „sie damit ein Stück weit aus der politischen Schicksalsgemeinschaft des Bundesstaates zu entlassen.“23 Folglich muss jedes einzelne Land für seine finanzielle Solidität sorgen.24 Ein Land, das nicht alle ihm möglichen Anstrengungen zur Haushaltssanierung unternimmt und sich entsprechend einschränkt, hat keinen Anspruch auf finanziellen Beistand von außen.25 Insofern würde die Übernahme aller Zinslasten aller Bundesländer dem Prinzip der Eigenverantwortung widersprechen. Jedoch ist es bereits jetzt möglich, dass finanziell notleidende Länder Hilfeleistungen des Bundes erhalten. Folglich könnte eine Zinslastenübernahme so gestaltet werden , dass eine deutlich überhöhte Zins-Steuer-Quote (ZSQ)26 der Länder abgesenkt wird. Nach Beschluss des Stabilitätsrats gilt der Schwellenwert der ZSQ als überschritten, wenn dieser im Gegenwartszeitraum den Länderdurchschnitt um mehr als 40 Prozent überschreitet bzw. im Finanzplanungszeitraum um mehr als 1 Prozentpunkt über dem Schwellenwert des laufenden Haushaltsjahres liegt.27 Weiterhin wäre bei der Gewährung von Hilfeleistungen bei bestehender Haushaltskrise darauf zu achten, dass Haushaltsdisziplin und Selbsthilfe einzufordern sind.28 Eine Teilzinskostenübernahme mit dem Ziel der Stärkung und Respektierung finanziell eigenwirtschaftlichen Handelns im Rahmen des Bundesstaatsprinzips wäre aus haushaltsrechtlicher Perspektive umsetzbar. 21 BVerfGE 72, 330ff. (386f.). 22 Vgl. Wieland, Joachim: Extreme Haushaltsnotlage des Landes Berlin, Rechtsgutachten auf Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Maßstäbegesetzes, September 2002, S. 23f. 23 BVerfGE72, 330ff. (419). 24 Vgl. Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen: Haushaltskrisen im Bundesstaat, Gutachten April 2005, S. 10. 25 Vgl. Wieland, Joachim: Extreme Haushaltsnotlage des Landes Berlin, Rechtsgutachten auf Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Maßstäbegesetzes, September 2002, S. 21. 26 Die Zins-Steuer-Quote drückt das Verhältnis zwischen Steuereinnahmen und Zinsausgaben aus. 27 Ministerium der Finanzen des Saarlandes: Bericht des Saarlandes an den Stabilitätsrat nach § 3 Abs. 2 StabiRatG, September 2012, S. 6. 28 Vgl. Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen: Haushaltskrisen im Bundesstaat, Gutachten April 2005, S. 14. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 113/13 Seite 11 Hiervon ausgenommen sind der Umgang mit Haushaltsnotlagen und die Gewährung von Sanierungshilfen . Präventive Maßnahmen zur Abwehr extremer Haushaltsnotlagen hält das BVerfG nicht nur für zulässig, sondern auch für verfassungsmäßig geboten. Nicht ausreichend zur Gewährung präventiver Maßnahmen ist allerdings die bloß entfernte Möglichkeit des Entstehens einer extremen Haushaltsnotlage. Dies muss durch gesicherte finanzielle Daten im Wege einer verlässlichen Prognose ermittelt werden.29 3.2. Rolle der Kommunen Neben der Überführung der Schulden der Bundesländer, sollen auch die Kredite der Kommunen in einen Altschuldentilgungsfonds überführt werden. Folglich ist auch die Stellung der Kommunen im Bundesstaat, insbesondere aus finanzverfassungsrechtlicher Perspektive, zu erörtern. Hinsichtlich der Stellung der Kommunen zum Bund ist insbesondere das Durchgriffsverbot gem. Art 84 Abs. 1 S. 7 GG zu beachten. Gemäß Art. 84 Abs. 1 Satz 7 GG ist es nicht gestattet, durch Bundesgesetz den Kommunen Aufgaben zu übertragen. Hierdurch sollen insbesondere die Selbstverwaltungshoheit und die finanzielle Leistungsfähigkeit geschützt werden.30 Bundesgesetzliche Aufgabenzuweisungen an die Gemeinden oder Gemeindeverbände sind vor allem aus zwei Gründen problematisch.31 Erstens gibt es keine unmittelbaren rechtlichen Beziehungen zwischen Bund und Gemeinden und Gemeindeverbänden. Die Kommunen sind keine dritte föderale Ebene. Im zweistufigen Aufbau des Bundesstaates sind sie staatsorganisatorisch Teil der Länder. Art. 106 Abs. 9 GG spricht dies für den Bereich der Finanzverfassung ausdrücklich aus.32 Aufgabenzuweisungen an die Gemeinden und Gemeindeverbände durch den Bund unter Umgehung des jeweiligen Landes bedeuten daher einen gravierenden Eingriff in deren organisatorische Eigenständigkeit.33 Die Eigenstaatlichkeit der Länder ist gesetzlich in Art. 30 GG normiert. Gem. Art. 109 Abs. 1 GG sind Bund und Länder in ihrer Haushaltswirtschaft selbständig und voneinander unabhängig. Gem. Art. 104 a GG tragen der Bund und die Länder gesondert die Ausgaben, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben, soweit das Grundgesetz nichts anderes bestimmt. Zweitens ist die Sicherstellung der Gewährung finanzieller Mittel für aufgebürdete Aufgaben problematisch. Es existieren keine vom Bund unmittelbaren finanzverfassungsrechtlichen Bezie- 29 Vgl. Wieland, Joachim: Extreme Haushaltsnotlage des Landes Berlin, Rechtsgutachten auf Grundlage der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Maßstäbegesetzes, September 2002, S. 17f. 30 Kirchhof, in: Maunz/Düring, GG, Art. 84, Rn 11. 31 BVerfG, in: NJW 1958, 1341, 1343. 32 Korioth, in: NJW 2005, 503,504. 33 Suerbaum, in: BeckOK, Art. 84, Rn. 27. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 113/13 Seite 12 hungen zu den Kommunen, womit dieser weder ausdrücklich berechtigt noch verpflichtet wird.34 Art 84 Abs. 1 Satz 7 GG unterbindet die Aushebelung der landesverfassungsrechtlichen Sicherungen , z.B. der sog. Konnexitätsregelungen, zugunsten einer aufgabenadäquaten Finanzausstattung der Kommunen. Folglich sind Adressaten von Aufgabenzuweisungen durch den Bund die Bundesländer.35 Ebenfalls ist Art. 28 Abs. 2 GG zu beachten. Der Bundesgesetzgeber könnte gegen die institutionelle Garantie der kommunalen Selbstverwaltung verstoßen, wenn er Kredite übernimmt und diese für die Kommunen verwaltet. Art. 28 Abs. 2 GG normiert keinen Zusammenhang zwischen bundesrechtlicher Aufgaben- und Mittelzuweisung. Wie das BVerfG festgestellt hat, gewährt Art. 28 Abs. 2 GG den Kommunen keine Unterstützung bei der Finanzierung staatlich auferlegter Lasten . Er gewährt keine Finanzausstattungsgarantie und begründet keine Ansprüche gegen den Bund.36 Doch Art. 28 Abs.2 GG normiert die Finanzhoheit, welche in Satz 3 noch zusätzliche Akzentuierungen erfährt. Insbesondere wird dabei die Garantie des eigenverantwortlichen Wirtschaftens bei den Einnahmen und den Ausgaben substantiiert. Das kommunale Haushaltsrecht stellt dabei einen notwendigen Teil des Rechtsrahmens für die Aufgabenwahrnehmung der Gemeinden dar und weist insofern nicht nur Bezüge zur Finanz-, sondern auch zur Organisationshoheit auf.37 Wenn der Bund finanzielle Verhältnisse der Gemeinden ohne Einschaltung der Länder ordnen wollte, widerspräche es der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 GG hinsichtlich ihrer Finanzhoheit.38 Unter Berücksichtigung von Art. 84 Abs. 1 S. 7 GG wäre eine Überführung kommunaler Schulden in einen Altschuldentilgungsfonds prinzipiell nur über die einzelnen Bundesländer möglich. Weiterhin muss die Finanzhoheit der Kommunen näher beleuchtet werden, denn diese begründet ein selbstständiges und eigenverantwortliches Handeln in der Haushalts- und Finanzpolitik. Somit wären auch die Kommunen für die durch ihre politische Priorisierung vorgenommenen Ausgaben und Schulden weiterhin selbst verantwortlich. Jedoch wird in der kommunalen Haushaltswirtschaft zwischen Investitionskrediten und Krediten zur Liquiditätssicherung (Kassenkredite ) unterschieden. Letztere werden zur Finanzierung der laufenden Ausgaben verwendet. Ihr Anteil an der Gesamtverschuldung der Kommunen ist in den letzten Jahren erheblich, auch auf bestimmte Regionen begrenzt, angestiegen. Sie gelten als Ausdruck struktureller kommunaler Unterfinanzierung und damit als Indikator für eine durch höhere Ebenen mit verursachte Schul- 34 Dreier/Hermes GG Art 84 Rn 9; Henneke, in: DVBl. 2006, 867, 868. 35 Suerbaum, in: BeckOK, Art. 84, Rn. 28. 36 BVerfGE 26, 172, 181. 37 Mehde, in: Maunz/Düring, GG, Art. 28, Rn 78. 38 Korioth, in: NJW 2005, 503, 505. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 113/13 Seite 13 denlast. Einige Bundesländer, wie Rheinland-Pfalz39, haben hier schon mit kommunalen Entschuldungsfonds eine Entlastung der Kommunen versucht, in dem die Kosten für die Kredite zur Liquiditätssicherung gemindert werden sollen. Eine Überführung der kommunalen Kassenkredite in einen Altschuldentilgungsfonds über die jeweiligen Bundesländer kann aufgrund der Erläuterungen als rechtlich unproblematisch eingestuft werden. 4. Welche Gesetze müssten geändert werden, damit aus den frei werdenden Solidarpakt II – Mitteln ein Teil zur Finanzierung der Zinslast der Länder und Kommunen verwendet werden kann? Durch den Solidarpakt II sind folgende Gesetze betroffen: Maßstäbegesetz (2001) und Solidarpaktfortführungsgesetz (2001). 5. Welche rechtlichen Änderungen wären für die Einführung einer Ergänzungsabgabe notwendig , mit der der Solidaritätszuschlag ab 2019 abgelöst werden kann? Abschließend wird der Frage nachgegangen, ob eine „Ergänzungsabgabe“, mit der der Solidaritätszuschlag ab 2019 abgelöst werden könnte, unter Berücksichtigung der Rechtsprechung in Betracht kommt, und welche rechtlichen Anforderungen an die Verwaltung und Verwendung des Abgabenaufkommens zu stellen sind. Öffentlich-rechtliche Abgaben sind Geldleistungen, die der Bürger aufgrund von Rechtsvorschriften an den Staat abzuführen hat. Dabei werden Steuern von den sonstigen (nichtsteuerlichen) Abgaben wie Beiträge, Gebühren und Sonderabgaben unterschieden. Steuern sind nur solche Abgaben, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung des Staates darstellen. Die Gebühr hingegen ist eine Abgabe (Entgelt) für eine besondere tatsächliche Leistung der Verwaltung , und der Beitrag ist eine Abgabe (Entgelt) für die dem Einzelnen gewährte Möglichkeit, aus konkreten Aufwendungen der Verwaltung einen individuellen Nutzen zu ziehen. Abgaben, denen keine zurechenbare Gegenleistung gegenübersteht, die aber im Unterschied zu Steuern nicht von der Gesamtheit der Steuerbürger, sondern nur von bestimmten Gruppen erhoben werden und zur Finanzierung besonderer Aufgaben dienen, werden als Sonderabgaben bezeichnet. Sonderabgaben sind Geldleistungspflichten, die - wie die Steuer - unabhängig von einer empfangenen oder bevorzugt angebotenen Gegenleistung des Staates geschuldet werden, deren Aufkommen aber regelmäßig nicht in den allgemeinen Staatshaushalt fließt, sondern in Sonderfonds verwaltet wird.40 39 Die Kommunen können diesem Pakt beitreten. Zwischen 2012 und 2026 sollen zwei Drittel der bis zum 31.12.2009 angehäuften Kassenkredite getilgt werden (Gesamtvolumen 3,285 Mrd. Euro). Zu je einem Drittel wird dies vom Land, dem kommunalen Finanzausgleich und der Kommune selbst getragen. Vgl. hierzu Ministerium der Finanzen Rheinland-Pfalz: Entschuldungsfonds, im Internet unter: http://www.fm.rlp.de/startseite/finanzen/kommunale-finanzen/entschuldungsfonds/ [17.10.2013]. 40 Birk, Steuerrecht, 14. Aufl.2011, Rn. 110 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 113/13 Seite 14 5.1. Gesetzgebungskompetenz Der Bund müsste zunächst die Gesetzgebungskompetenz für ein Gesetz zur Einführung einer Ergänzungsabgabe haben. Die Gesetzgebungskompetenz für Steuern bestimmt sich nach den Art. 105 ff. GG. Die Verfassung selbst enthält keine Definition des Steuerbegriffs. Unter Rückgriff auf die einfachgesetzliche Norm des § 3 Abs. 1 Abgabenordnung lassen sich Steuern jedoch definieren als Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in seiner Entscheidung vom 8. September 2010 festgestellt , dass es sich bei dem Solidaritätszuschlag finanzverfassungsrechtlich um eine Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer i.S. des Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG handelt, für die dem Bund nicht nur die konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit (Art. 105 Abs. 2 GG), sondern auch die alleinige Ertragszuständigkeit zusteht.41 Nach Art. 105 Abs. 2 i.V.m. Art. 106 Abs. 1 GG hat der Bund die Möglichkeit, eine "Ergänzungsabgabe zur Einkommensteuer und zur Körperschaftsteuer" zu erheben, deren Aufkommen ihm allein zufließt. Es ist demnach keine Sonderabgabe, sondern eine selbstständige Steuer, die an die Einkommenund Körperschaftsteuer anknüpft und daher im Ergebnis zu einer Tariferhöhung führt. Mithin handelt es sich bei der Ablösung des Solidaritätszuschlages durch eine Ergänzungsabgabe lediglich um eine Umwidmung. Hier ergibt sich ebenfalls die (konkurrierende) Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Art. 105 Abs. 2 i.V.m. Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG als Ergänzungsabgabe zur Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer . Trotz der Bezeichnung als „Abgabe“ handelt es sich dabei um eine eigenständige Steuer. 5.2. Spezifische Vorgaben für eine Ergänzungsabgabe Aus der Bezeichnung als Ergänzungsabgabe ergeben sich spezifische Vorgaben bezüglich der Höhe. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts verstieße es gegen die Finanzordnung, führte der Bund eine Ergänzungsabgabe ein, die wegen ihrer Ausgestaltung und insbesondere ihrer Höhe die Bund und Ländern gemeinschaftlich zustehende Einkommen- und Körperschaftsteuer aus- 41 BVerfG, in: JuS 2011, 381. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 113/13 Seite 15 höhlen würde. Eine derartige Abänderung des finanziellen Ausgleichssystems zu Lasten der Länder sei mit der Verfassung nicht vereinbar. Vielmehr müsse sich die Ergänzungsabgabe in einem angemessenen Verhältnis zur Einkommen- und Körperschaftsteuer halten. Als unproblematisch wurde es dabei seinerzeit angesehen, wenn die Ergänzungsabgabe lediglich 3 % des Aufkommens von Einkommen- und Körperschaftsteuer ausmacht.42 Eine Begrenzung der Höhe kennt das Grundgesetz nicht. Die Ergänzungsabgabe muss aber in einem angemessenen Verhältnis zur Einkommen- und Körperschaftsteuer stehen.43 Kein Gebot enthält die Verfassung allerdings, nur befristete Ergänzungsabgaben zu erheben.44 Vielmehr darf nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Ergänzungsabgabe nicht nur für einen ganz kurzen Zeitraum erhoben werden.45 5.3. Allgemeine verfassungsrechtliche Vorgaben Wie alle staatlichen Maßnahmen unterläge auch ein Gesetz zur Einführung einer Ergänzungsabgabe dem Übermaßverbot. Danach ist eine staatliche Maßnahme unverhältnismäßig und damit wegen Verstoßes gegen das Rechtsstaatsprinzip verfassungswidrig, wenn es das gewählte Mittel (hier: die Ergänzungsabgabe) nicht in ein vernünftiges Verhältnis zum angestrebten Zweck setzt. Dabei ist allerdings zu bedenken, dass dem Gesetzgeber bei der Erschließung von Steuerquellen ein weit reichender Gestaltungsspielraum zusteht, der nur eingeschränkt der Überprüfung durch die Judikative zugänglich ist.46 Des Weiteren hätte ein Gesetz zur Einführung einer Ergänzungsabgabe auch das Bestimmtheitsgebot zu beachten. Dabei ist die Bezeichnung der Steuer als Ergänzungsabgabe nicht als irreführend zu beanstanden, da das Gesetz keinen Zweifel daran lässt, dass eine Ergänzungsabgabe i.S.d. Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG erhoben wird.47 Bei jedem Steuergesetz ist zudem das Gebot der Gleichmäßigkeit der Besteuerung i.S.v. Art. 3 Abs. 1 GG zu beachten. Nicht zu beanstanden ist es nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts in diesem Zusammenhang , bei der Ausgestaltung einer Ergänzungsabgabe sozialpolitische Belange zu berücksichtigen , indem der Zuschlag erst ab einem bestimmten Einkommen erhoben wird.48 42 BVerfGE 32, 338 f. 43 BVerfGE 32, 333ff. 44 BVerfG, Kammerbeschluss vom 19.11.1999 – 2 BvR 1167/96. 45 BVerfG, aaO. 46 Vgl. BVerfGE 93, 121. 47 BVerfG, Kammerbeschluss vom 19.11.1999 – 2 BvR 1167/96. 48 BVerfGE 32, 339. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 113/13 Seite 16 Die in Art. 14 Abs. 1 GG verankerte Eigentumsgarantie wird durch Steuergesetze grundsätzlich nicht verletzt. Denn Art. 14 Abs. 1 GG schützt zwar das Eigentum, jedoch nicht vor der Auferlegung von Geldleistungspflichten.49 Eine Verletzung der Eigentumsgarantie käme nur in Betracht, wenn dieses Gesetz durch eine erdrosselnde bzw. konfiskatorische Wirkung den Steuerpflichtigen übermäßig belasten und dadurch dessen Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigen würde. In diesem Fall dürfte das Gesetz jedoch bereits schon aufgrund eines Verstoßes gegen das Übermaßverbot verfassungswidrig sein. 49 BVerfG, Kammerbeschluss vom 22.07.1991 – 1 BvR 313/88.