Deutscher Bundestag Fragen zur Mischfinanzierung Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 4 – 3000-113/12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000-113/12 Seite 2 Fragen zur Mischfinanzierung Verfasser: Aktenzeichen: WD 4 – 3000-113/12 Abschluss der Arbeit: 24. Mai 2012 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000-113/12 Seite 3 Inhaltsverzeichnis Seite 1. Das System der Mischfinanzierungen 4 2. Vor- und Nachteile der Mischfinanzierung, Entflechtungs- 6 möglichkeiten 3. Verteilungsschlüssel verschiedener Mischfinanzierung 8 3.1 Königsteiner Schlüssel 8 3.2 Verteilungsschlüssel anderer Mischfinanzierungen 10 3.2.1 Straßenbau 10 3.2.2 Gemeinschaftsaufgaben 10 3.2.3 Sozialer Wohnungsbau 11 4. Konnexitätsprinzip 12 4.1 Reformvorschläge zum Konnexitätsprinzip 12 Anlage 1: Bundesministerium der Finanzen: Bund/ Länder-Finanzbeziehungen auf der Grundlage der Finanzverfassung, 2011, S. 15 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000-113/12 Seite 4 1. Das System der Mischfinanzierungen Das gegenwärtige System der Mischfinanzierungen ist im Rahmen der Finanzreform 1969 entstanden . „Unter ökonomischen Gesichtspunkten sollte die Mischfinanzierung durch eine Bündelung und Koordinierung der Ressourcen verschiedener Ebenen die Effizienz der öffentlichen Mittelverwendung steigern.“1 Im Zuge der Wiedervereinigung sind die Ausgaben des Bundes in diesen Bereichen deutlich angehoben worden. Abweichend vom Konnexitätsprinzip des Art. 104 a Abs. 1 GG beteiligt sich der Bund im Rahmen der Mischfinanzierungen an verschiedenen Ausgaben der Länder bzw. ihrer Gemeinden. Dabei sind vor allem sechs Bereiche von Interesse: 1. Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91 a bis d GG 2. Geldleistungsgesetze nach Art. 104 a Abs. 3 GG 3. Finanzhilfen nach Art. 104 a Abs. 6 GG 4. Finanzhilfen nach Art. 104 b Abs. 1 GG 5. Öffentliche Personennahverkehr nach Art. 106 a und b GG. 6. Finanzhilfen nach Art. 109 Abs. 5 GG Art. 91 a GG sieht eine Mitwirkung des Bundes bei folgenden Aufgaben der Länder vor: Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes. Die Gemeinschaftsaufgabe „Ausbau und Neubau von Hochschulen einschließlich der Hochschulkliniken “ ist mit der Föderalismusreform 2006 abgeschafft worden, weil der Hochschulausund Hochschulneubau zwischenzeitlich abgeschlossen wurde und es keiner gemeinsamen Finanzierung mehr bedarf. Mit Art. 91 b GG wird die Bund-Länder-Zusammenarbeit im Bereich Forschung und Wissenschaft und des Bildungswesens geregelt. Der Bund wirkt bei folgenden Vorhaben mit: Einrichtungen und Vorhaben der wissenschaftlichen Forschung außerhalb von Hochschulen Vorhaben der Wissenschaft und Forschung an Hochschulen Forschungsbauten an Hochschulen einschließlich Großgeräten. Mit der Föderalismusreform II 2009 ist die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern auf dem Gebiet der Informationstechnologie ergänzt worden. Art. 91 c GG sieht vor, dass Bund und Länder in IT-Angelegenheiten zusammenarbeiten. Ziele dieser Zusammenarbeit sind: 1 Bericht zu den Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern, in: Schriftenreihe des Beauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung/Band 9, 2002, S. 93 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000-113/12 Seite 5 Verbesserung der öffentlichen Informationstechnik (schnellere, effizientere und kostengünstigere öffentliche Verwaltung) Mit Art. 91 d GG haben Bund und Länder die Möglichkeit, die Leistungsfähigkeit der Verwaltung zu verbessern, indem die Leistungen, ihre Qualität und die Kosten transparent gemacht werden. Dazu können Vergleichsstudien zur Feststellung und Förderung der Leistungsfähigkeit durchgeführt werden. Gemäß Art. 104 a Abs. 3 GG können Bundesgesetze, die Geldleistungen gewähren und von den Ländern ausgeführt werden, eine Beteiligung des Bundes an den Geldleistungen vorsehen. Haben die Länder ein Viertel oder mehr der Ausgaben zu tragen, bedarf das Geldleistungsgesetz der Zustimmung des Bundesrates. Soweit der Bund im Rahmen seiner Gesetzgebungskompetenz an Privatpersonen gegenleistungsunabhängige Geldleistungen gewährt, trägt er diese Ausgaben teilweise oder ganz. Zu diesen Leistungen gehören: das Bundesausbildungsförderungsgesetz (Beteiligungsverhältnis 65 Prozent Bund, 35 Prozent Länder) das Wohngeldgesetz (Beteiligungsverhältnis 50 Prozent Bund, 50 Prozent Länder) das Elterngeldgesetz (früher Erziehungsgeldgesetz); der Bund beteiligt sich hier zu 100 Prozent das Unterhaltsvorschussgesetz (Beteiligungsverhältnis 33,3 Prozent Bund, 66,7 Prozent Länder) . 1999 wandte der Bund 1999 13,1 Mrd. DM im Rahmen der Geldleistungsgesetze auf. Auf die einzelnen Bereiche aufgeschlüsselt zahlte der Bund: Bundeserziehungsgeld: ca. 7 Mrd. DM Bundesausbildungsförderungsgesetzes : 1,55 Mrd. DM Wohngeld: 3,8 Mrd. DM Leistungen des Unterhaltsvorschussgesetzes: knapp 800 Mio. DM. Die Zahlungen im Rahmen der Geldleistungsgesetze verteilen sich sehr gleichmäßig über die Länder, so dass die regionale Verteilung etwa mit der der Einwohnerzahl korrespondiert. Aktuelle Zahlenangaben hierzu sind in der Anlage 1 dargestellt. Nach der Föderalismusreform von 2006 wurde Art. 104 a Abs. 6 in die Verfassung aufgenommen, der die Aufgaben- und Lastenverteilung einer Verletzung von supranationalen oder völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands gegenüber der Europäischen Union regelt. Danach tragen Bund und Länder die Lasten im Verhältnis 15 zu 85. Die Länder tragen als Gesamtheit 35 Prozent der Gesamtlasten; 50 Prozent der Gesamtlasten tragen die Länder, die die Lasten verursacht haben . Mit dem 2009 in Kraft getretenen Art. 104 b Abs. 1 GG (ersetzt den früheren Art. 104a Abs. 4 GG) hat der Bund die Möglichkeit, Mitfinanzierungen in Form von Finanzhilfen zu leisten und den Ländern und Gemeinden Finanzhilfen für besonders bedeutsame Investitionen zu leisten. Vo- Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000-113/12 Seite 6 raussetzung für die Finanzhilfen des Bundes ist, dass er die ausschließliche bzw. konkurrierende Gesetzgebungskompetenz besitzt. Außerdem werden diese Finanzhilfen befristet gewährt. Näheres hierzu regelt Art 143 c GG. Es werden Investitionen unterstützt für die Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts den Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft im Bundesgebiet die Förderung des wirtschaftlichen Wachstums die Folgen im Falle von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen. Art. 106 a GG verlangt, dass den Ländern für den ÖPNV ein Betrag aus dem Steueraufkommen des Bundes zusteht. Konkret erhalten die Länder einen Betrag aus dem Mineralölsteueraufkommen des Bundes, der 1997 auf 12 Mrd. DM festgelegt und seither mit der Wachstumsrate des Umsatzsteueraufkommens fortgeschrieben wurde. Im Jahr 2001 belaufen sich diese Zuweisungen auf gut 13,5 Mrd. DM. Diese Zahlungen sollen einen Ausgleich für die Übernahme der Aufgabenverantwortung beim ÖPNV durch die Länder darstellen. Art. 106 b GG regelt, dass den Ländern ab Juli 2009 nach der Übertragung der Kraftfahrzeugsteuer auf den Bund ein bestimmter Betrag zusteht. Art. 109 Abs. 5 GG regelt Sanktionsmaßnahmen der Europäischen Union, die von Bund und Ländern im Verhältnis 65 zu 35 zu tragen sind. Die Ländergemeinschaft trägt 35 Prozent der auf die Länder entfallenden Lasten entsprechend ihrer Einwohnerzahl, 65 Prozent der auf die Länder entfallenden Lasten tragen die Länder entsprechend ihrem Verursachungsbeitrag. 2. Vor- und Nachteile der Mischfinanzierung, Entflechtungsmöglichkeiten Die Vorteile der Mischfinanzierung, die Beteiligung des Bundes an bestimmten Länderausgaben, liegen unter anderem im Ausgleich der unzureichenden Finanzausstattung der Länder. Da die einzelnen Bundesländer über unterschiedliche Einnahmehöhen verfügen, ergibt sich daraus auch ein unterschiedlicher Nachholbedarf im Infrastrukturbereich. Vor diesem Hintergrund erscheinen die Mischfinanzierungen als Unterstützungsmaßnahme durchaus als sinnvoll. Sie senken die besonderen Belastungen einzelner Länder. „Die derzeitige Mitwirkung des Bundes bei der gemeinschaftlichen Finanzierung von Länderaufgaben hat faktisch auch Finanzausgleichsfunktion. Von einer Abschaffung der Mischfinanzierung, die ohne voll finanzielle Komposition stattfindet (stattfinden muss), wären diejenigen Länder nachteilig betroffen, die einen steigenden Mittelbedarf bei den Ausgaben haben, die heute durch die Mischfinanzierung abgedeckt werden.“2 Insgesamt wird das System der Mischfinanzierung jedoch kritisch und als der ökonomisch falsche Weg beurteilt. Als Nachteile werden vor allem aufgeführt: 1. Mischfinanzierung schafft Fehlanreize: Entweder werden Anreize geschaffen, die Ausgaben auszudehnen, weil der Bund sich beteiligt (Subventionscharakter) oder es werden be- 2 Prof. Dr. Dr. h.c. Rüdiger Pohl: Stellungnahme zu den Themen Mischfinanzierung und Steuerverteilung, 2004, S. 2 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000-113/12 Seite 7 stimmte dringliche Ausgaben nicht getätigt, weil es eine Mitfinanzierung durch den Bund gibt. 2. Mischfinanzierungen führen zu Inflexibilitäten der einzelnen Länderhaushalte. Die Mittelzuflüsse des Bundes und die zur Kofinanzierung durch die Länder erforderlichen Mittel stehen nicht mehr für eine flexible Haushaltsgestaltung bereit. 3. Einschränkungen der Autonomie der einzelnen Landesparlamente bei der Kooperation mit anderen Gebietskörperschaften durch die Mischfinanzierungen, weil die Abstimmung durch die Exekutive erfolgen muss. Der Bund verliert durch die gemeinsame Planung und Finanzierung an Haushaltsgestaltungs- und Entscheidungsfreiheit.3 4. Mischfinanzierung führt zu einer unübersichtlichen Entscheidungs- und Koordinierungsbürokratie mit starren Verfahrensabläufen und gegenseitigen Abhängigkeiten, Verwischung der Verantwortlichkeiten und unüberschaubaren Finanzbeziehungen.4 5. Mischfinanzierungen sind ein sehr komplexes Instrument, dass zu Verwerfungen im Bund-/Länderverhältnis und zu Schwierigkeiten bei den Verwaltungsabläufen führen kann. Prof. Dr. Bernd Huber stellte fest, dass die Mischfinanzierung auf keinen Fall mit der unzureichenden Finanzausstattung der Länder gerechtfertigt werden darf. Eine unzureichende Finanzausstattung erfordert eine Korrektur der Einnahmeverteilung. Nach seiner Auffassung ist eine Mischfinanzierung nur dann sinnvoll, „wenn sie der Internalisierung von Spillover-Effekten dienen, also der Finanzierung regionaler Leistungen, die auch anderen Regionen zugute kommen .“5 Trotz aller Kritik ist eine vollständige Abschaffung der Mischfinanzierungen nicht sinnvoll. Ihre Beibehaltung ist für Aufgaben, die länderübergreifende Bedeutung haben, wichtig. Einerseits können länderübergreifende Aufgaben vom Bund nur mit Beteiligung der Länder erfolgreich ausgeführt werden. Andererseits ist eine Ausführung nur durch die Länder abzulehnen, weil das Eigeninteresse der Länder unter Umständen den länderübergreifenden Interessen entgegensteht. Der Bund übt hier auch eine moderierende Funktion aus. In den vorliegenden Veröffentlichungen wird eine vollständige Abschaffung der Mischfinanzierung abgelehnt und stattdessen eine Neuregelung mit anderen Verfahrensvorschriften empfohlen: Mischfinanzierung als Kann-Bestimmung 3 Punkte 1.-3.: Prof. Dr. Dr. h.c. Rüdiger Pohl: Stellungnahme zu den Themen Mischfinanzierung und Steuerverteilung , 2004, S. 1 4 Punkt 4.: Bericht zu den Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern, in: Schriftenreihe des Beauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung/Band 9, 2002, S. 93/94 5 Prof. Dr. Bernd Huber: Projekt Föderalismusreform. Die Mischfinanzierungen im deutschen Föderalismus, in: Arbeitspapier der Konrad-Adenauer-Stiftung 2001, Nr. 48, S. 9/10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000-113/12 Seite 8 flexible, auf Bedarfe ausgerichtete Gestaltung Nachweispflicht der Mittelverwendung. Wichtig ist hierbei, die Vermischung der Verantwortlichkeiten aufzulösen, eindeutige Finanzverantwortungen zu schaffen und die Eigenverantwortung der Bund- und Länderebenen zu stärken. Die Reformbedürftigkeit des deutschen Föderalismus wird in vielen Publikationen angesprochen. Es wird als notwendig angesehen, die Verantwortung zwischen Bund und Ländern bei den Gesetzgebungszuständigkeiten , bei den Mitspracherechten und der Mischfinanzierung neu zu gestalten . Eine Neugliederung wäre zu erreichen durch: Wiederherstellung voller Verantwortlichkeiten und klare Zuteilung auf eine der beiden Staatsebenen Zuschnitt und Stärke von Bund und Ländern (Erreichen einer Ebenbürtigkeit). Eine Entkoppelung und Neuordnung der Verantwortlichkeiten könnte durch eindeutige Festlegung staatlicher Abläufe erreicht werden. Es wäre wichtig, den Ländern wieder mehr Aufgaben zuzuweisen. Eine Entflechtung der Gesetzgebung wäre durch Ausdünnung der Gesetzgebungsbefugnisse zu erreichen. Gemeinsame Regelungen durch Bund und Ländern sollten in die ausschließliche Gesetzgebungshoheit der Länder zurückgeführt werden. Eine weitere Möglichkeit ist auch die Reduzierung der Zustimmungsbedürftigkeit von Bundesgesetzen und der Abbau der Mischfinanzierung.6 Der Abbau der Mischfinanzierung7 könnte nach Auffassung von E. Schmidt-Jortzig wie folgt vonstatten gehen: Wiederherstellung der Eigenständigkeit der Finanzverwaltung von Bund und Ländern Regelungshoheit über die eigenen Steuern Möglichkeit, die Hebesätze auf die den Ländern zufallenden Anteile des Verbundsteueraufkommens festzulegen Verankerung der Nivellierung der Finanzkraftunterschiede beim Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern Übernahme der Steuerverwaltung durch den Bund. 6 E. Schmidt-Jortzig: Reformbedürftigkeit des deutschen Föderalismus 2005, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Heft 14/2005, S. 1-5 7 E. Schmidt-Jortzig: Reformbedürftigkeit des deutschen Föderalismus 2005, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Heft 14/2005, S. 1-5 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000-113/12 Seite 9 3. Verteilungsschlüssel verschiedener Mischfinanzierung 3.1 Königsteiner Schlüssel Mit Hilfe des Königsteiner Schlüssels wird die Aufteilung des Länderanteils bei gemeinsamen Finanzierungen geregelt. Die Bezeichnung geht zurück auf das Königsteiner Staatsabkommen der Länder von 1949, mit dem dieser Schlüssel zur Finanzierung wissenschaftlicher Forschungseinrichtungen eingeführt worden ist. Der Schlüssel setzt sich zu zwei Dritteln aus dem Steueraufkommen und zu einem Drittel aus der Bevölkerungszahl der Länder zusammen. Der Königsteiner Schlüssel wird jährlich vom Büro der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) berechnet und im Bundesanzeiger veröffentlicht. Dem Königsteiner Schlüssel für das Haushaltsjahr 2012 liegen das Steueraufkommen und die Bevölkerungszahl von 2010 zugrunde.8 Der Anwendungsbereich hat sind in der Gegenwart verändert, hinzugekommen ist die Anwendung des Artikels 104a Abs. 6 GG (sogenanntes Lastentragungsgesetz), wobei Bund und Länder verpflichtet sind die Lasten einer Verletzung von supranationalen oder völkerrechtlichen Verpflichtungen Deutschlands zu tragen.9 In Fällen länderübergreifender Finanzkorrekturen der Europäischen Union tragen Bund und Länder diese Lasten im Verhältnis 15 zu 85, aus solidarischen Gründen trägt die Ländergesamtheit 35 vom Hundert der Gesamtlast entsprechend des Königsteiner Schlüssels. Sollte ein Land jedoch die Lasten verursacht haben, so trägt es 50 vom Hundert der Gesamtlasten, anteilig entsprechend der Höhe der erhaltenen Mittel. Der Hauptanwendungsbereich des Königsteiner Schlüssels ist weiterhin die Forschungsförderung . Hierbei werden verschiedenste Einrichtungen10 gefördert von denen hier nur einige angesprochen werden. Den einzelnen Forschungseinrichtungen wird hierbei ein unterschiedlicher Bund-Länder-Schlüssel zugeordnet.11 Die Max Planck Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (MPG) hat einen Bund-Länder-Schlüssel von 50:50, wobei 50 Prozent des Länderanteils das Sitzland aufbringen muss und die restlichen 50 Prozent des Länderanteils tragen alle Länder nach dem Königsteiner Schlüssel. Anders ist es bei der Fraunhofer Gesellschaft zur Förderung der angewandten Forschung (FhG), hier liegt ein Bund-Länder-Schlüssel von 90:10 vor, die 10 Prozent werden zu 2/3 vom Sitzland und zu 1/3 von den anderen Ländern nach dem Königsteiner Schlüssel getragen. Das FH3-Programm12 hat einen ≤ 90 : ≥ 10 Schlüssel, wobei die Länder, in diesem Fall das Sitzland, mindestens 10 Prozent der Finanzierung tätigen. Als letztes Beispiel wird die acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften e.V. angeführt , hierbei ist der Bund-Länder-Schlüssel 50:50, wobei der Länderanteil nach dem Königsteiner Schüssel berechnet wird. 8 http://www.gwk-bonn.de/fileadmin/Papers/koenigsteiner-schluessel-2012.pdf. 9 http://dejure.org/gesetze/GG/104a.html. 10 http://www.gwk-bonn.de/fileadmin/Papers/GWK-Heft-25-Finanzstroeme2010.pdf, S.3. 11 http://www.gwk-bonn.de/fileadmin/Papers/GWK-Heft-25-Finanzstroeme2010.pdf, S.5. 12 Das FH3-Programm ist die gemeinsame Förderung von Programmen (Akademienprogramm, Exzellenzinitiative, Professorinnenprogramm, Förderung der angewandten Forschung und Entwicklung an Fachhochschulen). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000-113/12 Seite 10 Anhand dieser Beispiele ist erkennbar, dass es verschiede Verteilungen gibt. Sei es, dass der Länderanteil nur durch das Sitzland getragen wird oder ein Teil wird anhand des Königsteiner Schlüssels verteilt und der Rest vom Sitzland getragen. Es gibt allerdings auch Forschungsförderungen wo nur der Königsteiner Schlüssel zur Anwendung kommt. Königsteiner Schlüssel 201213 Baden-Württemberg 12,93143 Bayern 15,22505 Berlin 5,07477 Brandenburg 3,07156 Bremen 0,93354 Hamburg 2,55023 Hessen 7,30187 Mecklenburg-Vorpommern 2,06015 Niedersachsen 9,40134 Nordrhein-Westfalen 21,21997 Rheinland-Pfalz 4,80847 Saarland 1,22715 Sachsen 5,14393 Sachsen-Anhalt 2,90793 Schleswig-Holstein 3,36391 Thüringen 2,77870 Insgesamt 100,00000 3.2 Verteilungsschlüssel anderer Mischfinanzierungen 3.2.1 Straßenbau Der Straßenbau wird durch das Steueraufkommen von Bund und Länder finanziert und weiterhin wird die LKW-Maut noch zur Finanzierung des Straßenbaus verwendet. Für die Finanzierung des Straßenbaus wurde allerdings noch kein expliziter Verteilungsschlüssel entwickelt.14 13 http://www.gwk-bonn.de/fileadmin/Papers/koenigsteiner-schluessel-2012.pdf. 14 http://www.ikbaunrw-blog.de/tag/finanzierung. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000-113/12 Seite 11 3.2.2 Gemeinschaftsaufgaben Zu den Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern zählen die Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur, sowie die Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes.15 Bei diesen Gemeinschaftsaufgaben legen Bund und Länder einen Rahmenplan für die Mittel, die zur Förderung bereitgestellt werden sollen, fest. Die Verteilung der Bundesmittel wird anhand des Länderschlüssels vorgenommen. Länderschlüssel für die Verteilung der Bundesmittel für die Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes Land Prozente Baden-Württemberg 9,786 Bayern 18,403 Berlin 0,090 Brandenburg 8,461 Bremen 0,305 Hamburg 1,063 Hessen 4,514 Mecklenburg-Vorpommern 7,746 Niedersachen 14,420 Nordrhein-Westfalen 6,572 Rheinland-Pfalz 5,258 Saarland 0,664 Sachsen 5,604 Sachsen-Anhalt 5,795 Schleswig-Holstein 6,015 Thüringen 5,304 Anhand dieser Prozente können die Länder die notwendigen Investitionen, mit ihren Einnahmen und den Bundesmitteln, tätigen.16 3.2.3 Sozialer Wohnungsbau Bei dem sozialen Wohnungsbau ist die Mischfinanzierung so ausgerichtet, dass der Wohnungsbau durch Darlehen des Bundes finanziert wird, die an die Länder oder die Kommunen gehen. Diese Darlehen haben besonders günstige Konditionen, sodass man diese als verstecke Zuschüsse bezeichnen kann. Weiterhin wird der Wohnungsbau staatlich subventioniert, indem den einkommensschwachen Mietern Wohngeldzuschüsse gewährt werden oder öffentliche Mittel für 15 Art. 91a Abs. 1 GG. 16 http://www.bmelv.de/SharedDocs/Standardartikel/Landwirtschaft/Foerderung/GAK/Erlaeuterungen.html. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000-113/12 Seite 12 den sozialen Wohnungsbau bereitgestellt werden. Außerdem gibt noch einige Steuervergünstigungen , die beispielsweise die Abschreibung der Wohnungen betreffen.17 4. Konnexitätsprinzip Das Konnexitätsprinzip verknüpft die Aufgabenverantwortung mit der Ausgabenverantwortung.18 Dieses Prinzip ist im Art. 104a Abs. 1 GG festgeschrieben und besagt, dass Bund und Länder gesondert die Ausgaben, die sich aus ihrer Wahrnehmung der Aufgaben ergeben, tragen. Diese politische und finanzielle Eigenverantwortung von Bund und Ländern erstreckt sich auch auf die bei ihren Behörden entstehenden Verwaltungsaufgaben (Art. 104a Abs. 5 GG).19 Es ist Bund und Ländern ebenso untersagt Aufgaben zu finanzieren, die nicht in den Bereich ihrer Verwaltungszuständigkeit fallen. Das Grundgesetz erlaubt jedoch Ausnahmen vom Konnexitätsprinzip, die im Vorfeld als Mischfinanzierungen dargestellt wurden. Innerhalb des Prinzips sind zwei Arten möglich – die Vollzugskausalität und die Gesetzeskausalität. Die Vollzugskausalität (Ausführungskonnexität) besagt, dass die Finanzierungsverantwortung an die Verwaltungsaufgabe gekoppelt ist (Art. 104a Abs. 1 GG). Somit trägt diejenige Körperschaft die Ausgabelast, die für die Wahrnehmung der Verwaltungsaufgabe zuständig ist.20 Dem zur Folge kann man sagen „wer vollzieht, bezahlt auch“. Bei der Gesetzeskausalität (Veranlassungskonnexität) steht die Gesetzgebungsaufgabe im Vordergrund . Somit knüpft die Finanzierungsverantwortung an die Gesetzgebungsaufgabe an. Aus dieser Sichtweise ist Ausgabenlast von derjenigen Körperschaft zu tragen, der die Gesetzgebungsaufgabe zukommt („wer bestellt, bezahlt auch“). Mit Hilfe des Konnexitätsprinzips sollen die Kosten für die Finanzierungen im Rahmen gehalten werden, sodass Bund, Länder und die Gemeinden nicht in Zahlungsschwierigkeiten geraten. Deshalb werden mit Bedacht Finanzierungen getätigt, die auch getätigt werden können. 4.1 Reformvorschläge zum Konnexitätsprinzip Nach Ansicht von Finanzwissenschaftlern liegt die Lösung des Konnexitätsproblems darin, alle Teilkompetenzen in einer Hand zu bündeln, sodass auch die Befugnisse „Entscheidung“ und „Durchführung“ zusammenfallen. Dieser Vorschlag setzt aber voraus, dass das föderale System 17 http://www.isw-muenchen.de/download/wohnen-clsch.pdf. 18 Blanke, H.-J., Staatsfinanzen im Föderalismus, S.76. 19 http://www.bpb.de/izpb/8296/foederalismusreform-teil-ii-die-finanzverfassung?p=all. 20 http://www.fm.rlp.de/fileadmin/fm/downloads/finanzen/konnexitaetsprinzip/konnexitaet_seminar.pdf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000-113/12 Seite 13 grundlegend neu ausgerichtet wird.21 Als Konzept könnte man das Grundgesetz in der Fassung von 1949 heranziehen. In dieser Fassung war das Prinzip der institutionellen Kongruenz verankert , d. h. die Kreise der Entscheidungsträger, der Nutznießer und der Steuerzahler stimmen weitestgehend überein. Demzufolge waren die Gesetzgebungskompetenzen klarer zwischen Bund und Ländern aufgeteilt. So war der Bund befugt, die Außen- und Außenhandelspolitik, das Recht der Staatsbürgerschaft, das Währungswesen, die Warenfreizügigkeit im Inland, die bundesweiten Verkehrsnetze sowie die bundesweite Verbrechensbekämpfung zu regeln. Alle andere Sachgebiete sollten damals in die Kompetenz der Länder fallen. Außerdem waren die Steuererträge aufgeteilt . Verbrauch- und Umsatzsteuern standen dem Bund, die Einkommen- und Körperschaftsteuer den Ländern und die Gewerbesteuer den Gemeinden zu. Die Föderalismusreformen I und II folgten allerdings nicht diesem finanzwirtschaftlichen Modell. 21 Cora Pielke: Das Konnexitätsprinzip in der deutschen Finanzverfassung. Eine interdisziplinäre und rechtsvergleichende Analyse, S. 223. Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin.