© 2019 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 112/19 Umsatzsteuerliche Behandlung von Poolmining bei Bitcoins Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 112/19 Seite 2 Umsatzsteuerliche Behandlung von Poolmining bei Bitcoins Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 112/19 Abschluss der Arbeit: 18. September 2019 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 112/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung und Fragestellung 4 2. Umsatzsteuerliche Behandlung des Einzel-Mining 4 2.1. Position des BMF und Teilen der Literatur 4 2.2. Gegenposition 5 3. Übertragung auf das Poolmining und Bewertung 7 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 112/19 Seite 4 1. Einleitung und Fragestellung Beim Poolmining schließen sich mehrere Steuerpflichtige zur Verstärkung der eigenen – insoweit nicht ausreichenden – Rechnerleistung zusammen, um gemeinsam die erforderlichen Berechnungen zum Minen neuer Coins zu erbringen. Anschließend werden die auf diese Weise gewonnenen Coins unter allen Pool-Minern aufgeteilt. Die Auftraggeber erkundigen sich nach der umsatzsteuerlichen Behandlung des Poolmining. Sie möchten insbesondere geprüft wissen, ob die Einschätzung der Finanzverwaltung, dass beim Mining keine steuerbare Leistung im Sinne des Umsatzsteuerrechts vorliege, zutrifft. 2. Umsatzsteuerliche Behandlung des Einzel-Mining 2.1. Position des BMF und von Teilen der Literatur Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) vertritt seit Veröffentlichung des BMF-Schreibens vom 19. Januar 20171 die Auffassung, dass es sich bei den Leistungen der Miner nicht um steuerbare Vorgänge handele. Eine gesonderte Bewertung des Poolminings wird im BMF-Schreiben nicht vorgenommen. „Die sogenannte Transaktionsgebühr, welche die Miner von anderen Nutzern des Systems erhalten können, wird freiwillig gezahlt und steht in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit den Leistungen der Miner. Auch die Entlohnung in Form des Erhalts neuer Bitcoin durch das System selbst ist nicht als Entgelt für die Minerleistungen anzusehen, da die Minerleistungen nicht im Rahmen eines Leistungsaustauschverhältnisses erbracht werden. Dieses setzt neben dem Leistenden das Vorhandensein eines identifizierbaren Leistungsempfängers voraus .“2 Diese Auffassung wird auch von mehreren Stimmen in der Literatur vertreten: „Schließlich ist umsatzsteuerlich auch die Berechnung neuer Blöcke, das Mining, eher unproblematisch einzuordnen . Selbst wenn man im Unterhalt der Blockchain eine Leistung erblickt, so fehlt es hinsichtlich der Blockbelohnung - so zutreffend das BMF - an einem identifizierbaren Leistungsempfänger . Denn alle Teilnehmer des Netzwerks profitieren von einem Fortschreiben der Blockchain. Insoweit liegt also kein steuerbarer Vorgang vor. Gleiches gilt aber auch hinsichtlich der Transaktionsgebühren : Zwar erbringt hier ein Miner eine Verifizierungsleistung gegenüber einem konkreten Teilnehmer. Derzeit ist eine Gebühr aber keine zwingende Voraussetzung für eine Verifizierung . Bereits die stets gewährte Blockbelohnung genügt noch als Anreiz. Es fehlt also insoweit an der notwendigen hinreichenden Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung. Das Mining stellt also insgesamt keine umsatzsteuerbare Leistung dar.“3 1 BMF-Schreiben vom 19.1.2017, III C 3 – S 7160-b/13/10001 (2018/0018436), BStBl. I 2018, 316 2 Ebenda, Punkt I. a) 3 Heck, Johannes: „Funktionsweise und Grundzüge der steuerlichen Behandlung von Blockchain-basierten Kryptowährungen “ in: DStZ 2019, 106 – 112, (111) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 112/19 Seite 5 Auch Pinkernell4 geht davon aus, dass der Bitcoin-Miner nicht in vertraglichen Beziehungen mit Dritten stehe und sein „Entgelt“ im Rahmen des Rechenwettbewerbs selbst generiere. „Die geringen bzw. freiwilligen Gebühren für die Verifizierung konkreter Transaktionen könnten umsatzsteuerlich eventuell auch anders gewürdigt werden. Bei genauer Betrachtung fehlt es aber an individuell bestimmbaren Leistungsempfängern.“5 Liegmann6 bezeichnet die Behandlung des Minings im BMF-Schreiben als nachvollziehbar. Zwar lasse sich bezüglich des mining reward in Person des Miners ein potentiell leistender Unternehmer erkennen. Empfänger der diesem reward gegenüberstehenden Mining-Leistung wäre jedoch gerade keine konkrete Person, sondern im Grunde das gesamte Kryptowährungssystem oder jedenfalls alle Beteiligten sämtlicher in dem konkret geminten Block enthaltenen Transaktionen. „Bei den Transaktionsgebühren wiederum verhält es sich so, dass sie zwar einem konkreten Sender der Transaktion als potentiellem Leistungsempfänger und auch einem bestimmten Miner als Leistendem zuordnen ließen. In der Tat ist für das Bitcoin-System jedoch die Auslobung einer Transaktionsgebühr freiwillig, so dass der nötige wechselseitige Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung fehlt. In diesem Zusammenhang stellt sich die Situation ähnlich dar wie in dem vom EuGH in der Rechtssache Trolsma7 entschiedenen Fall eines Straßenmusikers.“8 2.2. Gegenposition Dietsch9 geht dagegen von einer steuerbaren Leistung des Mining aus: „Beim Bitcoin-Mining handelt es sich daher um eine sonstige Leistung nach § 3 Abs. 9 UStG (Zurverfügungstellen von Rechenleistung ). Die Mining-Tätigkeit ist ferner auch eine unternehmerische (wirtschaftliche) Tätigkeit mit Einnahmeerzielungsabsicht. Diese erfolgt auch gegen ein Entgelt im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, da es sich bei Bitcoin letztendlich um ein Zahlungsmittel handelt, welches von den an der Transaktion beteiligten Parteien als Zahlungsmittel akzeptiert wird. Ein tauschähnlicher Umsatz im Sinne von § 3 Abs. 12 UStG scheidet daher hinsichtlich des Bitcoin-Minings aus. Sofern zusätzlich Transaktionsgebühren getätigt werden, handelt es sich ferner um eine einheitliche Leistung. Der Umstand, dass das Mining und die Transaktionsgebühr getrennt erbracht werden, 4 Pinkernell, Reimar: „Ertrag- und umsatzsteuerliche Behandlung von Bitcoin-Transaktionen“ in Die Unternehmensbesteuerung 2015, 19-27 (23) 5 Pinkernell: ebenda 6 Liegmann, Bastian: „Umsatzsteuerliche Behandlung virtueller Währungen“ in BetriebsBerater 2018, 1175 (1178) 7 EuGH, 3.3.1994 – C-16/93, Trolsma, ECLI:EU:C:1994:80, Slg. 1994, I-743 8 Liegmann: ebenda, S. 1178 9 Dietsch, David R.: „Umsatzsteuerliche Behandlung von Bitcoin-Mining“ in Mehrwertsteuerrecht 2018, S. 250 – 255 (252) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 112/19 Seite 6 rechtfertigt dabei alleine keine Aufspaltung des Vorgangs, da es dem Zahlenden gerade um die Verbindung beider Elemente geht, um die Bitcoin-Transaktion schneller auszuführen.“10 Zum Erfordernis des Unmittelbarkeitszusammenhangs zwischen Leistendem und Leistungsempfänger führt Dietsch weiter aus: „Teilweise wird der Unmittelbarkeitszusammenhang beim Bitcoin -Mining bezweifelt, da dieser auf keiner vertraglichen Grundlage basiere, auf welcher ein Leistender eine sonstige Leistung an den Leistungsempfänger erbringt. Der unmittelbare Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung liegt regelmäßig vor, wenn ein irgendwie geartetes Rechtsverhältnis, insbesondere ein gegenseitiger Vertrag, besteht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden.“11 Dietsch geht davon aus, dass beim Mining zivilrechtlich grundsätzlich ein Schuldverhältnis zwischen Miner und Zahlendem vorliegt. „Entscheidend ist aber allein, dass tatsächlich ein Leistungsaustausch erfolgt. Das Kriterium eines unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der Leistung und der Gegenleistung, die der Steuerpflichtige tatsächlich erhalten hat dient in erster Linie der Bestimmung einer Gegenleistung für eine Leistung als Entgelt (Steuerbarkeit der Leistung).“12 Dietsch geht davon aus, dass die im EuGH-Urteil Tolsma13 enthaltenen Prämissen zur Bestimmung der Bemessungsgrundlage nicht auf das Bitcoin-Mining übertragbar seien. „Der Miner leistet nicht völlig freiwillig, sondern gerade in der Erwartung neue Transaktionen in die Blockchain hinzuzufügen und dafür eine konkrete Anzahl Bitcoin zu erhalten. Im Gegensatz zum Straßenmusiker bittet der Miner nicht um Entgelt, sondern sucht sich vielmehr die Transaktionen aus, die er an die Blockchain anhängen möchte. Tatsächlich kann der Erfolg zufällig eintreten. Allerdings kann der Miner anders als der Straßenmusiker seine Chancen dadurch erhöhen, indem er dem Bitcoin-Netzwerk eine höhere Rechenleistung zur Verfügung stellt. Ferner weiß der Miner genau wie viel Bitcoin er für einen Block erhalten kann, da die Entgelthöhe vordefiniert und deshalb nicht ungewiss ist wie in dem Tolsma-Urteil des EuGH.“14 Dietsch kommt daher zu einem andere Ergebnis als das BMF: „Somit kann der unmittelbare Zusammenhang beim Bitcoin-Mining zwischen Leistung und Gegenleistung nicht mit den Grundsätzen des EuGH-Urteils Tolsma verneint werden. Entsprechend kann der Leistung des Miners auch ein entsprechender Gegenwert zugewiesen werden, welcher dem Wert der erhaltenen Bitcoin entspricht.“15 10 Dietsch, David R.: „Umsatzsteuerliche Behandlung von Bitcoin-Mining“ in Mehrwertsteuerrecht 2018, S. 250 – 255 (252) 11 Dietsch, S. 253 12 Dietsch: aaO., S. 253 13 EuGH vom 3.3.1994, C-16/93 14 Dietsch: aaO. 15 Dietsch: aaO. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 112/19 Seite 7 3. Übertragung auf das Poolmining und Bewertung Die bisherige Diskussion in der Literatur beschäftigte sich nur mit dem Einzel-Mining. Der Unterschied zum Poolmining besteht nunmehr darin, dass auch auf der Seite der Leistenden eine Vielzahl von Personen auftritt. § 2 Umsatzsteuergesetz (UStG) stellt an den Unternehmer bei Personenmehrheit jedoch erhöhte Anforderungen. „Ein Zusammenschluss natürlicher Personen ist nur dann Unternehmer, wenn dem Leistungsempfänger diese Personenmehrheit als Schuldner der vereinbarten Leistung und Gläubiger des vereinbarten Entgelts gegenübersteht (BFH V R 67/00, UR 2002, 213). Hierfür gibt es eine Reihe von Beweisanzeichen. Der BFH (V 255/58, HFR 1962, 144) hält zum Beispiel den Namen in der Gewerbeanmeldung, auf Briefbögen und anderen Geschäftsformularen sowie die Frage für bedeutsam , wer die Steuererklärungen unterzeichnet und die Steuerzahlungen geleistet hat und auf wessen Namen die Bankkonten eröffnet worden sind und die Lieferantenrechnungen lauten. Auch der Name auf dem Ladenschild, das persönliche Auftreten gegenüber Kunden und Lieferanten , der Abschluss des Mietvertrags über die Geschäftsräume und die Eintragung im Telefonbuch können Hinweise auf den hinter nachhaltigen wirtschaftlichen Betätigungen stehenden Unternehmer geben.“16 Diese Anforderungen werden von Poolminern, die lediglich ihre Rechenleistung zur Verfügung stellen aber nach außen nicht als ein Unternehmen auftreten, nicht erfüllt. Die zivilrechtliche Einordnung des Mining ist weiterhin umstritten und von der Rechtsprechung bislang nicht geklärt worden. Während das BMF ein Leistungsaustauschverhältnis zwischen Miner und Leistungsempfänger verneint, erkennt Dietsch im Mining eine Auslobung und möchte sie analog §§ 657 ff. BGB behandeln: „Der Zahlende gibt mit seiner Bitcoin-Transaktion eine Willenserklärung an das Bitcoin-Netzwerk mit dem Wunsch ab, dass diese verifiziert und damit in der Blockchain aufgenommen wird. Ein Miner kann sich dann dieser Transaktion annehmen und sie ausführen. Wenn der Miner erfolgreich einen neuen Block angehängt hat, erhält er als Belohnung eine vordefinierte Anzahl von Bitcoin. Dieser Vorgang gleicht im Wesentlichen der Auslobung (§ 657 BGB). Sie ist das verbindliche Versprechen einer Belohnung für das Herbeiführen eines Erfolges, hier die Transaktion an die Blockchain anzufügen. Die Auslobungserklärung ist kein Vertragsangebot an einen unbestimmten Personenkreis, sondern ein einseitiges Rechtsgeschäft . Im Unterschied zur Auslobung erhält der Miner allerdings nicht die Belohnung (neugeschaffene Bitcoin) vom Zahlenden, sondern vom Algorithmus selbst. Insofern ist denkbar, die §§ 657 ff. BGB analog anzuwenden. Das Rechtskonstrukt der Auslobung ist ferner europarechtlich anerkannt und begründet ein Schuldverhältnis.17“ Folgt man Dietsch in seiner Argumentation, so stellt das Leistungsverhältnis kein unüberwindbares Hindernis für das Vorliegen eines steuerbaren Umsatzes beim Mining dar. Problematischer 16 Bunjes/Korn, 18. Aufl. 2019, UStG § 2 Rn. 8-12 (beck-online) 17 Schäfer in MüKO, 7. Aufl. 2017, BGB § 657 Rn. 2 zitiert nach Dietsch: aaO., S. 252 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 112/19 Seite 8 dürfte beim Poolmining die Vielzahl der Miner und Leistungsempfänger sein, die eine klar zuordenbare Leistungsbeziehung ausschließen. Es bleibt daher fraglich, ob beim Poolmining - entgegen der Auffassung des BMF zum Einzelmining - steuerbare Umsätze vorliegen sollten, obwohl die problematischen Besteuerungsmerkmale zunehmen, wenn mehrere Steuerpflichtige die Mining -Leistung erbringen. ***