© 2019 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 111/19 Verfassungsrechtliche Aspekte der Integration eines CO2-Zuschlags in die Energiesteuer Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 111/19 Seite 2 Verfassungsrechtliche Aspekte der Integration eines CO2-Zuschlags in die Energiesteuer Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 111/19 Abschluss der Arbeit: 26. September 2019 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 111/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Bemessungsgrundlage einer modifizierten Energiesteuer 4 3. Grenzen eines CO2-Zuschlags im Steuersatz? 5 4. Ergebnis 6 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 111/19 Seite 4 1. Fragestellung Der Auftraggeber erkundigt sich im Anschluss an den Sachstand WD 4 - 106/19 nach den Grenzen einer Integration eines CO2-Zuschlags in die bestehende Energiesteuer. Insbesondere interessiert ihn, wann eine unzulässige Umgehung des verfassungsrechtlichen Verbots der Steuererfindung vorliegen würde. Zur Höhe des Zuschlags soll ebenfalls der unzulässige Besteuerungsbereich identifiziert werden. 2. Bemessungsgrundlage einer modifizierten Energiesteuer Die Vorschläge in der Literatur zur Integration einer CO2-Komponente in die bestehende Energiesteuer betonen, dass hierbei nicht der Steuergegenstand verändert werden soll: „Da keine der im GG (Grundgesetz) vorgesehenen Steuerarten bisher als Steuergegenstand – nämlich für das, was besteuert wird – auf Emissionen bezogen ist, ist eine Besteuerung der CO2-Emission selbst unzulässig. Das BVerfG ist aber offen für eine umweltpolitische Lenkung innerhalb der Steuern. Deshalb ist die Berücksichtigung der Emissionen als Bemessungsgrundlage für Steuern unproblematisch – also im Hinblick darauf, wie besteuert wird. Möglich und zulässig ist es daher, die spezifischen CO2-Emissionen der jeweiligen Energieprodukte im Rahmen der Energiesteuer für die neue Komponente der Steuer als Bemessungsgrundlage zu verwenden – wie bei der Kraftfahrzeugsteuer.“1 „Soll der CO2-Zuschlag am Charakter der Energiesteuer als einer ihrer Art nach zulässigen Verbrauchsteuer teilhaben, so muss er selbst die hierfür maßgeblichen Kriterien erfüllen. Allein die formale Verknüpfung mit der Energiesteuer reicht dazu nicht aus. […] Daraus können im Ergebnis aber keine ernstlichen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Zuschlags abgeleitet werden. Denn die nähere Prüfung ergibt, dass die Kriterien2 für eine zulässige Verbrauchsteuer auch für den Zuschlag erfüllt werden, wenn er zielgerichtet entsprechend konzipiert wird. Auch für den CO2-Zuschlag gilt nämlich, sofern die CO2-Emissionen lediglich als Bemessungsgrundlage für die zusätzliche Komponente der Energiesteuer verwendet werden: Mit dem Zuschlag wird der Verbrauch von Kraft- und Heizstoffen belegt, also an die Einkommensverwendung angeknüpft, nicht an die Einkommenserzielung. Der Zuschlag wird bei den Herstellern (bzw. den in Verkehr bringenden Unternehmen) der besteuerten Energieprodukte erhoben und von diesen auf die Endkonsumenten abgewälzt. Bei den besteuerten Produkten, nämlich den Kraft- und Heizstoffen, handelt es sich um Güter des ständigen Bedarfs. 1 Klinski, Stefan und Keimeyer, Friedhelm: „Zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit eines CO2-Zuschlags zur Energiesteuer“ unter: https://www.oeko.de/fileadmin/oekodoc/CO2-Zuschlag-zur-Energiesteuer.pdf [zuletzt abgerufen am: 24.09.2019] 2 Nach der BVerfG-Entscheidung zur Kernbrennstoffsteuer; BVerfGE 145, 171 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 111/19 Seite 5 Mit dem Zuschlag wird genau wie für den Basissatz der Energiesteuer an einen Akt „des Verbringens des Besteuerungsgutes aus einem steuerlichen Nexus in den allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr“ angeknüpft.“3 „Aus dem Umstand, dass der Zuschlag nicht nur von privaten Konsumenten, sondern auch von Wirtschaftsunternehmen zu zahlen wäre, folgt nichts anderes. Denn auch insoweit bleibt es dabei, dass der Zuschlag wie der Basissatz der Steuer nicht auf ein „reines Produktionsmittel“ erhoben würde, sondern auf Energieprodukte, die überwiegend privat konsumiert werden. Aus alledem folgt, dass ein CO2-Aufschlag auf die Energiesteuer verfassungsrechtlich unbedenklich als zusätzliche Komponente der Energiesteuer eingeführt werden kann. Denn es geht mit ihm um die lenkende Ausgestaltung der Energiesteuer als einer zulässigen Verbrauchsteuer, die in erster Linie den privaten Konsum adressiert und nur in zweiter Linie auch von Unternehmen zu zahlen ist. Durch die Verwendung der CO2-Emissionen als Maßstab für die Höhe der auf die jeweiligen Energieprodukte zu zahlenden Energiesteuer schlägt die Steuer nicht von einer (zulässigen) Verbrauchsteuer auf die Energieprodukte in eine (unzulässige) Steuer „auf die Emission“ um. Nichts anderes gilt für den Zuschlag , wenn man ihn isoliert betrachtet.“4 Auch Büdenbender5 hält einen CO2-Aufschlag auf die bestehende Energiesteuer für finanzverfassungsrechtlich zulässig, wenn die Anforderungen die das BVerfG an eine Verbrauchsteuer aufgestellt hat, erfüllt sind. Im Weiteren trägt er Praktikabilitätserwägungen gegen einen CO2-Zuschlag vor, jedoch keine verfassungsrechtlichen Hinderungsgründe. Zwischenergebnis: Bei der Ergänzung der Energiesteuer um eine CO2-Komponente bliebe der Steuergegenstand der Steuer unverändert bestehen. Die Erweiterung der Energiesteuer um einen CO2-Zuschlag würde nur die Bemessungsgrundlage erweitern. Bei der Erweiterung der Kfz-Steuer um eine CO2-Komponente ist der Gesetzgeber ähnlich verfahren. Diese Erweiterung würde den Charakter der Energiesteuer als verfassungsrechtlich zulässige Verbrauchsteuer nicht gefährden. 3. Grenzen eines CO2-Zuschlags im Steuersatz? Der Steuersatz knüpft an die Bemessungsgrundlage an. „Die Verbrauchsteuer ist eine Steuer auf die Einkommensverwendung.“6 „Die Steuersätze stellen den eigentlichen Hebel fiskalpolitischer Einwirkungsmöglichkeit auf den Steuerertrag dar. Neben dem Ziel diesen absolut zu verändern, 3 Siehe Fn. 1 4 Siehe Fn. 1 5 Büdenbender, Ulrich: „Rechtliche Rahmenbedingungen für eine CO2-Bepreisung in der Bundesrepublik Deutschland, Arbeitspapier 05/2019 des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Juli 2019, S. 34 f.; https://www.sachverstaendigenrat-wirtschaft.de/fileadmin/dateiablage/Arbeitspapiere /Arbeitspapier_05_2019.pdf [zuletzt abgerufen am 25.09.2019] 6 Bongartz/Schröer-Schallenberg: Verbrauchsteuerrecht, C.VIII. Rn. C 79 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 111/19 Seite 6 dient diese Maßnahme gleichzeitig auch der Beeinflussung der Haushaltsstruktur, d.h. des Verhältnisses der einzelnen Steuern zueinander und zum Gesamthaushalt.“7 Verbreitert der Gesetzgeber die Bemessungsgrundlage der Steuer, so entspricht es dem Prinzip der Folgerichtigkeit, wenn auch der Steuersatz ansteigt. Steuerhöchstsätze hat das BVerfG bislang nicht definiert. Vielmehr ist die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung zur Steuerbemessung von dem Zugestehen einer weiten Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers geprägt. Hierzu führt Ferdinand Kirchhof in Bezug auf die verfassungsrechtlichen Vorgaben für Verbrauchsteuern aus: „Die intensiv eingreifende Entscheidung des Gesetzgebers über die Belastung eines Steuerobjekts und über den Steuertarif wird verhalten geprüft, die darauf folgende Detaillierung des Steuergesetzes streng kontrolliert. Grund für diese inverse Anwendung des Gleichheitssatzes im Steuerrecht ist, dass der Gleichheitssatz in einer Demokratie nicht jede fiskalische Grundentscheidung konstitutionell vorausbestimmen darf, sondern sie dem demokratisch legitimierten Ermessen des Gesetzgebers überlassen muss. Ob neben der Hundesteuer auch eine Katzensteuer erhoben werden muss, ob es richtig ist, neben dem Bier auch den Wein fiskalisch zu belasten oder ob man außer dem gewerblichen Passagierverkehr auch die Luftfracht mit Steuern belegen muss, ist nicht vom Gleichheitssatz vorgezeichnet und nur begrenzt vom Verfassungsgericht zu kontrollieren . Hier hat der Gesetzgeber die Prärogative über Steuerwürdigkeitsentscheidungen, die von politischen Erwägungen bestimmt werden dürfen. Das Parlament soll sie nach staatlichen und wirtschaftlichen Erfordernissen treffen. Das Gleichheitsgrundrecht darf den parlamentarischen Willensbildungsprozess nicht abschließend präformieren.“8 „Als finanzverfassungsrechtlich problematisch gelten Steuern mit Lenkungszwecken erst dann, wenn sie eine „erdrosselnde Wirkung“ haben. Von der Steuergesetzgebungskompetenz sind die Belastungen nach der Rechtsprechung des BVerfG nicht mehr gedeckt, wenn das Steuergesetz dem Zweck der Einnahmeerzielung, zuwiderliefe, indem es „ersichtlich darauf ausginge, die Erfüllung des Steuertatbestands praktisch unmöglich zu machen, also in diesem Sinne eine ‚erdrosselnde ‘ Wirkung auszuüben“. Erst dadurch würde die Grenze überschritten, jenseits derer „die Finanzfunktion der Abgabenerhebung in eine reine Verwaltungsfunktion mit Verbotscharakter umschlägt“, wofür die Besteuerungskompetenz keine ausreichende Grundlage bietet. Dabei kommt es nicht darauf an, ob es einzelne Fälle gibt, in denen sich Verpflichtete wegen der Besteuerung tatsächlich zur Aufgabe der mit der Steuer belegten Tätigkeit entscheiden.“9 Die bislang diskutierten CO2-Zuschläge sind nicht von einer derartig „erdrosselnden Wirkung“. 4. Ergebnis Die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung räumt dem Gesetzgeber für die Festlegung des Steuerobjekts und des Steuertarifs einen weiten Einschätzungsspielraum ein. Dieser rechtfertigt auch die Erweiterung der Bemessungsgrundlage der Energiesteuer um eine CO2-Komponente. Aus der 7 Ebenda, Rn. C 78 8 Kirchhof, Ferdinand: „Verbrauchsteuern im Lichte des Verfassungsrechts“ in BetriebsBerater 2015, 278 – 282 (281) 9 Klinski, Stefan und Keimeyer, Friedhelm: „Zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit eines CO2-Zuschlags zur Energiesteuer“, siehe Fn. 1, S. 15 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 111/19 Seite 7 weiten Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers bezüglich des Steuersatzes kann keine verfassungsrechtliche Vorgabe für einen Steuerhöchstsatz der CO2-Komponente abgeleitet werden. ***