Deutscher Bundestag Finanzielle Hilfen für Griechenland Sachstand Wissenschaftliche Dienste WD 4 – 3000 - 111/10 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 – 3000 - 111/10 Seite 2 Finanzielle Hilfen für Griechenland Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 4 – 3000 - 111/10 Abschluss der Arbeit: 29. April 2010 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 – 3000 - 111/10 Seite 3 1. Verstößt eine Kreditgewährung an Griechenland über die KfW durch ein Bundesgesetz gegen die Verfassung? Nach einem Gutachten des Centrums für Europäische Politik1 verstößt der Bail-out-Beschluss vom 11. und 16. April 2010 gegen europäisches Recht. "Art. 125 AEUV verbietet ausdrücklich, dass Deutschland oder ein anderer Mitgliedstaat für die Verbindlichkeiten Griechenlands 'haftet' oder für derartige Verbindlichkeiten 'eintritt'. … Deutschland - egal, ob unmittelbar oder über die KfW - darf Kredite an Griechenland nur zu marktüblichen Konditionen ausgeben (Art. 124 AEUV). Kredite zu einem politisch festgelegten Zinssatz, der unter den Marktkonditionen liegt, sind eine rechtswidrige Subvention. …" Der Bail-out-Beschluss sei auch mit dem deutschen Recht nicht kompatibel. "Ein Bail-out-Kredit Deutschlands oder eines anderen Mitgliedstaates an Griechenland kommt eine Vertragsänderung gleich. Ohne ein Zustimmungsgesetz gemäß Art. 23 Abs. 1 S. 2 i. V. m. Art. 59 Abs. 2 GG verstößt er gegen das Grundgesetz. … Bail-out-Darlehen können nicht damit begründet werden, dass andernfalls das System der Währungsunion bedroht sei. Wenn es zu einem Fehlschlag der Stabilitätsbemühungen kommt, der finanzpolitische Zugeständnisse der Mitgliedstaaten zur Folge hat, erlaubt das BVerfG im Maastricht-Urteil keine Umgehung des Bail-out-Verbots, sondern nennt als ultima ratio das Ausscheiden der Bundesrepublik Deutschland aus der Währungsunion." 2. Würde der Staatsbankrott Griechenlands die Stabilität der Eurozone gefährden? Für die Auswirkungen eines Staatsbankrottes Griechenlands auf die wirtschaftliche Stabilität der Eurozone werden in Literatur und Presse verschiedene extreme Szenarien durchgespielt: Entweder kommt es nur zu unerheblichen Auswirkungen oder es folgt eine europa- oder sogar weltweite wirtschaftliche Krise. Diejenigen, die von nur unerheblichen Auswirkungen ausgehen, argumentieren mit der geringen ökonomischen Bedeutung Griechenlands und dem damit verbundenen geringen Einfluss in der Europäischen Währungsunion. Deshalb werde sich die Krise in Griechenland allein nicht wesentlich auf den Eurokurs niederschlagen.2 Der Euro würde als Reservewährung bestehen bleiben , an den Rahmenbedingungen für die Realwirtschaft würde sich nichts ändern. Der Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) bezeichnet Griechenland ebenfalls als "wirtschaftlich zu klein, um eine neue Schockwelle im Bankensektor loszutreten."3 Damit blieben Bankenpleiten 1 Zu dem Gutachten und zu den im Folgenden verwendeten Zitaten vgl. Jeck, Thiemo; Van Roosebeke, Bert: Rechtsbruch durch Bail-out-Darlehen, Analyse des Centrums für Europäische Politik vom 19. April 2010, unter: http://www.cep.eu/analysen-zur-eu-politik/weitere-themen/bail-out-fuer-griechenland/, abgerufen am 28. April 2010. 2 Außerdem wird eine geringe Abwertung des Euro angesichts des derzeit hohen Eurokurses auch nicht unbedingt negativ gesehen, vgl. Harte Auflagen für Europas Wackelkandidaten, Hamburger Abendblatt, 15.12.2009. 3 Hüther, Michael im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur: Ökonom: Umschuldung für Griechen kaum zu vermeiden, Tickermeldung vom 28. April 2010, 13:46 Uhr. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 – 3000 - 111/10 Seite 4 aus und die Kreditversorgung der Wirtschaft für Investitionen bliebe gesichert. Nach Ansicht der Stiftung Wissenschaft und Politik wären die Finanzmärkte bei einem Staatsbankrott Griechenlands nur vorübergehend irritiert. Über kurz oder lang stiege der Außenwert des Euro sogar, weil die Märkte realisierten, dass Defizite nicht mit der Notenpresse bekämpft würden.4 Andere Ökonomen hingegen weisen darauf hin, dass ein Staatsbankrott Griechenlands den Euro vermutlich dauerhaft schwächen dürfte5. Bei einem Staatsbankrott würde der Kurs griechischer Staatsanleihen ins Bodenlose sinken, die Anleger müssten Milliarden abschreiben.6 Für das Land würde es fast unmöglich, neue Schulden aufzunehmen, weil der Ruf am Kapitalmarkt zunächst einmal ruiniert sei.7 Die Skeptiker der Folgen eines Staatsbankrotts Griechenlands sehen insbesondere eine Gefahr von Kettenreaktionen oder eines "Flächenbrandes". In anderen hochverschuldeten Ländern wie Spanien, Portugal Italien oder Irland würden die Anleihezinsen steigen und die Risse in der Währungsunion vertiefen.8 Es könnte sogar soweit kommen, dass Banken, Versicherungen und andere professionelle Investoren nach dem Verlust in Griechenland keinen Grund mehr sähen, Staatsanleihen von diesen Ländern zu kaufen.9 Sie könnten ihr Geld aus diesen Ländern sogar abziehen. Als Folge drohe den Ländern ebenfalls die Zahlungsunfähigkeit. Ein Staatsbankrott eines wirtschaftlich wichtigen Landes wie Italien oder Spanien oder aber Bankrotte mehrere Staaten erschütterten das Vertrauen in den Euro als Zahlungsmittel und als Reservewährung , sodass eine dauerhafte und unkontrollierte Abwertung zu befürchten sei. Deutschland wäre unmittelbar wirtschaftlich betroffen, weil es 70 Prozent seiner Exporte im Euro-Raum abwickelt . Sollten Zweifel an der Zahlungsunfähigkeit von Portugal, Spanien oder Italien aufkommen befürchtet der Internationale Währungsfonds nicht nur eine europäische, sondern sogar eine globale Krise.10 4 Vgl. Dieter, Heribert: Die internationale Finanzmärkte stellen die Eurozone auf die Probe, SWP-Aktuell 19, Februar 2010, unter: http://www.swp-berlin.org/common/get_document.php?asset_id=6849, abgerufen am 27. April 2010. 5 Vgl. Meyer, Dirk, Drohende Zahlungsunfähigkeit eines Eurolands: Was sollte die EU tun, ifo Schnelldienst 7/2009, S. 4.ifo 6 Hoffmann, Catherine: … und dann zerbricht der Euro, in Süddeutsche Zeitung vom 25. April 2010, unter: http://www.sueddeutsche.de/finanzen/302/509433/text/, abgerufen am 28. April 2010. 7 Schömann-Finck, Clemens: Was passiert, wenn Staaten pleite gehen, in Focus Online vom 22. April 2010, unter : http://www.focus.de/finanzen/news/euro/tid-18001/schulden-was-passiert-wenn-staatenpleitegehen _aid_501133.html, abgerufen am 28. April 2010. 8 Piper, Nikolaus: Euro im Feuer, in Süddeutsche Zeitung vom 25. April 2010, unter: http://www.sueddeutsche.de/finanzen/256/509389/text/, abgerufen am 28. April 2010. 9 Vgl. o. V.: Wer umschuldet, verliert, in Financial Times Deutschland vom 26. April 2010, unter: http://www.ftd.de/politik/europa/:griechenland-wer-umschuldet-verliert/50106274.html?mode=print, abgerufen am 28. April 2010. 10 Piper, Nikolaus: Euro im Feuer, in Süddeutsche Zeitung vom 25. April 2010, unter: http://www.sueddeutsche.de/finanzen/256/509389/text/, abgerufen am 28. April 2010. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 – 3000 - 111/10 Seite 5 Die Skeptiker rechnen auch mit erheblichen Verwerfungen auf den Finanzmärkten, da die europäischen Banken eng miteinander verbunden sind11. Allein die deutschen Banken haben derzeit rd. 2114 Mrd. Euro in Europa verliehen, davon 38 Mrd. in Griechenland, 191 Mrd. in Spanien, 202 Mrd. in Italien und 183 Mrd. in Irland. Das Abschreiben der Verluste nach einem Staatsbankrott Griechenlands könnte zur Folge haben, dass die Banken mit der Vergabe neuer Kredite vorsichtiger sein müssen. Darunter könnte auch die Wirtschaft leiden, weil Investitionen und Konsum ausfielen oder verzögert würden.12 Kämen nach dem Fall von Griechenland auch andere Länder in Zahlungsschwierigkeiten, sei auch Deutschland nicht mehr sicher. Bei den drohenden hohen Verlusten von Deutscher Bank, Commerzbank oder Allianz müsste die Bundesregierung mit Steuergeldern einspringen und die Institute vor dem Zusammenbruch retten.13 Andernfalls wäre die Kreditversorgung der Wirtschaft nicht mehr gewährleistet, Investitionen und Konsum kämen zum Erliegen. Die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute haben in ihrer Gemeinschaftsdiagnose im Frühjahr 2008 die Kanäle dargelegt, über die sich eine Finanzkrise auf die Realwirtschaft auswirkt.14 Durch den Verfall von Vermögenswerten, z. B. von Bankaktien oder Immobilien, sinke das Vermögen der privaten Haushalte. Als Folge konsumierten diese weniger. Sinkendes Vermögen und damit sinkende Sicherheiten ließen die Finanzierungskosten für Kredite steigen. Auch damit stehe weniger Geld für den Konsum, aber auch für Investitionen zur Verfügung. Kreditausfälle der Banken zwängen diese zu hohen Abschreibungen und verringerten deren Eigenkapital. Die Banken seien aber verpflichtet, bestimmte Eigenkapitalquoten zu erfüllen. Weil sie in Krisenzeit nur schwer an der Börse Kapital aufnehmen könnten, reduzierten sie zur Anpassung ihrer Bilanzen ihre Ausleihungen. Dies gehe wiederum zu Lasten von Konsum und Investition. Wenn die Banken aufgrund ihrer Liquiditätsprobleme säumigen Schuldner Zahlungsaufschub verwehrten oder Kredite mit schärferen Konditionen nachverhandelten, könnten Projekte ins Stocken geraten , ganz abgesagt werden oder Projekte mit längerer Laufzeit in weniger produktive Projekte mit kürzerer Laufzeit umgewandelt werden. In allen Fällen entstünde ein wirtschaftlicher Schaden. 11 Vgl. Der Euro franst aus, ZEIT-ONLINE, 17. Dezember 2009. 12 Schömann-Finck, Clemens: Was passiert, wenn Staaten pleite gehen, in Focus Online vom 22. April 2010, unter : http://www.focus.de/finanzen/news/euro/tid-18001/schulden-was-passiert-wenn-staatenpleitegehen _aid_501133.html, abgerufen am 28. April 2010. 13 Vgl. Brost, Marc; Schieritz, Mark: Abgebrannt am Mittelmeer, in ZEIT-ONLINE vom 18. Januar 2010, unter: http://www.zeit.de/2010/03/Staatspleite, abgerufen am 28. April 2010. 14 Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose: Folgen der US-Immobilienkrise belasten Konjunktur, Gemeinschaftsdiagnose Frühjahr 2008, unter: http://www.ifwkiel .de/wirtschaftspolitik/konjunkturprognosen/konjunkt/2008/gd08-01.pdf, abgerufen am 28. April 2010, S. 10f.