© 2019 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 – 107/19 Parlamentarische Beteiligungsrechte im Rahmen der Haushaltsausführung Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 – 107/19 Seite 2 Parlamentarische Beteiligungsrechte im Rahmen der Haushaltsausführung Aktenzeichen: WD 4 - 3000 – 107/19 Abschluss der Arbeit: 28. August 2019 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 – 107/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Parlamentarische Beteiligungsrechte 4 2.1. Einwilligungsvorbehalt durch qualifizierte Sperre 4 2.2. Unterrichtungspflicht bei Inanspruchnahme über- und außerplanmäßiger Verpflichtungsermächtigungen 4 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 – 107/19 Seite 4 1. Fragestellung Die Fragestellung zielt darauf ab, ob und in welchem Umfang parlamentarische Beteiligungsrechte bei der Inanspruchnahme von Verpflichtungsermächtigungen durch die Exekutive bestehen . 2. Parlamentarische Beteiligungsrechte Nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes ist die Ausführung des Haushaltsplans grundsätzlich Sache der Exekutive (Gewaltenteilungsprinzip). Hierunter fällt auch die Inanspruchnahme von im Haushaltsplan ausgebrachten Verpflichtungsermächtigungen zur Begründung von Vertragsverpflichtungen des Bundes. Das Haushaltsrecht und die jährlichen Haushaltsgesetze sehen allerdings beim Vorliegen bestimmter Voraussetzungen Einwilligungsvorbehalte des Haushaltsausschusses bzw. des Haushaltsgesetzgebers vor. 2.1. Einwilligungsvorbehalt durch qualifizierte Sperre Nach § 22 Satz 3 Bundeshaushaltsordnung (BHO)1 kann durch Sperrvermerk bestimmt werden, dass die Inanspruchnahme von Verpflichtungsermächtigungen der Einwilligung des Bundestages bedarf. Bei den Sperrvermerken handelt es sich um Ausnahmebestimmungen, von denen nur aus besonderen Gründen Gebrauch gemacht wird.2 Sperrvermerke sind im Haushaltsplan bei der Zweckbestimmung des betreffenden Titels der Ausgabe- bzw. Verpflichtungsermächtigung auszubringen . In der Haushaltspraxis überlässt der Bundestag die Entscheidung über Entsperrungen dem Haushaltsausschuss.3 2.2. Unterrichtungspflicht bei Inanspruchnahme über- und außerplanmäßiger Verpflichtungsermächtigungen Nach § 38 Abs. 1 BHO i.V.m. Art. 112 GG bedürfen überplanmäßige und außerplanmäßige Verpflichtungsermächtigungen der Zustimmung des Bundesministers der Finanzen (BMF). Sie darf nur im Falle eines unvorhergesehenen und unabweisbaren Bedürfnisses erteilt werden. Abweichend vom Budgetrecht des Haushaltsgesetzgebers räumen vorstehende Vorschriften dem BMF als Haushaltsminister eine subsidiäre Notbewilligungskompetenz ein, unter bestimmten Voraussetzungen anstelle des Haushaltsgesetzgebers Ermächtigungen zum Eingehen von Verpflichtungen zu erteilen, die im Haushaltsplan nicht oder nicht in der notwendigen Höhe vorgesehen sind.4 1 Vom 19.08.1969, BGBl. I S. 1284, zuletzt geändert durch Art. 11 des Gesetzes vom 14.08.2017, BGBl. I S. 3122. 2 Einzelheiten dazu vgl. Mießen, in: Pieduch, Bundeshaushaltsrecht, 38. Erg.-Lfg. Oktober 2001, § 22 BHO Rn 1f. 3 Etwa durch folgende Fassung des Sperrvermerks: „Die Inanspruchnahme der Verpflichtungsermächtigung bedarf der Einwilligung des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages.“ 4 Vgl. Kube, in: Maunz/Dürig, Kommentar zum Grundgesetzes Lfg. 51, Dezember 2007, Art. 112 Rn 1. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 – 107/19 Seite 5 Eine benötigte Verpflichtungsermächtigung ist außerplanmäßig, wenn für den vorgesehenen Zweck im Haushaltsplan eine Verpflichtungsermächtigung fehlt. Eine überplanmäßige Verpflichtungsermächtigung liegt dagegen vor, wenn eine im Haushaltsplan für den vorgesehenen Zweck erteilte Verpflichtungsermächtigung hinsichtlich ihres Gesamtbetrages überschritten wird. Eine Verpflichtungsermächtigung wird für die jeweilige Zweckbestimmung in der Höhe benötigt, bis zu welcher der Bund im laufenden Haushaltsjahr zur Leistung von Ausgaben in Folgejahren insgesamt verpflichtet werden soll. Dabei wird die Höchstgrenze, bis zu der ein Eingehen von Verpflichtungen zulässig ist, durch den Geldansatz (gleich Gesamtbetrag) der Verpflichtungsermächtigung begrenzt. Maßgebend für die Prüfung, ob der Geldansatz der benötigten Verpflichtungsermächtigung ausreicht, ist der Umfang des Gesamtbetrages, auf den der Bund aus der einzugehenden Verpflichtung voraussichtlich in Anspruch genommen werden kann. Die Höhe der Verpflichtungsermächtigung bemisst sich nach dem bei Vertragsschluss vereinbarten Entgelt. Preiserhöhungen während der Vertragsdauer aufgrund entsprechender Vertragsklauseln sind grundsätzlich nicht zu berücksichtigen, es sei denn, die Entgeltanpassung ist bei Vertragsschluss der Höhe nach eindeutig bestimmt oder bestimmbar.5 Das BMF darf sein Notermächtigungsrecht nur als Ausnahme ausüben, d. h. nur im Falle eines unvorhergesehenen und unabweisbaren Bedürfnisses. Die Unabweisbarkeit einer über- oder außerplanmäßigen Verpflichtungsermächtigung erfordert neben dem Vorliegen der sachlichen Dringlichkeit auch, dass aus zeitlichen Gründen das Eingehen der Verpflichtung keinen Aufschub duldet. Voraussetzung hierfür ist, dass die beantragte Verpflichtungsermächtigung nicht bis zum nächsten regulären Haushaltsgesetz zurückgestellt oder für sie ein Nachtragshaushalt rechtzeitig herbeigeführt werden kann.6 Von einer Beurteilung der Frage, ob die Herbeiführung eines Nachtragshaushalts zeitlich möglich oder anderenfalls eine über- oder außerplanmäßige Bewilligung nötig ist, kann das BMF gemäß § 38 Abs. 1 Satz 3 BHO absehen, wenn bestimmte in den jährlichen Haushaltsgesetzen7 festgelegte Beträge nicht überschritten werden oder wenn Rechtsverpflichtungen zu erfüllen sind. Wird die Betragsgrenze der Verpflichtungsermächtigung in Höhe von 10 Millionen Euro nach § 4 Abs. 2 Haushaltsgesetz überschritten, muss der Haushaltsausschuss des Bundestages vor der Bewilligung durch das BMF unterrichtet werden, soweit nicht aus zwingenden Gründen eine Ausnahme geboten ist. *** 5 Vgl. Aprill, in: Heuer/Scheller, Kommentar zum Haushaltsrecht, Dezember 2008, § 16 BHO Rn 4; Mießen, in: Pieduch, Bundeshaushaltsrecht, 38. Erg.-Lfg. Oktober 2001, § 16 BHO Nr. 11.4. 6 BVerfGE 45, 1, 37; Heun, in: Dreier (Hrsg.), Kommentar zum GG, Band III, 2. Auflage 2008, Art. 112, Rn 13. 7 Vgl. z. B. § 4 Haushaltsgesetz 2018 vom 12.07.2018, BGBl. I S. 1126.