© 2020 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 106/20 Qualifizierung von Aktienoptionen im Einkommensteuerrecht Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 106/20 Seite 2 Qualifizierung von Aktienoptionen im Einkommensteuerrecht Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 106/20 Abschluss der Arbeit: 17. September 2020 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 106/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Inhalt des Optionsgeschäft 4 2. Steuerrechtliche Qualifizierung eines Optionsrechts 4 3. Einkommensteuerliche Folgen 5 3.1. Optionsrechte in der betrieblichen Sphäre 5 3.2. Optionsrechte in der steuerlichen Privatsphäre 5 3.2.1. Einschränkung des Verlustausgleichs 6 3.2.2. Abgeltungsteuer 7 3.3. Optionsrechte im Zusammenhang mit nichtselbständiger Tätigkeit 7 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 106/20 Seite 4 1. Inhalt des Optionsgeschäft Beim Optionsgeschäft erwirbt der Käufer der Option (Optionsnehmer) vom Verkäufer der Option (Optionsgeber oder sogenannter Stillhalter) gegen Bezahlung einer Optionsprämie das Recht, eine bestimmte Anzahl Basiswerte (zum Beispiel Aktien) am Ende der Laufzeit zum vereinbarten Basispreis entweder vom Verkäufer der Option zu kaufen (Kaufoption oder „call”) oder an ihn zu verkaufen (Verkaufsoption oder „put”). Es kann auch ein Barausgleich („cash-settlement“) vereinbart werden.1 Dann besteht die Verpflichtung des Optionsgebers bei Ausübung der Option durch den Optionsnehmers in der Zahlung der Differenz zwischen vereinbartem Basispreis und Tageskurs des Basiswerts.2 2. Steuerrechtliche Qualifizierung eines Optionsrechts Nach Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist ein Optionsrecht ein eigenständiges Wirtschaftsgut .3 Der Begriff „Wirtschaftsgut“ ist ein rein steuerrechtlicher. Nach § 39 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) ist ein Wirtschaftsgut dem Eigentümer zuzurechnen. Damit wird der Eigentümer mit den Rechtsfolgen belastet, die das materielle Steuerrecht an die Zurechnung des Wirtschaftsgutes knüpft. Speziellere Zurechnungsregeln gehen dieser grundsätzlichen Regelung allerdings vor. So kommt es zum Beispiel bei der Vollstreckung nach § 262 AO auf die zivilrechtliche Rechtslage an. Der Begriff des Wirtschaftsguts wird für die AO aus dem Einkommensteuergesetz (EStG) und aus dem Bewertungsgesetz (BewG) übernommen, die jedoch auch keine klassische Definition enthalten . Für das EStG hat der BFH die Merkmale von Wirtschaftsgütern in seinen Urteilen herausgearbeitet . Danach sind Wirtschaftsgüter Sachen und Rechte im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) sowie tatsächliche Zustände und konkrete Möglichkeiten, das heißt sämtliche vermögenswerten Vorteile, deren Erlangung sich der Steuerpflichtige etwas kosten lässt, die einer selbständigen Bewertung zugänglich und längerfristig nutzbar sind.4 1 Bei einigen Optionen, zum Beispiel auf Indizes, muss ein Barausgleich erfolgen. 2 Bundesministerium der Finanzen: Schreiben betr. Einzelfragen zur Abgeltungsteuer; Neuveröffentlichung des BMF-Schreibens vom 18. Januar 2016 in der Fassung vom 16. September 2019, Randziffer 11, BMF 18.1.2016 IV C 1 – S 2252/08/10004 :017, abrufbar bei beck-online unter BeckVerw 323200. 3 Vgl. zum Beispiel BFH Urteil vom 22. Mai 2019, Aktenzeichen XI R 44/17, Randziffern 24, 29. 4 Vgl. zum Beispiel BFH Urteil vom 29. Oktober 2019, Aktenzeichen IX R 10/18, Randziffer 19. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 106/20 Seite 5 In der Frage, ob der Begriff des Wirtschaftsguts mit dem handelsrechtlichen Parallelbegriff des Vermögensgegenstands identisch ist, sei die Rechtsprechung des BFH uneinheitlich. Im Schrifttum werde die Identität aber zumeist angenommen.5 3. Einkommensteuerliche Folgen 3.1. Optionsrechte in der betrieblichen Sphäre Bei bilanzierenden Steuerpflichtigen und betrieblich veranlasstem Erwerb eines Optionsrechts ist dieses in der Bilanz als immaterieller Vermögensgegenstand zu aktivieren und damit auch steuerrechtlich ein Wirtschaftsgut im Sinne von § 4 Abs. 1 EStG.6 Solange das Optionsrecht in der Bilanz steht, kann eine Teilwertabschreibung im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG in Betracht kommen, wenn der Börsenwert der Option beziehungsweise bei nicht börsengehandelten Optionen der innere Wert gesunken ist. Wird das Optionsrecht ausgeübt, sind jedoch die historischen Anschaffungskosten maßgeblich und nicht der aktuelle, teilwertberichtigte Buchwert der Option. Dieser geht bei Ausübung der Option unter. Wird das Optionsrecht endgültig nicht genutzt, ist es erfolgswirksam auszubuchen.7 3.2. Optionsrechte in der steuerlichen Privatsphäre Optionsgeschäfte in der steuerlichen Privatsphäre gehören zu den Termingeschäften, deren Einkünfte unter § 20 EStG fallen. Im Folgenden sollen die einkommensteuerlichen Folgen einer Kaufoption in den Grundzügen dargestellt werden.8 – Kauf einer Kaufoption Die gezahlten Optionsprämien sind Anschaffungskosten des Käufers für das Wirtschaftsgut „Optionsrecht ”. Beim Erwerb der Option anfallende Bankspesen, Provisionen und andere Transaktionskosten sind Teil der Anschaffungskosten. 5 So zumindest Krumm, Marcel: EStG § 5 Gewinn bei Kaufleuten und bei bestimmten Gewerbetreibenden, Randziffer 303 in: Blümich, EStG, KStG, GewStG, beck-online-Kommentar, Werkstand 152. Ergänzungslieferung, Mai 2020. 6 Nolte, Anna M.: Optionsrechte, in: Haufe Steuer Office Kanzlei – Edition Online, ABC der Immateriellen Wirtschaftsgüter , Stand 19. Juli 2019. 7 BFH Urteil vom 22. Mai 2019, Aktenzeichen XI R 44/17, Randziffern 13, 24 und 29. 8 Zum Folgenden und zu weiteren Fallkonstellationen vgl. Bundesministerium der Finanzen: Schreiben betr. Einzelfragen zur Abgeltungsteuer; Neuveröffentlichung des BMF-Schreibens vom 18. Januar 2016 in der Fassung vom 16. September 2019, Randziffer 21ff., BMF 18.1.2016 IV C 1 – S 2252/08/10004 :017, abrufbar bei beckonline unter BeckVerw 323200. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 106/20 Seite 6 – Ausübung einer Kaufoption Übt der Inhaber die Kaufoption aus und wird der Basiswert (zum Beispiel die Aktien) geliefert, erzielt der Optionsnehmer einen Vorteil in Höhe des Unterschieds zwischen dem Marktwert und dem fest vereinbarten Wert des Basiswerts abzüglich der Aufwendungen, die in unmittelbaren sachlichem Zusammenhang mit dem Termingeschäft stehen. Erhält der Inhaber an Stelle des Basiswerts einen Barausgleich, liegen Kapitaleinkünfte im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG vor. Die Anschaffungs- und Anschaffungsnebenkosten des Optionsrechts sind bei der Ermittlung des Gewinns gemäß § 20 Abs. 4 Satz 5 EStG zu berücksichtigen . – Veräußerung einer Kaufoption Veräußert der Inhaber die Kaufoption, erzielt er Kapitaleinkünfte im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b EStG. – Glattstellung9 einer Kaufoption Gewinne aus der Veräußerung mit closing-Vermerk führen zu Kapitaleinkünften im Sinne des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b EStG. Gewinn oder Verlust gemäß § 20 Abs. 4 Satz 1 EStG ist in diesem Fall der Unterschiedsbetrag zwischen den Anschaffungs- und Anschaffungsnebenkosten und der aus dem glattstellenden Abschluss erzielten Optionsprämie. – Verfall einer Kaufoption Lässt der Inhaber der Kaufoption diese am Ende der Laufzeit verfallen, sind die für den Erwerb der Option entstandenen Aufwendungen bei der Ermittlung des Gewinns (oder Verlusts) im Sinne von § 20 Abs. 4 Satz 5 EStG zu berücksichtigen.10 3.2.1. Einschränkung des Verlustausgleichs Ab dem Veranlagungszeitraum 2021 dürfen gemäß § 20 Abs. 6 Satz 5 EStG Verluste bei Termingeschäften oder bei der Veräußerung von Termingeschäften nur in Höhe von 10.000 Euro mit Ge- 9 In diesem Fall verkauft der beispielsweise der Inhaber einer Kaufoption eine Option derselben Serie, aus der er zuvor gekauft hat. Kennzeichnet er das Geschäft als Glattstellungs- oder closing-Geschäft, bringt er damit Rechte und Pflichten aus beiden Geschäften zum Erlöschen. 10 "Unter Berücksichtigung dieser vom Gesetz vorgegebenen Prämissen ist § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG teleologisch dahin zu interpretieren, dass einen "Vorteil" aus einem Termingeschäft (Option) derjenige "erlangt", der mit dem Erwerb der Option das (bedingte) Recht auf einen Barausgleich erwirbt, egal ob er den Barausgleich im Fall einer für ihn günstigen Wertentwicklung durchführt oder ob er im Fall einer für ihn ungünstigen Wertentwicklung das Recht verfallen lässt." BFH Urteil vom 12. Januar 2016, Aktenzeichen IX R 48/14, Randziffer 18. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 106/20 Seite 7 winnen aus Termingeschäften oder bei der Veräußerung von Termingeschäften ausgeglichen werden . Ein Verlustvortrag ist zwar möglich, aber je Folgejahr auf die Höhe von 10.000 Euro und auf die genannten Arten von Kapitaleinkünften beschränkt.11 3.2.2. Abgeltungsteuer Private Kapitalerträge unterliegen nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 EStG der Abgeltungsteuer in Höhe von 25 Prozent zuzüglich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer. 3.3. Optionsrechte im Zusammenhang mit nichtselbständiger Tätigkeit Räumt ein Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis handelbare oder nicht handelbare Optionsrechte12 ein, fließt der zu versteuernde Arbeitslohn in Form eines geldwerten Vorteils erst bei verbilligtem Aktienbezug nach Optionsausübung zu. Weder der Zeitpunkt der Einräumung noch der Zeitpunkt der erstmaligen Ausübbarkeit sind entscheidend.13 * * * 11 Zur Verfassungsmäßigkeit dieser Einschränkung vgl. den Sachstand WD 4-066/20. 12 Vgl. dazu die Urteile des BFH vom 20. Juni 2001 (Aktenzeichen VI R 105/99) und vom 20. November 2008 (Aktenzeichen VI R 25/05). 13 Zur vertieften Behandlung von Aktienoptionen im Zusammenhang mit nichtselbständiger Tätigkeit siehe Sachstand WD 6-016/20.