© 2020 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 105/20 Optionsrecht der Länder bei Einführung der Grundsteuer C Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Einleitung Hintergrund des folgenden Sachstandes ist die Grundsteuerreform aus dem Jahr 2019 und die Möglichkeiten der abweichenden Umsetzung in den Ländern. Nach einer kurzen Einführung in die Reform und Darstellung der Grundsteuer C soll die Reichweite der Länderöffnungsklausel aus Art. 72 Abs. 3 Nr. 7 GG dargestellt werden. Es soll die Frage untersucht werden, ob die Länder verpflichtet sind, die bundesrechtlich geregelte Grundsteuer C einzuführen oder, ob sie davon abweichen können. 2. Grundsteuerreform Eine Grundsteuerreform wurde bereits seit Jahrzehnten diskutiert. Schließlich erklärte das BVerfG am 10.4.2018 die Grundsteuer für verfassungswidrig,1 sodass der Gesetzgeber zur Neuregelung der Grundsteuer tätig geworden ist. Im Rahmen der Grundsteuerreform im Jahr 2019 wurde ein umfangreiches Gesetzespaktet verabschiedet. Das Grundgesetz wurde in Art. 72, 105 und 125b GG geändert.2 In Art. 72 Abs. 3 Nr. 7 GG wurde eine sog. Länderöffnungsklausel für die Grundsteuer aufgenommen. Darüber hinaus wurden die Gesetze zur Reform des Grundsteuer- und Bewertungsrechts (Grundsteuer -Reformgesetz – GrStRefG) sowie das Gesetz zur Änderung des GrStG zur Mobilisierung von baureifen Grundstücken für die Bebauung erlassen.3 3. Grundsteuer C gem. § 25 Abs. 5 GrStG in der Fassung ab 01.01.2025 Mit dem Gesetz zur Änderung des GrStG zur Mobilisierung von baureifen Grundstücken wurde mit Wirkung ab dem 01.01.2025 die sog. Grundsteuer C in § 25 Abs. 5 GrStG eingeführt. Besteuerungsgenstand dieser besonderen Form der Grundsteuer sind gem. § 25 Abs. 5 GrStG in der Fassung ab 01.01.2025 baureife Grundstücke, die nach Lage, Form und Größe und ihrem sonstigen tatsächlichen Zustand sowie nach öffentlich-rechtlichen Vorschriften sofort bebaut werden könnten. Für diese baureifen Grundstücke kann aus städtebaulichen Gründen ein gesonderter Hebesatz festgesetzt werden. Vorbild dieser Steuer ist die sog. Baulandsteuer, welche bereits Anfang der 1960er Jahre eingeführt , jedoch nach 2 jähriger Gültigkeit wieder abgeschafft wurde.4 1 BVerfG v. 10.4.2018 – 1 BvL 11/14, 1 BvL 12/14, 1 BvL 1/15, 1 BvR 639/11, 1 BvR 889/12, DStR 2018, 791. 2 BGBl. I 2019, 1546 3 BGBl. I 2019, 1794; BGBl. I 2019, 1875 4 Bundesbaugesetz v. 23.6.1960, BGBl. I 1960, 341; Gesetz zur Änderung grundsteuerlicher Vorschriften v. 10.6.1964, BGBl. I 1964, 347 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 105/20 Seite 5 Zweck dieser Steuer ist es, es den Gemeinden zu ermöglichen, die Baulandmobilisierung durch steuerliche Maßnahmen zu verbessern. Die Grundsteuer C soll Spekulationen verteuern und finanzielle Anreize setzen, auf baureifen Grundstücken tatsächlich Wohnraum zu schaffen.5 4. Länderöffnungsklausel gem. Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 GG Art. 72 GG spielt bei der Feststellung, wer im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung zuständig ist, eine entscheidende Rolle. Durch diese Vorschrift werden Begriff und Erscheinungsformen , Voraussetzungen und Rechtsfolgen der konkurrierenden Gesetzgebung vorgegeben.6 In der Systematik der Gesetzgebung ist Art. 72 Abs. 3 GG als Ausnahmevorschrift zu verstehen, die im Rahmen der Föderalismusreform im Jahr 2006 in das Grundgesetz aufgenommen wurde, um unter anderem die Gesetzgebung von Bund und Ländern durch eine deutlichere Zuordnung der Gesetzgebungskompetenzen zu stärken.7 Gem. Art. 72 Abs. 3 GG können die Länder durch Gesetz von den in Art 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 1-7 GG genannten Sachgebieten abweichende Regelungen treffen, obwohl der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit Gebrauch gemacht hat. In diesen Fällen haben die Länder das Recht zur Abweichungsgesetzgebung .8 Durch die Gesetzesänderung im Jahr 2019 wurde in Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 GG die Grundsteuer als weiterer Ausnahmetatbestand aufgenommen. Zu prüfen ist nunmehr, ob sich diese Länderöffnungsklausel aus Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 GG auch auf die Grundsteuer C bezieht und ob deren Einführung dementsprechend für die Länder im Ergebnis optional ist. Durch Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 GG wird den Ländern die Möglichkeit eingeräumt, abweichend von der durch Art. 105 Abs. 2 Satz 1 GG ermöglichten Regelung des bundesrechtlichen GrStG eigene Gesetze über die Grundsteuer zu erlassen und unterschiedliche Grundsteuermodelle zu erproben . Damit wird zum einen der Möglichkeit Rechnung getragen, dass unterschiedliche Grundsteuerregelungskonzepte vorstellbar sind und, zum anderen wird ein föderaler Wettbewerb um die besten Regelungsmodelle ermöglicht.9 Die Abweichungskompetenz der Länder ist hierbei ausweislich des Wortlauts der Vorschrift nicht auf einzelne Regelungsgegenstände oder -aspekte beschränkt sondern vielmehr umfassend. 5 BT-Drs. 19/11086; Eichholz in DStR, 2020 S. 1217 ff., Überblick über die wesentlichen Änderungen und Konsequenzen der Grundsteuer-Reform sowie kritische Beurteilung ausgewählter Aspekte 6 Uhle in: Maunz/Dürig Grundgesetzkommentar, Art. 72 GG Rn. 65. 7 Uhle in: Maunz/Dürig Grundgesetzkommentar, Art. 72 GG Rn. 199. 8 Uhle in: Maunz/Dürig Grundgesetzkommentar, Art. 72 GG Rn. 65. 9 Uhle in: Maunz/Dürig Grundgesetzkommentar, Art. 72 GG Rn. 234a. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 105/20 Seite 6 Dies ist vom verfassungsändernden Gesetzgeber auch ausdrücklich gewollt. Er führt in der entsprechenden Gesetzesbegründung aus, dass Ziel dieser Regelung sei, den Ländern durch die Ergänzung des Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 GG „eine umfassende abweichende Regelungskompetenz“, also „die Befugnis zu umfassenden abweichenden landesrechtlichen Regelungen“ der Grundsteuer zu eröffnen.10 Die Abweichungsbefugnis der Länder bezieht sich auf den gesamten Kompetenzbereich des Art. 105 Abs. 2 Satz 1 GG. Sie erfasst nicht nur die Bestimmung des Steuergegenstandes, sondern deckt auch die Regelung der Bemessungsgrundlage der Grundsteuer und dazu erforderlicher Bewertungsregeln ab.11 Unter diesen Kompetenzbereich fällt auch die Einführung der Grundsteuer C. Diese Regelung, die baureife Grundstücke erfasst, ist gem. § 25 Abs. 5 GrStG in der Fassung ab dem 01.01.2025 als besonderer Steuergegenstand von der Grundsteuer umfasst.12 Der Steuergegenstand kann durch abweichende Ländergesetzgebung abgeändert werden, sodass sich die umfassende Abweichungskompetenz der Länder aus Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 GG auch auf die Grundsteuer C bezieht. Insofern besteht hinsichtlich etwaiger Abweichungsmöglichkeiten der Länder auch die Freiheit eine Grundsteuer C einzuführen oder dies zu unterlassen. 5. Optionsrecht gem. § 25 Abs. 5 GrStG in der Fassung ab 01.01.2025 Bisher hat noch keines der Bundesländer von seiner Abweichungskompetenz Gebrauch gemacht. Sofern die Länder nicht von der Abweichungskompetenz aus Art. 72 Abs. 3 S. 1 Nr. 7 GG Gebrauch machen, also keine eigenständige Regelung zur Erhebung der Grundsteuer erlassen, stellt die Regelung in § 25 Abs. 5 GrStG ohnehin nur ein Optionsrecht zur Einführung eines eigenständigen Hebesatzrechtes für baureife Grundstücke (sog. Grundsteuer C) dar. Die Erhebung der Grundsteuer C steht, wie der entsprechenden Gesetzesbegründung zu entnehmen ist, ausdrücklich im Ermessen der Gemeinden.13 Diese sind frei die Grundsteuer C zu erheben oder dies zu unterlassen. 6. Zusammenfassung Die Reform zur Grundsteuer im Jahr 2019 umfasste eine vielschichtige einfachgesetzliche und verfassungsrechtliche Gesetzesänderung. 10 BT-Drs. 19/1184. 11 Uhle in: Maunz/Dürig Grundgesetzkommentar, Art. 72 GG Rn. 234b. 12 Eichholz in DStR, 2020 S. 1217 ff., Überblick über die wesentlichen Änderungen und Konsequenzen der Grundsteuer -Reform sowie kritische Beurteilung ausgewählter Aspekte 13 BT-Drs. 19/11086. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 105/20 Seite 7 Der Reformgesetzgeber hat in Art. 72 Abs. 3 Nr. 7 GG eine umfassende Abweichungskompetenz der Länder geschaffen, die es den Ländern ermöglicht, eigene Grundsteuergesetze zu erlassen und umfassend vom bundesrechtlichen GrStG abzuweichen. Auch der Steuertatbestand der Grundsteuer C ist davon umfasst. ***