© 2016 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 104/16 Verbilligte Abgabe von Bundesliegenschaften für den sozialen Wohnungsbau Zur Rechtmäßigkeit der Kaufpreisaufteilung bei gemischt genutzten Gebäuden Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 104/16 Seite 2 Verbilligte Abgabe von Bundesliegenschaften für den sozialen Wohnungsbau Zur Rechtmäßigkeit der Kaufpreisaufteilung bei gemischt genutzten Gebäuden Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 104/16 Abschluss der Arbeit: 07.10.2016 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 104/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Skizzierung des Sachverhalts und Fragestellung 4 2. Rechtliche Würdigung des Sachverhalts 5 2.1. Das Auslegungsergebnis der Verwaltung 5 2.2. Kompetenz des Parlaments zur Regelung der Richtlinienmaterie mittels formeller Gesetze 9 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 104/16 Seite 4 1. Skizzierung des Sachverhalts und Fragestellung Die Bundesregierung veräußert seit längerer Zeit Konversionsliegenschaften zu am Markt erzielbaren Preisen. Um Kommunen die Möglichkeit zu geben, günstig Flächen vom Bund erwerben zu können, hat der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages im Zweiten Nachtragshaushaltsgesetz 2015 mittels Haushaltsvermerk 60.3 festgelegt, dass nach § 63 Abs. 3 Satz 2 BHO es zugelassen wird, dass die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben an Gebietskörperschaften sowie privatrechtliche Gesellschaften/Unternehmen, Stiftungen oder Anstalten, an denen die Kommune /Gebietskörperschaft mehrheitlich beteiligt ist, entbehrliche Grundstücke, die unmittelbar aus militärischer Vornutzung stammen und zu militärischen Zwecken genutzt wurden (Konversionsgrundstücke ), im Rahmen des Erstzugriffs (ohne Bieterverfahren) unterhalb des gutachterlich ermittelten Verkehrswertes abgeben kann. „Über Konversionsgrundstücke kann die Bundesanstalt für Zwecke des sozialen Wohnungsbaus auch weitere entbehrliche Grundstücke unterhalb des gutachterlich ermittelten Verkehrswertes abgeben. Kaufangebote Dritter bleiben in diesen Fällen unberücksichtigt. Einzelheiten werden durch die Richtlinie der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben zur verbilligten Abgabe von Konversionsgrundstücken unmittelbar bzw. in entsprechender Anwendung geregelt. Das Gesamtvolumen der gewährten Nachlässe auf den Verkehrswert von Konversionsgrundstücken ist auf einen Betrag von 100.000.000 € beschränkt. Der Gewährszeitraum ist auf vier Jahre, beginnend ab dem Haushaltsjahr 2015, begrenzt. Die verbilligte Abgabe für Zwecke des sozialen Wohnungsbaus für weitere entbehrliche Grundstücke gilt ausschließlich für Veräußerungsfälle, die am 24. September 2015 noch nicht notariell beurkundet waren.“1 Der Haushaltsausschuss hat in seiner 62. Sitzung der 18. Wahlperiode am 11. November 2015 die aktuell gültige Fassung der Richtlinie der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) zur verbilligten Abgabe von Grundstücken (VerbR)2 beschlossen. Gemäß Nr. II. 4. C) der VerbR steht Erwerbsberechtigten für Zwecke des sozialen Wohnungsbaus im Geschosswohnungsbau mit mindestens acht Wohneinheiten die Erstzugriffsoption nicht nur für bebaute unvermietete und unbebaute Konversionsliegenschaften, sondern auch für weitere entbehrliche Grundstücke zu. Für die verbilligte Abgabe von Liegenschaften für Zwecke des sozialen Wohnungsbaus gilt die Beschränkung des Verbilligungsvolumens auf 100 Mio. Euro nicht. Eine verbilligte Abgabe von Liegenschaften für die unter II. 4. C) aufgelistete Nutzungsart unterliegt dem Vorbehalt einer EU-beihilferechtlichen Einzelfallprüfung durch die BImA sowie ggf. den nach EU-Recht vorgesehenen Genehmigungs- /Anzeigeverfahren. Eine gutachterliche Stellungnahme zur beihilferechtlichen Problematik der verbilligten Überlassung wird vom Fachbereich PE 6 erarbeitet. Gemäß II. 8. c) wird die Höhe des Kaufpreisabschlags für die verbilligte Abgabe von Liegenschaften für Zwecke des sozialen Wohnungsbaus im Geschosswohnungsbau mit mindestens acht 1 Zweites Nachtragshaushaltsgesetz 2015, Einzelplan 60, Haushaltsvermerk 60.3, BT-Drs. 18/6090 2 https://www.bundesimmobilien.de/7948551/verbR.pdf (zuletzt abgerufen am 04.10.2016) Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 104/16 Seite 5 Wohneinheiten auf 25.000 € pro neu geschaffene Wohneinheit festgesetzt. Die Verbilligung ist pro Kaufvertrag auf 80% des Kaufpreises begrenzt. Die BImA nimmt zudem eine einschränkende Auslegung der zitierten Regelungen der VerbR für Fallkonstelationen vor, bei denen die zu verwertende Liegenschaft nach dem Nutzungskonzept des Käufers neben dem sozialen Wohnungsbau auch andere Nutzungsarten wie z.B. Gewerbeflächen , Mischflächen oder Wohnungsbau beinhaltet. Die Verbilligung komme sodann nur für den Kaufpreis der Teilfläche in Betracht, die für Zwecke des sozialen Wohnungsbaus tatsächlich genutzt wird. Auf diesen Teilkaufpreis ist dann die in II Ziffer 8c) VerbR vorgeschriebene Kappungsgrenze anzuwenden. 3 Die Auftraggeber möchten überprüft haben, ob die BImA diese einschränkende Auslegung des Beschlusses des Haushaltsausschusses vornehmen durfte und auf welche Rechtsgrundlage sie sich hierbei berufen kann. 2. Rechtliche Würdigung des Sachverhalts 2.1. Das Auslegungsergebnis der Verwaltung Die vollziehende Gewalt ist in ihrem Handeln an Recht und Gesetz gebunden, Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG). „Aus der Bindung von Exekutive und Judikative an das Gesetz folgt zunächst der Vorrang des Gesetzes . Danach haben parlamentarische Gesetze gegenüber allen anderen, nicht in der Form eines Parlamentsgesetzes erlassenen staatlichen Rechtsnormen, Vorrang. Dahinter steht die Überlegung , dass in der parlamentarischen Demokratie die formellen Gesetze vom Parlament und damit vom einzigen Staatsorgan erlassen werden, das sich nach dem GG auf ein unmittelbares Mandat des Staatsvolkes als des demokratischen Souveräns berufen kann.“4 Der Vorrang des Gesetzes fordert zum einen die Gesetzmäßigkeit des Verhaltens von Exekutive und Judikative. Zum anderen wirkt der Vorrang des Gesetzes als eine Kollisionsregel, nach der alle untergesetzlichen Rechtsakte dem parlamentarischen Gesetz nicht widersprechen dürfen. Da der Vorrang des Gesetzes ein Gesetz voraussetzt, richten sich Reichweite und Ausmaß der aus dem Vorrang folgenden Bindungen nach dem Inhalt der jeweiligen gesetzlichen Normen. 5 3 Angaben des Auftraggebers gegenüber den Wissenschaftlichen Diensten 4 Maunz/Dürig, GG, Art. 20 Rn. 72 5 Schulze-Fielitz, in: Dreier (Hrsg.), GG, Band II, 2. Aufl., 2006, Art. 20 (Rechtsstaat) Rdnr. 92 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 104/16 Seite 6 Gesetzesrang hat im vorliegenden Fall der Haushaltsvermerk 60.3 im Einzelplan 60, Kapitel 6004, Titel 121 01 des Zweiten Nachtragshaushaltsgesetz 2015 sowie der identische Vermerk im Haushaltsgesetz 2016.6 Der Haushaltsausschuss hat hierbei der BImA die rechtliche Möglichkeit verschafft, sog. Konversionsgrundstücke Gebietskörperschaften sowie juristischen Personen des Öffentlichen Rechts oder des Privatrechts, an denen die Gebietskörperschaft mehrheitlich beteiligt ist, unterhalb des gutachterlich ermittelten Verkehrswertes zu überlassen. Es handelt sich dabei um eine „Kann-Regelung“, die der Verwaltung ein Ermessen über das „Ob“ (Entschließungsermessen) und das „Wie“ (Auswahlermessen) der verbilligten Überlassung einräumt . Die im Haushaltsvermerk vorgesehenen Veräußerungsrichtlinien, die der Zustimmung des Haushaltsausschusses bedürfen, vereinheitlichen und lenken insoweit die Ermessensausübung durch die Verwaltung. Eine Regelung zum Nutzungszweck für die verbilligt überlassenen Grundstücke enthält der Haushaltsvermerk nicht. Die Richtlinie der BImA zur verbilligten Abgabe von Grundstücken (VerbR) definiert in II. Nr. 4 Nutzungsarten, bei denen eine verbilligte Überlassung in Betracht kommt. Dabei wird grundsätzlich zwischen verbilligten Abgaben mit und ohne beihilferechtliche Relevanz unterschieden. Die Nutzungsarten, für die eine verbilligte Überlassung des Grundstücks gewährt wird, werden in II. Nr. 4 der VerbR abschließend aufgezählt. Unter II. Nr. 4 C) wird die für diesen Sachverhalt relevante, verbilligte Abgabe von Liegenschaften für Zwecke des sozialen Wohnungsbaus mit ggf. beihilferechtlicher Relevanz genannt. Demnach steht den Erwerbsberechtigten gemäß II. Ziffer 2. für Zwecke des sozialen Wohnungsbaus im Geschosswohnungsbau mit mindestens acht Wohneinheiten die Erstzugriffsoption nicht nur für bebaute unvermietete und unbebaute Konversionsliegenschaften, sondern abweichend von II. Ziffer 1. auch für weitere entbehrliche Grundstücke zu. Für die verbilligte Abgabe von Liegenschaften für Zwecke des sozialen Wohnungsbaus gilt die Beschränkung des Verbilligungsvolumens auf 100 Mio. Euro nicht. Vermietete Wohnliegenschaften sind von der Verbilligung für Zwecke des sozialen Wohnungsbaus ausgenommen, soweit nicht mindestens acht Wohneinheiten der sozialen Wohnraumnutzung zugeführt werden können. Zur Höhe der Verbilligung sieht die VerbR in II. Nr. 8 c) vor, dass die Höhe des Kaufpreisabschlages für die verbilligte Abgabe von Liegenschaften für Zwecke des sozialen Wohnungsbaus im Geschosswohnungsbau mit mindestens acht Wohneinheiten (II. Ziffer 4. C)) auf 25.000 € pro neu geschaffene Wohneinheit festgesetzt wird. Die Verbilligung ist pro Kaufvertrag auf 80 % des Kaufpreises begrenzt. Die VerbR enthält keine Regelungen für Fallkonstellationen mit gemischter Nutzung, d.h. nicht ausschließlich für den Sozialwohnungsbau genutzten Immobilien. 6 Siehe oben unter Pkt. 1. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 104/16 Seite 7 Ist die zu entscheidende Fallkonstellation nicht explizit gesetzlich oder untergesetzlich in Rechtsverordnungen oder Verwaltungsvorschriften geregelt, so ist es originäre Aufgabe der Verwaltung im Rahmen der Gesetzesausführung, derartige Einzelfallentscheidungen herbeizuführen. Dies ergibt sich bereits aus dem Regelungszweck des Art. 86 GG, der die Ausführung von Bundesgesetzen der bundeseigenen Verwaltung zuweist. „Die Gesetzesausführung meint zunächst alle mit der hoheitlichen (Eingriffs- und Leistungs-) Verwaltung einhergehenden Aufgaben in Abgrenzung zur (formellen und materiellen) Gesetzgebung; das BVerfG spricht von „verwaltungsmäßiger Ausführung“. Zur Gesetzesausführung durch die Verwaltungsorgane („Verwaltung“) gehören danach Gesetzesauslegung (einschließlich der Lösung etwaiger Konflikte gegenläufiger Zwecke verschiedener Gesetze), Tatsachenermittlung, Subsumtion, Befolgung von Anweisungen vorgesetzter Stellen, Kontrolle untergeordneter Behörden, Ermessensausübung (einschließlich der Zweckmäßigkeitsentschlüsse) und Planung durch die Verwaltung und deren Entscheidung im Einzelfall.“7 Bei der Auslegung der VerbR hat sich die Verwaltung an die anerkannten Auslegungsmethoden zu halten. Dies sind die grammatische, die teleologische, die historische und die systematische Auslegung. Während die grammatische Auslegung den Sinn einer Regelung möglichst nahe am Wortlaut sucht, fragt die teleologische Auslegung nach dem (objektiven) Sinn und Zweck der Regelung . Die historische Auslegung untersucht die geschichtliche Genese einer Regelung und leitet hieraus Rückschlüsse zum Regelungsgehalt ab. Die systematische Auslegungsmethode dagegen geht davon aus, dass die Rechtsordnung in einen widerspruchsfreien Ausgleich gebracht werden sollte.8 Die hier von der Verwaltung befürwortete Lösung einer ausschließlichen Gewährung der Kaufpreisverbilligung für Gebäudeanteile, die dem sozialen Wohnungsbau dienen, lässt sich mit den soeben skizzierten Auslegungsmethoden begründen. Die vom Haushaltsausschuss gebilligte VerbR nennt unter II. Punkt 4. die verbilligungsfähigen Nutzungsarten. Bereits der Wortlaut des ersten Satzes: „Eine verbilligte Abgabe wird für folgende Nutzungsarten gewährt:“ macht deutlich, dass die Richtlinie mit der nachfolgenden Aufzählung eine abschließende Regelung über die verbilligungsfähigen Nutzungsarten treffen möchte. Gegen eine Gewährung der Verbilligung für das gesamte Gebäude und Grundstück, auch wenn nur ein Teilbereich dem sozialen Wohnungsbau dient, spricht ferner der Regelungszweck des II Ziff. 4 C) der VerbR. Die Verbilligung wird erst dann gewährt, wenn mindestens acht Wohneinheiten der sozialen Wohnraumnutzung zugeführt werden können. Damit gibt der Richtliniengeber deutlich zu erkennen, dass nicht jede (geringfügige) Nutzung zum sozialen Wohnungsbau ausreicht, um einen verbilligten Kaufpreis zu erlangen. Der Wortlaut des II Ziff. 4 C) erster Satz VerbR spricht zudem davon, dass „für Zwecke des sozialen Wohnungsbaus“ die Erstzugriffsoption den Erwerbsberechtigten zusteht. Man könnte diesen 7 Maunz/Dürig: GG, Art. 86 Rn. 35; abrufbar unter www.beck-online.de 8 Siehe hierzu auch Larenz/Canaris: Methodenlehre der Rechtswissenschaft, Kapitel 4: Die Auslegung der Gesetze , S. 133 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 104/16 Seite 8 Satz auch mit einem „nur für Zwecke des sozialen Wohnungsbaus“ ergänzen um ihn in seinem Aussagegehalt zu verdeutlichen. Die Erstzugriffsoption wird insoweit direkt mit der Nutzungsart gekoppelt, was andere Nutzungen von der Verbilligung ausschließt. Wollte der Richtliniengeber eine offenere Gewährung der Erstzugriffsoption statuieren, so hätte er Formulierungen wie „eine hauptsächlich für Zwecke des sozialen Wohnungsbaus“ oder „eine vom sozialen Wohnungsbau geprägte…“ wählen können. Derartige Mischnutzungen werden jedoch von der VerbR nicht erwähnt. Stattdessen wird in Ziffer 9 der VerbR mit der Regelung einer Nachzahlungspflicht des Verbilligungsabschlags bei Zweckverfehlung eine weitere normative Beziehung zwischen verbilligungsfähiger Nutzungsart und der Gewährung des Verbilligungsabschlags hergestellt. „Für den Fall, dass die Liegenschaft nicht für einen angemessenen Zeitraum, mindestens aber 10 Jahre für die unter II. Ziffer 4. aufgelisteten verbilligungsfähigen Nutzungsarten verwendet wird, ist die BImA verpflichtet, den gewährten Verbilligungsabschlag anteilig für den Zeitraum der zweckwidrigen Nutzung nebst Zinsen (jährliche Verzinsung in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz) ab Fälligkeit des Kaufpreises nachzufordern.“ Damit macht der Richtliniengeber deutlich, dass die Gewährung des Verbilligungsabschlags nur durch den Nutzungszweck der gemäß VerbR verbilligungsfähigen Nutzungsart gerechtfertigt ist. Liegt der Nutzungszweck nicht vor, soll keine Verbilligung gewährt bzw. diese zurückgefordert werden. Eine Kontrolle der Nutzungsart wäre bei undifferenzierter Gewährung des Verbilligungsabschlags für Gebäude und Grundstücke mit gemischten Nutzungsarten kaum zu gewährleisten. Eine derartige Verwaltungspraxis, widerspräche somit letztlich dem Sinn und Zweck der gegenwärtig gültigen VerbR, die die Einhaltung des Nutzungszwecks zu einer wesentlichen Voraussetzung für die Gewährung des Verbilligungsabschlags erklärt. Die Verwaltung muss beim Gesetzesvollzug zudem auch die gesamte Rechtsordnung beachten. Eine isolierte Lösung nur im Hinblick auf den Haushaltsvermerk oder die VerbR wäre nicht zulässig , wenn hierdurch bspw. ein Verstoß gegen das europäische Beihilferecht verursacht würde. „Der Tatbestand des Art. 86 setzt nach seinem Wortlaut die Ausführung von Gesetzen voraus. Rechtsnormen des Europarechts lassen sich dem Gesetzesbegriff des Art. 86 Satz 1, 1. Halbsatz zuordnen, sofern ihr Inhalt einem Sachgebiet der Bundesgesetzgebungskompetenzen (Art. 73 ff.) zugerechnet werden könnte. In diesem Rahmen lässt sich die Bundesverwaltung europarechtskonform auf die Ausführung von Gemeinschaftsrecht erstrecken.“9 Zur beihilferechtlichen Dimension des Sachverhalts erfolgt eine gesonderte Ausarbeitung durch den Fachbereich PE 6 (Europa ). Zwischenergebnis: Die Verwaltungspraxis der BImA zur anteiligen Gewährung des Verbilligungsabschlags bei gemischt genutzten Gebäuden mit Sozialwohnungsanteil entspricht dem Wortlaut und Regelungszweck der VerbR. Die BImA handelt insoweit im Rahmen des Gesetzesvollzugs auf der Grundlage ihrer Aufgabenzuweisung als Verwaltungsbehörde gemäß Art. 86 GG. 9 Maunz/Dürig: GG, Art. 86, Rn. 42 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 104/16 Seite 9 2.2. Kompetenz des Parlaments zur Regelung der Richtlinienmaterie mittels formeller Gesetze Es könnte jedoch die Möglichkeit bestehen, dass der Gesetzgeber die Materie der VerbR selbst regelt und somit als Gesetzgebungskompetenz an sich zieht. Hierdurch würde auch die Auslegung der BImA zur Kaufpreisaufteilung obsolet. Art. 86 GG gibt dem Parlament die Möglichkeit die Materie, die die Bundesregierung originär mittels Verwaltungsrichtlinien regelt, durch die parlamentarische Zugriffskompetenz an sich zu ziehen und selbst durch Verabschiedung eines formellen Gesetzes zu regeln. „Die Vorbehalte besonderer bzw. anderer gesetzlicher Regelung in Art. 86 Satz 1 und 2 schaffen ein Spannungsfeld zwischen Parlament und Exekutive. Denn die grundsätzliche Kompetenz der Bundesregierung, die allgemeinen Verwaltungsvorschriften zu erlassen und die Behörden einzurichten , wird durch eine vom Verfassungstext unbegrenzte Zugriffskompetenz des Gesetzgebers relativiert; eine von materiellen Kriterien geleitete Abgrenzung ist nicht erfolgt.“10 „Diese Vorbehalte unterscheiden sich vom Vorbehalt des Gesetzes im üblichen Sinn. Art. 86 Satz 1 ermächtigt den Gesetzgeber zu Regelungen, welche die Befugnis zum Erlass der allgemeinen Verwaltungsvorschriften sowie die Gegenstände betreffen, die die allgemeinen Verwaltungsvorschriften der Bundesregierung enthalten können. Der Gesetzgeber muss sich dazu eines formellen Gesetzes bedienen (das ggf. Rechtsverordnungsermächtigungen enthalten darf).“11 „Seine besondere Bedeutung erhält das parlamentarische Zugriffsrecht durch die Verbindung mit dem Vorrang des Gesetzes: Für eine Regelung, mit der das Zugriffsrecht einmal ausgeübt wurde, besteht fortan nicht mehr die Kompetenz der Bundesregierung neben der des Parlaments, sondern der Gesetzgeber ist, solange das Gesetz gilt, nunmehr allein zuständig und verschafft sich durch seinen Zugriff faktisch einen neuen Vorbehaltsbereich. Das Parlament als das Repräsentativorgan des Volkes soll auf das politisch Wichtige zugreifen und die Exekutive über die allgemeinen Gesetzesvorbehalte hinaus binden können.“12 Zusammenfassung: Der Gesetzgeber kann die Regelungsmaterie der Verwaltungsrichtlinie jederzeit an sich ziehen und gemäß Art. 86 GG mittels eines formellen Gesetzes selbst regeln. Solange er dies jedoch unterlässt, ist das Auslegungsergebnis der BImA vom Sinn und Zweck der gegenwärtig gültigen Fassung der Verbilligungsrichtlinie gedeckt. Die Auslegung der Gesetze und Verwaltungsrichtlinien sowie die Normenanwendung unter Beachtung aller im Einzelfall relevanten Spezialvorschriften ist originäre Aufgabe der Verwaltung. Ende der Bearbeitung 10 Maunz/Dürig: GG, Art. 86, Rn. 143; abrufbar unter www.beck-online.de 11 Maunz/Dürig a.a.O. 12 Maunz/Dürig: Rn. 144