© 2017 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 101/17 Wesentliche Gesetzesänderungen nach den Insolvenzen zahlreicher Schiffsfonds Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 101/17 Seite 2 Wesentliche Gesetzesänderungen nach den Insolvenzen zahlreicher Schiffsfonds Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 101/17 Abschluss der Arbeit: 28. November 2017 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 101/17 Seite 3 1. Fragestellung Der Finanzdienstleister KGAL hat Anfang der 2000er Jahre Schiffsfonds (SeaClass) für Anleger in sein Angebot aufgenommen. Rund 11.000 Anleger haben durch eine Anlage in diese Fonds einen finanziellen Schaden erlitten. Was ist aus diesem Fall geworden und inwiefern hat der Gesetzgeber auf diese Finanzgeschäfte reagiert. Wann verjähren eventuelle Ansprüche? 2. Wesentliche Gesetzesänderungen Die KGAL Gruppe ist laut ihrer Homepage ein führender unabhängiger Asset- und Investmentmanager mit einem Investitionsvolumen von 21,5 Milliarden Euro bei 87.000 Investoren. Soweit sich das kurzfristig ermitteln ließ, bot die KGAL bis Februar 2011 mehrere Schiffsfonds mit dem Namen SeaClass an. Im Internet sind viele Hinweise auf Insolvenzanmeldung verschiedener dieser Fonds zu finden, die Hinweise stammen aber in der Mehrzahl von Anwaltskanzleien mit Hilfsangeboten für geschädigte Kunden und können nicht überprüft werden. Am 29. August 2011 berichtete die Financial Times Deutschland (FTD), dass der Schiffsfonds Marnavi Splendor, der von KGAL initiiert wurde, insolvent sei. Gegenstand des Artikels in der FTD waren nicht nur Schwierigkeiten des KGAL-Schiffsfonds. Es heißt dort: „Hunderte überschuldete Schiffsfonds waren in den vergangenen zwei Jahren in Not geraten und mussten durch Nachschüsse der Anleger gestützt werden. Jüngste Beispiele sind die Insolvenzen der Schiffsfonds John Mitchell, Lilly Mitchell und Adele C des Emder Fondshauses Embdena Partnership.“1 Mit Hinweis auf die Krise der Weltwirtschaft und den damit verbundenen Einbruch der Frachtraten stellte die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Juni 2011 eine Kleine Anfrage mit dem Titel „Schiffsfinanzierung in Deutschland“.2 Darin fragt sie unter anderem: „Wie viele Fälle sind der Bundesregierung bekannt, in denen Kunden in Bezug auf die Informationspflicht bei Geldanlagen bei risikoreichen Investitionen durch die Banken nicht bzw. nur ungenügend aufgeklärt worden sind? … Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung daraus, und welche Maßnahmen wird sie ergreifen, um diese Missstände zu beheben?“ Die Bundesregierung führte aus: „Zur Stärkung des Anlegerschutzes im Bereich des so genannten grauen Kapitalmarkts hat die Bundesregierung Anfang April 2011 das „Gesetz zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler - und Vermögensanlagenrechts“ auf den Weg gebracht, durch das sowohl für das öffentliche Angebot als auch für den Vertrieb von Graumarktprodukten („Vermögensanlagen“) strengere Anforderungen eingeführt werden sollen.“ 1 Dobert, Jürgen: KGAL-Schiffsfonds fährt in die Pleite, Financial Times Deutschland vom 29. August 2011, Seite 21. 2 Vgl. Bundestags-Drucksache 17/6238. Im Jahr 2012 formulierte auch die Fraktion der SPD eine Kleine Anfrage mit dem Titel „ Krise der Schiffsfinanzierung in Deutschland“, Bundestags-Drucksache 17/11778. Darin wird unter anderem nach der Zahl der in Schiffsfonds investierenden Kapitalanleger und die Höhe des Kapitals gefragt . Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 101/17 Seite 4 Frage 17 in der Kleinen Anfrage lautet wie folgt: „Welche rechtlichen Änderungen beabsichtigt die Bundesregierung bezüglich der Ausstiegsund Schadenersatzmöglichkeiten für die Anleger von Schiffsfonds?“ Die Bundesregierung antwortete mit Datum vom 15. Juni 2011: „Zur Verbesserung der Schadensersatzmöglichkeiten für die Anleger hat die Bundesregierung bereits Maßnahmen ergriffen bzw. auf den Weg gebracht: Durch das im August 2009 in Kraft getretene „Gesetz zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen und zur verbesserten Durchsetzbarkeit von Ansprüchen von Anlegern aus Falschberatung“ wurden die Verjährungsfristen von Schadensersatzansprüchen wegen Falschberatung verlängert und an die allgemeinen Verjährungsfristen angepasst. Durch das sich derzeit im parlamentarischen Verfahren befindliche „Gesetz zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler - und Vermögensanlagenrechts“ sollen zudem die Verjährungsfristen von Haftungsansprüchen wegen fehlerhafter oder fehlender (Verkaufs-)Prospekte verlängert und die Voraussetzungen der Haftung für fehlerhafte oder fehlende Verkaufsprospekte dadurch erleichtert werden, dass die Ausschlussfrist, innerhalb derer ein Haftungsanspruch entstehen kann, verlängert wird. Durch dieses Gesetz soll schließlich auch die Protokollierungspflicht auf Anlageberatungsgespräche in Bezug auf Graumarktprodukte („Vermögensanlagen “) ausgedehnt werden, um es Anlegern zu ermöglichen, in einem etwaigen späteren Schadensersatzprozess den Verlauf des Beratungsgesprächs nachzuweisen.“ Im Gesetz zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen und zur verbesserten Durchsetzbarkeit von Ansprüchen von Anlegern aus Falschberatung3 ging es im Zusammenhang mit Schiffsfonds insbesondere um die Aufhebung von § 37a Wertpapierhandelsgesetz (WpHG). Die alte Fassung von § 37a WpHG lautete: „Der Anspruch des Kunden gegen ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen auf Schadensersatz wegen Verletzung der Pflicht zur Information und wegen fehlerhafter Beratung im Zusammenhang mit einer Wertpapierdienstleistung oder Wertpapiernebendienstleistung verjährt in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Anspruch entstanden ist.“ Die Streichung von § 37a WpHG bewirkte, dass nun die Verjährungsfristen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) gelten: Nach § 199 Abs. 1 BGB beginnt die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Ist ein solcher Anspruch entstanden, fehlt es aber an der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis, dann beträgt die Höchstfrist nach § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB zehn Jahre ab Entstehung des Anspruchs. Allerdings gilt nach § 43 WpHG eine Übergangsfrist: § 37a WpHG in der bis zum 4. August 2009 geltenden Fassung ist auf Ansprüche anzuwenden, die in der Zeit vom 1. April 1998 bis zum Ablauf des 4. August 2009 entstanden sind. 3 Bundesgesetzblatt I, 2009, Seite 2512. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 101/17 Seite 5 Die Bundesregierung begründete die Änderung mit dem Argument, dass teilweise ein Anleger erst nach Jahren erkennen könne, dass er nicht richtig beraten worden sei.4 In demselben Gesetz wurde auch § 34 Abs. 2a WpHG dahingehend geändert, dass ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen über jede Anlageberatung bei einem Privatkunden ein schriftliches Protokoll anfertigen und dies auf Verlangen aushändigen muss. Das Gesetz zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts wurde am 12. Dezember 2011 im Bundesgesetzblatt I, Seite 2481, veröffentlicht. Mit dem Gesetz wurde die Anspruchsfrist des Anlegers bei fehlerhaftem Verkaufsprospekt, bei fehlendem Verkaufsprospekt und bei unrichtigem Vermögensanlagen- Informationsblatt auf längstens zwei Jahre verlängert (§ 20ff. Gesetz über Vermögensanlagen - VermAnlG) Ausgelöst durch die Finanzmarktkrise wurden international und europäisch Regelungen angestrebt , um Verwalter alternativer Investmentfonds besser zu regulieren. Deutschland hat die entsprechenden Richtlinien der EU durch die Schaffung des Kapitalanlagegesetzbuchs (KAGB) umgesetzt , das in seinen wesentlichen Teilen am 22. Juli 2013 in Kraft trat.5 Das KAGB beinhaltet, dass sowohl offene als auch geschlossene Fonds grundsätzlich einer einheitlichen Regelung unterliegen , zum Beispiel in Bezug auf Anlegerschutz, Anlagebedingungen, Verkaufsprospekt und zu den wesentlichen Anlegerinformationen. * * * 4 Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen und zur verbesserten Durchsetzbarkeit von Ansprüchen von Anlegern aus Falschberatung, Bundestags-Drucksache 16/12814, Seite 14. 5 Bundesgesetzblatt I, 2013, Seite 1981.