© 2019 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 097/19 Zur Zulässigkeit von Zollgebühren gegen Nicht-EU-Bürger Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 097/19 Seite 2 Zur Zulässigkeit von Zollgebühren gegen Nicht-EU-Bürger Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 097/19 Abschluss der Arbeit: 23.07.2019 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 097/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Vorbemerkungen 4 3. Rechtliche Grundlagen für Zollgebühren – UZK und ZollKostV 5 4. Zulässigkeit von Zollgebühren für die Ausstellung von AKZ 5 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 097/19 Seite 4 1. Fragestellung Gefragt ist nach der Zulässigkeit einer Zollgebühr, die gegen Nicht-EU-Bürger für das Abstempeln von sog. Ausfuhrkassenzetteln (AKZ) beim Grenzübergang im privaten, nichtkommerziellen Reiseverkehr aus der Union in einen Drittstaat erhoben wird. 2. Vorbemerkungen Im Rahmen der sog. Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL)1 ist eine Umsatzsteuerrückerstattung im privaten Reiseverkehr vorgesehen, für den Fall das nachgewiesen wird, dass eine umsatzsteuerbelastete Ware aus der Union ins Drittland verbracht wird, Art. 146 MwStSystRL. Die MwStSystRL sieht dabei eine Bagatellgrenze von 175 Euro Warenwert vor, siehe Art. 147 Abs. 1, lit. c MwStSystRL. Erst bei deren Überschreiten ist eine Befreiung im Falle der Ausfuhr vorgesehen. Vorher bleibt die Ware, trotz Ausfuhr ins Drittland, umsatzsteuerpflichtig in dem Land, in dem sie erworben worden ist. Die Mitgliedstaaten können von dieser Regelung aber abweichen. Deutschland verzichtet bisweilen auf diese Grenze, so dass die Erstattungsmöglichkeit hierzulande ab dem ersten Cent gilt, vgl. §§ 4, 6 Abs. 3a Umsatzsteuergesetz (UStG). Die Frage, ob auch Deutschland diese Grenze einführen soll, wird gegenwärtig in der Politik diskutiert .2 Zum Nachweis der Ausfuhr der Ware, die Voraussetzung für die Erstattung ist, muss der umsatzsteuerbelastete Verkäufer einer Ware Belege beim zuständigen Finanzamt vorlegen. Im Rahmen des privaten, nichtkommerziellen Reiseverkehrs legt er die Steuer zunächst auf den Verbraucher (Käufer) um. Dieser wiederum führt die Ware ins Drittland aus und lässt sich vom Zoll an der Grenze mittels eines AKZ die Ausfuhr ins Drittland bestätigen. Mit diesem AKZ kann er sich beim Verkäufer die gezahlte Umsatzsteuer erstatten lassen. Dieser wiederum kann sich den Betrag vom zuständigen Finanzamt, unter Vorlage des AKZ als Nachweis für die Ausfuhr, erstatten lassen.3 Der Zoll ist damit ein entscheidender Akteur in diesem Verfahren. Allerdings dienen die ausgestellten AKZ nur dem Nachweis für den Steuererstattungstatbestand. Die Steuererhebung selbst findet beim steuerbelasteten Unternehmer statt, der diese auf den Verbraucher umlegt. Dem Zoll 1 Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem. 2 Bundesrechnungshof, Bericht an den Rechnungsprüfungsausschuss des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages nach § 88 Abs. 2 BHO über die Mitwirkung der Zollverwaltung bei der Umsatzsteuerbefreiung von Ausfuhren im nichtkommerziellen Reiseverkehr, S. 4 ff., im Internet: https://www.bundesrechnungshof .de/de/veroeffentlichungen/produkte/beratungsberichte/langfassungen/langfassungen-2017/2017-berichtmitwirkung -der-zollverwaltung-bei-der-umsatzsteuerbefreiung-von-ausfuhren-im-nichtommerziellen-reiseverkehr -pdf (zuletzt aufgerufen: 23.07.2019). 3 Siehe insgesamt: Bundesrechnungshof, Bericht an den Rechnungsprüfungsausschuss des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages nach § 88 Abs. 2 BHO über die Mitwirkung der Zollverwaltung bei der Umsatzsteuerbefreiung von Ausfuhren im nichtkommerziellen Reiseverkehr, S. 4 ff., im Internet: https://www.bundesrechnungshof .de/de/veroeffentlichungen/produkte/beratungsberichte/langfassungen/langfassungen-2017/2017-bericht -mitwirkung-der-zollverwaltung-bei-der-umsatzsteuerbefreiung-von-ausfuhren-im-nichtommerziellen-reiseverkehr -pdf (zuletzt aufgerufen: 23.07.2019). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 097/19 Seite 5 kommt somit lediglich eine Quittier-, aber keine Steuererhebungsfunktion, wie etwa bei der Einfuhrumsatzsteuer , zu. Maßgeblich für die Frage der Zulässigkeit von Zollgebühren, die bei dem genannten Vorgang erhoben werden, ist damit allein das Zollgebührenrecht und nicht das UStG- bzw. die MwStSyst RL. 3. Rechtliche Grundlagen für Zollgebühren – UZK und ZollKostV Für die Frage der Gebührenerhebung durch den Zoll sind zwei Rechtsquellen maßgeblich; zum einen der Zollkodex der Europäischen Union (kurz UZK)4, zum anderen die nationale Zollkostenverordnung (ZollKostV). Nach beiden unmittelbar anwendbaren Rechtstexten gilt dabei der Grundsatz, dass der Zoll Gebühren bzw. Kostenerstattung nur in besonderen Ausnahmefällen verlangen kann. Vorgänge, die während der üblichen Öffnungszeiten, mit dem üblichen Personal abgewickelt werden, berechtigen im Grundsatz daher nicht zur Erhebung von Gebühren und Kosten . Art. 52 UZK ordnet entsprechend an: „Die Zollbehörden erheben für Zollkontrollen oder sonstige in Anwendung zollrechtlicher Vorschriften während der offiziellen Öffnungszeiten der zuständigen Zollstellen durchgeführte Handlungen keine Gebühren.“ Entsprechendes ergibt sich aus § 2 Abs. 2 ZollKostV. Beide Normen sehen von diesem Grundsatz abweichend auch Gebührentatbestände vor. Das Abstempeln von AKZs ist dabei weder in der UZK noch in der ZollKostV als Gebührentatbestand vorgesehen. 4. Zulässigkeit von Zollgebühren für die Ausstellung von AKZ Nach den dargelegten Rechtsgrundlagen kommt eine Gebührenerhebung für das Ausstellen von AKZs nicht in Betracht. Zwar sind die Möglichkeiten der Gebührenerhebung in den o.g. Normen nicht abschließend aufgelistet.5 Allerdings wird ein Grundsatz deutlich: Ist die tätige Zollstelle zuständig und agiert innerhalb ihrer Öffnungszeiten, so erfüllt sie genau ihren vorgesehenen Zweck. Die dabei entstehenden Kosten sind dann allgemeine Verwaltungskosten, mit denen der Wirtschaftsteilnehmer gerade nicht belastet werden soll.6 Nur Gebühren für eine besondere Inan- 4 Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. Oktober 2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (Neufassung), zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 2016/2339 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Dezember 2016. 5 Krenzler/Herrmann/Niestedt/Schoenfeld, UZK Art. 52, Rn. 5. 6 Ebd., Rn. 4. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 097/19 Seite 6 spruchnahme, die keine allgemeinen Verwaltungskosten darstellen, sollen erhoben werden können .7 De lege lata ist eine Gebührenerhebung für das Ausstellen der AKZ damit ausgeschlossen, da es sich dabei um eine allgemeine Tätigkeit innerhalb der Öffnungszeiten handelt. Damit stellt sich die Anschlussfrage, ob ein nationaler Gebührentatbestand, der eine Gebühr gegenüber nicht EU-Ausländern für das Abstempeln der AKZ vorsieht, über eine Änderung der ZollKostV in Betracht käme. Dagegen könnte die Grundwertung des europäischen UZK sprechen. Zwar ist nicht von einer allgemeinen Sperrwirkung des UZK für nationale Gebührentatbestände auszugehen.8 Allerdings muss konstatiert werden, dass eine Gebühr, wie oben beschrieben, von den im UZK vorgesehenen Grundsätzen abweicht. Die Vereinbarkeit mit dem höherrangigen europäischen Recht ist damit jedenfalls fraglich. Fraglich erscheint aber auch die praktische Umsetzbarkeit. Denn das Verfahren der Gebührenerhebung richtet sich nach den nationalen Vorschriften, in Deutschland vor allem nach ZollKostV und § 178 Abgabenordnung (AO), sowie § 13 Abs. 1 Nr. 1 Verwaltungskostengesetz (VwKostG). Dabei ist die Erhebung mittels Gebührenbescheids vorgesehen. An den einzelnen Grenzzollstellen zur Schweiz sind momentan zu Stoßzeiten bis zu 1000 AKZ pro Stunde auszustellen.9 Erhöht man diesen ohnehin kaum zu bewältigenden Aufwand noch mit dem Durchführen eines einzelfallbezogenen Gebührenbescheidverfahrens, so erhöht dies die Belastung der Beamten weiter. *** 7 Krenzler/Herrmann/Niestedt/Schoenfeld, UZK Art. 52, Rn. 6. 8 Ebd., Rn. 6. 9 Siehe insgesamt: Bundesrechnungshof, Bericht an den Rechnungsprüfungsausschuss des Haushaltsausschusses des Deutschen Bundestages nach § 88 Abs. 2 BHO über die Mitwirkung der Zollverwaltung bei der Umsatzsteuerbefreiung von Ausfuhren im nichtkommerziellen Reiseverkehr, S. 10, im Internet: https://www.bundesrechnungshof .de/de/veroeffentlichungen/produkte/beratungsberichte/langfassungen/langfassungen-2017/2017-bericht -mitwirkung-der-zollverwaltung-bei-der-umsatzsteuerbefreiung-von-ausfuhren-im-nichtommerziellen-reiseverkehr -pdf (zuletzt aufgerufen: 23.07.2019).