© 2018 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 093/17 Einzelfragen zum „Amt Neuhaus“ Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 093/17 Seite 2 Einzelfragen zum „Amt Neuhaus“ Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 093/17 Abschluss der Arbeit: 18. Dezember 2017 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 093/17 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einführung 4 2. Einzelfragen 4 2.1. Hat das Land Mecklenburg-Vorpommern dadurch, dass mit Beginn der Zahlungen zum Solidarpakt I (1995) und Solidarpakt II (2005) - das ab 01.07.1993 zu Niedersachsen gehörende Beitrittsgebiet „Amt Neuhaus“ mit seiner am 30.06.1991 vorhandenen Einwohneranzahl rechnerisch Mecklenburg-Vorpommern zugeschlagen wurde, Zahlungen analog zu dieser Einwohneranzahl aus den Bundesergänzungszuweisungen (und evtl. für andere mögliche Vorteile – z. B. Länderfinanzausgleich, Umsatzsteuerschlüssel) auch für Amt Neuhaus erhalten? 4 2.2. Falls dies zutrifft: Lassen sich diese Zahlungen an das Land Mecklenburg-Vorpommern von 1995 bis 2004 sowie von 2005 bis heute, die auf die Einwohneranzahl Amt Neuhaus entfallen, beziffern? 5 2.3. Aus welchen Gründen wurde das Land Niedersachsen in der Verordnung nach § 6 des Mauergrundstücksgesetzes (MauerV) vom 02.08.2001 (BGBl. I S. 2128) im Jahr 2001 bei der Verteilung der Fondsmittel nicht berücksichtigt, obwohl die Neuzuordnung von Amt Neuhaus von Mecklenburg-Vorpommern nach Niedersachsen aus dem Jahre 1993 bekannt war und das Gesetz und die Richtlinien aus dem Jahre 1996 als solche das Land Niedersachsen aber als empfangsberechtigt anerkannt hatte, da Amt Neuhaus zum Beitrittsgebiet i. S. d. Art. 3 des Einigungsvertrages gehört? 6 2.4. Ist das Land Mecklenburg-Vorpommern bei der Verteilung der Mittel überproportional berücksichtigt worden, indem als Verteilungskriterium zu Niedersachsen gehörende Parameter bei der Berechnung für Mecklenburg-Vorpommern verwendet wurden? 6 2.5. Mit welchem Anteil in v. H. hätte das Land Niedersachsen an den Fondsmitteln von vornherein beteiligt werden können (müssen)? 6 2.6. In welcher Höhe sind bisher Mittel aus diesem Fonds verteilt worden? Sind bereits alle Mittel verteilt? 6 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 093/17 Seite 4 1. Einführung Der Auftraggeber bittet um die Beantwortung diverser Einzelfragen zum Themenkomplex Solidarpakt I und II, Bundesergänzungszuweisungen sowie zum Mauergrundstücksgesetz zum „Amt Neuhaus“. 2. Einzelfragen 2.1. Hat das Land Mecklenburg-Vorpommern dadurch, dass mit Beginn der Zahlungen zum Solidarpakt I (1995) und Solidarpakt II (2005) - das ab 01.07.1993 zu Niedersachsen gehörende Beitrittsgebiet „Amt Neuhaus“ mit seiner am 30.06.1991 vorhandenen Einwohneranzahl rechnerisch Mecklenburg-Vorpommern zugeschlagen wurde, Zahlungen analog zu dieser Einwohneranzahl aus den Bundesergänzungszuweisungen (und evtl. für andere mögliche Vorteile – z. B. Länderfinanzausgleich, Umsatzsteuerschlüssel) auch für Amt Neuhaus erhalten? Mit dem Solidarpakt wurde der vormals zwischen ostdeutschen (einschließlich Berlins) und westdeutschen Bundesländern getrennt durchgeführte Finanzausgleich zu einem gesamtstaatlichen Regelsystem vereinheitlicht und ab 1995 auf alle Länder angewandt. Außerdem wurden die Bundesergänzungszuweisungen erheblich aufgestockt, und der Bund stellte den ostdeutschen Ländern Investitionsmittel zum Ausgleich der unterschiedlichen Wirtschaftskraft und zur Förderung des wirtschaftlichen Wachstums zur Verfügung. Diese Maßnahmen stellen den finanzpolitischen Kern des Solidarpakts dar. Mit dem „Gesetz zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms“ vom 23. Juni 1993 wurden im Zuge einer Neufassung des Finanzausgleichsrechts zum einen der Länderanteil an der Umsatzsteuer sowie zum anderen die vom Bund geleisteten Ergänzungszuweisungen sowohl an west- wie auch an die ostdeutschen Länder erheblich aufgestockt. Diese Aufstockung war die Grundlage dafür, dass die durch die Berücksichtigung der ostdeutschen Bundesländer im Regelwerk des Finanzausgleichs entstehenden finanziellen Lasten auf den Bund und die westdeutschen Bundesländer einvernehmlich verteilt werden konnten. Darüberhinaus wurden Investitionen in den ostdeutschen Bundesländern durch Festlegung von Finanzhilfen in Höhe von bis zu rd. 3,4 Mrd. Euro pro Jahr gefördert. Diese Zuweisungen und Finanzhilfen wurden mit dem Solidarpaktfortführungsgesetz vom 20. Dezember 2001 umstrukturiert und in zunächst gleichbleibender Gesamthöhe – ab 2006 jedoch degressiv – fortgeführt. Auf der Grundlage dieser Regelungen wurden bis zum Jahr 2016 (einschließlich) Zuweisungen und Finanzhilfen des Bundes der beschriebenen Art in dem vom Auftraggeber angesprochenen Zeitraum ab 1995 an die Länder Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen in einer Gesamthöhe von rd. 202 Mrd. Euro geleistet. Auf das Land Mecklenburg- Vorpommern entfielen hiervon rd. 21 Mrd. Euro. Die Bemessung der Anteile der neuen Bundesländer an den Zuweisungen erfolgte im Entwurf des „Gesetzes zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms“ auf der Grundlage der Einwohnerstruktur im Beitrittsgebiet, wie sie nach Wirksamkeit des Beitritts der neuen Länder zum Geltungsbereich des Grundgesetzes bestand. Da das Amt Neuhaus zu diesem Zeitpunkt noch nicht zum Land Niedersachsen gehörte, wurde die dortige Einwohnerzahl dem Land Mecklenburg-Vorpommern zugerechnet, dessen Verteilungsschlüssel insoweit zu Lasten der Länder Sachsen, Sachsen- Anhalt, Thüringen, Brandenburg und Berlin geringfügig höher ausfiel. Allerdings wurde nach Veränderungen des Gesetzentwurfs im parlamentarischen Verfahren auf eine unmittelbare Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 093/17 Seite 5 Verknüpfung der Höhe der Leistungen mit den Einwohnerzahlen der jeweiligen Länder, wie sie noch für beide Bundesleistungen in der Fassung des ursprünglichen Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU und FDP vorgesehen war, verzichtet und die Zuweisungsbeiträge für die einzelnen Länder gesetzlich festgehalten. Das Land Niedersachsen gehört nicht zum Kreis der Empfängerländer der „Sonderbedarfs- Bundesergänzungszuweisungen zum Abbau teilungsbedingter Sonderbelastungen sowie zum Ausgleich unterproportionaler kommunaler Finanzkraft“ und des „Investitionsfördergesetzes Aufbau Ost“. Aus der Eingliederung des Amtes Neuhaus in das niedersächsische Landesgebiet ergibt sich nicht die Möglichkeit abweichender Schlussfolgerungen. Hierzu hätte es entsprechender Änderungen der genannten bundesgesetzlichen Grundlagen bedurft. Denn der über die Eingliederung zwischen den Ländern Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern geschlossene Staatsvertrag kann nur solche Regelungen ändern, die in Landeskompetenz fallen. Mit der Ermächtigung, sonstige Änderungen des Gebietsstandes gem. Art. 29 Abs. 7 GG im Wege eines Staatsvertrages vorzunehmen, ist nicht die Kompetenz verbunden, Bundesrecht zu ändern. Die Eingliederung der ostdeutschen Länder in das Regelsystem des bundesstaatlichen Finanzausgleichs wurde verbunden mit den Übergangsregelungen, die sich finanziell positiv für westdeutsche Bundesländer auswirkten. So erhielt u.a. das Land Niedersachsen durch die mit dem o.g. „Gesetz zur Umsetzung des Föderalen Konsolidierungsprogramms“ vom 23. Juni 1993 erfolgte Neufassung des Finanzausgleichsgesetzes in den Jahren 1995-2004 besondere Übergangsleistungen in Höhe von ingesamt rd. 2,3 Mrd. Euro. Weitere Regelungen zugunsten der west- und ostdeutschen Länder traten hinzu. Als Gesamtpakt hatten sie die Wiederherstellung der deutschen Einheit auch auf dem finanzpolitisch zentralen Gebiet des gesamtstaatlichen Einnahmeausgleichs zum Ziel. Der Gebietsübertritt des Amtes Neuhaus im Jahr 1993 kann sicherlich als ein von den oben beschriebenen gesetzgeberischen Maßnahmen unabhängiger, gleichwohl aber im selben historischen Kontext zu betrachtender Teil dieses Prozesses angesehen werden. In den weiteren vom Auftraggeber angesprochenen Umverteilungsströmen des Länderfinanzausgleichs und dem dort verwendeten Umsatzsteuerschlüssel ist eine Zurechnung der Einwohner des Amtes Neuhaus auf die bei den jährlichen Finanzkraftverstärkungen des Landes Mecklenburg-Vorpommern zugrunde gelegten Schlüssel in den erfragten Jahren ab 1995 nicht erfolgt. Denn die Höhe der im Finanzausgleichsgesetz geregelten steuer- und finanzkraftabhängigen Leistungen hängt von den jeweiligen Einwohnerzahlen der Länder ab, die das Statistische Bundesamt zum 30. Juni des Ausgleichsjahres festgestellt hat. 2.2. Falls dies zutrifft: Lassen sich diese Zahlungen an das Land Mecklenburg-Vorpommern von 1995 bis 2004 sowie von 2005 bis heute, die auf die Einwohneranzahl Amt Neuhaus entfallen , beziffern? Die nachträgliche Gesamtschau des Prozesses der Wiederherstellung der deutschen Einheit auf finanzpolitischem Gebiet erlaubt es nicht, Zahlungen an das Land Mecklenburg-Vorpommern oder das Land Niedersachsen mit der Höhe der Einwohnerzahl des Amtes Neuhaus zutreffend zu erklären. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 093/17 Seite 6 2.3. Aus welchen Gründen wurde das Land Niedersachsen in der Verordnung nach § 6 des Mauergrundstücksgesetzes (MauerV) vom 02.08.2001 (BGBl. I S. 2128) im Jahr 2001 bei der Verteilung der Fondsmittel nicht berücksichtigt, obwohl die Neuzuordnung von Amt Neuhaus von Mecklenburg-Vorpommern nach Niedersachsen aus dem Jahre 1993 bekannt war und das Gesetz und die Richtlinien aus dem Jahre 1996 als solche das Land Niedersachsen aber als empfangsberechtigt anerkannt hatte, da Amt Neuhaus zum Beitrittsgebiet i. S. d. Art. 3 des Einigungsvertrages gehört? Mit dem durch § 5 Abs. 2 MauerG eingerichteten Fonds sollen Projekte in dem in Art. 3 Einigungsvertrag (EV) genannten Gebiet gefördert werden, die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Zwecken dienen. In Art. 3 EV sind die betreffenden Gebietskörperschaften (Bundesländer) abschließend benannt. Das Land Niedersachen gehört nicht dazu. Die grundlegende Verteilung der Fondsmittel in § 2 Abs. 2 und Abs. 3 MauerV folgt dieser durch den EV vorgegebenen Struktur , so dass das Land Niedersachsen dort keine Erwähnung findet. Vor dem Hintergrund dieser Regelung hat das Niedersächsische Finanzministerium dem Bundesministerium der Finanzen im Jahr 2003 mitgeteilt, mit dem Land Mecklenburg-Vorpommern unmittelbar klären zu wollen, ob Projekte des Umgliederungsgebietes vom Land Mecklenburg-Vorpommern oder vom Land Niedersachsen geltend gemacht werden. Nähere Erkenntnisse liegen hierzu nicht vor. 2.4. Ist das Land Mecklenburg-Vorpommern bei der Verteilung der Mittel überproportional berücksichtigt worden, indem als Verteilungskriterium zu Niedersachsen gehörende Parameter bei der Berechnung für Mecklenburg-Vorpommern verwendet wurden? Der in § 2 Abs. 3 MauerV genannte Verteilungsschlüssel findet Anwendung, wenn die dort genannten Bundesländer kein gemeinsames überregionales Projekt vorschlagen. Er ist an die Einwohnerzahl dieser Bundesländer angelehnt und orientiert sich insofern an einer Verwaltungsvereinbarung zwischen diesen und der Treuhandanstalt aus dem Jahr 1994 über die Verwendung von Vermögen nach § 20b Parteiengesetz. Die Rechtsverordnung bedurfte gem. § 6 MauerG nicht der Zustimmung des Bundesrates; der Verteilungsschlüssel wurde aber – wie auch die übrigen Regelungen der MauerV – mit den oben genannten Ländern abgestimmt. 2.5. Mit welchem Anteil in v. H. hätte das Land Niedersachsen an den Fondsmitteln von vornherein beteiligt werden können (müssen)? Das Land Niedersachsen war bei der Verteilung der Fondsmittel aus dem oben genannten Grund nicht zu berücksichtigen. Insofern liegen hier keine Erkenntnisse über mögliche Anteile zugunsten des Landes Niedersachsen vor. 2.6. In welcher Höhe sind bisher Mittel aus diesem Fonds verteilt worden? Sind bereits alle Mittel verteilt? Nach § 5 MauerG sind die Ausgaben des Mauerfonds gesperrt. Mit Stand zum 14. November 2016 hat der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages seit dem Jahr 1996 Fondsmittel in Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 093/17 Seite 7 Höhe von insgesamt rund 52 Mio. € entsperrt; in etwa gleicher Höhe sind Mittel abgeflossen. Derzeit sind noch nicht alle Anträge auf Rückerwerb von Mauer- und Grenzgrundstücken abschließend entschieden. Einnahmen des Fonds sind daher weiterhin möglich. ***