© 2016 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 – 092/16 Rechtliche Vorgaben für die Veräußerung von bundeseigenen Immobilien Untersuchung der parlamentarischen Beteiligungsrechte bei der Veräußerung von bundeseigenen Immobilien Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 – 092/16 Seite 2 Rechtliche Vorgaben für die Veräußerung von bundeseigenen Immobilien Untersuchung der parlamentarischen Beteiligungsrechte bei der Veräußerung von bundeseigenen Immobilien Aktenzeichen: WD 4 - 3000 – 092/16 Abschluss der Arbeit: 09.08.2016 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 – 092/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Vorbemerkung 4 2. Parlamentarische Beteiligung im Veräußerungsverfahren 4 2.1. Verfassungsrechtliche Vorgaben 4 2.2. Einfachgesetzliche Vorgaben 5 2.3. Rechtliche Qualität der Einwilligung 6 3. Auswirkungen einer fehlenden Zustimmung 6 3.1. Gesetzliche Vorgaben 6 3.2. Wirksamkeit des Kaufvertrages 6 4. Rechtsschutzmöglichkeiten 7 5. Fazit 7 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 – 092/16 Seite 4 1. Vorbemerkung Diese Ausarbeitung soll einen Überblick zu den rechtlichen Rahmenbedingungen für die Veräußerung von bundeseigenen Immobilien geben, die sich aus den verfassungsrechtlichen Vorgaben und der einfachgesetzlichen Regelung des § 64 BHO ergeben. Schwerpunkt der Ausarbeitung ist die Darstellung der parlamentarischen Beteiligungsrechte bzw. –pflichten und des Spannungsverhältnisses zwischen Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung bei der Veräußerung von Bundeseigentum. 2. Parlamentarische Beteiligung im Veräußerungsverfahren Es stellt sich die Frage, welche Beteiligungsrechte bzw. –pflichten dem Bundestag bzw. Bundesrat im Verfahren bei der Veräußerung von bundeseigenen Immobilien zustehen. 2.1. Verfassungsrechtliche Vorgaben Um die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen zu erfassen, ist zunächst fraglich, ob das Verfassungsrecht eine Beteiligung des Bundestags bzw. des Bundesrats bei der Veräußerung von Bundeseigentum vorsieht. Ein Parlamentsvorbehalt könnte sich aus dem Budgetrecht des Bundestages (Art. 110 GG) ergeben . Aus dem Haushaltsgesetz ergibt sich für die Exekutive die Ermächtigung bestimmte Ausgaben vorzunehmen. Dem Einstellen von Einnahmen in den Haushaltsplan kommt jedoch gerade nur eine deklaratorische Wirkung zu.1 Einnahmen werden nur erfasst, um ein bestimmtes Verhältnis von Einnahmen zu Ausgaben darstellen zu können und so beispielsweise insgesamt einen ausgeglichenen Haushalt erzielen zu können.2 Sind bestimmte Einnahmen nicht im Haushaltsgesetz vorgesehen, so ist Art. 110 GG kein Zustimmungsvorbehalt des Parlaments zu entnehmen.3 Das Grundgesetz sieht in den relevanten Art. 104a ff. GG lediglich Regelungen für die Ausgabenseite vor. Die Erzielung von Einnahmen ist gerade nicht gesondert geregelt. Es besteht dafür gerade kein Vorbehalt des Haushaltsgesetzes.4Auch wenn es an einer ausdrücklichen Regelung für die Einnahmenerzielung fehlt, könnte sich bei umfassenden bzw. wesentlichen Veräußerungen von Bundeseigentum ein Parlamentsvorbehalt ergeben. Dies könnte aus dem Demokratieprinzip und dem Rechtsstaatsprinzip folgen. Einen allgemeinen Parlamentsvorbehalt lehnt das Bundesverfassungsgericht jedoch mit Verweis auf das 1 Kube, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz Kommentar, Art. 110 GG, Rn. 67; Heun, in: Dreier, Grundgesetz [2008], Art. 110 GG, Rn. 25; Gröpl, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 110 GG, Rn. 130. 2 Heun, (Fn. 1), Art. 110 GG, Rn. 17-18. 3 Kube, in: Maunz/Dürig, Art. 110 GG, Rn. 82; BVerfG, Beschluss vom 22. November 2011 – 2 BvE 3/08 –, BVerf GE 129, 356-376, Rn. 28. 4 So im Ergebnis auch: Pünder, in: Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 110 GG, Rn. 120. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 – 092/16 Seite 5 Gewaltenteilungsprinzip ab. Nach den Regeln der Gewaltenteilung obliegt die Verwaltung des Bundesvermögens der Exekutive und auch die Verfügung darüber unterfällt deren Zuständigkeitsbereich .5 Lediglich aus dem Prinzip des Gesetzesvorbehalts könnte ein Parlamentsvorbehalt geschlossen werden. Dies gilt jedoch nur, wenn eine Grundrechtseinschränkung vorgenommen wird, bspw. bei der Erhebung von Steuern. Bei der bloßen Veräußerung von Bundeseigentum könnte eine Grundrechtseinschränkung nur angenommen werden, wenn private Marktteilnehmer durch die Veräußerungstätigkeit des Bundes beeinträchtigt werden.6 Eine solche Beeinträchtigung von Marktteilnehmern ist bei der einmaligen Veräußerung von einzelnen Grundstücken nicht anzunehmen . Übrig bleibt jedoch das sich auch aus dem Gesetzesvorbehalt ergebende Prinzip, dass kein Handeln gegen das Gesetz zulässig ist.7 Aus dem Verfassungsrecht ergibt sich daher direkt kein Parlamentsvorbehalt. 2.2. Einfachgesetzliche Vorgaben Ein Parlamentsvorbehalt könnte sich jedoch aus einer einfachgesetzlichen Regelung ergeben. Die Verwaltung ist grundsätzlich nicht daran gehindert, Bundeseigentum zu veräußern.8 Die Veräußerung von bundeseigenen Grundstücken ist in §§ 63, 64 BHO speziell geregelt. Generell ist die Veräußerung von bundeseigenen Vermögensgegenständen nur zulässig, wenn diese für die Erfüllung der Aufgaben des Bundes in absehbarer Zeit nicht mehr erforderlich sind (§ 63 Abs. 1 BHO). Ein Parlamentsvorbehalt ist dabei speziell nicht vorgesehen. Für die Veräußerung von bundeseigenen Immobilien ist davon abweichend zusätzlich die Zustimmung des Bundesministeriums der Finanzen erforderlich (§ 64 Abs. 1 BHO). In beiden Fällen ergibt sich jedoch für die Haushaltsplanung, dass die zu erwartenden Erlöse in den Haushaltsplan eingestellt werden und so in die parlamentarische Beratung eingebracht werden können , soweit die Veräußerung vorhersehbar war. Einen Sonderfall bildet die Veräußerung von Grundstücken von erheblichem Wert oder besonderer Bedeutung. Soweit das Veräußerungsvorhaben nicht bereits im Haushaltsgesetz enthalten war und es somit zu einer parlamentarischen Beratung gekommen ist, sieht § 64 Abs. 2 S. 1 BHO eine Einwilligung durch den Bundestag und Bundesrat vor. 5 Isensee, in: Isensee, Handbuch des Staatsrechts, Bd. V, 2007, § 122, Rn. 100-101. 6 Vgl. Birk/Wernsmann, Beteiligungsrechte des Parlaments bei der Veräußerung von Staatsvermögen, DVBl 2005, 1-9, 3. 7 So im Ergebnis Birk/Wernsmann, (Fn. 6), S. 2. 8 Wernsmann, in: Gröpl, Bundeshaushaltsordnung, 2011. § 64 BHO, Rn. 11. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 – 092/16 Seite 6 2.3. Rechtliche Qualität der Einwilligung Fraglich ist, welche Wirkung der Einwilligung nach § 64 Abs. 2 S. 1 BHO zukommt. Dazu ist zunächst zu klären, in welcher Funktion der Bundestag bzw. der Bundesrat tätig wird. Die Zustimmung zu einem Veräußerungsvorhaben der Exekutive wird nicht in der Form eines Gesetzes erteilt . Es ist gerade kein Nachtragshaushalt erforderlich, sondern lediglich eine „Einwilligung“. Der Bundestag bzw. der Bundesrat werden daher nicht als Legislativorgan tätig, sondern ihren Entscheidungen kommt vielmehr eine exekutiv angenäherte Rolle zu. Ein Verzicht auf die Einwilligung ist nur in Ausnahmefällen bei zwingenden Gründen möglich. Darunter fallen u.a. Nachteile für den Bund.9 3. Auswirkungen einer fehlenden Zustimmung Daran anschließend ist zu klären, welche rechtlichen Auswirkungen eine fehlende Zustimmung bzw. eine nicht erteilte Einwilligung hat. 3.1. Gesetzliche Vorgaben Dazu ist zunächst festzustellen, dass weder das Verfassungsrecht noch die einfachgesetzlichen Normen dazu eine konkrete Regelung treffen. 3.2. Wirksamkeit des Kaufvertrages Eine abschließende Beurteilung ist ohne Kaufvertrag nicht möglich. Ab einem Wert von 15 Mio. Euro liegt ein „erheblicher Wert“ im Sinne des § 64 Abs. 2 S. 1 BHO vor.10 Es ist davon auszugehen, dass die BImA als Behörde, die an Recht und Gesetz gebunden ist, sich an die gesetzlichen Regelungen gehalten hat und in den Kaufvertrag wohl eine Bedingung oder einen Vorbehalt aufgenommen hat, nach der dieser erst mit Erteilung der entsprechenden Zustimmungen von Bundestag und Bundesrat wirksam wird. Dafür spricht auch, dass diese Zustimmungen sowohl vom Bundestag, als auch vom Bundesrat eingeholt wurden, wobei der Bundesrat die Zustimmung bisher verweigert hat. Damit dürfte der Kaufvertrag schwebend unwirksam und braucht daher auch nicht „rückabgewickelt“ zu werden. Folglich dürfte kein Grund ersichtlich sein von einem eventuell vertraglich vereinbartem Rücktrittsrecht Gebrauch zu machen . Ein Anspruch des Bundesrates hierauf ist nicht ersichtlich. Da die Bundesregierung beim Vertragsschluss im Zweifel nicht gegen die Bestimmungen des § 64 BHO verstoßen hat, besteht für den Bundesrat kein Rechtsschutzbedürfnis einen Anspruch gegen die Bundesregierung geltend zu machen. 9 Birk/Wernsmann: Beteiligungsrechte des Parlaments bei der Veräußerung von Staatsvermögen, insbesondere Unternehmensbeteiligungen, S. 7. 10 Bundesministerium der Finanzen: Rundschreiben vom 23. Februar 2016, Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Bundeshaushaltsordnung, Anlage B. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 – 092/16 Seite 7 4. Rechtsschutzmöglichkeiten Fraglich ist, welche Rechtsschutzmöglichkeiten in Betracht kommen, falls es zu einem Verstoß gegen die Regelung des § 64 Abs. 2 BHO durch die Exekutive gekommen ist. Da Beteiligte des Verfahrens auf der einen Bundestag bzw. Bundesrat und auf der anderen Seite gerade die Bundesregierung wären und damit oberste Bundesorgane, käme ein Organstreitverfahren gem. Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG in Betracht. Streitgegenstand müsste dazu Verfassungsrecht sein. Bei § 64 Abs. 2 BHO handelt es sich jedoch um eine einfachgesetzliche Regelung. Ein Organstreitverfahren scheidet aus.11 Möglich bliebe letztlich eine Feststellungsklage vor dem Verwaltungsgericht. Es handelt sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht-verfassungsrechtlicher Art i.S.d. § 40 Abs. 1 VwGO. Auch wäre die Feststellungsklage statthafte Klageart, da die Organe über das Rechtsverhältnis zwischen ihnen streiten.12 Ergebnis der Feststellungsklage wäre jedoch gem. § 43 Abs. 1 VwGO lediglich die Feststellung, ob die Vorgaben des § 64 Abs. 2 BHO zur Beteiligung erfüllt wurden. 5. Fazit Beim Verkauf von bundeseigenen Liegenschaften befinden sich Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung in einem Spannungsverhältnis. Verfassungsrechtlich sind die Verwaltung und damit auch die Veräußerung von Bundeseigentum grundsätzlich der Exekutive zugeordnet. Der Gesetzgeber hat sich jedoch dazu entschieden, für den Verkauf von besonderen bundeseigenen Immobilien sich eine besondere parlamentarische Beteiligung vorzubehalten. Kommt es zu unterschiedlichen Auslegungen der Voraussetzungen für den Verkauf von bundeseigenen Immobilien so kann letztlich nur politisch eine Lösung gefunden werden. Ende der Bearbeitung 11 so auch Birk/Wernsmann, (Fn. 6), S. 7-8. 12 s. dazu ausführlich Birk/Wernsmann, (Fn. 6), S. 7-8.