© 2019 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 090/19 Einzelfragen zur geplanten virtuellen „Währung Libra“ Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 090/19 Seite 2 Einzelfragen zur geplanten virtuellen „Währung Libra“ Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 090/19 Abschluss der Arbeit: 26. Juni 2019 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 090/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Einleitung 4 3. Rechtliche Einordnung von Kryptowährungen und „Libra“ 5 3.1. Rechtliche Einordnung virtueller Währungen aus aufsichtsrechtlicher Sicht 5 3.2. Rechtliche Einordnung von „Libra“ aus aufsichtsrechtlicher und europarechtlicher Sicht mit Bezugnahme zur Geldwäsche- Richtlinie 6 4. Mögliche Auswirkungen auf Zahlungsverkehr und Finanzstabilität 8 4.1. Zahlungsverkehr 8 4.2. Finanzstabilität 8 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 090/19 Seite 4 1. Fragestellung Diese Ausarbeitung soll die aufsichtsrechtliche Behandlung von Kryptowährungen und eine erste Einordnung von „Libra“ darstellen. Dabei sollen bereits vorhandene Ansätze und Maßnahmen diesbezüglich aufgezeigt werden. Schließlich werden potentielle Auswirkungen von „Libra“auf den Zahlungsverkehr und die Finanzstabilität thematisiert. 2. Einleitung Virtuelle Währungen existieren bereits seit einigen Jahren im Internet. Die soziale Plattform Facebook möchte bis 2020 die „Kryptowährung Libra“ auf den Markt bringen. Dazu hat die sogenannte Libra Association am 18. Juni 2019 ein Whitepaper veröffentlicht.1 Zu dem Projekt gibt es von verschiedenen Seiten bereits erste Einschätzungen.2 Namentlich hat das Projekt unter anderem folgenden Elemente: Nutzer der Facebook-Seite sollen Libra künftig nicht nur untereinander tauschen und für Käufe über das Netzwerk nutzen, sondern auch bei Transaktionen im Internet einsetzen können.3 Die angeschlossenen Händler sollen die Währung wiederum verwenden können , um Werbung bei Facebook zu schalten. Diskutiert wird aktuell noch, wie Verbraucher „Libra“ als Zahlungsmittel erhalten können. Als eine Variante wird erwogen, etwa das Betrachten von Werbespots bei Facebook oder anderer Inhalte in der Digitalwährung zu entlohnen, oder bei Einkäufen von Nutzern über das Netzwerk.4Außerdem soll es gegebenenfalls möglich sein, Euro, Dollar oder Yen in digitale „Libra“-Coins umtauschen zu können. So soll von einem herkömmlichen Bankkonto Geld an die digitale Facebook-Brieftasche „Calibra“ überwiesen werden können, um so im Gegenzug „Libra“-Coins zu erhalten.5 Als „Geld des Internets“ soll der Facebook-Coin weltweit und von jedem mit Zugang zum Internet eingesetzt werden können, um so Zahlungsvorgänge global zu ermöglichen beziehungsweise 1 Mitglieder der Libra Association: Einführung in Libra – Whitepaper, deutsche Übersetzung veröffentlicht von der Neuen Zürcher Zeitung unter: https://files.static-nzz.ch/2019/6/18/b93a15f0-9eb2-455e-b5cb- 13e02498d6bf.pdf, abgerufen am 26. Juni 2019. 2 Beispielhaft siehe Grundlehner, Werner; Fischer, Peter A.: Fragen und Antworten zum neuen «Facebook-Coin», Neue Zürcher Zeitung vom 18. Juni 2019, unter: https://www.nzz.ch/finanzen/fragen-und-antworten-zur-neuenweltwaehrung -ld.1489705. Zimmermann, Guido: Die Facebook-CoinLibra: Eine erste Einschätzung, Landesbank Baden-Württemberg, 25. Juni 2019, unter: https://www.lbbw.de/konzern/news-and-services/medien-center /presseinfos/2019/20190625_lbbw_research_facebook_coin_m.pdf. Beides abgerufen am 26. Juni 2019. 3 Ts/AFP/rtr: „Bundesbank warnt vor Facebook-Währung Libra“, 24. Juni 2019, unter: https://boerse.ard.de/anlageformen /kryptowaehrungen/bundesbank-warnt-vor-facebook-waehrung-libra100.html, abgerufen am 25. Juni 2019. 4 Deutsche Presse-Agentur: „Projekt „Libra“: Facebook soll eigene Kryptowährung entwickeln“, 3. Mai 2019, unter : https://www.heise.de/newsticker/meldung/Projekt-Libra-Facebook-soll-eigene-Kryptowaehrung-entwickeln -4412332.html, abgerufen am 24. Juni 2019. 5 Gojdka, Victor: „Das Welt-Geld“, in Süddeutsche Zeitung vom 21. Juni 2019, Seite 15 bis 18. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 090/19 Seite 5 zu vereinfachen. Dies geschieht ohne Intermediäre unmittelbar zwischen dem Sender und Empfänger der Coins.6 Ziel des Projekts ist es, einen sogenannten „stable coin“ auf Basis eines dezentralen Systems bereitzustellen , der durch Bankeinlagen und Staatsanleihen besichert ist. „Libra“ soll daher nicht allein an den amerikanischen Dollar oder eine andere traditionelle Währung gekoppelt sein, sondern an einen Korb aus stabilen, finanziellen Vermögensgegenständen, wie beispielsweise Staatsanleihen . Diese Sachwerte werden auch „Libra-Reserven“ genannt. Das ist ein Unterschied zu den meisten klassischen Kryptowährungen, wie „Bitcoin“, die nicht durch Sachwerte besichert sind.7 Die „Libra“-Reserve soll durch die „unabhängige“ „Libra“-Association, eine nicht gewinnorientierte , gemeinnützige Mitgliederorganisation mit Sitz in der Schweiz verwaltet werden. Der „Libra“-Association obliegt die Steuerung des Netzwerks und der Betrieb der Blockchain. Nur die „Libra“-Association ist berechtigt, neue „Libra“ zu schaffen. Sogenannte „autorisierte Wiederverkäufer “ sollen laut Facebook jederzeit „Libra“ zu einem bestimmten Preis an die Association verkaufen können. Damit würde die „Libra“-Association wie eine Zentralbank fungieren, wobei allerdings neue Coins nur dann geschaffen werden sollen, wenn diese durch die Wiederverkäufer mit genügend Zahlungsmitteln gekauft werden.8 3. Rechtliche Einordnung von Kryptowährungen und „Libra“ 3.1. Rechtliche Einordnung virtueller Währungen aus aufsichtsrechtlicher Sicht Eine eindeutige aufsichtsrechtliche Einordnung gestaltet sich aktuell angesichts der vielen Varianten aber vor allem aufgrund der Neuheit der Kryptowährungen noch als schwierig. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) hat diesbezüglich ein Hinweisschreiben zur aufsichtsrechtlichen Einordnung von Token, Kryptowährungen und den dazugehörigen ICOs, sowie einen Beitrag zu Currency Token veröffentlicht.9 Hier stellt die BaFin fest, dass je nach Ausgestaltung des Tokens ein Finanzinstrument im Sinne des § 2 Abs. 4 Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) 6 Oppenheim, Robert: „Die Kryptowährung Libra – Facebooks Angriff auf das Bankensystem“, 22. Juni 2019, unter : https://blog.lindenpartners.eu/die-kryptowaehrung-libra-facebook/, abgerufen am 25. Juni 2019. 7 Sandner, Phillip; Gross, Jonas; Bekemeier, Felix: „Facebook Coin: Eine Kryptowährung für Hunderte Millionen Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern“, 20. Juni 2019, unter: https://medium.com/@philippsandner /facebook-coin-eine-kryptowährung-für-hunderte-millionen-menschen-in-entwicklungs-und-f8c2417a8028, abgerufen am 25. Juni 2019. 8 Oppenheim, Robert, „Die Kryptowährung Libra – Facebooks Angriff auf das Bankensystem“, zu finden unter: https://blog.lindenpartners.eu/die-kryptowaehrung-libra-facebook/, 22.6.2019, abgerufen am 25.6.2019. 9 Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht: Initial Coin Offerings: Hinweisschreiben zur Einordnung als Finanzinstrumente, 20. Februar 2019, abrufbar unter: https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Merkblatt /WA/dl_hinweisschreiben_einordnung_ICOs.html?nn=7847010. Weiterführende Informationen: Fußwinkel, Oliver; Kreiterling, Christoph (Referat Finanztechnologische Innovationen , Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht): Blockchain-Technologie – Gedanken zur Regulierung, 1. August 2018, unter: https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/BaFinPerspektiven /2018/bp_18-1_Beitrag_Fusswinkel.html. Beides abgerufen am 26. Juni 2019. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 090/19 Seite 6 oder ein Wertpapier gemäß § 2 Nr. 1 Wertpapierprospektgesetz (WpPG) vorliegt. Das hätte zur Folge, dass die jeweiligen aufsichtsrechtlichen Vorschriften auf die Marktteilnehmer Anwendung finden würden. Die BaFin könnte im Falle eines Verstoßes, die im Zusammenhang mit Token stehenden Geschäfte oder Vorhaben untersagen. Neben der Einordnung eines Token als Finanzinstrument oder Wertpapier ordnet die BaFin virtuelle Währungen (Coins oder Currency Token wie „Bitcoin“) als Rechnungseinheit im Sinne des § 1 Abs. 11 S. 1 Nr. 7 Kreditwesengesetz (KWG) ein. Diese Einordnung gilt grundsätzlich für alle virtuellen Währungen, und ist bis zu einer gerichtlichen Entscheidung auch zu befolgen. Zwar existiert bereits eine gerichtliche Entscheidung des Berliner Kammergerichts, dass „Bitcoin“ gerade keine Rechnungseinheit im Sinne des KWG ist. Dieses Urteil bezieht sich allerdings auf ein Strafverfahren, weswegen die BaFin an ihrer bisherigen finanzregulatorischen Praxis festhält. Die Folge ist, dass der gewerbliche Handel mit virtuellen Währungen ein Bankgeschäft im Sinne des KWG ist und gemäß § 32 Abs. 1 KWG unter Erlaubnisvorbehalt steht.10 3.2. Rechtliche Einordnung von „Libra“ aus aufsichtsrechtlicher und europarechtlicher Sicht mit Bezugnahme zur Geldwäsche-Richtlinie Hinsichtlich der von Facebook angestrebten virtuellen „Währung Libra“ ist eine aufsichtsrechtliche Einordnung zunächst schwierig, da diese von der tatsächlichen Umsetzung abhängt. „Libra“ kann zunächst grundsätzlich als Geld qualifiziert werden, da es die drei Funktionen des Geldes, nämlich Zahlungsmittel, Tauschmittel und Wertaufbewahrungsmittel erfüllt. Den rechtlichen Status von Geld oder gar einer Währung wird „Libra“ indes wohl nicht aufweisen. Obwohl „Libra“ mit realen Vermögensgegenständen besichert ist, klassifiziert sich der Token dennoch als Kryptowährung, im Einzelnen als „Payment Token“.11 „Libra“ könnte so als E-Geld im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 3 Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG), als Finanzmittel in Form einer Rechnungseinheit im Sinne des § 1 Abs. 11 S. 1 Nr. 7 KWG (im Einklang mit dem Hinweisschreiben und der gängigen Praxis der BaFin) oder gar als „Kryptowert “ eingestuft werden, ein nach den Plänen des Bundesfinanzministerium voraussichtlich ab Januar 2020 neuer Tatbestand eines Finanzinstruments.12 Dies folgt aus dem Referentenentwurf des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) zur Umsetzung der Änderungsrichtlinie zur 4. EU- Geldwäscherichtlinie (Richtlinie 2018/843), der über die Umsetzung der europarechtlichen Vorgaben hinaus Regelungen zu Kryptowerten enthält. So wird in § 1 Abs. 11 S. 4 Kreditwesengesetz -Entwurf (KWG-E) der Begriff „Kryptowert“ definiert und in die Definition des Finanzinstruments einbezogen, erweitert also diesen Begriff. Dies gilt, soweit die Kryptotoken nicht bereits 10 Scholz, Johannes: „Kryptowährungen – Zahlungsmittel, Spekulationsobjekt oder Nullum?“ in: Beiträge zum transnationalen Wirtschaftsrecht, Heft 162, Mai 2019. 11 Sandner, Phillip; Gross, Jonas; Bekemeier, Felix: „Facebook Coin: Eine Kryptowährung für Hunderte Millionen Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern“, 20. Juni 2019, unter: https://medium.com/@philippsandner /facebook-coin-eine-kryptowährung-für-hunderte-millionen-menschen-in-entwicklungs-und-f8c2417a8028, abgerufen am 25. Juni 2019. 12 Oppenheim, Robert: „Die Kryptowährung Libra – Facebooks Angriff auf das Bankensystem“, 22. Juni 2019, unter : https://blog.lindenpartners.eu/die-kryptowaehrung-libra-facebook/, abgerufen am 25. Juni 2019. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 090/19 Seite 7 aus einem anderen Grund Finanzinstrumente sind. Das Finanzinstrument des Kryptowerts ist somit als Auffangtatbestand konzipiert.13 Durch die Einführung der Definition von Kryptowerten soll die vom Kammergericht Berlin mit Urteil vom 25.9.2018 in Zweifel gezogene Verwaltungspraxis der BaFin, Bitcoins und andere virtuellen Währungen als Finanzinstrumente im Sinne des KWG zu qualifizieren, gesetzlich festgeschrieben werden. Gemäß § 1 Abs. 11 Nr. 4 KWG-E sollen Kryptowerte im Sinne des Kreditwesengesetzes „digitale Darstellungen eines Wertes sein, der von keiner Zentralbank oder öffentlicher Stelle emittiert wurde oder garantiert wird und nicht den gesetzlichen Status einer Währung oder von Geld besitzt , aber von natürlichen oder juristischen Personen aufgrund einer Vereinbarung oder tatsächlicher Übung als Tausch- oder Zahlungsmittel akzeptiert wird oder Anlagezwecken dient und der auf elektronischem Wege übertragen, gespeichert und gehandelt werden kann“. Ob „Libra“ diesen Kriterien gerecht wird und künftig als „Krypowert“ eingestuft wird, ist aufgrund der derzeit noch offenen Details der Ausgestaltung fraglich, erscheint aber durchaus möglich . Als Folge würde auch „Libra“ in den Anwendungsbereich des (dann neu gefassten) KWG fallen und dem Erlaubnisvorbehalt des § 32 Abs. 1 KWG unterliegen. Dieser ist wiederum an mehrere Bedingungen geknüpft, wie beispielsweise das Erfordernis von mindestens zwei Geschäftsleitern , die über die hinreichende fachliche Eignung zur Leitung des Unternehmens verfügen sowie zuverlässig sind, oder das sich der Sitz des Unternehmens in Deutschland befindet. Die Änderungsrichtlinie zur 4. EU-Geldwäscherichtlinie bezieht ferner die Anbieter von elektronischen Geldbörsen in den Kreis der geldwäscherechtlich Verpflichteten mit ein. Diese Anforderung setzt der Referentenentwurf indes so um, dass die Erbringer des „Kryptoverwahrgeschäfts“ nicht – entsprechend der europäischen Vorgaben – gesondert als Verpflichtete im Sinne des Geldwäschegesetz (GWG) aufgenommen werden, sondern als Finanzdienstleistungsinstitute qualifiziert werden und somit in den Anwendungsbereich des GWG und des KWG fallen.14 Somit erfordert die Verwahrung von „Libra“-Token die Einhaltung dieser regulatorischen Vorgaben. Demnach müsste ein Unternehmen, das „Libra“-Token hält (in Deutschland ab dem 1.1.2020), eine Lizenz der BaFin im Sinne des § 32 Abs. 1 KWG besitzen. Dies gilt im Übrigen im Hinblick auf alle virtuellen Währungen, die in den Anwendungsbereich des KWG fallen. Handelt ein Unternehmen gewerblich mit solchen Währungen, unterliegt es grundsätzlich der Aufsicht der BaFin. Gewerblich handelt ein Unternehmen dann, wenn die Tätigkeit nach außen gerichtet, selbständig, planmäßig, auf Dauer sowie mit Gewinnerzielungsabsicht durchgeführt wird. Wann technische Dienstleister aufsichtsrechtlich der BaFin unterliegen, richtet sich demnach - abhängig vom Einzelfall - nach der Frage, ob die gehandelten Währungen dem KWG unterfallen und dies in gewerbsmäßiger Art und Weise geschieht. 13 Schindele, Matthäus: „Kryptowerte: Neue Regulierung von Bitcoin & Co“, 18. Juni 2019, unter: https://paytechlaw .com/kryptowerte/, abgerufen am 25. Juni 2019. 14 Gringel, Dr. Christoph: „Kommt die Erlaubnispflicht für die Verwahrung von Kryptowerten?“, 6. Juni 2019, unter : https://www.heuking.de/de/news-events/fachbeitraege/kommt-die-erlaubnispflicht-fuer-die-verwahrungvon -kryptowerten.html, abgerufen am 25. Juni 2019. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 090/19 Seite 8 4. Mögliche Auswirkungen auf Zahlungsverkehr und Finanzstabilität 4.1. Zahlungsverkehr Angesichts der Tatsache, dass nach aktuellen Zahlen 2,7 Milliarden Menschen Facebook, Instagram , WhatsApp oder den Facebook-Messenger nutzen, bietet sich für Facebook die Möglichkeit, mit „Libra“ einen riesigen Kundenkreis zu erreichen. Hinsichtlich des Zahlungsverkehrs besteht für herkömmliche Zahlungsabwickler die Problematik , dass sie im System der Bezahlung mit Kryptowährungen, in dem Coins per Smartphone direkt zwischen den Parteien übermittelt werden, überflüssig werden könnten. Aus diesem Grund gehören auch Zahlungsdienstleister wie PayPal, Mastercard oder Stripe zu den Gründungsmitgliedern von „Libra“ und der „Libra Association“. „Libra“ hat aber auch das Potential, Transaktionsgebühren erheblich zu senken. Gebühren könnten hier vor allem bei grenzüberschreitenden Transaktionen gespart werden. Intermediäre verlangen heute häufig ca. 10 % des Transaktionsvolumens als Gebühren. Durch die Senkung dieser Gebühren durch Transaktionen virtueller Währungen ohne Intermediäre könnte nach Aussagen der Libra Association die finanzielle Inklusion von Ländern und Menschen (vorwiegend aus Schwellen- und Entwicklungsländern) verbessert werden. Aktuell sind laut Facebook etwa 1,7 Milliarden Menschen mangels Zugangs zu einem Bankkonto und entsprechenden Transaktionsmöglichkeiten vom globalen Finanzsystem ausgeschlossen . Zwei Drittel davon besäßen jedoch ein Mobiltelefon mit Internetzugang, weswegen „Libra“ eine Infrastruktur schaffen könnte, um Zahlungen per Smartphone durchzuführen.15 4.2. Finanzstabilität Anders als bestehende Kryptowährungen wie Bitcoin, Ether und Co., die sich bislang nicht als echte Alternative zu herkömmlichen Währungen im Zahlungsverkehr durchsetzen konnten, soll dem „Libra“ ein „intrinsischer Wert“ verliehen werden. Um die Kurs-Volatilität deutlich zu verringern , soll der „Libra“ durch eine Währungsreserve („Libra“-Reserve) gestützt werden, die aus Einlagen und kurzfristigen Staatsanleihen besteht. Im Unterschied zu vergleichbaren „Stable Coins“ ist der „Libra“ aber nicht an eine bestimmte (einzelne) Währung gekoppelt. Der Wechselkurs in staatliche Währungen könnte daher in Abhängigkeit von der Wertentwicklung der „Libra“-Reserve schwanken, die Volatilität wäre aufgrund der ausgewählten Vermögenswerte jedoch gering. Die dadurch geschaffene Preisstabilität könnte Vertrauen der Nutzer in den langfristigen Wert des „Libra“ herstellen. Dieses System würde dann der Einführung staatlicher Währungen ähneln, bei denen Notenbanken (Zentralbanken) garantierten, dass von ihnen ausgegebene Banknoten gegen Gold eingetauscht werden können (Goldstandard). So ist es Aufgabe der Zentralbanken , die entsprechenden Goldreserven vorzuhalten, um Einlöseverpflichtungen aus herausgegebenen Banknoten nachkommen zu können. In den Stabilitätsreserven sollen auch Staatsanleihen liegen. Je mehr Nutzer „Libra“ für sich gewinnen kann, desto mehr würden diese für die virtuelle Währung ausgeben und desto mehr 15 Sandner, Phillip; Gross, Jonas; Bekemeier, Felix: „Facebook Coin: Eine Kryptowährung für Hunderte Millionen Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern“, 20. Juni 2019, unter: https://medium.com/@philippsandner /facebook-coin-eine-kryptowährung-für-hunderte-millionen-menschen-in-entwicklungs-und-f8c2417a8028, abgerufen am 25. Juni 2019. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 090/19 Seite 9 Staatsanleihen würde die „Libra“-Association auch aufkaufen. Die „Libra“-Association könnte so zu einem wichtigen Gläubiger vieler Staaten werden. Da Staatsanleihen letztlich Schuldscheine eines Landes sind, könnte die Association umso je mehr sie davon besitzt desto mehr Druck auf den Haushalt oder sogar die Gesetzgebung des Landes ausüben. Dies dürfte insbesondere Entwicklungs - und Schwellenländer betreffen. Ab einer bestimmten Anlagesumme, die „Libra“ systemrelevant machen würde, müssten die Staaten eingreifen, um „Libra“ im Notfall mit Steuergeldern vor dem Zusammenbruch zu retten, da andernfalls alle „Libra“-Nutzer ihr Geld verlieren würden.16 Darüber hinaus ist denkbar, dass Facebook mit der neuen Währung die Tektonik der Finanzsysteme in den betreffenden Ländern verschieben könnte. Sollten Bürger in Ländern mit Weichwährungen (als Weichwährung wird ein nationales Zahlungsmittel bezeichnet, wenn es im internationalen Vergleich eine überdurchschnittlich hohe Inflationsrate aufweist (innere Stabilität) und wenn der Wechselkurs sich gegenüber den führenden Währungen ständig verschlechtert (Außenwert )) in großen Mengen Geld in den „Libra“ investieren, könnte der Kurs der Landeswährung entsprechend einbrechen. Gleichzeitig würden spiegelbildlich die herkömmlichen Preise in die Höhe schießen. Eine Kontrolle dieser Inflation könnte unter Umständen für die Finanzpolitik der Staaten eine große Herausforderung darstellen.17 Neben einer möglichen Kapitalflucht aus Währungen wird auch das Risiko gesehen, dass das massenhafte Horten von „Libra“ in den virtuellen Geldbörsen die Banken in ihren Grundfesten erschüttern könnte. "Wenn Banken keine Einlagen mehr einsammeln, könnten sie auch keine Kredite mehr an Häuslebauer oder Unternehmer vergeben."18 Besonders starke Implikationen für die Finanzstabilität wären schließlich zu erwarten, „wenn Finanzinstitute oder Fonds Krypto-Token direkt oder indirekt in ihren Bilanzen halten. Im Fall einer unmittelbaren Anlage in Krypto-Token zum Beispiel könnten starke Preisschwankungen oder Liquiditätsengpässe zu Panikverkäufen und hohen Verlusten führen. Die Stabilität des Finanzsystems als Ganzes könnte dann beeinträchtigt werden. … Wenn sie in großem Maße mit Krypto- Token besicherte Kredite an Haushalte vergeben, wären sie indirekt potenziellen Verwerfungen auf dem Markt für Krypto-Token ausgesetzt. Wären sehr viele Haushalte von starken Kursverlusten betroffen, können vermehrt Kredite ausfallen – mit potenziell hohen Verlusten im Finanzsektor .“19 **** 16 Sackmann, Christoph: „Bundesbank warnt bereits vor Libra: Wie gefährlich ist Facebooks neue Weltwährung?“ in Focus Online Money, 25 Juni 2019, abgerufen am 25. Juni 2019. 17 Gojdka, Victor: „Das Welt-Geld“, in Süddeutsche Zeitung vom 21. Juni 2019, Seite 15 bis 18. 18 Wuermeling. Joachim, Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank, in: Klemm, Thomas: Facebooks Angriff auf die Finanzwelt, FAZ-Sonntagszeitung vom 23. Juni 2019, Seite 25. 19 Deutsche Bundesbank: Krypto-Token: aktuelle Entwicklungen und ihre Implikationen für die Finanzstabilität, in: Geschäftsbericht 2018, Seite 27ff.