© 2017 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 089/17 Vermögensteuer: Positionen politischer Akteure in Deutschland, Schätzung des Aufkommens und Stand in Europa Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 089/17 Seite 2 Vermögensteuer: Positionen politischer Akteure in Deutschland, Schätzung des Aufkommens und Stand in Europa Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 089/17 Abschluss der Arbeit: 16. November 2017 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 089/17 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Vorbemerkung 4 3. Positionen der Parteien 4 3.1. Christlich Demokratische Union (CDU) und Christliche Soziale Union (CSU) 4 3.2. Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) 4 3.3. Alternative für Deutschland (AfD) 5 3.4. Freie Demokratische Partei (FDP) 5 3.5. DIE LINKE. 5 3.6. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 6 4. Positionen von Interessenverbänden 6 4.1. Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft 6 4.2. Stiftung Familienunternehmen 7 4.3. Bund der Steuerzahler 9 5. Positionen der Gewerkschaften 9 5.1. Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) 9 5.2. Deutsche Steuer-Gewerkschaft (DSTG) 11 6. Vermögensteuer in Europa 12 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 089/17 Seite 4 1. Fragestellung Zum Thema Wiedereinführung der Vermögensteuer wird um die Beantwortung der folgenden Fragen gebeten: 1) Wie lauten die aktuellen Positionen der Parteien, Verbände und Gewerkschaften ? 2) Gibt es Zahlen bezüglich des zu erwartenden Einnahmevolumens für die Bundesländer, jeweils bezogen auf die in der Diskussion befindlichen Vermögensteuersätze? 3) In welchen europäischen Ländern gibt es vergleichbare Steuern (Steuersätze, Einnahmen, Folgeabschätzungen)? 2. Vorbemerkung Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat am 22. Juni 1995 beschlossen, dass das Vermögensteuergesetz einheitswertgebundenes Vermögen und nicht einheitswertgebundenes Vermögen unterschiedlich belastet und damit gegen den Gleichheitssatz Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz (GG) verstößt.1 Weil der Gesetzgeber keine Neuregelung der Vermögensteuer vorgenommen hat, ist eine Erhebung der Vermögensteuer seit 1. Januar 1997 nicht mehr möglich.2 In der nachfolgenden Zusammenstellung sind, soweit öffentlich zugänglich, aktuelle Stellungnahmen zu einer Wiedererhebung oder Reform der Vermögensteuer zusammengetragen. Die Aussagen stammen insbesondere aus dem Vorfeld der Bundestagswahl 2017, einige beziehen sich aber auch auf frühere Vorstöße, die Vermögensteuer wieder zu erheben beziehungsweise zu reformieren . Sofern Aussagen zum erwartenden Aufkommen aus der Vermögensteuer gemacht wurden , sind diese im Text vermerkt. 3. Positionen der Parteien Zusammengestellt sind die Haltungen der im 19. Deutschen Bundestag vertretenen Parteien. 3.1. Christlich Demokratische Union (CDU) und Christliche Soziale Union (CSU) „Die Wiedereinführung der Vermögensteuer schließen wir aus.“3 3.2. Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) In dem Papier „FAQ – Finanzkonzept der SPD“, herausgegeben von SPD-Parteivorstand am 22. Juni 2017 heißt es unter der Überschrift „Warum steht im Finanzkonzept nichts über die Vermögensteuer “: „…Bei einer Wiedererhebung müssten zunächst ungelöste juristische Fragen, etwa 1 Bundessteuerblatt 1995 – Teil II, Seite 655. 2 Bundesministerium der Finanzen: Steuern von A bis Z, Stand Mai 2017, Seite 164, unter: http://www.bundesfinanzministerium .de/Content/DE/Downloads/Broschueren_Bestellservice/2017-09-04-steuern-von-az .pdf?__blob=publicationFile&v=15, abgerufen am 15. November 2017. 3 CDU und CSU: Regierungsprogramm 2017 – 2021, Seite 34, unter: https://www.cdu.de/system/tdf/media/dokumente /170703regierungsprogramm2017.pdf?file=1&type=field_collection_item&id=9932, abgerufen am 10. November 2017. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 089/17 Seite 5 bezüglich der Gleichbehandlung der Vermögensarten oder der Abgrenzung von Privat- und Betriebsvermögen , beantwortet werden. Zudem sollten in diesem Zusammenhang ausstehende Gerichtsurteile , insbesondere das zur Grundsteuer, berücksichtigt werden. …“4 Anträge zur Vermögensteuer, die auf dem außerordentlichen Bundesparteitag der SPD im Juni 2017 gestellt wurden, hat der Parteitag an die „Kommission Vermögensbesteuerung beim Parteivorstand “ überwiesen.5 3.3. Alternative für Deutschland (AfD) „Die AfD ist für eine Abschaffung der Erbschaftsteuer als Substanzsteuer und gegen die Reaktivierung der Vermögensteuer. Intakte Familien denken und leben in Generationenzusammenhängen . Die Übergabe von Vermögen – auch und gerade in Unternehmen gebundenes – ist Privatangelegenheit und darf nicht dem Staatszugriff ausgesetzt werden.“6 3.4. Freie Demokratische Partei (FDP) „Wir Freie Demokraten wollen, dass sich Sparen und Vermögensaufbau lohnen. Ein nachhaltiger Umgang mit Vermögen ist gut: für jeden einzelnen Bürger und jede einzelne Bürgerin, ihre Familien und die Gesellschaft. Die Weitergabe von erarbeitetem Eigentum und Vermögen und die Fortführung von Familienunternehmen darf durch steuerliche Regelungen nicht behindert werden . Anstrengung muss sich lohnen. Für Unternehmen ist eine Besteuerung der Unternehmenssubstanz schädlich. Deshalb lehnen wir eine Wiedereinführung der Vermögensteuer und eine weitere Verschärfung der Erbschaftsteuer ab.“7 3.5. DIE LINKE. „Wir wollen, dass Vermögen ab einer Million Euro mit fünf Prozent besteuert werden. Die erste Million ist davon freigestellt. Betriebsnotwendiges Vermögen kann bis fünf Millionen freigestellt werden. Wir stellen sicher, dass Privatvermögen nicht in Betriebsvermögen »versteckt« wird und dass Betriebsvermögen in ausländischem Eigentum ebenso besteuert wird wie inländische Eigentümer . Eine solche Vermögensteuer würde 80 Milliarden Euro Mehreinnahmen im Jahr bringen. 4 SPD-Parteivorstand: FAQ – Finanzkonzept der SPD, 22. Juni 2017, unter: https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente /Sonstiges__Papiere_et_al_/Finanzkonzept_FAQ.pdf, abgerufen am 16. November 2017. 5 SPD: Beschlüsse des außerordentlichen Parteitags vom 25. Juni 2017 in Dortmund, siehe Seite 3ff. und Seite 162 bis 166, unter: https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Beschluesse/Bundesparteitag/Beschlussbuch _25.Juni_2017_ao_BPT_Dortmund.pdf, abgerufen am 16. November 2017. 6 AfD: Programm für Deutschland, Seite 51, unter: https://www.afd.de/wp-content/uploads/sites /111/2017/06/2017-06-01_AfD-Bundestagswahlprogramm_Onlinefassung.pdf, abgerufen am 10. November 2017. 7 FDP: Unser Programm zur Bundestagswahl, Kapitel: Politik, die rechnen kann, Abschnitt: Faire Balance zwischen Bürger und Staat, unter: https://www.fdp.de/wp-modul/btw17-wp-a-167, abgerufen am 10. November 2017. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 089/17 Seite 6 … Für die Entwicklung der Regionen brauchen wir dringend die Einnahmen aus einer Vermögensteuer , deren Aufkommen durch einen solidarischen Länderfinanzausgleich auf alle Bundesländer verteilt wird: …“8 3.6. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Auch Vermögende können mehr zu unserem Gemeinwesen beitragen. Wir GRÜNE wollen eine verfassungsfeste, ergiebige und umsetzbare Vermögensteuer für Superreiche. Selbstverständlich legen wir dabei besonderen Wert auf den Erhalt von Arbeitsplätzen und die Innovationskraft von Unternehmen.“9 4. Positionen von Interessenverbänden 4.1. Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft Am 12. Juni 2013 gaben die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft eine gemeinsame Erklärungen mit dem Titel „Vermögensteuer/Vermögensabgabe: Gefahr für den Standort Deutschland“ ab und kommen zu folgendem Fazit:10 „(1) Die Wiedereinführung der Vermögensteuer bzw. einer Vermögensabgabe belastet massiv die gesamtwirtschaftliche Entwicklung. Sie gefährdet den Bestand von Unternehmen und Arbeitsplätzen . (2) Die Wiedereinführung der Vermögensteuer bzw. einer Vermögensabgabe führt zu einem Wettbewerbsnachteil des Standortes Deutschland. Sie geht zulasten von Innovationen und Zukunftsinvestitionen . (3) Die Wiedereinführung der Vermögensteuer bzw. einer Vermögensabgabe führt zu einer unverhältnismäßigen zusätzlichen Bürokratiebelastung. Dies belastet Steuerpflichtige und Finanzverwaltung . (4) Vermögensteuer und Vermögensabgabe sind verfassungsrechtlich äußerst zweifelhaft. 8 DIE LINKE.: Wahlprogramm der Partei DIE LINKE zur Bundestagswahl 2017, Seiten 37 und 64, unter: https://www.die-linke.de/fileadmin/download/wahlen2017/wahlprogramm2017/die_linke_wahlprogramm _2017.pdf, abgerufen am 10. November 2017. 9 BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Bundestagswahlprogramm 2017, Seite 194, unter: https://www.gruene.de/fileadmin /user_upload/Dokumente/BUENDNIS_90_DIE_GRUENEN_Bundestagswahlprogramm_2017_barrierefrei.pdf, abgerufen am 10. November 2017. 10 Zu den Unterzeichnern gehören: Bundesverband der Deutschen Industrie e.V., Deutscher Industrie- und Handelskammertag e.V., Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände e. V., Zentralverband des Deutschen Handwerks e. V., Bundesverband deutscher Banken e.V., Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V., Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen e.V., Handelsverband Deutschland - HDE e.V. Die gemeinsame Erklärung ist abrufbar unter: https://www.zdh.de/fileadmin/user_upload/Positionspapiere /Steuer/Gemeinsame_Pressemitteilung_Vermoegensteuer.pdf, abgerufen am 13. November 2017. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 089/17 Seite 7 (5) Bund und Länder haben kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem: Statt neue Steuern zu Lasten der Unternehmen einzuführen, sind eine Analyse und Reduzierung der Ausgabenstruktur sowie überfällige Strukturreformen bei den bestehenden Steuern notwendig.“ 4.2. Stiftung Familienunternehmen Die Stiftung Familienunternehmen hat das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) beauftragt, die Wirkung einer Vermögensteuer oder -abgabe unter anderem auf die Investitionsbedingungen und das Eigenkapital zu untersuchen. Die Ergebnisse der Studie aus dem Juni 2013 sind in folgenden Thesen zusammengefasst:11 „(1) Wichtige Motive für Einkommensteuererhöhungen und eine Revitalisierung der Vermögensbesteuerung seitens der Oppositionsparteien in Deutschland sind die Generierung zusätzlicher Steuereinnahmen zum Schuldenabbau und der Wunsch nach mehr Umverteilung. (2) Ein Verweis auf die OECD-Vermögensteuerstatistik liefert keine belastbaren Belege für eine im internationalen Vergleich niedrige Vermögensteuerbelastung in Deutschland. Die OECDStatistik grenzt nicht genau zwischen Steuern und Abgaben ab und zeigt Ungenauigkeiten bei der Erfassung von Vermögensteuern. Richtig ist vielmehr ausschließlich, dass in Deutschland im OECD- Vergleich Grundvermögen unterdurchschnittlich, Erbschaften und Schenkungen dagegen überdurchschnittlich hoch besteuert werden. (3) Sowohl die Wiederbelebung der Vermögenbesteuerung als auch eine Verschärfung der Erbschaftsteuer in Deutschland steht den Entwicklungen in der internationalen Besteuerungspraxis entgegen. Erstens ist zu konstatieren, dass eine allgemeine Vermögensteuer im internationalen Vergleich kaum verbreitet ist, sondern vielmehr eine generelle Rückführung der Vermögensbesteuerung im Zeitablauf festzustellen ist. Zweitens wiederspräche auch eine Stärkung der Erbschaft - bzw. Schenkungsteuer dem internationalen Trend. Mehrheitlich ist auch hier eine Tendenz zur Rückführung einer solchen Belastung festzustellen. Drittens kann festgehalten werden, dass in kaum einem der Vergleichsländer Vermögensteuern sowie Erbschaft- und Schenkungsteuern nebeneinander erhoben werden. Schließlich ist viertens festzuhalten, dass Betriebsvermögen einschließlich Beteiligungen an Kapitalgesellschaften mehrheitlich von einer Vermögensteuer sowie Erbschaft- und Schenkungsteuer im internationalen Vergleich verschont bleiben. Im Ergebnis könnte sich somit eine Wiedereinführung einer allgemeinen Vermögensbesteuerung, sei es in Form einer jährlichen Vermögensteuer oder in Form einer einmaligen Vermögensabgabe, in Deutschland negativ auf die steuerliche Standortattraktivität auswirken. 11 Stiftung Familienunternehmen: Die Folgen von Substanzsteuern für Familienunternehmen, Staat und Gesellschaft , Juni2013, Seite 97f., unter: http://www.familienunternehmen.de/de/pressebereich/meldungen /2013/2013-06-11/stiftung-familienunternehmen-veroeffentlicht-studie-ueber-folgen-von-substanzsteuerndie -vermoegensteuer-nagt-am-eigenkapital, abgerufen am 14. November 2017. Nach Angaben der Stiftung sind 91 Prozent aller deutschen Unternehmen familienkontrollierte Unternehmen. Sie erzielten 55 Prozent der Umsätze und stellten ca. 57 Prozent aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse. Familienkontrollierte Unternehmen werden nach einer Definition von einer überschaubaren Anzahl von natürlichen Einzelpersonen kontrolliert. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 089/17 Seite 8 (4) Eine Vermögensteuer kann in Kombination mit den Ertragsteuern und der Erbschaftsteuer in die Vermögenssubstanz eingreifen und konfiskatorische Wirkungen entfalten. Die derzeit historisch niedrigen Referenzzinssätze verschärfen dieses Problem. (5) Die quantitative Analyse der Reformkonzepte zur Wiedereinführung einer Vermögensteuer bzw. Vermögensabgabe ergibt, dass diese sowohl für Kapital- als auch für Personengesellschaften mit erheblichen steuerlichen Mehrbelastungen verbunden wären. Die höchsten Mehrbelastungen wären bei Umsetzung der Reformüberlegungen von Die Linke zu erwarten, am moderatesten wirken sich die Pläne der SPD aus. Die Ergebnisse bestätigen sich auch bei Variation zentraler Einflussfaktoren der effektiven Steuerbelastung. Es zeigt sich zudem, dass der mit den Reformkonzepten verbundene Belastungsnachteil im Fall einer Krisensituation, in der die Erträge zeitweilig zurückgehen und die Zinssätze für Fremdkapital ansteigen, noch weiter zunehmen kann. Eine Besteuerung des Vermögens wirkt sich folglich tendenziell krisenverschärfend aus. Zudem bleibt festzustellen, dass die Reformkonzepte jeweils eine erhebliche Verschlechterung im Belastungsranking der EU-Staaten implizieren würden und folglich von einer deutlichen Reduktion der steuerlichen Standortattraktivität Deutschlands auszugehen wäre. (6) Eine Vermögensteuer in Deutschland setzt Anreize zur Verlagerung von Betriebs- und Privatvermögen ins Ausland. Durch die Errichtung von Holdingstrukturen im Ausland und die Fremdfinanzierung deutscher Unternehmen kann das in Deutschland steuerpflichtige Vermögen weiter reduziert werden. Durch derartige Ausweichhandlungen vermindert sich gleichzeitig die Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer und Gewinnsteuern in Deutschland. (7) Eine Vermögensteuer setzt schließlich Anreize zur Wohnsitzverlagerung ins Ausland. (8) Eine Vermögensteuer verursacht verglichen mit anderen Steuern außerordentlich hohe Erhebungs - und Befolgungskosten. Sie ist deswegen fiskalisch wenig ergiebig. (9) Eine Vermögensteuer geht nicht mit einer gleichmäßigeren Vermögensverteilung einher. Insbesondere durch die Nichtberücksichtigung von Humankapital kann sie Umverteilungsprobleme im Gegensatz dazu sogar verschärfen. (10) Nach alledem ist zusammenfassend festzuhalten: Eine Vermögensteuer führt nicht zu einer gerechteren Verteilung der Einkommen und Vermögen, entfaltet vor allem in Krisenzeiten konfiskatorische Wirkungen, verschlechtert die Investitionsbedingungen für Unternehmen in Deutschland , hat verglichen mit anderen Steuerarten die höchsten Verwaltungs- und Befolgungskosten und setzt Anreize zu Vermögens- und Wohnsitzverlagerungen ins Ausland. Es ist deswegen auch fraglich, ob es zu einer wesentlichen Erhöhung der Steuereinnahmen kommt.“ Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 089/17 Seite 9 4.3. Bund der Steuerzahler Nach Ansicht des Karl-Bräuer-Instituts des Bundes der Steuerzahler sollte die Vermögensteuer nicht reaktiviert werden. Die zehn nachfolgend aufgeführten Argumente sprächen vielmehr dafür , diese Steuerart aus dem Grundgesetz zu streichen.12 „(1) Vermögensteuern überdehnen das Leistungsfähigkeitsprinzip. (2) Vermögensteuern verschärfen das Problem der Mehrfachbesteuerung. (3) Vermögensteuern werden angesichts steigender Steuereinnahmen nicht gebraucht. (4) Vermögensteuern treffen nicht nur die „Vermögenden“. (5) Vermögensteuern hemmen Wachstum und Beschäftigung. (6) Vermögensteuern bedrohen die Unternehmenssubstanz. (7) Vermögensteuern bedeuten immensen Verwaltungsaufwand. (8) Vermögensteuern sind ein internationales Auslaufmodell. (9) Vermögensteuern sind verfassungsrechtlich heikel. (10) Vermögensteuern können auch den Mittelstand treffen.“ 5. Positionen der Gewerkschaften Von den drei großen gewerkschaftlichen Dachorganisationen Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB), Deutscher Beamtenbund (dbb) und Christlicher Gewerkschaftsbund (CGB) haben der dbb und der CGB keine eigenen Stellungnahmen zur Vermögensteuer veröffentlicht. Als Mitglied im dbb vertritt die Deutsche Steuer-Gewerkschaft das Personal der Finanzverwaltung. Ihre im Internet abrufbare Haltung wird weiter unten zitiert. 5.1. Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) „ … Deshalb bedarf es insbesondere der verfassungskonformen Wiedererhebung der seit rund zwei Jahrzehnten ausgesetzten Vermögensteuer. Dazu würde es genügen, auch im Rahmen des Vermögensteuergesetzes an alle Arten von Vermögen einheitliche Bewertungsmaßstäbe anzulegen . Der DGB fordert eine Wiedererhebung der Vermögensteuer auf der Grundlage folgender Eckpunkte : 12 Warneke, Matthias, Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler e.V.: Zehn Argumente gegen die Vermögensteuer , in: KBI kompakt vom 27. September 2012 unter: https://www.steuerzahler.de/files/48630/KBI_kompakt _12.pdf, abgerufen am 13. November 2017. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 089/17 Seite 10 (1) Abzüglich aller Verbindlichkeiten bildet das Nettogesamtvermögen einer natürlichen oder juristischen Person die Steuerbemessungsgrundlage. Als Bewertungsmaßstab gilt grundsätzlich der gemeine Wert, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Zu diesem Zweck knüpft das Vermögensteuergesetz an die zum 1. Januar 2009 eingeführten Regeln des Bewertungsgesetzes an. (2) Der Steuertarif soll progressiv wirken, beginnend mit einer Steuerbelastung von einem Prozent ab einem Freibetrag von einer Million Euro. In Fällen der Zusammenveranlagung von Ehegatten und Lebenspartnern verdoppelt sich der Freibetrag. Der Steuersatz steigt dann linear-progressiv bis zu einem Nettogesamtvermögen von zwanzig Millionen Euro auf 1,5 Prozent an. Ab einem Vermögen von mehr als 100 Millionen Euro erhöht sich der Steuersatz auf 1,75 Prozent. In einer weiteren Stufe wird ab einem Vermögen von mehr als einer Milliarde Euro der Höchststeuersatz von 2 Prozent erreicht. (3) Der persönliche Freibetrag gilt nicht für juristische Personen. Zur Vermeidung einer doppelten Besteuerung von Kapitalgesellschaften und ihrer Gesellschafter, wird jedoch auf beiden Seiten jeweils nur der halbe Vermögenswert besteuert. Bei Muttergesellschaften bleibt der Wert der Beteiligungen an Tochtergesellschaften außer Ansatz, da jede Gesellschaft für sich vermögensteuerpflichtig ist. (4) Zur Sicherung des Besteuerungsanspruchs wird für Kreditinstitute, Versicherungen sowie für weitere Verwalter und Verwahrer von Vermögen eine jährliche Anzeigepflicht für Vermögen ab einer Höhe von 50.000 Euro eingeführt. Die Meldungen sind an das Bundeszentralamt für Steuern zu richten. Neben der Nennung von Wert und Umfang des verwahrten Vermögens sind hierbei auch die Berechtigten unter Angabe ihrer Steueridentifikationsnummer mitzuteilen. (5) Die sachliche Freistellung des Altersvorsorgevermögens von der Vermögensteuer wird gewährleistet . Auch werden laufende Rentenzahlungen ebenso wenig kapitalisiert und der Besteuerung unterworfen wie laufende Gehaltszahlungen. Als Altersvorsorgevermögen gelten Vermögen, wenn die damit verbundenen Ansprüche nicht vererblich, nicht übertragbar, nicht beleihbar und auch nicht in anderer Weise veräußerbar sind. Außerdem müssen die Leistungen lebenslänglich und in Form von laufenden Zahlungen oder Nutzungsgewährungen in gleichbleibender Höhe erbracht werden. Gleichwohl löst hierbei eine Indexierung oder Dynamisierung nach üblichen Regeln keine Steuerpflicht aus.“ Der DGB strebt Steuermehreinnahmen in Höhe von mehr als 25 Milliarden Euro an.13 13 DGB: Steuerpolitische Eckpunkte des DGB zur Bundestagswahl 2017, Seite 25f, unter: http://www.dgb.de/dgbsteuerkonzept -bundestagswahl-2017-steuerrechner-steuerpolitische-eckpunkte, abgerufen am 10. November 2017. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 089/17 Seite 11 5.2. Deutsche Steuer-Gewerkschaft (DSTG) In ihrem im Juni 2017 beschlossenen Leitantrag „Steuerpolitik und Steuervollzug“ führt die DSTG aus:14 „Hinsichtlich der Einführung einer Vermögensteuer sind wir offen. Es entspricht dem Sozialstaatsprinzip sowie dem Prinzip der Besteuerungsgerechtigkeit, dass auch große Vermögen zur Finanzierung des Gemeinwesens herangezogen werden. Auch eine einmalige Vermögensabgabe für hohe Vermögen halten wir für machbar. Für eine stärkere Vermögensbesteuerung spricht, dass gerade hohe Vermögen in der Finanzkrise 2008/2009 sowie bei der Euro-Rettung in besonderer Weise von staatlichen Schutzmaßnahmen profitierten. Auch wirkt die Erbschaftsteuer nur sehr partiell, indem sie bestimmte Vermögen stark verschont bzw. nur nach der Zufälligkeit des Todes zugreift. Hinzu kommt, dass hohe Vermögen meist unter Ausnutzung der von allen finanzierten Infrastruktur erschaffen wurden. … Eine Vermögensteuer müsste auch nicht völlig neu geschaffen werden. Es gibt ein Vermögensteuergesetz. … Wir fordern daher, dass eine neue Aufgabe in den Finanzbehörden in vollem Umfang bei der Personalbemessung berücksichtigt werden muss.“ In einem Beitrag aus dem Jahr 2012 hat der Bundesvorsitzende der Deutschen Steuer-Gewerkschaft die Entwicklung der Haltung seiner Gewerkschaft zur Vermögensteuer dokumentiert und Bedingungen für die Einführung einer Vermögensteuer präzisiert:15 „Die Deutsche Steuer-Gewerkschaft hat sich bei ihrem Gewerkschaftstag im Juni 2012 in Münster nach Jahren der Abstinenz der Vermögensteuer gegenüber wieder offen gezeigt. … Jedoch muss eine neue Vermögensteuer bestimmte Bedingungen erfüllen. Diese sind: (1) Der Freibetrag, unterhalb dessen eine Vermögensteuer nicht anfällt, muss hoch sein. Die Früchte gewöhnlicher und harter Arbeit dürfen nicht besteuert werden. (2) Die privaten Rücklagen für Altersvorsorge sind typisierend freizustellen. (3) Das Aufkommen einer Vermögensteuer muss mindestens 10 Milliarden Euro im Jahr betragen, da sich sonst die Erhebung wegen der damit verbundenen Verwaltungskosten nicht lohnt. (4) Der Fokus der Besteuerung muss auf privatem Vermögen liegen. Produktives Vermögen sollte nicht besteuert werden. (5) Es muss sichergestellt werden, dass keine willkürliche Verschiebung hin zu "Schein-Produktivvermögen " erfolgt. 14 DSTG: Beschluss des 18. Steuer-Gewerkschaftstages am 21./22. Juni 2017, Leitantrag Nr. I: Steuerpolitik und Steuervollzug, unter: http://www.dstg.de/pdfs/steuerpolitik/stellungnahmen/170914_leitantrag_nr1_18gwt.pdf, abgerufen am 13. November 2017. 15 Eigenthaler, Thomas: Vermögensteuer: Ungeliebt, aber notwendig, in: Der Betrieb, Nr. 47, 23. November 2012, Seite 45f. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 089/17 Seite 12 (6) Steuerflucht ins Ausland muss durch eine besondere Besteuerung unterbunden werden. (7) Die Staatsangehörigkeit muss zusätzlicher Anknüpfungspunkt für eine Besteuerung werden. (8) Für die Bewertung müssen stark typisierende Verfahren entwickelt werden. Dies gilt insbesondere für Immobilienvermögen. (9) Eine Neufeststellung des Vermögens sollte nur alle fünf Jahre stattfinden, um die Erhebungskosten in Grenzen zu halten. (10) Für die Erhebung der Vermögensteuer müssen die Bundesländer als Träger der Finanzverwaltung ausreichend zusätzliches Personal bereitstellen und für eine gute EDV-Unterstützung sorgen.“ 6. Vermögensteuer in Europa Zur Beantwortung dieser Frage wird auf den Infobrief des Fachbereichs Haushalt und Finanzen „Die Erbschaft- und Vermögensteuer in den EU-Mitgliedstaaten, Japan, Kanada und den USA“ vom April 2016 verwiesen. Der Infobrief ist unter https://www.bundestag .de/blob/423376/f1b728769cb36054f37453a933a8b49e/die-erbschaft--und-vermoegensteuerdata .pdf im Internet abrufbar. * * *