© 2020 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 087/20 und WD 3 – 3000 – 169/20 Amtshaftungsansprüche gegen die BaFin im Fall Wirecard AG? Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 087/20 und WD 3 – 3000 – 169/20 Seite 2 Amtshaftungsansprüche gegen die BaFin im Fall Wirecard AG? Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 087/20 und WD 3 – 3000 – 169/20 Abschluss der Arbeit: 13. August 2020 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 087/20 und WD 3 – 3000 – 169/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Grundsätze der Amtshaftung (Fachbereich WD 3) 4 3. Keine Drittbezogenheit der Amtspflichten auf Grund von § 4 Abs. 4 FinDAG? 6 4. Voraussetzungen eines Haftungsanspruchs wegen Amtsmissbrauchs 8 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 087/20 und WD 3 – 3000 – 169/20 Seite 4 1. Fragestellung Der Auftraggeber erkundigt sich nach möglichen Amtshaftungsansprüchen gegen die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Insbesondere interessieren ihn mögliche Schadensersatzansprüche von Wirecard-Anlegern gegen die BaFin aufgrund von Amtsmissbrauch. 2. Grundsätze der Amtshaftung (Fachbereich WD 3) Der Anspruch auf Schadensersatz im Falle von Amtspflichtverletzungen ist in § 839 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. Art. 34 S. 1 GG normiert.1 Gemäß § 839 Abs. 1 S. 1 BGB hat ein Beamter, der vorsätzlich oder fahrlässig eine gegenüber einem Dritten bestehende Amtspflicht verletzt, dem Dritten den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Nach Art. 34 S. 1 GG wird die Haftung auf den Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst die Amtsperson steht, übergeleitet. Für die Amtshaftung des Staates ist zunächst erforderlich, dass ein Beamter gehandelt hat. „Beamter“ im Sinne des § 839 Abs. 1 S. 1 BGB kann nicht nur jemand sein, der in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis zum Staat steht (Beamter im statusrechtlichen Sinne), sondern jede Person, die von der zuständigen Stelle mit der Ausübung eines öffentlichen Amtes betraut worden ist (haftungsrechtlicher Beamtenbegriff).2 Neben Angehörigen des öffentlichen Dienstes können auch Zivilpersonen unter den Begriff des Beamten in diesem Sinne fallen, wenn diesen die Wahrnehmung hoheitsrechtlicher Funktionen anvertraut worden ist.3 Dieses weite Verständnis des Beamtenbegriffs in § 839 Abs. 1 S. 1 BGB folgt aus der Auslegung im Lichte der höherrangigen Verfassungsnorm des Art. 34 S. 1 GG, der allgemein von „jemand“ und nicht von „Beamter“ spricht.4 Die Amtsperson muss zudem in Ausübung eines öffentlichen Amtes gehandelt haben. Voraussetzung dafür ist zunächst, dass die Person aufgrund öffentlich-rechtlicher Normen tätig geworden ist.5 Die schädigende Handlung muss zudem „in Ausübung“ des öffentlichen Amtes erfolgt sein, Art. 34 S. 1 GG. Geschieht die Schädigung des Dritten nur „bei Gelegenheit“ der Ausübung einer hoheitlichen Tätigkeit, besteht kein hinreichender Bezug zum staatlichen Tätigkeitsbereich, sodass dem Staat das Fehlverhalten nicht zugerechnet werden kann und dieser folglich nicht haftet.6 Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dazu ausgeführt: 1 Zum Zusammenspiel der Normen siehe Papier/Shirvani, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2017, § 839 Rn. 119 ff.; Danwitz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 34 Rn. 54 f. 2 Papier/Shirvani, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2017, § 839 Rn. 130. 3 Papier/Shirvani, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2017, § 839 Rn. 132. 4 Hartmann/Tieben, Amtshaftung, in: JA 2014, 401 (401 f.). 5 Vgl. Papier/Shirvani, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2017, § 839 Rn. 143 ff. 6 Papier, in: Maunz/Dürig, GG, 90. EL Februar 2020, Art. 34 Rn. 154; Papier/Shirvani, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2017, § 839 Rn. 188 ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 087/20 und WD 3 – 3000 – 169/20 Seite 5 „Ob ein bestimmtes Verhalten einer Person als Ausübung eines öffentlichen Amtes anzusehen ist, bestimmt sich danach, ob die eigentliche Zielsetzung, in deren Sinn die Person tätig wurde, hoheitlicher Tätigkeit zuzurechnen ist, und – falls dies zutrifft – ob zwischen dieser Zielsetzung und der schädigenden Handlung ein so enger äußerer und innerer Zusammenhang besteht, dass die Handlung ebenfalls noch als dem Bereich hoheitlicher Betätigung angehörend angesehen werden muss.“7 Ferner muss der Schädiger durch seine Handlung eine Amtspflichtverletzung begangen haben. Amtspflichten sind die persönlichen Verhaltenspflichten des Amtswalters in Bezug auf seine Amtsführung.8 Ausprägung und Umfang dieser Pflichten werden insbesondere durch die Rechtsprechung entwickelt.9 Für eine Amtshaftung genügt allerdings nicht jede Art der Amtspflichtverletzung . Vielmehr muss nach dem Schutzzweck der jeweiligen Amtspflicht ein Drittbezug zu dem jeweils Geschädigten bestehen.10 Nach der Rechtsprechung des BGH muss sich dazu „aus den die Amtspflicht begründenden und sie umreißenden Bestimmungen sowie aus der besonderen Natur des Amtsgeschäfts [...] ergeben, dass der Geschädigte zu dem Personenkreis zählt, dessen Belange nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäfts geschützt und gefördert werden sollen; darüber hinaus kommt es darauf an, ob in qualifizierter und zugleich individualisierbarer Weise auf schutzwürdige Interessen eines erkennbar abgegrenzten Kreises Dritter Rücksicht zu nehmen ist. Es muss mithin eine besondere Beziehung zwischen der verletzten Amtspflicht und dem geschädigten Dritten bestehen.“11 Der Zweck des Erfordernisses eines Drittbezuges liegt darin, die Haftung des Staates zu begrenzen, um nicht jede auch nur mittelbare Beeinträchtigung der Interessen eines Betroffenen für eine Schadensersatzpflicht ausreichen zu lassen.12 Die Amtspflichtverletzung muss kausal für einen Schaden des geschützten Dritten geworden sein. Dies ist der Fall, wenn sie nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Schaden entfiele.13 Die Amtsperson muss zudem mindestens fahrlässig gehandelt haben. Dies setzt voraus, dass die 7 BGH, Urteil vom 16.1.1992 – I ZR 36/90 – NJW 1992, 1310 (1310). 8 Papier/Shirvani, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2017, § 839 Rn. 191. 9 Vgl. Danwitz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 34 Rn. 77 f., der einige konkrete Amtspflichten benennt. 10 Danwitz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 34 Rn. 82; Papier/Shirvani, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2017, § 839 Rn. 227 ff., 234. 11 BGH, Urteil vom 8.11.2012 – III ZR 151/12 – NJW 2013, 604 (605). 12 Danwitz, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 34 Rn. 80 f. 13 Hartmann/Tieben, Amtshaftung, in: JA 2014, 401 (405). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 087/20 und WD 3 – 3000 – 169/20 Seite 6 im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen wurde.14 Zu beachten ist, dass § 839 Abs. 1 S. 2 BGB für den Fall, dass dem Beamten kein Vorsatz, sondern nur Fahrlässigkeit zur Last zu fällt, bestimmt, dass der Staat nur dann in Anspruch genommen werden kann, wenn der Verletzte nicht auf andere Weise Schadensersatz zu erlangen vermag. Die Amtshaftung entfällt daher insbesondere , wenn der Geschädigte von einem anderen Schädiger Ersatz verlangen kann.15 Haftungsschuldner eines Amtshaftungsanspruchs ist gemäß Art. 34 S. 1 GG der Staat oder die Körperschaft, in deren Dienst der Schädiger steht. Für die Durchsetzung des Anspruchs ist nach Art. 34 S. 3 GG der ordentliche Rechtsweg eröffnet. Zuständig sind damit die Zivilgerichte.16 3. Keine Drittbezogenheit der Amtspflichten auf Grund von § 4 Abs. 4 FinDAG? In Bezug auf die BaFin wird die Drittbezogenheit der Amtspflichten strittig diskutiert und in bislang entschiedenen Fallkonstellationen von der Rechtsprechung verneint. In § 4 Abs. 4 des Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetzes (FinDAG) werden die Wahrnehmung der Aufgaben und Befugnisse der BaFin als ausschließlich im öffentlichen Interesse festgeschrieben. Der Gesetzgeber stellte in der Begründung zu § 4 Abs. 4 FinDAG darauf ab, dass „die Aufgabenwahrnehmung durch die Bundesanstalt nur im öffentlichen Interesse erfolgt. Privatrechtliche Ansprüche werden von der Bundesanstalt nicht geprüft. Die Durchsetzung individueller Ansprüche gehört nicht zu den Aufgaben der Bundesanstalt. Die Regelung entspricht dem früheren § 6 Abs. 4 KWG bzw. § 4 Abs. 2 WpHG.“17 Bereits mit Einführung der Vorgängerregelung des § 6 Abs. 3 Kreditwirtschaftsgesetz (KWG) in der Fassung des Dritten Gesetzes zur Änderung des Kreditwesengesetzes vom 20. Dezember 1984 hat der Gesetzgeber - ohne einzelne Pflichten im Detail zu ändern - bestimmt, dass das Bundesaufsichtsamt die ihm nach diesem Gesetz und nach anderen Gesetzen zugewiesenen Aufgaben nur im öffentlichen Interesse wahrnehme.18 Im Gesetzentwurf der Bundesregierung aus dem Jahr 198419 wurde klargestellt, dass sämtliche dem Bundesaufsichtsamt zugewiesenen Aufgaben zur Sicherstellung der Funktionsfähigkeit der Kreditwirtschaft ausschließlich im öffentlichen Interesse wahrgenommen werden. „Amtspflichten gegenüber den durch das Wirken des Bundesaufsichtsamtes nur mittelbar geschützten Personen oder Personenkreisen werden bei der Tätigkeit des Bundesaufsichtsamtes deshalb nicht begründet. […] In erster Linie soll durch die gesetzesübergreifende Neuregelung ausgeschlossen werden, daß einzelne Personen, die in geschäftlichen Beziehungen zu Kreditinstituten oder sonstigen Unternehmen und Privatpersonen stehen, an die das Bundesaufsichtsamt Maßnahmen richten kann, wegen eines bestimmten Handelns oder Un- 14 Hartmann/Tieben, Amtshaftung, in: JA 2014, 401 (405). 15 Hartmann/Tieben, Amtshaftung, in: JA 2014, 401 (406). 16 Papier, in: Maunz/Dürig, GG, 90. EL Februar 2020, Art. 34 Rn. 317. 17 BT-Drs. 14/7033, S. 34 18 BGH,, Urteil vom 20.01.2005, III ZR 48/01; Rn. 14 (juris). 19 BT-Drs. 10/1441, S. 20 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 087/20 und WD 3 – 3000 – 169/20 Seite 7 terlassens der Behörde Schadensersatzansprüche gegen den Staat erheben können. Die Anerkennung einer Staatshaftung im Bereich der Bankaufsicht gegenüber dritten Personen, die nicht der Aufsicht unterliegen, begründet die Gefahr von zu weit gehenden Maßnahmen der die Aufsicht ausübenden Personen. Dadurch würde unter anderem die bisherige marktwirtschaftskonforme Aufsichtskonzeption gefährdet, die den Kreditinstituten einen sehr großen Spielraum für eine eigenverantwortliche wirtschaftliche Betätigung beläßt. Der Einlegerschutz, dem unter sozialen Gesichtspunkten eine besondere Bedeutung zuzuerkennen ist, wird durch die Gesetzesänderung nicht beeinträchtigt, denn er beruht vor allem auf den Einlagensicherungseinrichtungen des Kreditgewerbes .“20 Die Drittbezogenheit der Amtspflichten der BaFin war und ist in der Literatur umstritten. Dass die Wahrnehmung der Aufgaben der BaFin ausschließlich im öffentlichen Interesse erfolgt, wird von einigen Literaturstimmen nicht als (genereller) Ausschluss der Drittbezogenheit der Amtspflichten ausgelegt. So führte Seidel in einem Aufsatz zur Amtshaftung bei fehlerhafter Bilanzkontrolle aus: „Doch kann das Bilanzkontrollgesetz als das spätere und speziellere Gesetz die Anwendung des § 4 Abs. 4 FinDAG auf die Prüfung der Rechnungslegung ausschließen. Wenn das BilKoG einen Drittschutz der Amtspflichten der BaFin und der Prüfstelle begründen will, impliziert dies den Ausschluss der Anwendung des § 4 Abs. 4 FinDAG. Die durch das Bilanzkontrollgesetz in das WpHG, das HGB, das AktG und weitere Gesetze eingefügten Normen enthalten keine ausdrückliche Aussage darüber, ob die Prüfung der Rechnungslegung allein im öffentlichen Interesse oder zumindest auch im Interesse Dritter vorgenommen wird. Jedoch sind diese Normen der Auslegung zugänglich. Aus dem Vorblatt und der Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung ergibt sich, dass die Bundesregierung mit dem Gesetzentwurf zumindest auch bezweckte, das Vertrauen der Anleger in die Richtigkeit von Unternehmensabschlüssen und damit in den Kapitalmarkt wiederherzustellen und so den Anlegerschutz zu verbessern.“21 Auch der BGH ist weiterhin um den Drittschutz der Anleger bemüht. „Er hat nunmehr dem EuGH die Frage vorgelegt, ob sich aus Richtlinien zur Harmonisierung des Rechtes der Bankenaufsicht ein Drittschutz von Sparern und Anlegern ergibt.22 Der EuGH hat die vom BGH vorgelegte Frage verneint.23 Alsdann hat der BGH24 festgestellt, dass gemäß § 6 Abs. 4 KWG das Bundesaufsichtsamt die ihm zugewiesenen Aufgaben nur im öffentlichen Interesse wahrnimmt.“25 Fälle der fehlerhaften Bilanzkontrolle wurden bislang von der Rechtsprechung bezüglich möglicher Amtshaftungsansprüche gegen die BaFin noch nicht entschieden. 20 ebenda 21 Seidel, Wolfgang: „Amtshaftung für fehlerhafte Bilanzkontrolle“ in Der Betrieb 2005, 651-657 (654). 22 BGH, Beschluss vom 16.05.2002, III ZR 48/01; NJW 2002, 2464 (Vorlageentscheidung). 23 EuGH v. 12.10.2004, C-222/02 – ECLI:EU:C:2004:606 = NJW 2004, 3479. 24 BGH v. 20.01.2005, siehe Fn. 2 25 jurisPK-BGB/Zimmerling: § 839 BGB, Rn. 362 (juris) Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 087/20 und WD 3 – 3000 – 169/20 Seite 8 4. Voraussetzungen eines Haftungsanspruchs wegen Amtsmissbrauchs Unabhängig von der drittschützenden Wirkung bestimmter Amtspflichten, kann auch ein sogenannter Amtsmissbrauch zu einer Amtshaftung führen. Hierfür ist keine drittbezogene Amtspflichtverletzung erforderlich. „Der Beamte hat die Pflicht, sein Amt sachlich, unparteiisch und im Einklang mit Treu und Glauben auszuüben. Verstößt er gegen diese Forderungen, so kann darin ein Amtsmissbrauch liegen; dies ist stets (aber nicht nur) bei Verwirklichung der Tatbestandsmerkmale des § 826 (BGB) der Fall. Ein solcher Amtsmissbrauch kann auch in den Bereichen, in denen an sich nur Amtspflichten gegenüber der Allgemeinheit zu erfüllen sind, Drittgerichtetheit erlangen; denn die Pflicht, sich jeglichen Amtsmissbrauchs zu enthalten, obliegt allen Beamten gegenüber jedem, der durch den Missbrauch geschädigt werden könnte.26 […] Ein Amtsmissbrauch liegt aber nicht schon bei jeder schuldhaft fehlerhaften Amtshandlung vor, wenn sie „wertneutral“, das heißt noch nicht geeignet ist, in die Belange solcher Dritter einzugreifen, die nach der besonderen Natur dieses Amtsgeschäfts durch dieses berührt werden, sondern nur dann, wenn Umstände hinzutreten, durch die das Verhalten im Widerspruch mit den Forderungen von Treu und Glauben und guter Sitte steht. Sind diese Voraussetzungen aber gegeben, so ist die Haftung - anders als nach § 826 - nicht auf vorsätzliche Schadenszufügung beschränkt, denn nach § 839 wird auch für einen fahrlässig begangenen Amtsmissbrauch gehaftet. Das setzt aber bei den von Haus aus „wertneutralen“ Verfehlungen voraus, dass der Beamte als Folge des Amtsmissbrauchs die Möglichkeit der Schädigung eines Dritten erkannt hat oder hätte erkennen müssen, während im Allgemeinen die Voraussehbarkeit eines Schadens nicht zu den haftungsbegründenden Umständen gehört.“27 Eine Haftung der BaFin auf Grund Amtsmissbrauchs setzt demnach voraus, dass die originären Aufsichtspflichten gegenüber den Aktionären der Wirecard AG durch die BaFin verletzt und dadurch in die rechtlichen Belange der Aktionäre eingegriffen wurde, die nach der besonderen Natur dieses Amtsgeschäfts durch dieses berührt werden. Ob jedoch der (individuelle) Anlegerschutz zu diesen schützenswerten Belangen der Amtsgeschäfte der BaFin zählt, ist im Hinblick auf das im § 4 Abs. 4 FinDAG normierte ausschließlich öffentliche Interesse zweifelhaft. Ergänzend könnte jedoch auch das öffentliche Interesse an vollständig und korrekt bilanzierenden Kapitalgesellschaften im Sinne eines stabilen Kapitalmarkts als schützenswerter Belang herangezogen werden. Es ist jedoch fraglich, ob das Verhalten von BaFin-Mitarbeitern bei der Bilanzkontrolle der Wirecard AG im Widerspruch zu den Rechtsgrundsätzen von Treu und Glauben und den guten Sitten stand. Hierzu müssen die einzelne Maßnahmen und deren zeitliche Abfolge in der BaFin genau ermittelt und rechtlich bewertet werden. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Bilanzkontrolle zunächst nicht der BaFin sondern der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung oblag. 26 BGHZ 91, 243, 252; BGH MDR 1963, 287; LM § 839 C Nr 77; § 839 Cb Nr 13; VersR 1966, 473; 1979, 1053; 1983, 156; Kreft Rn 153 27 Staudinger/Wöstmann (2013) BGB § 839, Rn. 172 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 087/20 und WD 3 – 3000 – 169/20 Seite 9 Eine abschließende Einschätzung zum Bestehen und Durchsetzbarkeit von Amtshaftungsansprüchen gegen die BaFin aufgrund von Amtsmissbrauch kann an dieser Stelle daher nicht gegeben werden. Sie bleibt dem gerichtlichen Beweis- und Erkenntnisverfahren vorbehalten. ***