© 2017 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 087/17 Einzelfragen zur Straßenbaufinanzierung Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 087/17 Seite 2 Einzelfragen zur Straßenbaufinanzierung Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 087/17 Abschluss der Arbeit: 21. November 2017 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 087/17 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einführung 4 2. Wie verhält sich künftig die finanzielle Beteiligung des Bundes an Straßenbaumaßnahmen? 4 3. Inwiefern könnte eine Beteiligung der Kommunen an den Kfz-Steuereinnahmen des Bundes in Höhe von 5% oder 10% den durchschnittlichen Investitionsbedarf im kommunalen Straßennetz ausgleichen? 4 3.1. Einleitende Bemerkungen 4 3.2. Einführung eines Gemeindeanteils an der Kraftfahrzeugsteuer 5 3.2.1. Verfassungsrechtliche Aspekte einer Neuverteilung des Steueraufkommens 5 3.2.2. Beteiligung der Gemeinden an der Kompensationszahlung 7 4. Wie wird das Straßennetz in anderen europäischen Staaten (Frankreich, Italien, Schweden, Schweiz, Niederlande) finanziert? 8 4.1. Frankreich 8 4.2. Italien 8 4.3. Dänemark 8 4.4. Schweiz 10 4.5. Niederlande 11 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 087/17 Seite 4 1. Einführung Der Auftraggeber bittet um Erörterung diverser Fragen zur Straßenbaufinanzierung in Deutschland und im europäischen Vergleich. Zunächst wird die Investitionstätigkeit des Bundes dargestellt . Im Anschluss folgt eine rechtliche Beurteilung über eine mögliche kommunale Beteiligung an den Kfz-Steuereinnahmen. Abschließend erfolgt eine kursorische Darstellung der Straßenbaufinanzierung in ausgewählten europäischen Staaten. 2. Wie verhält sich künftig die finanzielle Beteiligung des Bundes an Straßenbaumaßnahmen ? Im Bundeshaushalt 2018 sind für Erhaltung, Neubau und Erweiterung, Grunderwerb sowie betriebliche Unterhaltung von Bundesfernstraßen insgesamt rund 8,6 Mrd. Euro vorgesehen, wovon rund 7,4 Mrd. Euro auf Straßenbauinvestitionen entfallen, die mit rund 4,3 Mrd. Euro aus Mitteln der Lkw-Maut finanziert werden. Für Neubau- und Erweiterungsmaßnahmen sind 2018 rund 2,4 Mrd. Euro eingeplant. Davon entfallen rund 1,5 Mrd. Euro auf die Bundesautobahnen und rund 0,9 Mrd. Euro auf die Bundesstraßen.1 Die reinen Erhaltungsmaßnahmen steigen im Jahr 2018 auf rund 3,9 Mrd. Euro. Davon entfallen 2,7 Mrd. Euro auf die Bundesautobahnen und 1,2 Mrd. Euro auf die Bundesstraßen. Zudem setzt die Bundesregierung auf Öffentlich-Private-Partnerschaften (ÖPP). Im Haushalt 2018 sind daher 701 Mio. Euro für die Konzessionsnehmer eingeplant.2 Laut Finanzplan des Bundes für 2017-2021 soll für die Bundesfernstraßen folgende Mittel aufgewendet werden:3 Ist 2016 Soll 2017 Entwurf 2018 Plan 2019 Plan 2020 Plan 2021 6,771 Mrd. € 7,703 Mrd. € 8,705 Mrd. € 9,086 Mrd. € 9,095 Mrd. € 9,755 Mrd. € 3. Inwiefern könnte eine Beteiligung der Kommunen an den Kfz-Steuereinnahmen des Bundes in Höhe von 5% oder 10% den durchschnittlichen Investitionsbedarf im kommunalen Straßennetz ausgleichen? 3.1. Einleitende Bemerkungen Zum 01. Juli 2009 wurde dem Bund die Ertrags- und Verwaltungskompetenz hinsichtlich der Kraftfahrzeugsteuer übertragen. Im Gegenzug erhalten die Bundesländer – verfassungsrechtlich 1 BMF: Finanzbericht 2018, S. 35f. 2 BMF: Finanzbericht 2018, S. 36. 3 BMF: Finanzbericht 2018, S. 22. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 087/17 Seite 5 durch die Bestimmung des Art. 106b GG abgesichert, die durch dasselbe Gesetz in das GG eingefügt wurde – ab dem 01. Juli 2009 einen jährlichen Festbetrag aus dem Steueraufkommen des Bundes, der in der Höhe dem Aufkommen aus der Kraftfahrzeugsteuer entspricht.4 Diese Zuweisung aus Bundesmitteln ist nicht zweckgebunden und geht damit in die allgemeinen Haushalte der Länder über.5 Diese Zahlungen gehen vollumfänglich in den bundesstaatlichen Finanzausgleich ein. Insbesondere sind sie bei der Bemessung der Finanzkraft der Länder nach Art. 107 Abs. 2 GG zu beachten. Dies erscheint sachgerecht, weil die Mittelzuordnungen gerade nicht auf den spezifischen Bedarf der einzelnen Länder für eine bestimmte Aufgabe bezogen sind.6 Die Verteilung der Ausgleichszahlung auf die einzelnen Länder legt § 2 des Gesetzes zur Regelung der finanziellen Kompensation zugunsten der Länder infolge der Übertragung der Ertragshoheit der Kraftfahrzeugsteuer auf den Bund fest. Die Länder können die Kommunen an diesen Mitteln beteiligen. Der Freistaat Bayern beispielsweise überlässt seinen Kommunen einen bestimmten Anteil, der bis 2013 mit 51% dem früheren Anteil an den Kraftfahrzeugsteuereinnahmen entsprochen hat. Im Jahr 2014 wurde dieser auf 52,5% angehoben.7 3.2. Einführung eines Gemeindeanteils an der Kraftfahrzeugsteuer 3.2.1. Verfassungsrechtliche Aspekte einer Neuverteilung des Steueraufkommens Fraglich ist, ob den Gemeinden 5 bis 10% des Kfz-Steueraufkommens vom Bundesgesetzgeber zugesprochen werden können. Der Bund trägt nur eine Teilverantwortung für die Gemeindefinanzen.8 Diese steht „im Range hinter der Verantwortung der Länder“9. „Die landesinterne Aufgabenverteilung zwischen Ländern und Gemeinden ist grundsätzlich Sache des Landesrechts. Nur die Länder können darüber bestimmen, welche Mittel die Gemeinden wirklich für die Erfüllung ihrer Aufgaben brauchen. Die den Gemeinden in den Absätzen 5 und 6 [des Artikels 106 GG] zugewiesenen eignen Steuern oder Steueranteile bilden demgemäß auch in der Praxis nur einen Teil der kommunalen Finanzausstattung .“10 4 Kube, Art. 106b GG, in: BeckOK, Grundgesetz, Epping/Hillgruber, 34. Edition, Stand: 15.08.2017, Rn. 1. 5 Kube, Art. 106b GG, in: BeckOK, Grundgesetz, Epping/Hillgruber, 34. Edition, Stand: 15.08.2017, Rn. 2. 6 Kube, Art. 106b GG, in: BeckOK, Grundgesetz, Epping/Hillgruber, 34. Edition, Stand: 15.08.2017, Rn. 5. 7 Bayerischer Landtag, Drucksache 17/1975, 27.06.2014. 8 Maunz/Dürig: Grundgesetz, online-Kommentar auf www.beck-online.de; Art. 106 Rn. 82. 9 Ebenda 10 Maunz/Dürig: Grundgesetz, online-Kommentar auf www.beck-online.de; Art. 106 Rn. 82. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 087/17 Seite 6 „Das Nebeneinander von eigenen Steuereinnahmen der Gemeinden nach Absatz 5 und 6 und von kommunalem Finanzausgleich nach Absatz 7 macht deutlich, dass für die Ausstattung der Gemeinden mit eigenen Steuereinnahmen Grenzen gegeben sind. Der Bundesgesetzgeber darf den Anteil der Gemeinden an der Einkommensteuer nicht so erhöhen, dass die Gemeinden auf einen kommunalen Finanzausgleich nicht mehr angewiesen sind. Der derzeitige Anteil der Einnahmen aus eigenen Steuern oder Steueranteilen an den sonstigen Einnahmen der Gemeinden ist sicher noch nicht die Grenze, die nicht überschritten werden dürfte. Verfassungswidrig wäre ein Bundesgesetz über eine Erhöhung des Gemeindeanteils an der Einkommensteuer aber dann, wenn danach der kommunale Finanzausgleich keine wesentliche Bedeutung mehr hätte.“11 Die Kraftfahrzeugsteuer ist seit 2009 eine reine Bundessteuer, Artikel 106 Absatz 1 Nummer 3 GG. Für die Übertragung an den Bund haben sich die Länder in Artikel 106b GG eine Kompensationszahlung des Bundes an die Länder gesichert. Diese bestimmt sich nach § 1 des “Gesetzes zur Regelung der finanziellen Kompensation zugunsten der Länder infolge der Übertragung der Ertragshoheit der Kraftfahrzeugsteuer auf den Bund“12. Demnach zahlt der Bund den Ländern jährlich knapp 9 Mrd. Euro als Kompensation. Einen Gemeindeanteil am Steueraufkommen existiert bislang nicht bei Bundessteuern. Der Bund kann im gegenwärtigen Finanzausgleichssystem entweder über die Länder den Gemeinden einen Steueranteil zukommen lassen, die Gemeinden die Steuern selbst erheben lassen und ihnen hierfür auch das kommunale Hebesatzrecht zubilligen oder die Verteilung des Steueraufkommens für Gemeinschaftsteuern auf den kommunalen Finanzausgleich der Länder übertragen, Artikel 106 Absatz 7 GG. Der kommunale Finanzausgleich obliegt dann in seiner Ausgestaltung jedoch dem Landesgesetzgeber. Die Zuweisung eines Teils des Steueraufkommens der Kraftfahrzeugsteuer an die Gemeinden würde den verfassungsrechtlichen Charakter der Steuer verändern. Die Kraftfahrzeugsteuer wäre dann keine reine Bundessteuer mehr. Zwar gibt es keinen verfassungsrechtlichen Zwang bei einer Aufteilung des Steueraufkommens zwischen dem Bund und den Gemeinden auch die Länder mit berücksichtigen zu müssen. Das Vorhaben wäre dennoch verfassungsrechtlich problematisch, denn die Kraftfahrzeugsteuer wird gegenwärtig vom Bund selbst verwaltet, Art. 108 Abs. 1 GG. Staatorganisationsrechtlich sind die Gemeinden jedoch den Bundesländern zugeordnet.13 Die Finanzverfassung des Grundgesetzes definiert bislang für die Verteilung von Aufkommensanteilen für die Gemeinden nur Rahmenkriterien : so wird der Gemeindeanteil der Einkommensteuer gemäß Art. 106 Abs. 5 GG von den Ländern an die Gemeinden nach der Einkommensteuerleistung ihrer Einwohner weitergeleitet . Beim Aufkommensanteil an der Umsatzsteuer erfolgt die Weiterleitung der Steuereinnahmen von den Ländern auf der Grundlage eines orts- und wirtschaftsbezogenen Schlüssels an ihre Gemeinden , Art. 106 Abs. 5a GG. 11 Maunz/Dürig Art. 106 Rn. 84 12 BGBl I 2009, Seite 1170 13 BVerfG, Urteil vom 27. Mai 1992, Az: 2 BvF 1, 2/88, 1/89 und 1/90, Pkt. II. 3. lit. b) aa) Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 087/17 Seite 7 Ein ähnliches, Kfz-spezifisches Kriterium müsste der Gesetzgeber auch für die Zuweisung des Steueranteils an die Gemeinden benennen. Wollte man einen Gemeindeanteil an der Kfz-Steuer direkt von der zuständigen Bundesbehörde (Zoll) an die Gemeinden weiterleiten, so fehlten den Zollbehörden die hierfür erforderlichen gemeindespezifischen Daten. Aus den Daten zur Kfz-Anmeldung , die die Grundlage für die Steuerpflicht der Kraftfahrzeugsteuer bilden (§ 36 Fahrzeug- Zulassungsverordnung), bedienen sich die Zollbehörden für Zwecke der Steuererhebung zur Kfz- Steuer. Die Kfz-Zulassung erfolgt jedoch nicht gemeindespezifisch, sondern ist Aufgabe der Landkreise. Bei der Orientierung der Steuerverteilung an der Investitionssumme für den Straßenunterhalt gäbe es ebenfalls ein Problem bei der Erhebung der kommunalen Daten. Derartige detaillierte Angaben aus den kommunalen Haushalten liegen den Bundesbehörden nicht vor. Sie dürften nur in den fachlich befassten Landesministerien verfügbar sein. Mit der gegenwärtigen Verwaltungszuständigkeit der Bundesfinanzverwaltung für die Kfz-Steuer wäre die Verteilung eines Steueranteils an die Gemeinden somit nicht ohne weiteres umsetzbar. Für eine erneute Änderung der Verwaltungszuständigkeit zugunsten der Länder wäre eine Verfassungsänderung in Art. 108 GG erforderlich . Die Höhe des kommunalen Steueranteils dürfte verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sein, denn ein zehnprozentiger Anteil würde mit bundesweit ca. 900 Millionen Euro deutlich unter dem Volumen des kommunalen Finanzausgleichs der Länder14 liegen. Im Ergebnis wäre aber zumindest in Artikel 106 GG eine umfangreichere Grundgesetzänderung erforderlich, um dieses Vorhaben zu realisieren. Da mit einem Gemeindeanteil der Charakter der Bundessteuer verloren ginge, wäre Art. 106 Abs. 1 Nr. 3 GG der verfassungsrechtlich falsche Standort für eine derartig veränderte Kfz-Steuer. Es müsste vielmehr eine neue Regelung in Artikel 106 GG für die Kfz- Steuer analog der Absätze 5 und 5a für die Einkommen- und Umsatzsteuer geschaffen werden. 3.2.2. Beteiligung der Gemeinden an der Kompensationszahlung Bedeutend einfacher ließen sich die Gemeinden an der jährlichen Kompensationszahlung des Bundes beteiligen. Diese Kompensationszahlung wird bislang in Art. 106b GG ausschließlich den Ländern zugesprochen. Diese Bestimmung ließe sich mit verfassungsändernder Mehrheit um einen Gemeindeanteil von 10% ergänzen. Alternativ käme auch eine einfachgesetzliche Änderung des Gesetzes zur Regelung der finanziellen Kompensation zugunsten der Länder infolge der Übertragung der Ertragshoheit der Kraftfahrzeugsteuer auf den Bund in Betracht. Dabei wären auch inhaltliche Kopplungen an die Investitionsausgaben der Gemeinden für das Straßennetz denkbar, da die Ausführung dieser Reglungen ohnehin den Ländern als primären Empfänger der Kompensationszahlungen obläge. 14 bspw. 9,982 Mrd. Euro wurden im Land NRW 2016 für den kommunalen Finanzausgleich gezahlt Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 087/17 Seite 8 4. Wie wird das Straßennetz in anderen europäischen Staaten (Frankreich, Italien, Schweden , Schweiz, Niederlande) finanziert? 4.1. Frankreich Im Straßenbereich ist der Zentralstaat verantwortlich für die Verwaltung und Finanzierung des nationalen Straßennetzes. Diese umfasst die Autobahnen ("autoroutes") sowie die Nationalstraßen ("routes nationales"). Bei den Autobahnen sind wiederum die kostenfrei benutzbaren Autobahnen , die der Staat selbst betreibt ("autoroutes non concédées"), und die an Privatunternehmen konzessionierten Autobahnen ("autoroutes concédées") zu unterscheiden.15 Anders als in Deutschland erfolgt die Finanzierung von Erweiterungs- und Neubauprojekten für Autobahnen faktisch nur noch im Rahmen von Konzessionsverträgen mit privaten Partnern, die entsprechende Projekte realisieren und im Gegenzug eine Maut erheben dürfen.16 Neben diesem Konzessionsmodell besteht in Frankreich ein weiteres Finanzierungsmodell mit Privatsektorbeteiligung im Rahmen eines sogenannten Partnerschaftsvertrags ("contrat de partenariat "). Hierbei können privatwirtschaftliche Anbieter durch einen langfristigen Vertrag mit Finanzierung , Bau, Betrieb und Unterhalt eines Autobahnprojekts beauftragt werden. Im Gegenzug erhält das private Konsortium über den gesamten Vertragszeitraum hinweg zuvor vereinbarte, regelmäßige Zahlungen vom Staat. Dieses PPP-Modell ist in Frankreich seit 2004 rechtlich möglich, wurde bislang allerdings erst in einem Fall angewendet.17 4.2. Italien Italien privatisierte seine Autobahnen 1999. Nur 950 von insgesamt 6500 Kilometern bleiben im Besitz der staatlichen Straßengesellschaft Anas. In Italien sind ca. 87% der Autobahnen gebührenpflichtig . Die Maut wird von 24 Betreibern eingenommen. Die Konzessionen laufen noch bis 2038. Im Gegenzug verpflichtete sich z. B. der Betreiber Atlantia in dieser Zeit rund 21 Mrd. Euro in die Verbreiterung und Modernisierung der Trassen zu investieren. Nach Frankreich nimmt Italien die höchste Summe je Kilometer (841.000 Euro) ein.18 4.3. Dänemark Die Hauptquelle von Finanzierungsmitteln für Verkehrsinfrastrukturprojekte in Dänemark bildet der Staatshaushalt. Zur Finanzierung von Verkehrsinfrastrukturvorhaben legt die Regierung ent- 15 Roland Berger: Best-Practices-Studie zur Verkehrsinfrastrukturplanung und -finanzierung in der EU, Berlin, Oktober 2013, S. 39. 16 Roland Berger: Best-Practices-Studie zur Verkehrsinfrastrukturplanung und -finanzierung in der EU, Berlin, Oktober 2013, S. 31. 17 Roland Berger: Best-Practices-Studie zur Verkehrsinfrastrukturplanung und -finanzierung in der EU, Berlin, Oktober 2013, S. 39f. 18 Süddeutsche Zeitung: So finanzieren andere Länder ihre Autobahnen, im Internet unter: http://www.sueddeutsche .de/wirtschaft/maut-so-finanzieren-andere-laender-ihre-autobahnen-1.3252113 [06.11.17], S. 3. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 087/17 Seite 9 sprechende Fonds auf, deren Volumina die während der mehrjährigen Laufzeit des Fonds geplanten und anfallenden Investitionen in Verkehrsinfrastruktur abdecken. So richtete das dänische Parlament 2009 den Infrastrukturfonds ein, dessen Mittel für die Finanzierung von Infrastrukturvorhaben bis zum Jahr 2020 verwendet werden sollen. Dabei erfolgt die Speisung des Fonds vorrangig aus Steuereinnahmen, aber auch aus dem Verkauf von öffentlichen Anlagen und aus Straßennutzungsgebühren, die bei der Öresundbrücke und der "Storebæltsbroen" anfallen. Für den Fonds legte das Parlament eine allgemeine Mittelaufteilung auf die einzelnen Verkehrsträger fest. So sollte ursprünglich ein Drittel der im Infrastrukturfonds enthaltenen Mittel für Infrastrukturvorhaben des Verkehrsträgers Straße eingesetzt werden, während die restlichen zwei Drittel für Schienenprojekte vorgesehen waren. Allerdings hat die dänische Regierung im Zuge einer politischen Repriorisierung Ende 2012 entschieden, die gesamten Mittel für Schieneninfrastrukturvorhaben zu verwenden. Neben der Finanzierung durch den Infrastrukturfonds werden weitere Finanzmittel aus dem jährlichen Staatshaushalt zur Realisierung von Infrastrukturvorhaben bereitgestellt, deren Finanzierung nicht durch die Fonds abgedeckt ist.19 Neben der Finanzierung durch klassische staatliche Haushaltsmittel, die in Form von Fonds gebündelt werden, wurde in Dänemark mit dem "State-Guarantee Model" ein Finanzierungsmodell für Großvorhaben konzipiert und sowohl bei der Öresundbrücke und als auch der "Storebæltsbroen " bereits angewendet. Zudem wird dieses Model auch zur Finanzierung des Großprojekts "Feste Fehmarnbeltüberquerung" eingesetzt. Im Rahmen dieses Modells gründet die Regierung ein Staatsunternehmen, das als Projektgesellschaft für die Planung und Durchführung des Bauvorhabens sowie anschließend für den Betrieb der Infrastruktur verantwortlich ist. Zur Finanzierung des Projekts nimmt diese öffentliche Projektgesellschaft Kredite am internationalen Kapitalmarkt auf, die durch eine Staatsbürgschaft vollständig abgesichert sind. Diese Staatsbürgschaft ermöglicht der Projektgesellschaft die Aufnahme von Krediten zu den günstigen Finanzierungskonditionen der dänischen Regierung, die über ein AAA-Rating verfügt. Nach Inbetriebnahme der Infrastruktur (Brücke bzw. Tunnel) bedient der Projektträger die aufgenommenen Kredite aus Mauteinnahmen, die für die Nutzung der Strecken im Rahmen eines nutzerfinanzierten Modells erhoben werden.20 Eine weitere Möglichkeit der Finanzierung von Verkehrsinfrastrukturvorhaben ist das "dänische PPP Modell", das eine Kooperation mit einem privaten Bauunternehmen vorsieht. Beim dänischen PPP-Model handelt es sich um ein DBOModell, d. h. Entwurf (Design), Bau (Build) und Betrieb (Operate) liegen in der Verantwortung des Bauunternehmens. Damit unterscheidet es sich von dem international gebräuchlichen DBFO-Modell, bei dem das Bauunternehmen auch noch die Verantwortung für die langfristige Finanzierung des Vorhabens übernimmt und im Gegenzug regelmäßige Zahlungen vom Auftraggeber erhält. Beim dänischen PPP-Modell hingegen erhält das Konsortium bei Inbetriebnahme der Strecke eine Zahlung in Höhe der gesamten vertraglich festgelegten Baukosten vom dänischen Staat. Eine langfristige Finanzierung der Baukosten durch den Auftragnehmer ist also nicht Bestandteil der PPP-Vereinbarung. Dies ist vorteilhaft, da eine Finanzierung durch die Unternehmen regelmäßig deutlich teurer wäre. Da die Auszahlung der 19 Roland Berger: Best-Practices-Studie zur Verkehrsinfrastrukturplanung und -finanzierung in der EU, Berlin, Oktober 2013, S. 84f. 20 Ebenda, S. 85f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 087/17 Seite 10 gesamten Baukosten laut Vertrag erfolgt, sobald die Strecke für den Verkehr freigegeben wird, besteht für den Auftragnehmer ein hoher Anreiz, das Projekt schnellstmöglich fertigzustellen. Nach Abschluss des Baus erhält das Konsortium für den Betrieb und die Instandhaltung der Strecke jährliche, indexierte Zahlungen aus dem Staatshaushalt. Diese sind an die Einhaltung vertraglich vereinbarter Qualitätsstandards geknüpft. Beim in Dänemark praktizierten DBO-Modell werden somit, im Gegensatz zum State Guarantee Model, keine Nutzungsgebühren in Form einer Maut erhoben.21 4.4. Schweiz In der Schweiz wird zwischen Nationalstraßen, Kantonsstraßen und Gemeindestraßen differenziert .22 Die Finanzflussrechnung gibt Auskunft über die Finanzströme, welche der Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur und des öffentlichen Verkehrsangebots zugrunde liegen. Sie unterscheidet die Einnahmen und Ausgaben für den Verkehr auf den drei Staatsebenen Bund, Kantone und Gemeinden . Bei der Finanzierung der Straßeninfrastruktur ergab sich zugunsten des allgemeinen Bundesbudgets ein Einnahmenüberschuss von 2,2 Milliarden Franken, während die Gemeinden ein Defizit von 2,5 Milliarden Franken zu verbuchen hatten. Dieses Defizit wurde durch das allgemeine Gemeindebudget finanziert. Bei einer gemeinsamen Betrachtung aller Ebenen (Bund, Kantone und Gemeinden) gleichen sich die Einnahmen und Ausgaben der öffentlichen Hand nahezu aus.23 21 Roland Berger: Best-Practices-Studie zur Verkehrsinfrastrukturplanung und -finanzierung in der EU, Berlin, Oktober 2013, S. 86. 22 Industrie- und Handelskammer Zentralschweiz: Die Schweizer Straßen für die Zukunft fit machen, 18. August 2014, S. 2. 23 Bundesamt für Statistik BFS: Straße und Schiene 2014, September 2017, S. 9. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 087/17 Seite 11 Quelle: Bundesamt für Statistik BFS: Straße und Schiene 2014, September 2017, S. 9. 4.5. Niederlande Für die Finanzierung von Infrastrukturprojekten werden in den Niederlanden verschiedene Quellen herangezogen: Steuereinnahmen aus dem niederländischen Staatshaushalt, Mittel aus europäischen Fonds, Beiträge von lokalen Behörden und privaten Investoren und Maut-Gebühren. Die meisten Mittel stammen aus dem nationalen Staatshaushalt, die zweitmeisten von regionalen Behörden. Ein Finanzierungsmix, der Mittel aus dem nationalen Staatshaushalt mit Mitteln der Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 - 3000 - 087/17 Seite 12 Provinzen kombiniert, hat in den vergangenen Jahren stark an Bedeutung gewonnen und ist mittlerweile die übliche Finanzierungsvariante.24 Eine zunehmend wichtige Rolle bei der Finanzierung und Beschaffung von Verkehrsinfrastrukturprojekten spielen PPP-Modelle, die in den Niederlanden eine starke politische Unterstützung erfahren. Diese starke Fokussierung auf PPP als Realisierungsvariante für Verkehrsprojekte wurde in den Niederlanden begleitet durch eine umfassende Organisationsreform bei der staatlichen Verkehrsinfrastrukturbehörde RWS.25 Das Budget des Infrastrukturfonds, aus welchem der Staat den Bau und die Instandhaltung der Infrastruktur finanziert, liegt für 2016 bei etwa 5,7 Mrd. Euro (0,9% des BIP). In den Jahren 2017 bis 2020 soll der Fonds um etwa 2% jährlich steigen. Mehr Mittel sollen dem Straßennetz zugutekommen . Während das Budget hierfür zwischen 2014 und 2016 um 20% auf 2,0 Mrd. Euro gekürzt wurde, soll es bis 2020 auf 3,0 Mrd. Euro anwachsen. Damit dürften dem Straßennetz 2020 etwa 53% des gesamten Infrastrukturbudgets zukommen (2016: 36%).26 *** 24 Roland Berger: Best-Practices-Studie zur Verkehrsinfrastrukturplanung und -finanzierung in der EU, Berlin, Oktober 2013, S. 54f. 25 Roland Berger: Best-Practices-Studie zur Verkehrsinfrastrukturplanung und -finanzierung in der EU, Berlin, Oktober 2013, S. 55. 26 GTAI: Infrastruktur in den Niederlanden schneidet im internationalen Vergleich sehr gut ab, 17.06.2016, S. 1.