Deutscher Bundestag Modelle zur Reform der Grundsteuer Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 4 – 3000 - 087/10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 - 087/10 Seite 2 Modelle zur Reform der Grundsteuer Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 4 – 3000 - 087/10 Abschluss der Arbeit: 16. April 2010 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 - 087/10 Seite 3 Inhaltsverzeichnis Seite 1. Einleitung 4 2. Rechtslage zur Grundsteuer 4 2.1. Besteuerungsgrundlage 4 2.2. Steuermessbetrag 5 2.3. Hebesatz 6 3. Modelle zur Reform der Grundsteuer 6 3.1. Vorbemerkung 6 3.2. Reine Reformmodelle 8 3.2.1. Bodenwertsteuer 8 3.2.2. Gebäudewert- und Bodenwertsteuer 9 3.2.3. Flächensteuer 10 3.2.4. Flächennutzungssteuer 11 3.3. Kombinierte Reformmodelle 12 3.3.1. Bodenwert- und Flächensteuer 12 3.3.2. Flächennutzungs- und Bodenwertsteuer 13 4. Auswirkungen 13 4.1. Aktuelle Grundsteuer 13 4.2. Reformmodelle 14 Literaturverzeichnis Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 - 087/10 Seite 4 1. Einleitung Die Grundsteuer zählt zu den ältesten direkten Steuern. Seit dem Beschluss des Verfassungsgerichts vom 12.06.1995 zur Erbschaft- und Vermögensteuer gibt es Zweifel an der derzeitigen Grundsteuer. Besonders ihre Bemessungsgrundlage -- der Einheitswert -- wird kritisiert. Die Probleme der alten Besteuerungsgrundlage mit ihren Unterschieden zwischen alten und neuen Bundesländern motivierten zahlreiche Reformmodelle. In der folgenden Ausarbeitung wird zunächst die aktuelle Rechtslage zur Grundsteuer dargestellt. Im Anschluss werden sechs verschiedene Reformmodelle mit ihren Befürwortern vorgestellt und von der aktuellen Grundsteuer differenziert. Hierbei wird zwischen vier reinen und zwei kombinierten Modellen unterschieden. Am Ende werden die Auswirkungen möglicher Reformen thematisiert . 2. Rechtslage zur Grundsteuer1 Rechtsgrundlage für die Erhebung der Grundsteuer ist das Grundsteuergesetz (GrStG) in der Fassung des Gesetzes zur Reform des Grundsteuerrechts vom 7. August 1973 (BGBl. I S. 965) unter Berücksichtigung späterer Änderungen. Die Grundsteuer ist objektbezogen gestaltet und bezieht sich auf die Beschaffenheit und den Wert eines Grundstücks. Sie ist eine Realsteuer, bei der die persönlichen Verhältnisse des Eigentümers fast ausnahmslos außer Betracht bleiben und fließt voll den Gemeinden zu. Steuerpflichtig ist der im Inland liegende Grundbesitz (Betriebe der Land- und Forstwirtschaft, private und betriebliche Grundstücke, § 2 Grundsteuergesetz). Es wird zwischen der Besteuerung von land- und forstwirtschaftlichem Grund (Grundsteuer A) und sonstigem Grundvermögen (Grundsteuer B) unterschieden. 2.1. Besteuerungsgrundlage Die Besteuerungsgrundlage ist - für Grundbesitz in den alten Ländern (land- und forstwirtschaftliches Vermögen, Grundvermögen ) der nach dem Bewertungsgesetz (BewG) festgestellte Einheitswert nach den Wertverhältnissen im Jahre 1964 (vgl. Art. 2 des Gesetzes zur Änderung des Bewertungsgesetzes ), §§ 19, 33ff; 68 ff. BewG, - für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft in den neuen Ländern der nach dem Bewertungsgesetz ermittelte Ersatzwirtschaftswert nach den Wertverhältnissen 1964, § 125 II, V BewG, 1 Anlehnung an Witt (2003). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 - 087/10 Seite 5 - für Grundstücke in den neuen Ländern, für die nach dem Bewertungsgesetz ein Einheitswert nach den Wertverhältnissen 1935 festgestellt oder festzustellen ist, der Einheitswert 1935, § 129 I BewG, - bei Mietwohngrundstücken und Einfamilienhäusern in den neuen Ländern, die zum 01.01.1991 bereits bestanden haben und für die kein Einheitswert 1935 festgestellt ist, die Ersatzbemessungsgrundlage „Wohn- oder Nutzfläche“ (pauschale Grundsteuer je Quadratmeter ) nach Maßgabe des § 42 GrStG. Dem Einheitswert kommt nach derzeit geltendem Recht als Besteuerungsgrundlage somit eine entscheidende Bedeutung zu. Die Bestimmung des Einheitswertes für unbebaute Grundstücke erfolgt mit Hilfe von Verkaufspreisen für vergleichbare Grundstücke, die auf Kaufpreissammlungen beruhen.2 Bei bebauten Grundstücken wird in der Regel das Ertragsverfahren zur Wertermittlung angewandt . Nach diesem Verfahren errechnet sich der Einheitswert aus der Multiplikation der Jahresrohmiete mit einem Multiplikator. Die Jahresrohmiete ist das Gesamtentgelt, das der Mieter für die Benutzung des Grundstückes für ein Jahr zu zahlen hat. Bei eigen- oder ungenutzten Gebäuden gilt die ortsübliche Miete als Jahresrohmiete. Die Multiplikatoren unterscheiden sich in Abhängigkeit von der Bauausführung dem Baualter etc. und schwanken zwischen 4,5 und 13,5. Bei land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken wird durch ein vergleichendes Verfahren ein Ertragswert ermittelt. Für die Berechnung der Grundsteuer aus dem Einheitswert sind folgende zwei Rechengänge erforderlich . 2.2. Steuermessbetrag Ausgehend vom Einheitswert setzt das Finanzamt den Steuermessbetrag fest, der auch der Gemeinde mitgeteilt wird. Der Steuermessbetrag wird dabei gemäß §§ 13 ff. GrStG wie folgt berechnet: Einheitswert x Steuermesszahl = Steuermessbetrag Dabei beträgt die Steuermesszahl für Grundstücke in den alten Ländern je nach Art zwischen 2,6 von Tausend (v.T.) und 3,5 v.T. (§ 15 GrStG). 2 Vgl. Scholten, S. 533. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 - 087/10 Seite 6 Für Grundstücke in den neuen Ländern – abgestimmt auf die deutlichen niedrigeren Einheitswerte von 1935 – betragen die Messzahlen je nach Art und Gemeindegruppe zwischen 5 v.T. und 10 v.T. (§ 41 GrStG). Für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft gilt einheitlich eine Steuermesszahl von 6 v.T. (§ 14 GrStG). 2.3. Hebesatz Die Gemeinde wendet gemäß § 25 GrStG auf den Steuermessbetrag den vom Gemeindeparlament beschlossenen Hebesatz an und setzt die Grundsteuer durch Grundsteuerbescheid fest (§ 27 GrStG): Grundsteuer = Steuermessbetrag x Hebesatz mit Steuermessbetrag = Einheitswert x Steuermesszahl In den neuen Ländern wird die Grundsteuer, soweit sie nach der Wohn- oder Nutzfläche zu berechnen ist (Ersatzbemessungsgrundlage), in einem vereinfachten Verfahren pauschal berechnet und im Steueranmeldungsverfahren erhoben (§ 44 GrStG). Wegen der Autonomie der Gemeinden bei der Festsetzung der Hebesätze kann die Belastung durch die Grundsteuer von Gemeinde zu Gemeinde mehr oder weniger stark differieren. 3. Modelle zur Reform der Grundsteuer 3.1. Vorbemerkung Das System der Einheitsbewertung – welches die aktuelle Bemessungsgrundlage darstellt – steht schon seit längerem in der Kritik: „Da es vor allem nicht gelingen konnte, die Einheitsbewertung des Grundbesitzes der realen Wertentwicklung auch nur einigermaßen zeitgerecht anzupassen, blieb das Bewertungsgleichmaß in eklatanter Weise auf der Strecke.“3 Die heute verwendeten Einheitswerte sind in den Jahren 1964 und 1935 festgestellt worden. Ein Grundsteuermodell, welches neue Einheitswerte vorraussaetzt, dürfte angesichts des damit verbundenen Kosten- und Verwaltungsaufwandes keine realistischen Chancen haben.4 Daher wur- 3 Tipke/Lang, § 13 Rz 2; zur Kritik am System der Einheitsbewertung s. auch Scholten, S. 534. 4 Vgl. auch Drosdzol, S. 834. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 - 087/10 Seite 7 den Reformmodelle entwickelt, in deren Konzept das System der Einheitsbewertung nicht mehr vorkommt. Folgende Prämissen stehen in der Diskussion um neue Reformmodelle weitgehend außer Frage5: - Das Hebesatzrecht der Gemeinden soll beibehalten werden, wobei die Spielräume der Gemeinden z.B. durch das Recht, im Gemeindegebiet für die Grundsteuer differenzierte Hebesätze festzulegen, erweitert werden sollen. - Die Reform soll zumindest am Anfang zu einer Aufkommensneutralität führen. Zudem soll möglichst auch eine Belastungsneutralität (d.h. möglichst geringe Belastungsverschiebungen für den Bürger) erreicht werden. - Das Verwaltungsverfahren soll vereinfacht werden. Reformmodelle haben demnach eine neue Bemessungsgrundlage zum Ziel. Die Grundelemente einer Bemessungsgrundlage sind in Tabelle 16 dargestellt. Tabelle 1 Boden in der Bemessungsgrundlage Flächenbezogen Wertbezogen Gebäude in der Bemessungsgrundlage ja Flächenbezogen Flächennutzungssteuer Gebäudeflächen- und Bodenwertsteuer Gebäudeflächen- und Bodenflächensteuer Wertbezogen Gebäudewert- und Bodenwertsteuer nein Bodenflächensteuer Bodenwertsteuer 5 Vgl. Droszdol, S. 833. 6 Vgl. Fuest/Thöne, S. 54. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 - 087/10 Seite 8 Diese Grundelemente decken ein Spektrum von Reformvorschlägen ab. Im Folgenden werden sechs Reformmodelle betrachtet. Darunter finden sich vier reine und zwei kombinierte Modelle. Reine Reformmodelle sind entweder flächenbezogen (Flächensteuer) oder wertbezogen (Bodenwertsteuer ). Kombinierte Modelle decken beide Dimensionen ab (Bodenwert- und Flächensteuer ). 3.2. Reine Reformmodelle 3.2.1. Bodenwertsteuer7 Modelle zur Bodenwertsteuer werden von Verbänden der Wohnungswirtschaft wie dem Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW), dem Deutschen Mieterbund oder dem Deutschen Verband für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung (DV) befürwortet . Das Konzept stützt sich bei der Berechnung der Grundsteuer allein auf eine Bodenbewertung auf der Grundlage von Bodenrichtwerten (§ 196 Baugesetzbuch): Grundsteuer = Steuermessbetrag x Hebesatz mit Steuermessbetrag = [Bodenrichtwert x 80% x Grundstücksfläche] x Steuermesszahl Bodenrichtwert: Regelungen für die Ermittlung finden sich in § 196 Baugesetzbuch. Danach sind für jedes Gemeindegebiet durchschnittliche Lagewerte für den Boden unter Berücksichtigung des unterschiedlichen Entwicklungszustands, mindestens jedoch für erschließungsbeitragspflichtiges oder erschließungsbeitragsfreies Bauland zu ermitteln. Steuermesszahl: 0,001. Hebesatz: vom Gemeindeparlament festgelegt. Bemessungsgrundlage für die Erhebung der Grundsteuer ist der um 20 % ermäßigte Bodenrichtwert . Der Grundsteuermessbetrag ergibt sich aus der Anwendung der gesetzlich festgelegten Steuermesszahl auf den Wert des Bodens. Gemäß dem Modell des damaligen Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen wird den Gemeinden zudem ein zoniertes Hebesatzrecht für baureife Grundstücke und Geschäftsgrundstücke eingeräumt.8 Das Modell von Josten favorisiert demgegenüber ein wirkungsäquivalentes9 kommunales Steuersatzrecht . Dabei sollen die Höchststeuersätze 2,5% des Bodenwertes für Wohnnutzung und 3,25% für Gewerbenutzung betragen 10 7 Für weitere Einzelheiten s. Lehmbrock/Coulmas, S. 33 ff.; Drosdzol, S. 834 u.a. mit einer Auflistung der Vor- und Nachteile. 8 Für weitere Einzelheiten s. Groth et al. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 - 087/10 Seite 9 Die Bodenwertsteuer zielt auf eine verbesserte Bodenmobilisierung, da das Halten von ungenutztem oder untergenutztem Bauland verteuert würde. Zudem führte dieses Modell auch zu einer nicht unerheblichen Vereinfachung, da auf die teilweise recht aufwendige Gebäude- oder Ertragswertermittlung verzichtet werden kann. Der entscheidende Unterschied zwischen der derzeitigen Grundsteuer und der vorgeschlagenen Bodenwertsteuer besteht darin, dass die bisherige Bemessungsgrundlage – der Einheitswert – durch eine neue, nämlich die aktuellen Bodenwerte, ersetzt wird. 3.2.2. Gebäudewert- und Bodenwertsteuer Das Modell der „Arbeitsgemeinschaft Grundsteuer“ der Finanzministerkonferenz von 2000 basiert auf Boden- und Gebäudewerten. Eine „abgespeckte“11 Fassung erarbeiteten die Finanzminister von Bayern und Rheinland-Pfalz in 2004.12 Grundsteuer = Steuermessbetrag x Hebesatz mit Steuermessbetrag = [Bodenrichtwert x Grundstücksfläche x Prozentsatz + Gebäudewertpauschale x Wohn-/Nutzfläche x Alterswertminderung13] x Steuermesszahl Bodenrichtwert: Regelungen für die Ermittlung finden sich in § 196 Baugesetzbuch. Danach sind für jedes Gemeindegebiet durchschnittliche Lagewerte für den Boden unter Berücksichtigung des unterschiedlichen Entwicklungszustands, mindestens jedoch für erschließungsbeitragspflichtiges oder erschließungsbeitragsfreies Bauland zu ermitteln. Prozentsatz: 70 % bei bebauten, 100 % bei unbebauten Grundstücken. Gebäudewertpauschale: 1000 €/m² Wohn- oder Nutzfläche; für bestimmte 9 Vgl. Fuest/Thöne, S. 59. 10 Vgl. Josten, S. 129 ff. 11 Löhr, S. 122. 12 Für weitere Einzelheiten s. Bericht des Bayerischen Staatsministers der Finanzen und des Ministers der Finanzen des Landes Rheinland-Pfalz an die Finanzminister der Länder zur Reform der Grundsteuer, Januar 2004. 13 Die Alterswertminderung entfällt aus Vereinfachungsgründen im Modell von Bayern und Rheinland-Pfalz. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 - 087/10 Seite 10 Gebäudearten niedrigere Pauschalen zwischen 250 und 750 €/m². Alterswertminderung: 1 % pro Jahr ab Bezugsfertigkeit, max. 50 Jahre. Steuermesszahl: 0,001 bei unbebauten Grundstücken; 0,0005 bei bebauten Grundstücken. Das Modell der „AG Grundsteuer“ sieht vor, für die Bodenrichtwerte Wertzonen zu bilden, die so zu begrenzen sind, dass die Bodenwerte der einzelnen Grundstücke innerhalb der Wertzonen nicht um mehr als 25 % vom angegebenen Bodenrichtwert abweichen. Der Ansatz niedrigerer Gebäudewerte wird durch die Regel begrenzt, dass der Ansatz für ein bebautes Grundstück nicht geringer sein darf als der Ansatz, der für das unbebaute Grundstück maßgebend wäre. Den Gemeinden wird in den Modellen ein zoniertes Hebesatzrecht für unbebaute baureife Grundstücke und für Grundstücke, die überwiegend Wohnzwecken dienen und mehr als zwei Wohnungen enthalten, eingeräumt. Das Modell von Bayern und Rheinland-Pfalz sieht eine Abschaffung der Grundsteuer A vor. Der Vorschlag der Finanzminister von Bayern und Rheinland-Pfalz unterscheidet sich vom obigen Modell dadurch, dass auf den Alterswertabschlag verzichtet wird. An Stelle des Produktes aus Einheitswert und Steuermesszahl findet sich bei diesen Modellen ein vergleichsweise komplizierter Term zur Berechnung des Steuermessbetrags. 3.2.3. Flächensteuer Der vom Freistaat Bayern um die Jahrtausendwende in die Diskussion eingebrachte Gesetzesentwurf bezieht sich auf ein reines Flächenmodell, d.h. die Höhe der Grundsteuer ist abhängig von Grundstücksfläche und Gebäudefläche14: Grundsteuer = Steuermessbetrag x Hebesatz mit Steuermessbetrag = [Steuermesszahl Grundstücke x Grundstücksfläche + Steuermesszahl Gebäude x Wohn-/Nutzfläche] Steuermesszahl: 0,001 bei unbebauten Grundstücken; 0,0005 bei bebauten Grundstücken. Durch Satzung kann die Gemeinde für abgegrenzte Gemeindeteile eine abweichende Steuermesszahl festsetzen, die sich im Mittel aller Gemeindegrundstücke dem vom Land vorgegebenen Messbetrag nähern soll. 14 Für weitere Einzelheiten s. Lehmbrock/Coulmas, S. 186 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 - 087/10 Seite 11 Zur Erreichung des Ziels der Verwaltungsvereinfachung wird beim Flächensteuermodell auf die Besteuerung von land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken verzichtet, d.h. die Grundsteuer A wird nicht mehr erhoben. Das Ziel der Verwaltungsvereinfachung könnte jedoch, durch den für die Ermittlung der Wohn- /Nutzungsflächen verursachten Aufwand, unterwandert werden.15 3.2.4. Flächennutzungssteuer Das Konzept der Flächennutzungssteuer findet im Modell von Bizer und Lang Ausdruck.16 Die Art und Weise der Nutzung einer Fläche steht im Vordergrund. Das Konzept basiert auf Lenkungsanreizen für Nachhaltigkeit und sparsame Flächennutzung. Das Ziel bei Freiflächen ist die Naturbelassenheit, für bebaute Flächen ist das Ziel die Versiegelungsrate zu senken. Die Flächennutzungssteuer wird von Umweltverbänden, dem Umweltbundesamt, dem Sachverständigenrat für Umweltfragen sowie dem Nachhaltigkeitsrat Baden-Württemberg favorisiert. Das Modell sieht daher eine Einteilung des Grundbesitzes in sieben Steuerklassen vor, die von naturbelassenen Flächen bis zu besonders naturschädlich genutzten Flächen reichen. Die Grundsteuerbelastung errechnet sich dabei aus folgender Formel: Grundsteuer = Steuermessbetrag x Hebesatz mit Steuermessbetrag = Messzahl der Steuerklasse Messzahl der Steuerklasse: entspricht dem Multiplikator der Flächennutzungsklasse. Je naturschädlicher die Fläche genutzt wird, desto höher ist die Steuerklasse und die sich aus der Steuerklasse ergebende Messzahl. Der Hebesatz wird hier, statt auf das Produkt aus Einheitswert und Steuermesszahl, auf den Steuermessbetrag der jeweiligen Steuerklasse angewandt. Die administrative Vereinfachung nimmt mit zunehmender Differenzierung der Steuerklassen ab.17 15 Vgl. Lehmbrock/Coulmas, S. 116 ff; 148 ff. 16 Für weitere Einzelheiten s. Bizer/Lang. 17 Vgl. Fuest/Thöne, S. 62 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 - 087/10 Seite 12 3.3. Kombinierte Reformmodelle 3.3.1. Bodenwert- und Flächensteuer Dieses Modell aus dem Jahr 1995 vom Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) unterscheidet sich von der Bodenwertsteuer nur dadurch, dass neben der Bodenwertkomponente eine reine Flächenkomponente hinzugefügt worden ist. Das Modell soll umweltpolitische Defizite der reinen Bodenwertsteuer korrigieren.18 Im Jahre 2003 machte sich der Naturschutzbund Deutschland (NABU) e.V. diese Modell zu Eigen. Es wird vom Umweltbundesamt als zweitbeste Option nach der Flächennutzungssteuer angesehen. Die Verknüpfung der Bodenwert- und der Flächensteuer erfolgt additiv: Grundsteuer = Steuermessbetrag x Hebesatz mit Steuermessbetrag = [Bodenrichtwert x 80% x Grundstücksfläche x Steuermesszahl + Grundstücksfläche x Flächenfaktor] Bodenrichtwert: Regelungen für die Ermittlung finden sich in § 196 Baugesetzbuch. Danach sind für jedes Gemeindegebiet durchschnittliche Lagewerte für den Boden unter Berücksichtigung des unterschiedlichen Entwicklungszustands, mindestens jedoch für erschließungsbeitragspflichtiges oder erschließungsbeitragsfreies Bauland zu ermitteln. Steuermesszahl: 0,0005. Flächenfaktor: 0,075. Wie aus der Formel ersichtlich, besteht das Modell aus zwei Komponenten. Über die Festlegung des Verhältnisses der Bodenwert- zur Bodenflächen-Komponente kann das Modell justiert werden . Im Gegensatz zum Bodenwertsteuermodell ist die Steuermesszahl auf den Bodenwert halbiert. Der Flächenfaktor beträgt konstant 0,075. Vom obigen kombinierten Modell werden wegen der Einführung der Flächenkomponente stärkere Lenkungseffekte erwartet als vom reinen Bodenwertmodell: Große Grundstücke mit niedrigen Bodenwerten sollen höher als bei einer ausschließlichen Bemessung über den Bodenwert besteuert werden, kleine Grundstücke mit hohen Bodenwerten entsprechend niedriger. Im Vergleich zum jetzigen Einheitswertsystem fließt sowohl eine flächen- als auch eine wertbezogene Dimension in die Berechnung des Steuermessbetrages ein. 18 Vgl. Fuest/Thöne, S. 69. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 - 087/10 Seite 13 3.3.2. Flächennutzungs- und Bodenwertsteuer19 Das Modell von Rodi ergänzt die umweltpolitische Flächennutzungssteuer um die Wertkomponente der Bodenwertsteuer. Die Steuerklassen werden dabei von sieben auf fünf reduziert. Die Kombination aus Flächennutzungs- und Bodenwertsteuer erfolgt dabei multiplikativ: Grundsteuer = Steuermessbetrag x Hebesatz mit Steuermessbetrag = [Bodenrichtwert x Grundstücksfläche x Multiplikator der Flächennutzungsklasse] x Steuermesszahl Bodenrichtwert: Regelungen für die Ermittlung finden sich in § 196 Baugesetzbuch. Danach sind für jedes Gemeindegebiet durchschnittliche Lagewerte für den Boden unter Berücksichtigung des unterschiedlichen Entwicklungszustands, mindestens jedoch für erschließungsbeitragspflichtiges oder erschließungsbeitragsfreies Bauland zu ermitteln. Multiplikator der Flächennutzungsklasse: entspricht der Messzahl der Steuerklasse. Als Bemessungsgrundlage enthält das Modell an Stelle des Einheitswertes eine multiplikative Verknüpfung aus Flächennutzungs- und Bodenwerten. 4. Auswirkungen 4.1. Aktuelle Grundsteuer In 2008 betrug die Aufkommenshöhe der Grundsteuer 10.807 Mio. €. Das entspricht einem Anteil am Gesamtsteueraufkommen in Höhe von 1,8%.20 Die Grundsteuer B ist dabei allein für 10.451 Mio. € verantwortlich.21 19 Vgl. Rodi 2002, S. 167 ff. sowie Thöne, S. 72 ff. 20 Vgl. Bundesministerium der Finanzen. 21 Vgl. Löhr, S. 2 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 - 087/10 Seite 14 4.2. Reformmodelle Nach den hier vorliegenden Informationen liegen für die verschiedenen Reformmodelle keine konkreten Zahlen/Schätzungen vor. Problematisch in diesem Zusammenhang ist vor allem, dass zur Errechnung der Grundsteuer der Steuermessbetrag mit dem Hebesatz der Gemeinde multipliziert wird. Dieser kann aber von jeder Gemeinde selbst festgelegt werden. Die Mehreinnahmen der Gemeinden sind u.a. auch von der Höhe des Hebesatzes abhängig. Nach Auskunft des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu), welches ebenfalls über keine konkreten Zahlen/Schätzungen für das Bundesgebiet verfügt, lassen sich einige allgemeine Aussagen über die „Gewinner“ und „Verlierer“ einer Reform nach den drei Modellen der Bodenwertsteuer, der Gebäudewert- und Bodenwertsteuer (Modell von Bayern und Rheinland-Pfalz) sowie der Bodenwert - und Flächensteuer treffen. Demnach gibt es zwischen den drei Modellen Wirkungsunterschiede. Die Bodenwertsteuer entlastet Mietwohngrundstücke und Gewerbe gegenüber der heutigen Grundsteuer und belastet im Gegenzug unbebaute Grundstücke im gleichen Umfang mehr. Das Gebäudewert- und Bodenwertsteuermodell von Bayern und Rheinland-Pfalz zeigt die geringsten Veränderungen zum aktuellen Grundsteuersystem: Gewerbegrundstücke werden leicht entlastet und unbebaute Grundstücke in gleichem Maße belastet. Die Bodenwert- und Flächensteuer entlastet Mietwohngrundstücke und besonders innerstädtische Grundstücke. Hier wird ebenfalls unbebauter Grund mehr belastet und Gewerbegrundstücke nach der Grundstücksgröße besteuert. Je nach Bewertungskriterium bestehen Differenzen bei der Klassifizierung der Modelle in „Gewinner “ und „Verlierer“. So würde nach dem Kriterium der Akzeptanz des Reformvorschlags das Modell der Gebäudewert- und Bodenwertsteuer vorne liegen. Es weist die geringsten Abweichungen zum Status quo auf. Nach dem Kriterium des Lenkungspotentials wäre das kombinierte Bodenwert- und Flächensteuermodell vorzuziehen. Betrachtet man den Verwaltungsaufwand, so liegen das reine Bodensteuermodell und das kombinierte Bodenwert- und Flächensteuermodell gemeinsam auf dem ersten Rang.22 Entsprechend der Gewichtung der einzelnen Kriterien, kann man zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen gelangen. Das Fazit des Difu-Praxistests zeigt auf, dass alle drei erläuterten Reformmodelle Vor- und Nachteile besitzen, jedoch mit Feinkorrekturen umsetzbar sind.23 22 Vgl. Lehmbrock, S. 2 ff. 23 Vgl. Lehmbrock, S. 4 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 4 – 3000 - 087/10 Seite 15 Literaturverzeichnis Apel, D./Henckel et al. (1995) : Flächen sparen, Verkehr reduzieren. Möglichkeiten der Steuerung der Siedlungs- und Verkehrsentwicklung, in: Difu-Beiträge Stadtentwicklung 16, Berlin. Bizer, K./Lang, J. 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