© 2020 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 086/20 Prüfungskompetenzen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung im Enforcement-Verfahren Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 086/20 Seite 2 Prüfungskompetenzen der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung im Enforcement-Verfahren Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 086/20 Abschluss der Arbeit: 10. August 2020 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 086/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Bilanzprüfung durch die DPR 4 3. Bilanzprüfung durch die BaFin 5 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 086/20 Seite 4 1. Einleitung Im Jahr 2004 verabschiedete der Gesetzgeber das Bilanzkontrollgesetz (BilKoG) mit der Zielsetzung , durch die Einführung einer verstärkten, mehrstufigen Bilanzprüfung das Vertrauen der Anleger in die Finanzmärkte nach einigen Bilanzskandalen in den USA und Europa wieder zu stärken . Mit dem sog. Enforcement-Verfahren wurde ein Bilanzprüfungsverfahren eingeführt, welches eine Kontrolle der unternehmenseigenen Rechnungslegung ermöglicht. Dieses Verfahren ist zweigeteilt: Auf erster Stufe steht die sowohl stichprobenhafte, als auch anlassbezogen oder nach Veranlassung durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) vorzunehmende Prüfung durch die privatwirtschaftlich organisierte Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung e.V. (DPR). Eine Bilanzprüfung durch die BaFin erfolgt entsprechend § 108 Abs. 1 S. 2-4 Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) erst auf zweiter Stufe und nur, wenn das betroffene Unternehmen seine Mitwirkung auf erster Stufe ganz oder teilweise verweigert1 (§ 108 Abs. 1 S. 2 Nr. 1), es mit dem Ergebnis der Prüfung durch die DPR nicht einverstanden ist2 (§ 108 Abs. 1 S. 2 Nr. 1) oder erhebliche Zweifel an der Richtigkeit des Prüfungsergebnisses auf erster Stufe bestehen (§ 108 Abs. 1 S. 2 Nr. 2). Bei der DPR handelt es sich um eine weisungsunabhängige Prüfstelle nach § 342b Handelsgesetzbuch (HGB).3 Auch im Falle der durch die BaFin veranlassten Prüfung handelt sie nicht als Verwaltungshelferin , sondern in eigener Verantwortung gem. § 342b Abs. 1 S.3 Nr. 2 HGB. Die folgende Erörterung erläutert den Umfang der Bilanzprüfungskompetenzen der BaFin in dem Maße, in dem diese über die Prüfungskompetenzen der DPR hinausgehen. 2. Bilanzprüfung durch die DPR Gemäß § 342b Abs. 2 HGB prüft die DPR „ob der zuletzt festgestellte Jahresabschluss und der zugehörige Lagebericht oder der zuletzt gebilligte Konzernabschluss und der zugehörige Konzernlagebericht , der zuletzt veröffentlichte verkürzte Abschluss und der zugehörige Zwischenlagebericht sowie zuletzt veröffentlichte Zahlungsberichte oder Konzernzahlungsberichte, jeweils einschließlich der zugrunde liegenden Buchführung“ den gesetzlichen Vorschriften entspricht. Das Prüfverfahren richtet sich nach den §§ 17 ff. der Verfahrensordnung der Prüfstelle4, welche vom Bundesministerium der Justiz im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen am 24. August 2005 genehmigt worden ist. 1 Hönsch in Assmann/Schneider/Mülbert WpHG § 108 Rn. 11. 2 Schwark/Zimmer/Hennrichs WpHG § 108 Rn. 6. 3 Schwark/Zimmer/Hennrichs WpHG § 108 Rn. 1. 4 Verfahrensordnung vom 16. August 2005, abrufbar unter: https://www.frep.info/docs/rechtliche_grundlagen /20050816_verfahrensordnung_pruefstelle.pdf (06.08.2020). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 086/20 Seite 5 Wesentliches Merkmal der Bilanzprüfung durch die DPR ist, dass diese nach § 17 Abs. 2 Satz 3, 2. Halbsatz der Verfahrensordnung der Prüfstelle ausschließlich unter Mitwirkung des betreffenden Unternehmens erfolgt. Verweigert dieses die Mitwirkung ganz oder teilweise, so erfolgt gem. § 17 Abs. 2 Satz 3, 1. Halbsatz der Verfahrensordnung der Prüfstelle eine entsprechende Mitteilung an die BaFin. Eine Bilanzprüfung durch die DPR findet in diesem Fall nicht statt.5 Erklärt sich das prüfungsbetroffene Unternehmen zur Mitwirkung bereit, so ist es gem. § 342b Abs. 4 Satz 1 HGB verpflichtet, richtige und vollständige Auskünfte zu treffen sowie Unterlagen bereitzustellen. Die Zuwiderhandlung ist nach § 342e HGB mit bis zu 50 000 Euro bußgeldbewährt . Diesbezüglich zur Durchsetzung berufene Verwaltungsbehörde ist die BaFin nach § 36 Abs. 1 Nr. 1 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG). 3. Bilanzprüfung durch die BaFin Die Bilanzprüfungskompetenz der BaFin richtet sich nach den §§ 106 - 118 WpHG. Sie erfolgt nach allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Regeln, stellt somit ein Verwaltungsverfahren dar.6 Der BaFin steht damit im Gegensatz zur DPR die Befugnis zum Erlass hoheitlicher Maßnahmen zur Durchsetzung des Prüfungsverfahrens zu. Die wesentlichen Prüfungs- bzw. Ermittlungskompetenzen der BaFin sind in § 107 Abs. 5 und 6 WpHG geregelt.7 Gegenstand der Prüfung sind gem. § 106 WpHG – festgestellte Jahresabschlüsse und zugehörige Lageberichte oder gebilligte Konzernabschlüsse und zugehörige Konzernlageberichte, – veröffentlichte verkürzte Abschlüsse und zugehörige Zwischenlageberichte sowie – veröffentlichte Zahlungs- oder Konzernzahlungsberichte. 5 Siehe § 17 Abs. 2 Satz 3, 2. Halbsatz der Verfahrensordnung der Prüfstelle. 6 Schwark/Zimmer/Hennrichs WpHG § 108 Rn. 10. 7 Vom Bilanzprüfungsverfahren streng zu trennen ist das Bußgeldverfahren. Im Rahmen dessen verhängt die BaFin als zuständige Verwaltungsbehörde im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 1 OWiG iVm. § 121 WpHG im Falle der Nichtbefolgung der Vorschriften des WpHG Bußgelder nach dem Ordnungswidrigkeitenkatalog des § 121 WpHG. Der Katalog des § 120 WpHG normiert dabei Bußgelder in unterschiedlicher Höhe, etwa gemäß § 120 Abs. 12 Nr. 5, Abs. 24 iVm. § 107 Abs. 5 WpHG bis zu 50 000 Euro bei Nichtbefolgung eines Auskunftverlangens oder Zutrittsgesuchs. Es besteht hinsichtlich beider Verfahren ein „Verbot der Rollenvertauschung“, da je nach Verfahren unterschiedliche Eingriffsbefugnisse bestehen, siehe Wassmer in Fuchs WpHG § 40 Rn. 30. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 086/20 Seite 6 Im Zentrum steht dabei aufgrund der besonderen Aussagekraft im Hinblick auf einen informierten Kapitalmarkt der Konzernabschluss mit all seinen Teilen, mithin nach § 297 HGB die Kapitalflussrechnung , der Eigenkapitalspiegel und ggf. die Segmentberichterstattung.8 Hinsichtlich der Auswahl der Prüfungsgegenstände steht der BaFin allerdings ein Auswahlermessen zu. Zu prüfende Unternehmen sind der BaFin gemäß § 107 Abs. 5 WpHG umfassend auskunftspflichtig . Die Auskunftspflicht betrifft das zu prüfende Unternehmen, d.h. Aufsichts- und Verwaltungsräte sowie Vorstandsmitglieder und alle abhängig Beschäftigten, sowie den jeweiligen Abschlussprüfer des Unternehmens.9 Nicht auskunftspflichtig sind Aktionäre sowie ehemalige Beschäftigte und Organmitglieder. Welche Auskünfte verlangt werden, steht im pflichtgemäßen Ermessen der BaFin.10 Insoweit kann die BaFin grundsätzlich Herausgabe sämtlicher unternehmensbezogener Unterlagen verlangen. Ebenso ist das Herausverlangen der Arbeitspapiere des jeweiligen Abschlussprüfers statthaft.11 Es besteht insofern eine umfassende Prüfungskompetenz, die allein im allgemeinen verwaltungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Einschränkung erfährt.12 Erforderlich ist ein solches Verlangen dabei bereits, „wenn die BaFin annehmen darf, dass durch die Befragung bzw. Anforderung von Unterlagen Tatsachen zutage gefördert werden, die die Entscheidung, ob ein Bilanzierungsfehler vorliegt oder nicht, erleichtern“.13 Nach § 107 Abs. 6 WpHG ist den Beamten der BaFin im Rahmen der Bilanzprüfung darüber hinaus Zugang zu den Grundstücken und Geschäftsräumen des Unternehmens zu gestatten. Zur Durchsetzung der Prüfungsmaßnahmen (d.h. der Auskunftsverlangen oder Zutrittsforderungen ) kann die BaFin gem. § 17 Abs. 1 Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz (FinDAG) Zwangsmittel gegen das betreffende Unternehmen androhen und erlassen. Jeder Fall der Nichtbefolgung kann im Rahmen dessen mit einem Zwangsgeld in Höhe von bis zu 2 500 000 Euro geahndet werden (§ 17 Abs. 1 FinDAG). Ergibt die Prüfung, dass die Rechnungslegung des Unternehmens fehlerhaft ist, so erfolgt gem. § 109 Abs. 1 WpHG die Fehlerfeststellung per Verwaltungsakt.14 Das Unternehmen ist dann vorbehaltlich entgegenstehender berechtigter Interessen zur unverzüglichen öffentlichen Bekanntmachung verpflichtet. Die damit verbundene „Prangerwirkung“ soll präventiv wirken und stellt 8 Schwark/Zimmer/Hennrichs WpHG § 106 Rn. 8. 9 Schwark/Zimmer/Hennrichs WpHG § 107 Rn. 29. 10 Schwark/Zimmer/Hennrichs WpHG § 107 Rn. 32. 11 OLG Frankfurt a. M. Beschl. v. 29.11.2007 – WpÜG 2/07. 12 Ebenda. 13 Ebenda. 14 Schwark/Zimmer/Hennrichs WpHG § 109 Rn. 3. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 086/20 Seite 7 nach der Gesetzessystematik das zentrale Sanktionsinstrument für fehlerhafte Rechnungslegungen dar.15 *** 15 Schwark/Zimmer/Hennrichs WpHG § 109 Rn. 14-17.