© 2019 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 086/19 Rechtliche Möglichkeiten zur Besteuerung von Flugbenzin in Deutschland Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 086/19 Seite 2 Rechtliche Möglichkeiten zur Besteuerung von Flugbenzin in Deutschland Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 086/19 Abschluss der Arbeit: 05.07.2019 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 086/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Steuerbefreiung von Kerosin in der gewerblichen Luftfahrt 4 3. Rechtliche Rahmenbedingung einer Kerosinsteuer in Deutschland 4 3.1. Kerosinsteuer auf innerstaatliche Flüge 4 3.2. Kerosinsteuer auf EU-Flüge 6 3.3. Luftverkehrsteuer 7 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 086/19 Seite 4 1. Fragestellung Der Auftraggeber bittet um eine Darstellung der rechtlichen Möglichkeiten, die in Deutschland zur Besteuerung von Flugbenzin für innerdeutsche sowie für internationale Flüge bestehen. 2. Steuerbefreiung von Kerosin in der gewerblichen Luftfahrt Energieerzeugnisse werden nach dem Energiesteuergesetz (EnergieStG) besteuert. Als Energieerzeugnis fällt auch Kerosin unter dieses Gesetz. Kerosin, das in der gewerblichen Luftfahrt genutzt wird, ist jedoch gemäß § 27 Abs. 2 Nr. 1 EnergieStG von der Steuer befreit. Diese Steuerbefreiung beruht auf dem Chicagoer Abkommen1 sowie auf über 100 bilateralen Luftverkehrsabkommen.2 Die Besteuerung von Kerosin war zudem lange Zeit durch EG-Verbrauchsteuerrecht ausgeschlossen . Seit 2003 erlaubt Art. 14 Abs. 2 RL 2003/963 den EU-Staaten die Erhebung einer Steuer auf Kerosin.4 3. Rechtliche Rahmenbedingung einer Kerosinsteuer in Deutschland 3.1. Kerosinsteuer auf innerstaatliche Flüge Zur Besteuerung von Kerosin auf innerstaatlichen Flügen gibt es drei Möglichkeiten. Die Steuer kann an den Bezug des Kerosins anknüpfen, es kann eine pauschale Steuer erhoben werden oder es wird die tatsächlich verbrauchte Kerosinmenge besteuert. Diese Möglichkeiten werden im Folgenden auf ihre Vereinbarkeit mit internationalem Recht, bilateralen Verträgen, Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht dargestellt. a. Die Steuer knüpft an den Bezug des Kerosins in Deutschland an. Auf internationaler Ebene darf das Chicagoer Abkommen nicht entgegenstehen. Das Abkommen gilt nicht für neu an Bord genommenes Kerosin, so dass es eine Steuer, die an den Bezug in Deutschland anknüpft, nicht verbietet. Da die Intention des Abkommens 1 Abkommen von Chicago über die internationale Zivilluftfahrt von 1944. Mit diesem Abkommen wurde die I- CAO, die International Civil Aviation Organization gegründet. Abkommen abrufbar unter: www.icao.int/icaonet /arch/doc/7300/7300_9ed.pdf. 2 Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes, „Einige Aspekte der Einführung einer nationalen Steuer auf Kerosin für Inlands- und innergemeinschaftliche Flüge“, WF IV 277/04. 3 Richtlinie 2003/96/EG des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (ABl. L 283, S. 51ff.) – Energiesteuerrichtlinie . 4 „Die Mitgliedstaaten können diese in Absatz 1 Buchstaben b) und c) vorgesehenen Steuerbefreiungen auf internationale oder innergemeinschaftliche Transporte beschränken. In den Fällen, wo ein Mitgliedstaat ein bilaterales Abkommen mit einem anderen Mitgliedstaat geschlossen hat, kann von den in Absatz 1 Buchstaben b) und c) vorgesehenen Befreiungen abgesehen werden. In diesen Fällen können die Mitgliedstaaten einen Steuerbetrag vorschreiben, der die in dieser Richtlinie festgesetzten Mindestbeträge unterschreitet.“. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 086/19 Seite 5 die Förderung des internationalen zivilen Luftverkehrs ist, findet es zudem auf reine Inlandsflüge keine Anwendung.5 Entgegenstehen könnte jedoch aufgrund des Abkommens ergangenes Sekundärrecht. Die ICAO, die mit dem Chicagoer Abkommen gegründet wurde, hat selbst zwar keine Hoheitsbefugnisse , von ihr erlassene Richtlinien und Empfehlungen gelten also nicht unmittelbar in den Mitgliedstaaten. Diese haben sich aber verpflichtet, zu einem Höchstmaß an Einheitlichkeit beizutragen. Zu diesem Zweck können sie Richtlinien und Empfehlungen in nationales Recht umsetzen. Eine Verpflichtung dazu besteht jedoch grundsätzlich nicht. Zum Zeitpunkt des hier zugrundegelegten Gutachtens von Prof. Pache von 2005 bestanden keine Richtlinien oder Empfehlungen zu einer Besteuerung von Kerosin. Ein weiteres Hindernis könnte eine etwaige Selbstbindung der Bundesrepublik Deutschland an die Äußerungen der ICAO darstellen, eine solche lag aber zum Zeitpunkt des Gutachtens ebenfalls nicht vor.6 Innerhalb des Rahmens des Chicagoer Abkommens wurden zudem bilaterale Luftverkehrsabkommen geschlossen. Diese haben die gegenseitige Gewährung von Verkehrsrechten (sog. Kabotagerechte) zwischen den jeweiligen Staaten zum Inhalt und könnten einer Besteuerung entgegenstehen, soweit sie Klauseln zur Befreiung von Abgaben enthalten. Auf die Besteuerung von innerstaatlichen Flügen, die von deutschen Luftverkehrsgesellschaften durchgeführt werden, haben diese Abkommen keinen Einfluss. Entgegenstehen könnten dagegen solche Abkommen, die ausländischen Luftverkehrsgesellschaften das Recht einräumen , innerstaatliche Flüge durchzuführen. Zum Zeitpunkt des Gutachtens von Prof. Pache 2005 bestanden solche Abkommen jedoch nicht.7 Kabotagerechte können sich nicht nur aus bilateralen Abkommen ergeben, sondern auch aus europäischem Gemeinschaftsrecht. So stehen gemäß Art 3 der VO 92/2408 EG8 allen Luftverkehrsunternehmen der Gemeinschaft Kabotagerechte zu. Um einer Besteuerung entgegenzustehen, müssten sich die Steuerklauseln der bilateralen Verträge, die sich im Grunde nur auf die internationalen Flüge zwischen den beiden Vertragsparteien beziehen, auch auf die sich aus Gemeinschaftsrecht ergebenden Kabotagerechte erstrecken. Das erscheint im Hinblick auf die Souveränität der Vertragsparteien fraglich . Sollte eine Erstreckung dennoch angenommen werden, kommt es auf die einzelnen Abkommen an. Das Gutachten von Prof. Pache stellt jedoch fest, dass auch in diesem Fall unter Berücksichtigung aller mit anderen EU-Staaten geschlossenen Abkommen, eine Besteuerung von Kerosin auf reinen Inlandsflügen möglich ist.9 Auf der Ebene des primären Gemeinschaftsrechts steht Art. 110 AEUV nicht entgegen. 5 Prof. Dr. E. Pache, Möglichkeit der Einführung einer Kerosinsteuer auf innerdeutschen Flügen, Rechtsgutachten im Auftrag des Umweltbundesamtes, Februar 2005, S. 17, 23, 24. 6 Pache, S. 38. 7 Pache, S. 41. 8 Verordnung 92/2408 über den Zugang von Luftfahrtunternehmen der Gemeinschaft zu Strecken des innergemeinschaftlichen Luftverkehrs, ABl. L 240 vom 24.08.1992 S. 008 f. . 9 Ausführlich Pache, S. 41 ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 086/19 Seite 6 Eine Vereinbarkeit mit der Warenverkehrsfreiheit sowie Dienstleistungsfreiheit und Niederlassungsfreiheit ist gegeben, wenn weder deutsches Mineralöl noch deutsche Fluggesellschaften bevorzugt werden.10 Sekundäres Gemeinschaftsrecht stellt kein Hindernis dar, insbesondere Art. 14 Abs. 2 RL 2003/96 ermöglicht ja gerade eine Besteuerung.11 Deutsches Recht steht der Einführung einer Kerosinsteuer ebenfalls nicht entgegen.12 Die Einführung einer an den Bezug des Kerosins in der Bundesrepublik Deutschland anknüpfenden Kerosinsteuer ist somit wohl aus rechtlicher Sicht möglich.13 b. Eine Pauschale wird besteuert. Anknüpfungspunkt ist hier eine bestimmte Menge Kerosin, das auf jeder inländischen Flugstrecke als verbraucht gilt. Bei dieser Variante ist allein die Vereinbarkeit mit sekundärem Gemeinschaftsrecht problematisch . Eine an den Verbrauch anknüpfende Besteuerung von Flugbenzin ist mit der RL 92/1214 nur vereinbar, wenn es sich um nicht in der Bundesrepublik Deutschland getanktes Flugbenzin handelt, da es ansonsten zu einer Besteuerung des Verbrauchs von bereits im steuerrechtlich freien Verkehr befindlichen Treibstoffen kommt. Zulässig ist demnach nur eine pauschale Kerosinbesteuerung bezüglich Treibstoffen, die in den Hauptbehältern von Luftfahrzeugen aus anderen EU-Mitgliedstaaten oder aus Drittstaaten eingeführt werden.15 c. Die Steuer knüpft an den tatsächlichen Verbrauch von Kerosin auf innerstaatlichen Flügen an. Die Luftfahrtgesellschaften müssten dabei einer Nachweispflicht unterliegen. Auch hier ist allein die Vereinbarkeit mit sekundärem Gemeinschaftsrecht problematisch. Eine Besteuerung ist ebenso wie bei der Variante b nur zulässig bezüglich Treibstoffen, die in den Hauptbehältern von Luftfahrzeugen aus anderen EU-Mitgliedstaaten oder aus Drittstaaten eingeführt werden.16 3.2. Kerosinsteuer auf EU-Flüge Gemäß Art. 14 Abs. 2 S. 2 RL 2003/96 kann auch von den Steuerbefreiungen bei Transporten zwischen den Mitgliedstaaten abgesehen werden. Dafür müssten jedoch zwischen den einzelnen 10 Pache, S. 53 ff. 11 Pache, S. 60. 12 Pache, S. 63. 13 Pache, S. 66. 14 Richtlinie 91/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren. 15 Pache, S. 86. 16 Pache, S. 100. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 086/19 Seite 7 Mitgliedstaaten, die von einer Steuerbefreiung absehen wollen, bilaterale Abkommen bestehen bzw. abgeschlossen werden, die eine solche Steuererhebung ermöglichen 17 Die Kerosinbesteuerung wäre jedoch auch dann nur bei Flügen zwischen den entsprechenden Mitgliedstaaten möglich. Eine Besteuerung von Flügen, die aus den Mitgliedstaaten in Drittstaaten starten, wäre zumindest fraglich. Die Besteuerung von Flügen, die von nicht an dem Abkommen beteiligten Luftfahrtgesellschaften durchgeführt werden, wäre nicht möglich.18 3.3. Luftverkehrsteuer Bei der über Art. 1 Haushaltsbegleitgesetz 2011 eingeführten Luftverkehrsteuer handelt es sich um eine verfassungskonforme Verkehrsteuer19 nach Art. 106 Abs. 1 Nr. 3 GG, die den Rechtsvorgang besteuert, der zum Abflug von einem deutschen Startort mit einem Flugzeug (einschließlich Hubschrauber) durch ein Luftverkehrsunternehmen berechtigt. Rechtsvorgänge, die zum Abflug eines Fluggasts berechtigen, sind z. B. Beförderungsverträge in Form eines Ticketkaufs oder Pauschalreisebuchungen im Rahmen eines Vertragsbündels. Die Steuer entsteht mit dem Abflug des Fluggasts von einem inländischen Flughafen, wobei grundsätzlich Abflüge innerhalb des Inlands beim Umsteigen bei Transitflügen und Abflüge, die sich an einen Zubringerflug anschließen, nicht besteuert werden.20 Die Abgabenbelastung richtet sich nach der Länge der Flugstrecke und bietet mithin einen „Quasiersatz “21 für eine fehlende Energiesteuer auf Kraftstoffe in der gewerblichen Luftfahrt. *** 17 KOM (2000) 110 Besteuerung von Flugkraftstoff: quantitative Analyse für das Jahr 2005, bei Einführung der Steuer 1998, S. 4. 18 Pache, S. 108 mit Beispiel. 19 BVerfG, Urt. v. 5.11.2014 – 1 BvF 3/11. 20 BMF, Steuern von A – Z, Ausgabe 2018, S. 108. 21 Friedrich, Gesetzesänderungen bei Energie- und Stromsteuer; neue indirekte Steuern (Luftverkehr, Kernbrennstoffe ), DStR 2010, 2604.