© 2019 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 084/19 Möglichkeiten zur finanziellen Förderung eines öffentlichen Gesundheitsdienstes durch den Bund Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 084/19 Seite 2 Möglichkeiten zur finanziellen Förderung eines öffentlichen Gesundheitsdienstes durch den Bund Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 084/19 Abschluss der Arbeit: 02. Juli 2019 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 084/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Vorbemerkung 4 3. Finanzhilfen nach Art. 104b GG 4 4. Gesetzgebungskompetenz des Bundes im Gesundheitswesen 6 5. Fazit 7 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 084/19 Seite 4 1. Fragestellung Die Auftraggeberin bittet um Beantwortung diverser Einzelfragen zum Themenkomplex „öffentlicher Gesundheitsdienst“. Dieses Teil-Gutachten beantwortet nur die Fragen die einen finanzverfassungsrechtlichen Bezug haben. Im Fokus steht die Frage, wie der Bund den öffentlichen Gesundheitsdienst finanziell fördern kann. 2. Vorbemerkung Nach Art. 104a Abs. 1 Grundgesetz (GG) tragen Bund und Länder gesondert die Ausgaben, die sich aus der Wahrnehmung ihrer Aufgaben ergeben (Konnexitätsgrundsatz). Die Ausgabenlast folgt damit der Aufgabenzuständigkeit. In seiner zuständigkeitsabgrenzenden Funktion verbietet das Konnexitätsprinzip den Gebietskörperschaften, die Aufgabenlast der jeweils anderen zu finanzieren .1 Die Finanzverantwortung für die Kommunen tragen nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes die Länder. Folglich bestehen keine direkten Finanzbeziehungen zwischen Bund und Gemeinden.2 3. Finanzhilfen nach Art. 104b GG Art. 104b GG ermöglicht dem Bund, sich unter bestimmten Voraussetzungen – abweichend vom Konnexitätsgrundsatz des Art. 104a Abs. 1 GG – an der Finanzierung von Investitionen in Aufgabenvollzugsbereichen der Länder und Gemeinden durch die Gewährung von Finanzhilfen an die Länder zu beteiligen.3 Die Regelung soll das Instrument der Finanzhilfen des Bundes „auf seine eigentliche Zielrichtung, Bundesmittel gezielt und flexibel zur Behebung konkreter Problemlagen einzusetzen“, zurückführen.4 Die Leistung von Finanzhilfen steht im Ermessen des Bundes, das sich „nach Maßgabe seiner Finanzkraft “ zu einer Hilfeleistungspflicht verdichten kann.5 „Art. 104 b Abs. 1 gibt dem Bund grundsätzlich ein Entschließungs- und ein Auswahlermessen („kann“, „erforderlich“). Das Entschließungsermessen betrifft das „Ob überhaupt“ und das „Wie lange“, das durch Mitspracherechte der Länder eingeschränkte Auswahlermessen Art und Umfang der Finanzhilfen. […] Das Entschließungsermessen des Bundes ist frei von politischer Einwirkung der Länder. Der Bund kann hier politische Erwägungen zur Geltung bringen, nur keine parteipolitischen. Es kann gleichwohl rechtlich reduziert sein; wegen seiner Garantenstellung für das staatliche Finanzwesen und das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht gibt es kein freies politisches Ermessen des 1 BeckOK Grundgesetz/Kube, GG, Art. 104a, Rn. 5. 2 BeckOK Grundgesetz/Kube, GG, Art. 104a, Rn. 8. 3 BeckOK Grundgesetz / Kube, Art. 104b, Rn. 1. 4 BT-Drs. 16/813, S. 19. 5 BVerfGE 39, 96 (113). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 084/19 Seite 5 Bundes; vielmehr ist insoweit das Merkmal „erforderlich“ eine – wenn auch kaum justitiable – Ermessensdirektive.“6 Das Ermessen bezieht sich jedoch ebenso auf die Einschränkung oder Abschaffung einzelner Finanzhilfen , selbst wenn deren tatbestandliche Voraussetzungen noch erfüllt sind; Art. 104b GG kennt als Ausnahmevorschrift grundsätzlich keinen Bestandsschutz.7 Der Bund darf immer nur einen Teil der Investitionskosten übernehmen; dies ergibt sich aus dem Begriff der Hilfe.8 Aus dem Begriff folgt ebenso, dass der Bund nur Angebote unterbreiten darf, die von den Ländern ausgeschlagen werden können. Die Finanzhilfen dürfen zudem nicht von Einvernehmens -, Zustimmungs- oder Genehmigungsvorbehalten oder auch Einspruchsrechten im Einzelfall abhängig gemacht werden. Ebenso wenig ermächtigt Art. 104b GG den Bund, in eigener Regie Investitionspläne aufzustellen und bei der Auswahl von Einzelprojekten mitzuwirken.9 Weil Art. 104b Abs. 2 S. 1 GG dem Bund das Einwirken lediglich bis zum Zeitpunkt der Hingabe der Finanzmittel an die Länder erlaubt, wurden im Rahmen der Reform der Bund-Länder-Finanzbeziehungen 2017 Art. 104b Abs. 2 S. 2 u. 3 GG ergänzt (BGBl. 2017 I 2347). Nach Art. 104b Abs. 2 S. 2 GG kann das Bundesgesetz oder die Verwaltungsvereinbarung Bestimmungen über die Ausgestaltung der Länderprogramme zur Verwendung der Finanzhilfen vorsehen . Zweck der – Art. 109 Abs. 1 GG relativierenden – Ermächtigungsgrundlage ist es, eine im Bundessinne einheitliche, gesamtwirtschaftlich effiziente Förderung zu gewährleisten.10 Ansonsten könnten die konkreten Förderkriterien von Land zu Land variieren.11 Zur Sicherung der Interessen der Länder sind die Vorgaben für die Ausgestaltung der Länderprogramme im Einvernehmen mit den Ländern festzulegen (Art. 104b Abs. 2 S. 3GG). Ebenfalls 2017 wurde Art. 104b Abs. 2 S. 4 GG eingefügt (BGBl. 2017 I 2347), der die Bundesregierung – ebenfalls in Relativierung von Art. 109 Abs. 1 GG – ermächtigt, zur Gewährleistung der zweckentsprechenden Mittelverwendung Bericht und Vorlage der Akten zu verlangen und Erhebungen bei allen Behörden durchzuführen.12 Dieser Informationsanspruch kann sich auf einzelne Vorhaben beziehen.13 6 Heintzen in von Münch/Kunig: GG, Kommentar, Art. 104b, Rn. 15f. 7 BeckOK Grundgesetz / Kube, Art. 104b, Rn. 15. 8 BVerfGE 39; 96 (116). 9 BeckOK Grundgesetz / Kube, Art. 104b, Rn. 16. 10 BT-Drs. 18/11131, S. 12. 11 BeckOK Grundgesetz / Kube, Art. 104b, Rn. 21. 12 BeckOK Grundgesetz / Kube, Art. 104b, Rn. 22. 13 BT-Drs. 18/11131. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 084/19 Seite 6 4. Gesetzgebungskompetenz des Bundes im Gesundheitswesen Für die Zulässigkeit von Finanzhilfen nach Art. 104b GG müsste der Bund im Bereich des Gesundheitswesens eine Gesetzgebungskompetenz innehaben. Nach der übereinstimmenden Meinung im Schrifttum ist davon auszugehen, dass es jedenfalls nicht erforderlich ist, dass der Bund seine Gesetzgebungsbefugnisse auch tatsächlich ausgeschöpft haben muss. Entscheidend dürfte sein, ob der Bund überhaupt die Befugnis zur Gesetzgebung hat, wobei im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung nicht erforderlich ist, dass zugleich auch die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG vorliegen.14 Für das Gesundheitswesen lässt sich keine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes nach Art. 73 Abs. 1 GG feststellen. Der Kompetenztitel „öffentliche Fürsorge“ im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG befugt den Bundesgesetzgeber zur kollektiven Unterstützung bei individueller Bedürftigkeit.15 Jedoch hat das BVerfG klargestellt, dass der Bund seine nur eingegrenzten Zugriffsmöglichkeiten auf das Gesundheitswesen nicht unter Berufung auf die öffentliche Fürsorge („Gesundheitsfürsorge“) ausdehnen darf.16 Folglich ist dieser Kompetenztitel nicht einschlägig . Im Bereich des Gesundheitswesens besteht eine konkurrierende Gesetzkompetenz gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG nur in Bezug auf „Maßnahmen gegen gemeingefährliche oder übertragbare Krankheiten bei Menschen und Tieren, Zulassung zu ärztlichen und anderen Heilberufen und zum Heilgewerbe, sowie das Recht des Apothekenwesens, der Arzneien, der Medizinprodukte, der Heilmittel, der Betäubungsmittel und der Gifte“ und gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 19a GG in Bezug auf die „wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser und die Regelung der Krankenhauspflegesätze “. Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG stellt „keine Globalermächtigung des Bundes für den Bereich des Gesundheitswesens dar, sondern zerfällt in eine Reihe von Einzelkompetenzen, die durch ihren Gesundheitsbezug nur lose verknüpft sind.“17 Die von Art. 74 Abs. 1 Nr. 19a GG allein gedeckte „wirtschaftliche Sicherung“ der Krankenhäuser meint vor allem Finanzhilfen. „Gesundheitspolitische Fernziele genügen nicht, um eine Kompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 19a Var. 1 GG zu begründen.“18 Im Übrigen unterfällt die Gesundheitsfürsorge der ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz der Länder nach Art. 30 und Art. 70 Abs. 1 GG. 14 Maunz/Dürig/Schwarz, GG, Art. 104b, Rn. 26. 15 BeckOK Grundgesetz/Seiler, GG, Art. 74, Rn. 23. 16 BeckOK Grundgesetz/Seiler, GG, Art. 74, Rn. 25. So auch Dreier GG/Wittreck, GG, Art. 74, Rn. 38. 17 Dreier GG/Wittreck, GG, Art. 74 Rn. 86. 18 BeckOK Grundgesetz/Seiler, GG, Art. 74, Rn. 73. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 084/19 Seite 7 5. Fazit Der Bund hat nur eine sehr eingeschränkte Gesetzgebungskompetenz für den Gesundheitsbereich . Folglich könnten Finanzhilfen nach Art. 104b GG nur für die Bereiche gewährt werden, die unter die aufgezählten Kompetenztitel für den Bund fallen. Weitergehende politische Vorhaben bedürften einer Änderung des Grundgesetzes. ***