© 2020 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 082/20 Die Aufsicht über Betriebsunterbrechungsversicherungen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 082/20 Seite 2 Die Aufsicht über Betriebsunterbrechungsversicherungen Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 082/20 Abschluss der Arbeit: 14. August 2020 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 082/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Rechtliche Grundlagen der Versicherungsaufsicht 4 3. Aufsicht über Betriebsunterbrechungsversicherungen 5 4. Durchgriffsrechte der Versicherungsaufsicht im Falle der Nichtanerkennung des Schadenseintritts 5 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 082/20 Seite 4 1. Fragestellung Der Auftraggeber erfragt, wie die Aufsicht über Betriebsunterbrechungsversicherungen ausgestaltet ist. Außerdem soll dargestellt werden, welche Durchgriffsrechte die Aufsicht hätte, wenn der Versicherer den Schadenseintritt nicht anerkennt. 2. Rechtliche Grundlagen der Versicherungsaufsicht Die staatliche Aufsicht über Versicherungsunternehmen im Sinne des § 1 Abs. 1 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) obliegt der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) bzw. den Landesaufsichtsbehörden, vgl. §§ 320–325 VAG: In Deutschland tätige private Versicherungsunternehmen , die wirtschaftlich von erheblicher Bedeutung sind, sowie öffentlich-rechtliche Wettbewerbsversicherer, die über die Grenzen eines Bundeslandes hinaus tätig sind, werden durch die BaFin beaufsichtigt. Diejenigen öffentlich-rechtlichen Versicherer, deren Tätigkeit auf das jeweilige Bundesland beschränkt ist und privatrechtliche Versicherer, die wirtschaftlich von geringerer Bedeutung sind, fallen in die Zuständigkeit der Landesaufsichtbehörden. Durch die Versicherungsaufsicht sollen insbesondere die Belange der Versicherten durch die Sicherstellung der dauernden Erfüllbarkeit der Verpflichtungen aus den Versicherungsverträgen geschützt werden.1 Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist eine nicht ausreichende Wahrung der Belange der Versicherten dann gegeben, „wenn schutzwürdige Interessen der Versicherten beeinträchtigt werden und diese Beeinträchtigung unter Berücksichtigung der Gesamtheit der beteiligten Interessen und der Besonderheiten des betreffenden Versicherungszweiges als unangemessen anzusehen ist und so schwer wiegt, dass ein Eingreifen der Behörde gerechtfertigt ist“2. Die Aufsicht beinhaltet zum einen die Erlaubniserteilung nach den §§ 8 ff. VAG, die für den Betrieb von Versicherungsgeschäften in Deutschland notwendig ist, und zum anderen (im Anschluss an die Erlaubniserteilung) die in den §§ 294 ff. VAG geregelte Überwachung des laufenden Geschäftsbetriebs. Die laufende Aufsicht beinhaltet gemäß der Generalklausel des § 294 Abs. 2 S. 1 VAG eine rechtliche Aufsicht im Allgemeinen und eine Finanzaufsicht im Besonderen. Die Aufsichtsbehörde hat dabei nach S. 2 auf die Einhaltung der Gesetze, die für den Betrieb des Versicherungsgeschäfts gelten, und bei Erstversicherungsunternehmen zusätzlich auf die ausreichende Wahrung der Belange der Versicherten zu achten. Diese Aufgabennorm wird in den §§ 298 ff. VAG durch entsprechende Befugnisse der Aufsichtsbehörde konkretisiert: Gemäß § 298 Abs. 1 S. 1 VAG kann die Aufsichtsbehörde gegenüber den Unternehmen, den Mitgliedern ihres Vorstandes sowie sonstigen Geschäftsleitern oder den die Unternehmen kontrollierenden Personen alle Anordnungen treffen, die geeignet und erforderlich sind, um Missstände zu vermeiden oder zu beseitigen. Unter „Missstand“ ist gem. § 298 Abs. 1 S. 2 VAG jedes Verhalten eines Versicherungsunternehmens zu verstehen, das den in § 294 Abs. 2 VAG normierten Aufsichtszielen widerspricht. In den 1 Michael in: Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht - Band 1, 4. Aufl. 2019, § 33 Versicherungsaufsichtsrecht , III. Aufgabe der Versicherungsaufsicht, Rn. 7. 2 BVerwG, Urt. v. 12.09.1989 – 1 A 32/87 –, juris Rn. 17 m.w.N. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 082/20 Seite 5 §§ 300–314 VAG sind darüber hinausgehende, spezielle Befugnisse der Aufsichtsbehörde normiert , bspw. kann die Aufsichtsbehörde vor Abschluss neuer Versicherungsverträge die Änderung des Geschäftsplans verlangen (§ 300 VAG) oder – bei besonders schweren Missständen – die Befugnisse eines Organs ganz oder teilweise auf einen Sonderbeauftragten übertragen (§ 307 VAG) oder sogar die Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb widerrufen (§ 304 VAG). Darüber hinaus regelt das VAG einige weitere Befugnisse gegenüber bestimmten Arten von Versicherungsunternehmen , z. B. in § 225 VAG für Sicherungsfonds oder in § 293 VAG für Versicherungs-Holdinggesellschaften . Als Instrumente der Versicherungsaufsicht kommen zwar grundsätzlich sowohl schlicht hoheitliche Formen des Verwaltungshandelns als auch der Erlass eines Verwaltungsakts in Betracht, in der Praxis der Versicherungsaufsicht steht jedoch kooperatives und informelles Verwaltungshandeln in Form von Hinweisen, Mahnungen, Anregungen etc. im Vordergrund.3 3. Aufsicht über Betriebsunterbrechungsversicherungen Betriebsunterbrechungsversicherungen fallen unter die oben erläuterten Grundsätze der Versicherungsaufsicht , sofern sie von Versicherungsunternehmen i. S. d. § 1 VAG angeboten werden. 4. Durchgriffsrechte der Versicherungsaufsicht im Falle der Nichtanerkennung des Schadenseintritts Zwar liegt die Aufgabe der Versicherungsaufsicht primär in der Wahrung der Belange der Versicherten , s. o. Hiermit sind jedoch nur die Belange der Versicherten in ihrer Gesamtheit und nicht die Belange des einzelnen Versicherungsnehmers gemeint.4 Dies ergibt sich schon daraus, dass die BaFin ihre Aufgaben und Befugnisse gemäß § 4 Abs. 4 des Gesetzes über die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (FinDAG) nur im öffentlichen Interesse wahrnimmt. Einzelfragen des Versicherungsvertrags sind im Streitfall durch die ordentlichen Gerichte und nicht durch die Versicherungsaufsicht zu klären.5 Dennoch kann die BaFin einschreiten, wenn das Verhalten des Versicherers über den Einzelfall hinaus Bedeutung erlangt, also viele Versicherungsnehmer in vergleichbarer Weise betrifft.6 Die Bundesanstalt kann dann überprüfen, ob die Gesellschaft die vereinbarten Vertragsbedingungen und die rechtlichen Vorgaben eingehalten hat; dies geschieht allerdings in erster Linie, um heraus- 3 Michael in: Ehlers/Fehling/Pünder, Besonderes Verwaltungsrecht - Band 1, 4. Aufl. 2019, § 33 Versicherungsaufsichtsrecht , III. Aufgabe der Versicherungsaufsicht, Rn. 23. 4 VG Frankfurt, Urt. v. 28.03.2011 – 9 K 566/10.F –, juris Rn. 23. 5 VG Frankfurt, Urt. v. 28.03.2011 – 9 K 566/10.F –, juris Rn. 25. 6 BaFinJournal Fachartikel „Versicherungsverträge: Rechtliche Anforderungen an Änderungen und Kontrolle durch die BaFin“ v. 15.02.2016, abrufbar unter https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen /DE/Fachartikel/2016/fa_bj_1602_versicherungsvertraege.html, zuletzt aufgerufen am 11.08.2020. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 082/20 Seite 6 zufinden, ob und – wenn ja – welche Bedeutung der jeweilige Sachverhalt für das deutsche Aufsichtsrecht hat.7 Das Ergebnis einer solchen Prüfung kann dem Versicherungsnehmer aber aufgrund der Verschwiegenheitspflicht der BaFin grundsätzlich nicht mitgeteilt werden.8 Eine rechtsverbindliche Entscheidung kann die BaFin nicht treffen. *** 7 https://www.bafin.de/DE/Verbraucher/BeschwerdenAnsprechpartner/beschwerdenansprechpartner_node.html und https://www.bafin.de/DE/Verbraucher/BeschwerdenAnsprechpartner/Ansprechpartner /BaFin/bafin_node.html, zuletzt aufgerufen am 11.08.2020. 8 https://www.bafin.de/DE/Verbraucher/BeschwerdenAnsprechpartner/beschwerdenansprechpartner_node.html und https://www.bafin.de/DE/Verbraucher/BeschwerdenAnsprechpartner/Ansprechpartner /BaFin/bafin_node.html, zuletzt aufgerufen am 11.08.2020.