© 2020 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 081/20 Darstellung des Inhaberkontrollverfahrens nach dem Kreditwesengesetz Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 081/20 Seite 2 Darstellung des Inhaberkontrollverfahrens nach dem Kreditwesengesetz Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 081/20 Abschluss der Arbeit: 28. Juli 2020 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 081/20 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Anzeigepflichten 4 2.1. Auslösen der Anzeigepflicht 4 2.2. Umfang der Anzeigepflicht 5 2.3. Zeitpunkt der Anzeigepflicht 6 3. Kontrollverfahren 6 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 081/20 Seite 4 1. Einleitung Verändert sich bei einem Institut im Sinne des Kreditwesengesetzes (KWG), etwa durch rechtsgeschäftliche Übertragung von Anteilen oder durch Kapitalerhöhungen, die Inhaberstruktur, drohen verschiedene Gefahren für die Rechtsordnung. Um diesen Gefahren, die auch bei konzerninternen Vorgängen auftreten können, zu begegnen, wurde das sogenannte Inhaberkontrollverfahren normiert. Das Inhaberkontrollverfahren ist in § 2c KWG geregelt und wird durch die Inhaberkontrollverordnung (InhKontrollV) konkretisiert. Sinn und Zweck des Verfahrens ist es, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) über wesentliche Veränderungen der Inhaberstruktur von Instituten zu informieren.1 Nach Vorstellung des Gesetzgebers sollen durch diese Informationen die BaFin und die Bundesbank in der Lage sein, Anlagebetrug, Geldwäsche und andere Formen der organisierten Kriminalität zu verhindern.2 Darüber hinaus dient das Verfahren dem Gläubigerschutz, indem Solvenz und Funktionsfähigkeit der Institute gesichert werden sollen.3 2. Anzeigepflichten Das KWG normiert zunächst Anzeigepflichten, zum einen in § 2c Abs. 1 KWG die eines interessierten Erwerbers zur Anzeige seiner Beteiligungsabsicht an einem Institut nach § 1 Abs. 1b KWG und zum anderen in § 24 Abs. 1 Nr. 10 und 12 KWG die des Instituts selbst, sobald es von der bevorstehenden Änderung der Beteiligungsverhältnisse Kenntnis erlangt. 2.1. Auslösen der Anzeigepflicht Eine Beteiligungsabsicht liegt dann vor, wenn durch den Abschluss des Erwerbs in Form eines derivativen oder originären Vorgangs die Beteiligung des Erwerbers an einem Institut herbeigeführt werden soll.4 Nach Ansicht der BaFin umfasst dies auch die Absicht des Erwerbs von Options - und Wandlungsrechten, die ebenso anzeigepflichtig sind.5 Weiterhin muss die Absicht einer „bedeutenden Beteiligung“ bestehen, um nach § 2c Abs. 1 KWG eine Anzeigepflicht auszulösen. „Bedeutend“ ist die Beteiligung gemäß § 1 Abs. 9 KWG dann, wenn der Tatbestand der „qualifizierten Beteiligung“ nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 36 Kapitaladäquanzverordnung (CRR)6 erfüllt ist. Dies 1 Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO 5. Auflage 2016, § 2c KWG, Rn. 2. 2 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses zum Dritten Finanzmarktförderungsgesetz, BT-Drs. 13/9874, 138 f. 3 Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Gesetzes über das Kreditwesen und anderer Vorschriften über Kreditinstitute, BT-Drs. 12/3377, 27 f. 4 Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO 5. Auflage 2016, § 2c KWG, Rn. 6. 5 Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Umsetzung der Beteiligungsrichtlinie, BT-Drs. 16/10536, 17; Vgl. Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO 5. Auflage 2016, § 2c KWG, Rn. 7. 6 Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 646/2012 Text von Bedeutung für den EWR vom 26. Juni 2013, L 176/1. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 081/20 Seite 5 ist dann der Fall, wenn mindestens 10 Prozent des Kapitals oder der Stimmrechte eines Unternehmens direkt oder indirekt gehalten werden oder „eine andere Möglichkeit der Wahrnehmung eines maßgeblichen Einflusses auf die Geschäftsführung dieses Unternehmens“ besteht.7 Als „interessierter Erwerber“ im Sinne des § 2c Abs. 1 KWG kommen nach dem Gesetzeswortlaut nicht nur Personen, natürliche wie juristische, sondern auch Unternehmen infrage. Damit sind auch teilrechtsfähige Personengesellschaften erfasst. Die funktionale Stellung in der Konzernorganisationsstruktur wirkt sich auf den Adressatenkreis des Inhaberkontrollverfahrens nicht aus, es sind grundsätzlich alle Personen und Unternehmen, auch solche die in die Konzernaufbau bereits eingegliedert sind, mögliche „interessierte Erwerber“ im Sinne des § 2c Abs. 1 KWG. § 2c Abs. 1 KWG umfasst auch mehrere Erwerber, die zusammenwirken. Für das Vorliegen einer bedeutenden Beteiligung müssen dann die Kapital- bzw. Stimmanteile zusammengerechnet werden .8 Bei schon bestehender Beteiligung muss gemäß § 2c Abs. 1 S. 6 KWG die Absicht der Beteiligungserhöhung bei Überschreitung bestimmter Schwellenwerte angezeigt werden. Diese liegen bei 20 Prozent, 30 Prozent und 50 Prozent des Kapitals oder der Stimmrechte oder im Falle der Erlangung der Kontrolle im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Nr. 37 CRR. 2.2. Umfang der Anzeigepflicht Die erforderlichen Angaben gemäß § 2c Abs. 1 S. 2 KWG werden im Einzelnen durch §§ 4-16 InhKontrollV bestimmt. Diese umfassen persönliche Informationen des Erwerbers, die Personen und/oder Unternehmen, von denen der interessierte Erwerber die entsprechenden Anteile erwerben will und die Höhe der beabsichtigten Beteiligung. Hinzu kommen Tatsachen, die für die Begründung des maßgeblichen Einflusses, für die Beurteilung der Zuverlässigkeit des Erwerbsinteressenten und für die Beurteilung der Zuverlässigkeit der gesetzlichen oder satzungsmäßigen Vertreter oder der persönlich haftenden Gesellschafter des Erwerbers, wenn der Erwerber eine juristische Person oder Personenhandelsgesellschaft ist, wesentlich sind.9 Die §§ 8-16 InhKontrollV bestimmen darüber hinaus im Einzelnen die einzureichenden Unterlagen zur Überprüfung der Angaben. 7 Vertiefend siehe Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO 5. Auflage 2016, § 1 KWG, Rn. 272-274. 8 Vgl. Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO 5. Auflage 2016, § 2c KWG, Rn. 7. 9 Vgl. Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO 5. Auflage 2016, § 2c KWG, Rn. 7. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 081/20 Seite 6 Nach § 16 Abs. 3 S. 1 InhKontrollV kann die Aufsichtsbehörde bei konzernzugehörigen Zwischengesellschaften , dies erfasst insbesondere auch sogenannte Zwischenholdings,10 auf Unterlagen und Erklärungen verzichten, soweit die Informationen für die Prüfung des Erwerbers im Einzelfall nicht erforderlich sind. Diese Entscheidung liegt aber im Ermessen der Aufsichtsbehörde und ist nur zulässig, soweit die vom Gesetzgeber verfolgten Ziele des Inhaberkontrollverfahrens nicht gefährdet werden. § 16 Abs. 3 S. 1 InhKontrollV normiert zudem nur Erleichterungen bezüglich der Anzeigepflicht, das Kontrollverfahren findet auch in diesen Fällen vollumfänglich statt. 2.3. Zeitpunkt der Anzeigepflicht Die Anzeigepflicht entsteht gemäß § 2c Abs. 1 S. 1 KWG in dem Zeitpunkt, in dem die Absicht der Beteiligung entsteht. Die Anzeige ist dann „unverzüglich“ im Sinne des § 121 Abs. 1 S. 1 BGB, also ohne schuldhaftes Zögern, vorzunehmen. Die Feststellung, wann genau die Absicht besteht, kann im Einzelfall Schwierigkeiten bereiten.11 3. Kontrollverfahren Die Beteiligung an einem Institut im Sinne des KWG bedarf nach der Ausgestaltung des Inhaberkontrollverfahrens keiner Genehmigung durch die zuständige Aufsichtsbehörde, es besteht lediglich für einen bestimmten Zeitraum die Möglichkeit der Untersagung. Grundsätzlich hat nach Empfang der vollständigen Absichtsanzeige die BaFin gemäß § 2c Abs. 1a KWG einen Beurteilungszeitraum von 60 Tagen. Diese Frist kann unter bestimmten Voraussetzungen gehemmt oder verlängert werden, die theoretisch maximal gesetzlich mögliche Länge des Beurteilungszeitraums beläuft sich daher auf 18-19 Wochen.12 Darüber hinaus ist auch, wenn ansonsten die Untersagung der Beteiligung droht, eine einvernehmliche Fristverlängerung wohl möglich.13 Läuft der Beurteilungszeitraum ohne Untersagung ab oder erklärt die BaFin ausdrücklich , dass die Beteiligung nicht untersagt werden wird („Nichtuntersagung“)14, kann der Erwerb gemäß § 2c Abs. 1b S. 6 vollzogen werden. Daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass bis dahin ein Vollzugsverbot besteht.15 10 Der Begriff der Zwischenholding wird funktional definiert und bezeichnet „eine - einer im statutarischen Konzernaufbau übergeordneten Konzerngesellschaft nachgeschaltete - Kapitalgesellschaft, deren betrieblicher Hauptzweck in einer auf Dauer angelegten Beteiligung an mindestens einer anderen Kapitalgesellschaft liegt“, siehe Hintzen, Die Zwischenholding als Strukturelement internationaler Konzerne, Das deutsche Steuerrecht (DStR) 1998, 1319. 11 Vgl. Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO 5. Auflage 2016, § 2c KWG, Rn. 10. 12 Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO 5. Auflage 2016, § 2c KWG, Rn. 17. 13 Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO 5. Auflage 2016, § 2c KWG, Rn. 17. 14 Tusch, Die ausdrückliche „Nichtuntersagung“ durch die BaFin im Inhaberkontrollverfahren nach § 2c KWG und § 104 VAG, Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht (WM) 2013, 632. 15 Vgl. Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO 5. Auflage 2016, § 2c KWG, Rn. 26. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 081/20 Seite 7 Nach § 2c Abs. 1b KWG hat die BaFin innerhalb des Beurteilungszeitraums die Möglichkeit, den beabsichtigten Beteiligungserwerb zu untersagen. Die Gründe für eine Untersagung sind in § 2c Abs. 1b S. 1Nr. 1-6 KWG bestimmt. Erfasst sind die Annahme fehlender Zuverlässigkeit, Zweifel daran, ob das Institut den Aufsichtsanforderungen, insbesondere hinsichtlich der Konzernstruktur ,16 genügen wird, die Annahme beeinträchtigter Aufsichtsmöglichkeiten durch die Beteiligung an einem Institut, dass in einem Drittland ansässig ist, der Verdacht der Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung und der Verdacht fehlender finanzieller Solidität. Ferner kann nach § 2c Abs. 1b S. 2 KWG die Beteiligung untersagt werden, wenn die Angaben oder Unterlagen unvollständig oder unrichtig sind beziehungsweise den inhaltlichen Anforderungen nach § 24 Abs. 4 InhKontrollV nicht entsprechen. Die Untersagung der Beteiligung darf, wie § 2c Abs. 1b S. 5 Hs. 2 KWG klarstellt, nur aufgrund der abschließend genannten Gründe untersagt werden. Bei der „Nichtuntersagung“ dürfte es sich um einen feststellenden Verwaltungsakt mit dem Inhalt sein, dass die BaFin die Beteiligung nicht untersagt.17 Ein solcher kann auch ohne spezialgesetzliche Regelung, eine solche ist nämlich in § 2c KWG nicht zu finden, mit belastenden Nebenbestimmungen nach § 36 Abs. 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) ergehen.18 Diese Möglichkeit muss insbesondere im Rahmen des Inhaberkontrollverfahrens nach § 2c KWG bestehen, da ansonsten die einzige Handlungsmöglichkeit der BaFin die Untersagung wäre. Eine Nichtuntersagung in Verbindung mit belastenden Nebenbestimmungen wäre im Vergleich das mildere Mittel und ist daher erst recht zulässig.19 Zuständig für das Inhaberkontrollverfahren ist grundsätzlich nach § 2c Abs. 1a S. 1 KWG die BaFin. Handelt es sich bei der Beteiligung aber um eine bedeutende Beteiligung an einem CRR- Kreditinstitut legt die BaFin gemäß § 2c Abs. 1a S. 10 KWG lediglich einen Beschlussentwurf der Europäischen Zentralbank (EZB) vor, diese hat dann die alleinige Kompetenz nach Art. 15 Abs. 3 der Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 (Einheitlicher Aufsichtsmechanismus-VO)20 die Beteiligung zu untersagen. *** 16 Vgl. Schäfer in Boos/Fischer/Schulte-Mattler (Hrsg.), KWG, CRR-VO 5. Auflage 2016, § 2c KWG, Rn. 16. 17 Tusch, Die ausdrückliche „Nichtuntersagung“ durch die BaFin im Inhaberkontrollverfahren nach § 2c KWG und § 104 VAG, Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht (WM) 2013, 632, 638. 18 Tiedemann in Bader/Ronellenfitsch (Hrsg.) BeckOK VwVfG 47. Edition Stand: 01.04.2020, § 36, Rn. 7. 19 Vgl. Tusch, Die ausdrückliche „Nichtuntersagung“ durch die BaFin im Inhaberkontrollverfahren nach § 2c KWG und § 104 VAG, Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht (WM) 2013, 632, 635. 20 Verordnung (EU) Nr. 1024/2013 des Rates zur Übertragung besonderer Aufgaben im Zusammenhang mit der Aufsicht über Kreditinstitute auf die Europäische Zentralbank vom 15. Oktober 2013, L 287/63.