© 2013 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 - 081/13 „Auskehr“ von Gewinnanteilen im Sinne von Nr. 4 Satz 2 der Ausführungsbestimmungen zu den Verhaltensregelungen für Mitglieder des Deutschen Bundestages Steuerrechtliche Betrachtung Sachstand Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 081/13 Seite 2 „Auskehr“ von Gewinnanteilen im Sinne von Nr. 4 Satz 2 der Ausführungsbestimmungen zu den Verhaltensregelungen für Mitglieder des Deutschen Bundestages Steuerrechtliche Betrachtung Aktenzeichen: WD 4 - 3000 - 081/13 Abschluss der Arbeit: 13. Juni 2013 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 081/13 Seite 3 1. Einführung Für die Abgeordneten des Deutschen Bundestags gelten die Verhaltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestags (VR)1 und die dazu erlassenen Ausführungsbestimmungen (AB).2 Hinsichtlich der Ausführungsbestimmungen bedürfe es der Klärung, wie der Begriff der „ausgekehrten Anteile am Gesellschaftsgewinn“ in Nr. 4 Satz 2 AB zu verstehen sei. In der Praxis stelle sich die Frage, ob eine „Auskehr“ des Anteils am Gesellschaftsgewinn bereits dann vorliegt, wenn der Gewinnanteil auf dem Kapitalkonto des Gesellschafters gutgeschrieben wird, oder erst dann, wenn eine Entnahme durch die Gesellschafter erfolgt. In diesem Zusammenhang wurde um die Prüfung gebeten, welchen Inhalt der Begriff der „Auskehr“ von Gewinnanteilen im Steuerrecht hat. Der Begriff „Auskehr“ von Einkünften wird im Steuerrecht nicht verwendet. Gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) unterliegen die Einkünfte der sieben Einkunftsarten der Besteuerung, wenn sie „erzielt“ werden. Bei unterschiedlichen Einkunftsarten gibt es verschiedene gesetzliche Regelungen, wann Einkünfte als „erzielt“ gelten. Steuerrechtlich ist zudem die Unterscheidung der Gesellschaftsformen, Kapitalgesellschaft und Personengesellschaft3, entscheidend. Deswegen wird nachfolgend allgemein das Zuflussprinzip erklärt und dann auf die steuerliche Behandlung von Gewinnanteilen bei Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften eingegangen. 2. Das Zu- und Abflussprinzip Als Gewinnermittlungsprinzipien werden einerseits der Betriebsvermögensvergleich und andererseits die Einnahme-Überschuss-Rechnung angewandt. Wann die Betriebseinnahmen anzusetzen sind, bestimmt sich für diejenigen, die nach § 4 Abs. 3 EStG die Einnahme- Überschuss-Rechnung anwenden, nach dem Zu- und Abflussprinzip. Danach sind Betriebseinnahmen grundsätzlich in dem Kalenderjahr anzusetzen, in dem sie zugeflossen sind, § 11 Abs. 1 S. 1 EStG.4 Zufluss heißt Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht.5 1 In der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Dezember 1986 (BGBl. 1987 I S. 147), zuletzt geändert durch Beschluss vom 30. Juni 2005, Bekanntmachung vom 12. Juli 2005 (BGBl. 2005 I S. 2512). 2 In der Fassung der Bekanntmachung vom 30. Dezember 2005 (BGBl. I 2006 S. 10), zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 12. November 2010 (BGBl. I S. 1614). 3 Freiberufler können beispielsweise in einer BGB-Gesellschaft, einer Personenhandelsgesellschaft oder Partnerschaft nach Partnerschaftsgesellschaftsgesetz sowie einer Kapitalgesellschaft organisiert sein. Schließen sich Freiberufler zu einer Personengesellschaft oder einer Partnerschaft nach Partnerschaftsgesellschaftsgesetz zusammen, sind die allgemeinen Vorschriften für gewerbliche Personengesellschaften anzuwenden, vgl. §§ 18 Abs. 4 S. 2, 15 EStG. 4 Birk, Dieter, Steuerrecht, 14. Auflage 2011, Rn.934. 5 Birk, Dieter, Steuerrecht, 14. Auflage 2011, Rn.934. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 081/13 Seite 4 Aufgrund der Geltung des Zu- und Abflussprinzips werden die Betriebseinnahmen und -ausgaben nicht unbedingt in dem Jahr erfasst, zu dem sie wirtschaftlich gehören. Es kommt vielmehr darauf an, wann der Geldzufluss oder --abfluss stattfindet. Dies ist der wesentliche Unterschied zur Gewinnermittlung nach dem Betriebsvermögensvergleich (§§ 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 EStG), nach der Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben in der Erfolgsrechnung des Wirtschaftsjahrs berücksichtigt werden, zu dem sie wirtschaftlich gehören.6 Im Unterschied zur Bilanzierung bleiben Vermögensumschichtungen grundsätzlich außer Ansatz. So wird zum Beispiel nur der Zahlungseingang und nicht schon der Zugang einer Forderung angesetzt. Verbindlichkeiten bzw. Rückstellungen stellen keine Vermögensabflüsse im Sinne einer Überschussrechnung dar.7 3. Behandlung von Gewinnanteilen an Kapitalgesellschaften Für Anteile an Kapitalgesellschaften gilt Folgendes: Soweit Beteiligungen nicht im Betriebsvermögen gehalten werden (vgl. § 20 Abs. 8 EStG), handelt es sich bei Gewinnanteilen um Einkünfte aus Kapitalvermögen. Ihre Besteuerung gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG hängt von deren Zufluss ab, der ausschließlich nach § 11 EStG zu bestimmen ist.8 Der Zufluss liegt vor, wenn der Steuerpflichtige über die Einnahmen wirtschaftlich verfügen kann (s.o.).9 Maßgeblich ist daher grundsätzlich der Zeitpunkt der Auszahlung der Gewinnanteile.10 Da der beherrschende Gesellschafter es in der Hand hat, Beträge stehen zu lassen oder sich auszahlen zu lassen, fließen ihm der Höhe nach feststehende unbestrittene Forderungen (z.B. Gewinnanteile, -tantiemen, Zinsen) gegen eine zahlungsfähige Gesellschaft bereits zum Fälligkeitszeitpunkt auch ohne Gutschrift auf ein Verrechnungskonto zu. Dies wird damit begründet, dass der beherrschende Gesellschafter es in der Hand hat, sich die Beträge auszahlen zu lassen.11 Fälligkeit und Zufluss tritt bei Gewinnanteilen und Tantiemen mit Beschluss über die Feststellung des Jahresabschlusses und Gewinnverwendung ein, soweit die Satzung keine abweichenden Regelungen enthält.12 Die Vereinbarung eines abweichenden Auszahlungstermins ist grundsätzlich unbeachtlich und hindert den Zufluss nicht.13 6 Birk, Dieter, Steuerrecht, 14. Auflage 2011, Rn. 935. 7 Hey, Johanna, in: Tipke/ Lang, Steuerrecht, 21. Auflage 2013, § 8 Rn. 192. 8 Glenk, Heinrich, in: Blümich, EStG, KStG, GewStG, Kommentar, 117. Aufl. § 11 Rn. 80. 9 BFH VIII R 24/98 v. 17.11.98, BStBl II 99, 223. 10 Dürr, Ulrich, in: Frotscher, Kommentar zum Einkommensteuergesetz (EStG) Stand: 15.07.2008, § 11, Rn. 70, Stichwort „Gewinnanteile - Gewinne von Mitunternehmern“. 11 Glenk, Heinrich, in: Blümich, EStG, KStG, GewStG, Kommentar, 117. Aufl. § 11 Rn. 81; BFH VIII R 24/98 v. 17.11.98, BStBl II 99, 223. 12 Glenk, Heinrich, in: Blümich, EStG, KStG, GewStG, Kommentar, 117. Aufl. § 11 Rn. 81. 13 Glenk, Heinrich, in: Blümich, EStG, KStG, GewStG, Kommentar, 117. Aufl. § 11 Rn. 81; BFH VIII R 24/98 v. 17.11.98, BStBl 99, 223. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 081/13 Seite 5 4. Behandlung von Gewinnanteilen an Personengesellschaften Da die Personengesellschaft im Einkommensteuergesetz nicht Subjekt der Einkünfteerzielung ist, kann der Gewinn des von ihr betriebenen Gewerbebetriebs nur bei ihren Gesellschaftern in Form ihrer Gewinnanteile erfasst werden.14 Die Gewinnanteile entstehen durch die Gewinnverwirklichung bei der Gesellschaft und die Zurechnung des Gesellschaftsgewinns zu den Gesellschaftern.15 Der Gewinn eines Betriebs einer Personengesellschaft entsteht wie bei einem Einzelunternehmen mit Ablauf des Wirtschaftsjahres. Dementsprechend gelten die Gewinnanteile der Gesellschafter als von ihnen mit Ablauf des Wirtschaftsjahres im Sinne von § 2 Abs. 1 S. 1 EStG „erzielt“. Dies ist unabhängig davon, dass durch die einzelnen Geschäftsvorfälle der Tatbestand der Einkünfteerzielung schon früher verwirklicht ist. Wann der Gewinnanteil dem Mitunternehmer zufließt, ist unerheblich. Das Zufluss- und Abflussprinzip (§ 11 EStG) ist nicht anwendbar.16 Anders als bei einer Kapitalgesellschaft kommt es nicht darauf an, ob ein Gewinnverteilungsbeschluss gefasst und der Gewinn formell verteilt worden ist. Es ist deshalb für die Erfassung des Gewinns unerheblich, ob die Gewinnanteile von den Gesellschaftern entnommen werden.17 Selbst wenn der Gewinn wegen einer schlechten Liquiditätslage der Gesellschaft nicht entnommen werden kann oder eine Entnahme vertraglich ausgeschlossen ist, und der Gewinn zur Bildung von Rücklagen verwendet oder auf das nächste Wirtschaftsjahr vorgetragen wird, ist er den Gesellschaftern unmittelbar zuzurechnen. 18 In anderen Worten ist es ohne Bedeutung, ob der Gewinn entnahmefähig ist, ob und gegebenenfalls wann die Gesellschafter eine Gewinnausschüttung beschließen und diese den einzelnen Gesellschaftern zufließt.19 Auch der Anspruch eines Kommanditisten auf seinen Gewinnanteil entsteht steuerrechtlich am Bilanzstichtag ohne Rücksicht darauf, wann der Anteil festgestellt, gutgeschrieben oder ausgeschüttet wird.20 Dies liegt daran, dass sonst bis zur Feststellung des Jahresabschlusses der Gewinn niemandem zurechenbar wäre, weil die Personengesellschaft insoweit nicht selbst Subjekt der Besteuerung ist.21 Der Zufluss des Gewinns bei dem einzelnen Mitunternehmer ist danach keine 14 Bode, Walter, in: Blümich, EStG, KStG, GewStG, Kommentar, 117. Aufl., § 15 Rn. 489. 15 Bode, Walter, in: Blümich, EStG, KStG, GewStG, 117. Aufl., Kommentar, § 15 Rn. 489; für die Gewinnermittlung gelten die allgemeinen Vorschriften über die Gewinnermittlung nach §§ 4 bis 7 g EStG. 16 Dürr, Ulrich, in: Frotscher, Kommentar zum Einkommensteuergesetz (EStG) Stand: 15.07.2008, § 11, Rn. 70, Stichwort „Gewinnanteile - Gewinne von Mitunternehmern“. 17 Bode, Walter, in: Blümich, EStG, KStG, GewStG, Kommentar, 117. Aufl., § 15 Rn. 493. 18 Bode, Walter, in: Blümich, EStG, KStG, GewStG, Kommentar, 117. Aufl., § 15 Rn. 493. 19 BFH VIII R 12/09 v. 15.11.2011, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 2012, 557, 558. 20 Bode, Walter, in: Blümich, EStG, KStG, GewStG, Kommentar, 117. Aufl., § 15 Rn. 493. 21 BFH VIII R 12/09 v. 15.11.2011, NJW 2012, 557. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 - 081/13 Seite 6 Voraussetzung für die anteilige steuerliche Zurechnung des gemeinschaftlich erzielten Gewinns. Voraussetzung dafür ist lediglich, dass die Gesellschafter den Gewinn in gemeinschaftlicher Verbundenheit „erzielt“ haben, vgl. § 2 Abs. 1 EStG.22 Das ist grundsätzlich der Fall, sobald er nach Maßgabe der handels- und steuerrechtlichen Gewinnermittlungsvorschriften entstanden ist.23 Ermittelt die Gesellschaft ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG, kommt es für einen Zufluss (§ 11 Abs. 1 EStG) allein auf die Gesellschaft an.24 Das Zufluss- und Abflussprinzip ist dann lediglich für die einzelnen Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben anzuwenden.25 Der Gewinn ist damit entstanden, sobald er bei der Gesellschaft entstanden ist. Der die Besteuerung rechtfertigende Zuwachs an finanzieller Leistungsfähigkeit liegt hier – unabhängig vom Zufluss verfügbarer Zahlungsmittel – bereits in der rechtlichen Zuweisung des anteiligen Gewinns.26 5. Zusammenfassung Der Begriff der „Auskehr“ wird steuerrechtlich nicht verwendet. Für Zwecke der Besteuerung kommt es nicht auf eine Auskehr im Sinne einer Auszahlung an. Bei der Besteuerung von Gewinnanteilen an Kapitalgesellschaften gilt das Zuflussprinzip. Der Zufluss liegt vor, wenn der Gesellschafter über die Einnahme wirtschaftlich verfügen kann. Beim beherrschenden Gesellschafter fließt der Gewinnanteil bereits zum Fälligkeitszeitpunkt auch ohne Gutschrift auf ein Verrechnungskonto zu. Bei der Besteuerung von Gewinnanteilen an Personengesellschaften ist das Zuflussprinzip nicht anwendbar. Die Gewinnanteile der Gesellschafter gelten mit Ablauf des Wirtschaftsjahres als erzielt. Anders als bei einer Kapitalgesellschaft kommt es nicht darauf an, ob ein Gewinnverteilungsbeschluss gefasst und der Gewinn formell verteilt worden ist. 22 BFH VIII R 12/09 v. 15.11.2011, NJW 2012, 557, 558. 23 BFH VIII R 12/09 v. 15.11.2011, NJW 2012, 557, 558. 24 BFH VIII R 12/09 v. 15.11.2011, NJW 2012, 557, 558. 25 Dürr, Ulrich, in: Frotscher, Kommentar zum Einkommensteuergesetz (EStG) Stand: 15.07.2008, § 11, Rn. 70, Stichwort „Gewinnanteile- Gewinne von Mitunternehmern“. 26 BFH VIII R 12/09 v. 15.11.2011, NJW 2012, 557, 558.