Deutscher Bundestag Differenzierung der Grundsteuer für land- und forstwirtschaftlich genutzte Grundstücke Folgeauftrag zu WD 4 – 3000 – 058/11 Sachstand Wissenschaftliche Dienste WD 4 – 3000 - 081/11 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 – 3000 – 081/11 Seite 2 Differenzierung der Grundsteuer für land- und forstwirtschaftlich genutzte Grundstücke Folgeauftrag zu WD 4 – 3000 – 058/11 Verfasserin: Aktenzeichen: WD 4 – 3000 – 081/11 Abschluss der Arbeit: 13. Mai 2011 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 – 3000 – 081/11 Seite 3 Ergänzend zum Auftrag WD 4 – 3000 – 058/11 wird die Fragestellung zur Erhebung der Grundsteuer für land- und forstwirtschaftlich genutzte Grundstücke weiter vertieft. Die Grundsteuer zählt finanzgeschichtlich zu den ältesten Formen der direkten Besteuerung. Sie geht bis in die Antike zurück und wurde von den Römern über die Alpen gebracht. Auf deutschem Boden wurde die Grundsteuer zunächst durch kirchliche und grundherrliche Grundzehnten und Grundzinsen erhoben und im Mittelalter unter dem Namen "Bede" von einer Bittsteuer zu einer Pflichtsteuer neu entwickelt. Sie erlangte im Zeitalter der Agrarwirtschaft (mit Bezeichnungen wie Hufenschoß, Bauernschoß, Grundschoß oder Kontribution) eine beherrschende Stellung , sie war die Hauptsteuer in den Steuersystemen der Territorien. Zu dieser Zeit war die Vorstellung verbreitet, dass der „Boden die ursprüngliche und einzige Quelle des Reichtums einer Volkswirtschaft sei“.1 Während bei den älteren Grundsteuerformen nur rohe Schätzungen des Bodenwerts nach dem Flächeninhalt (Hufe, Morgen) zugrunde gelegt wurden, kam mit der Ausbildung des Katasterwesens im 18. Jahrhundert die Bonitierung nach Kulturart und Bodenqualität hinzu. Darauf bauten die Grundsteuergesetze im Rahmen der einzelstaatlichen Ertragsteuersysteme des 19. Jahrhunderts auf (so z.B. die Gesetze in Bayern von 1811, Württemberg von 1821, Baden von 1854, Preußen von 1861). Durch die Miquelsche Steuerreform von 1891/93 wurde die Grundsteuer in Preußen grundsätzlich den Gemeinden überlassen. Angesichts der Finanznot nach dem Ersten Weltkrieg wurde bei der Reichsfinanzreform 1920 den Ländern die Ausschöpfung dieser Steuern direkt zur Pflicht gemacht. Die daraufhin erfolgten unterschiedlichen Landesregelungen wurden erst bei der Realsteuerreform von 1936 durch ein reichseinheitliches Grundsteuergesetz abgelöst, das die Ertragskompetenz allgemein den Gemeinden übertrug. Nach 1945 sind in verschiedenen Ländern neue Grundsteuervorschriften erlassen worden, die 1951 durch ein bundeseinheitliches Grundsteuergesetz abgelöst wurden. Steuergegenstand für die Grundsteuer ist immer die wirtschaftliche Einheit des Grundbesitzes. Deshalb werden zwei Arten von Steuergegenständen (§ 2 GrStG) unterschieden, die Betriebe der Land- und Forstwirtschaft und die anderen Grundstücke. Diese Unterscheidung setzen §§ 14 und 15 GrStG fort, in dem unterschiedliche Steuermesszahlen für diese Steuergegenstände definiert werden. Aus dieser Unterscheidung der Steuergegenstände heraus spricht man von der Grundsteuer A für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft und von der Grundsteuer B für Grundstücke. Die Recherche hat ergeben, dass die Unterteilung in zwei Grundsteuerarten bis ins Jahr 1936 zurückgeht und im § 3 des Grundsteuergesetzes vom 1. Dezember 1936 begründet ist. Nach Mitteilung des Bundesministeriums der Finanzen wird die Unterteilung in Grundsteuer A und Grundsteuer B historisch damit begründet, dass die Grundsteuer A die Gewerbesteuer der Landwirte darstelle und erhoben werde, weil die Betriebe der Land- und Forstwirtschaft keine Gewerbesteuer zahlen. Durch eine höhere Steuermesszahl wollte man diese Betriebe ursprünglich höher belasten. In der Regel wurde diese Absicht jedoch durch die den Gemeinden zustehende Hebesatzautonomie abgeschwächt, weil die Hebesätze für die Grundsteuer A oftmals unter denen der Grundsteuer B lagen und auch heute noch liegen. Aus Veröffentlichungen lassen sich noch weitere Begründungen für die zwei Grundsteuerarten ableiten: Die Grundsteuer ist steuertechnisch gesehen unter anderem eine Ertragssteuer. Sie war 1 C. A. Andreae: Die Grundsteuer in der Reform der Bodenpolitik, in: Wirtschaftspolitische Blätter, Jg XXI, 1974, S. 290 ff Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 – 3000 – 081/11 Seite 4 ursprünglich bis ins 19. Jahrhundert die Hauptsteuer, die auf Erträge des landwirtschaftlich genutzten Bodens erhoben wurde. Der Boden wurde als ursprünglichste und einzige Quelle des wirtschaftlichen Reichtums angesehen. Die Erhebung der Grundsteuer auf Grundstücke (Grundsteuer B) gewann an Bedeutung, „als das Wohnen im eigenen Haus nicht mehr die herrschende Wohnform darstellte“2 und Wohnungen als Kapitalanlage gebaut wurden, die einen wahrnehmbaren Betrag abwarfen und somit in die Ertragsbesteuerung einbezogen werden konnten. Im Laufe der Entwicklung verlor die Grundsteuer A insgesamt immer mehr an Bedeutung; sie stellt einen weitaus geringen Anteil am Grundsteueraufkommen dar. In der Tabelle in Anlage 3 ist ein Beispiel für das gegenwärtige Steueraufkommen genannt. Erwähnenswert an dieser Stelle ist die Auffassung von Finanzexperten der Bundestagsparteien zu den steuerrechtlichen Besonderheiten der Land- und Forstwirtschaft, die in der Monatszeitschrift des Deutschen Bauernverbandes „Deutsche Bauernkorrespondenz“ (Heft 4/2011, S. 22 ff) veröffentlicht wurde. Franz -Joseph Holzenkamp von der Fraktion der CDU/CSU rechtfertigt die Sonderbehandlung damit, dass land- und forstwirtschaftlichen Betriebe Leistungen erbringen, die weit über ihre eigentliche produktive Tätigkeit hinausgehen. Georg Fahrenschon, bayerischer Finanzminister, begründet die Notwendigkeit beider Grundsteuerarten damit, dass die agrarisch geprägten Gemeinden immer noch einen erheblichen Teil des Grundsteueraufkommens erbringen . Dr. Volker Wissing von der FDP argumentiert dahingehend, das für flächengebundene, landwirtschaftliche Betriebe eine angemessene Grundsteuer eine Existenzfrage darstellte. Nach der Auffassung von Dr. Thomas Gambke von Bündnis 90/ die Grünen erfüllt die Grundsteuer A den Zweck, einer angemessenen Gegenleistung für die Nutzung der Infrastruktur. Nicolette Kressel von der SPD begründet die bisherige Sonderbehandlung bei der Besteuerung der Betriebe der Land- und Forstwirtschaft mit dem Ziel, langfristig die bäuerlichen Betriebe erhalten zu können. Die steuerliche Belastung beider Steuerarten (Grundsteuer A und Grundsteuer B) kann im Einzelnen nicht beurteilt werden. Wie schon im Erstauftrag dargestellt, setzt sich der Betrag der Jahresgrundsteuer neben dem Einheitswert und der Steuermesszahl auch aus dem Hebesatz zusammen . Nach Art. 106 Abs. GG obliegt es den Gemeinden die Höhe der Hebesätze zu bestimmen . Über die in den einzelnen Gemeinden festgelegten Hebesätze und die daraus berechnete Jahresgrundsteuer A und B liegen uns keine Daten vor. Aus einem Aufsatz von Hubert Schödel aus dem Jahre 1967 konnten lediglich Zahlenangaben zur steuerlichen Belastung beider Grundsteuerarten für das Land Bayern entnommen werden: 2 C. A. Andreae: Die Grundsteuer in der Reform der Bodenpolitik, in: Wirtschaftspolitische Blätter, Jg XXI, 1974, S. 291 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 – 3000 – 081/11 Seite 5 Steigerung der Hebesätze zwischen 1952 und 1966 in Bayern Kalenderjahr Grundsteuer A in v. H. Grundsteuer B in v. H. (durchschnittlich) 1952 146,0 239,0 1956 166,8 239,0 1960 198,0 239,0 1961 215,0 239,0 1966 256,0 239,0 Die starke Steigerung des Hebesatzes bei der Grundsteuer A wird mit der kommunalen Finanznot begründet . Das Land Bayern erhöhte die Grundsteuer A gerade deshalb, weil dort große Waldgebiete überwiegen und mit einem höheren Hebesatz auch höhere Grundsteuereinnahmen erzielt werden konnten. An diesem Beispiel wird deutlich, dass die Gemeinden die Gestaltung der Hebesätze wesentlich nach ihrem finanziellen Bedarf ausrichten. Aus dem Bundesministerium der Finanzenliegen liegen Durchschnittshebesätze der Gemeinden vor, die jedoch keine Rückschlüsse auf die Gestaltung in den einzelnen Gemeinden zulassen. Die veröffentlichten Daten sind als Anlage 1 bis 3 beigefügt. Die in Tabelle 1 dargestellten Durchschnittshebesätze für die Grundsteuer A sind für alle Kalenderjahre 1992 bis 2009 jeweils niedriger als die Hebesätze für die Grundsteuer B. Das Beispiel Bayern bestätigt das jedoch nicht. Da für die Berechnung der Jahresgrundsteuer auch die Steuermesszahl eine Rolle spielt, die für Betriebe der Land- und Forstwirtschaft höher ist (6 v. H.) als für die anderen Steuergegenstände, wird durch den niedrigeren Durchschnittshebesatz m. E. ein gewisser Ausgleich hinsichtlich der Steuerbelastung erzielt. Ob sich das in den einzelnen Gemeinden tatsächlich so gestaltet, kann aufgrund fehlender Daten nicht belegt werden.