© 2019 Deutscher Bundestag WD 4 - 3000 – 080/19 Einzelfragen zum Grundsatz der Wirtschaftlichkeit Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 – 080/19 Seite 2 Einzelfragen zum Grundsatz der Wirtschaftlichkeit Aktenzeichen: WD 4 - 3000 – 080/19 Abschluss der Arbeit: 3. Juli 2019 Fachbereich: WD 4: Haushalt und Finanzen Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 – 080/19 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Fragestellung 4 2. Einzelne Fragen 4 2.1. Welche Bestimmungen der BHO und/oder der allgemeinen Haushaltsgrundsätze beschäftigen sich mit dem Prinzip der Wirtschaftlichkeit in Bezug auf bekannte Rechtsrisiken? 4 2.2. In welchem Rahmen oder Zusammenhang verstößt ein Mitglied der Regierung gegen BHO und/oder allgemeine Haushaltsgrundsätze, wenn trotz Kenntnis bestehender Rechtsrisiken in Bezug auf die Umsetzung eines Projektes in der Vertragsgestaltung mit externen Firmen keine Klauseln zum Abschluss von Schadensersatzforderungen o.ä. enthalten sind, sollten die Umsetzung des Projektes durch Gerichte gestoppt werden? 6 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 – 080/19 Seite 4 1. Fragestellung Vorliegendem Auftrag liegen folgende Fragen im Zusammenhang mit der Umsetzung des Projekts „Infrastrukturabgabe“ zugrunde. 2. Einzelne Fragen 2.1. Welche Bestimmungen der BHO und/oder der allgemeinen Haushaltsgrundsätze beschäftigen sich mit dem Prinzip der Wirtschaftlichkeit in Bezug auf bekannte Rechtsrisiken? Wesentliche Maßstäbe für das Handeln der Exekutive bilden der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung nach Art. 20 Abs. 3 GG und das in § 6 Haushaltsgrundsätzegesetz (HGrG)1 und § 7 Bundeshaushaltsordnung (BHO)2 verankerte Gebot, bei der Aufstellung und Ausführung des Haushaltsplans die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (Wirtschaftlichkeitsgrundsatz ) zu beachten. Gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 BHO sind für alle finanzwirksamen Maßnahmen angemessene Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen durchzuführen. Finanzwirksam ist eine Maßnahme, wenn sie die Einnahmen oder die Ausgaben des Bundeshaushalts direkt oder indirekt beeinflusst.3 Nach § 7 Abs. 2 Satz 2 BHO ist die mit einer finanzwirksamen Maßnahme verbundene Risikoverteilung in der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung zu berücksichtigen. Hinsichtlich der Risiken ist zwischen projektspezifischen (z. B. ungewisser Baugrund, Materialschwächen) und systematischen Risiken (z. B. Zinsänderungen, Inflation, politische Ereignisse, Naturkatastrophen) zu unterscheiden.4 Letztere können nicht von den Projektbeteiligten beeinflusst werden und sind von gesamtwirtschaftlicher Relevanz.5 Das hier in Rede stehende Rechtsrisiko besteht in der Gefahr der gerichtlichen Feststellung der Rechtswidrigkeit der gesetzlichen Rechtsgrundlage für die Projektdurchführung (Infrastrukturabgabe ). Es betrifft damit den möglichen Wegfall der Rechtsgrundlage mit der Folge der Projektunterlassung . Dieses Risiko gründet sich letztlich darauf, dass weiterhin bestehende Zweifel an der Rechtmäßigkeit des beschlossenen Gesetzes in der Klageerhebung Betroffener ihren Ausdruck finden. 1 Vom 19.8.1969, BGBl. I S. 1273, zuletzt geändert durch Art. 10 des Gesetzes vom 14.8.2017, BGBl. I S. 3122. 2 Vom 19.8.1969, BGBl. I S. 1284, zuletzt geändert durch Art. 11 des Gesetzes vom 14.8.2017, BGBl. I S. 3122. 3 Vgl. Demir, in: Scheller (Hrsg.), Kommentar zum Haushaltsrecht, August 2018, § 7 BHO Rn 22 ff. 4 Vgl. Nöhrbaß, in: Piduch, Bundeshaushaltsrecht, 47. Erg.-Lfg. Januar 2013, § 7 BHO Abschnitt VI. 5 Vgl. Demir, a.a.O. § 7 BHO Rn 53. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 – 080/19 Seite 5 Dieses Risiko fällt nicht unter die vorstehend genannten Risiken.6 Das Haushaltsrecht und die Haushaltspraxis basieren auf der berechtigten Annahme der Rechtmäßigkeit gesetzgeberischer Entscheidungen im Sinne des Art. 20 Abs. 3 GG. Sie bilden die Grundlage für die Durchführung von Projekten. Eine Berücksichtigung des beschriebenen spezifischen Risikos im Rahmen der Projektdurchführung ist daher sowohl dem Haushaltsrecht als auch der Haushaltspraxis fremd.7 Eine Erfassung dieses Risikos im Rahmen der Projektumsetzung würde vorliegend zu Handlungsalternativen führen, die unter rechtlichen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten mit nicht unproblematischen Folgen verbunden wären: - Abwarten des Ausgangs des Rechtsstreits; diese Handlungsoption dürfte sich insbesondere als problematisch im Hinblick auf § 34 BHO erweisen. Nach dieser Vorschrift sind bei Fälligkeit die dem Bund zustehenden Einnahmen vollständig zu erheben. Die rechtzeitige Erhebung der Infrastrukturabgabe setzt die Bereitstellung der dafür erforderlichen Infrastruktur voraus. Diese ist mit erheblichem Zeitaufwand verbunden und bedingt daher eine möglichst frühzeitige Auftragsvergabe . Eine Verschiebung der Projektumsetzung könnte deshalb zu Einnahmeausfällen und damit zum möglichen Verstoß gegen § 34 BHO führen. Die gesetzlich angeordnete Aussetzung der Erhebung als Ausnahme von § 34 BHO8 könnte wiederum die Wirtschaftlichkeit des Projektes – zumindest auf mittelfristige Sicht – gefährden. - Verlagerung des Rechtsrisikos auf den Auftragnehmer durch entsprechende Vertragsgestaltung ; Diese Handlungsalternative setzt die Bereitschaft des Auftragnehmers voraus, das Risiko zu übernehmen. Eine kostenlose Risikoübernahme durch den Auftragnehmer lässt sich vorliegend ausschließen. Eine Verteilung von Risiken zwischen der öffentlichen Hand und privaten Vertragsparteien müsste auch hier den Grundsätzen Rechnung tragen , die für die Risikoverteilung im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen im Sinne des § 7 Abs. 2 BHO gelten. Hiernach sollten die Risiken jeweils dem Vertragspartner zugeordnet werden, der sie aufgrund seiner Kompetenz am besten einschätzen und steuern kann.9 In Anbetracht dessen ließe sich vorliegend ein vertraglicher Ausschluss von Schadensersatzforderungen des Auftragnehmers wegen des Risikos des 6 Die Wirtschaftlichkeitsuntersuchung dient der Prüfung der Wirtschaftlichkeit eines Projektes und betrifft die Frage des „ob“ der Projektdurchführung (vgl. Nöhrbaß, a.a.O. § 7 Abschnitt C.I.). Sie erfolgt im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens und ist zeitlich dem Gesetzesbeschluss vorgelagert. Die Wirtschaftlichkeit des betrachteten Projektes setzt hierbei zwingend die Rechtmäßigkeit des zu beschließenden Gesetzes voraus. 7 Verfassungsklagen im Zusammenhang mit belastenden Steuergesetzen sind ein nicht selten vorkommendes Phänomen, ohne dass die Risiken dieser Rechtstreitigkeiten haushaltsmäßig abgebildet werden. Vgl. z. B.: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 13.4.2017 (2 BvL 6/13) – Nichtigkeit des Kernbrennstoffsteuergesetzes . Rückzahlungsverpflichtung des Bundes – 6,285 Mrd. Euro. 8 Z. B. im Rahmen der jährlichen Haushaltsgesetze. 9 Vgl. Nöhrbaß, a.a.O., § 7 Abschnitt V.3. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 4 - 3000 – 080/19 Seite 6 Wegfalls der Geschäftsgrundlage kaum begründen.10 Die Vereinbarung einer angemessenen Entschädigung im Falle des Risikoeintritts würde hingegen die Wirtschaftlichkeit des Projektes negativ beeinflussen. 2.2. In welchem Rahmen oder Zusammenhang verstößt ein Mitglied der Regierung gegen BHO und/oder allgemeine Haushaltsgrundsätze, wenn trotz Kenntnis bestehender Rechtsrisiken in Bezug auf die Umsetzung eines Projektes in der Vertragsgestaltung mit externen Firmen keine Klauseln zum Abschluss von Schadensersatzforderungen o.ä. enthalten sind, sollten die Umsetzung des Projektes durch Gerichte gestoppt werden? Eventuelle haushaltsrechtliche Verstöße durch Mitglieder der Bundesregierung können im Rahmen des Haushaltsrechts politisch sanktioniert werden, etwa in Gestalt der Verweigerung der Entlastung der Bundesregierung durch Bundestag und Bundesrat (Art. 114 Abs. 1 GG). **** 10 Im Falle der Durchsetzung eines solchen Ausschlusses könnte sich die Frage nach der unzulässigen Rechtsausübung durch den Auftraggeber stellen verbunden mit der möglichen Rechtsfolge der Ungültigkeit dieser Vertragsklausel .